TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/20 99/08/0143

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Veröffentlicht am 20.10.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs6;
AVG §72 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Saskia Leinschitz, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schelleingasse 14-16/4/7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 15. Mai 1999, Zl. 120.750/2-7/98, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in einer Angelegenheit der Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. K Ges.m.b.H. in W, 2. Wiener Gebietskrankenkasse in 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, 3. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1,

4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Wien, in 1011 Wien, Weihburggasse 30, 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den mit ihr vorgelegten Kopien des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse stellte mit Bescheid vom 7. Oktober 1996 fest, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der erstmitbeteiligten Partei in der Zeit vom 15. Juli 1988 bis 27. September 1988 und vom 7. Oktober 1988 bis 24. November 1988 nicht der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei. Dieser Bescheid sei der Beschwerdeführerin am 17. Oktober 1996 durch Hinterlegung zugestellt worden.

Am 26. Dezember 1997 habe die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Einspruch erhoben. Der Landeshauptmann von Wien habe mit Bescheid vom 11. Februar 1998 den Einspruch als verspätet zurückgewiesen.

In der Berufung gegen den Einspruchsbescheid habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, sie habe bereits im Einspruch ausgeführt, dass sie aus nicht in ihrer Sphäre liegenden Umständen an der rechtzeitigen Einbringung des Einspruches gehindert gewesen sei. Sie habe damit Gründe genannt, aus welchen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß "§ 71 Abs. 1 lit. a AVG" gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren sei. Dieses Vorbringen sei vollkommen übergangen worden und die Zurückweisung des Einspruches lediglich darauf gestützt worden, dass der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes rechtsgültig zugestellt worden sei und der Einspruch daher als verspätet eingebracht gelte.

Die belangte Behörde führte im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aus, dass Gegenstand des Verfahrens die Zurückweisung des Einspruches der Beschwerdeführerin gegen den Kassenbescheid sei. Die einmonatige Einspruchsfrist gegen den Kassenbescheid habe am 17. Oktober 1996 begonnen und am Montag den 18. November 1996 geendet. Der am 26. Dezember 1997 zur Post gegebene Einspruch sei daher als verspätet erhoben zu betrachten. Die im Einspruch vorgenommene Behauptung, die verspätete Einbringung sei auf ein unvorhergesehenes Ereignis zurückzuführen, könne allenfalls als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG gewertet werden. Zur Entscheidung über einen solchen Antrag sei aber die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse berufen. Die belangte Behörde habe die Rechtmäßigkeit des Einspruchsbescheides nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit seiner Erlassung zu beurteilen. Das bedeute, dass der Zurückweisungsbescheid wegen Verspätung des Einspruches dann rechtmäßig sei, wenn - wie im konkreten Fall - zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung nicht bewilligt gewesen sei. Werde die Wiedereinsetzung später bewilligt, so trete der Zurückweisungsbescheid nach § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft. Die Behörde sei aber nicht verpflichtet, mit der Entscheidung über die Zurückweisung eines Einspruches bis zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag zuzuwarten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. In der Beschwerde wird Beginn und Ende der Einspruchsfrist sowie die Postaufgabe des Einspruches als richtig bezeichnet. Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, der Bescheid über die Zurückweisung des Einspruches sei nicht rechtmäßig. Sie habe einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Verspätung der Einspruchsfrist unter ausführlicher Erklärung, welches unabwendbare und unvorhergesehene Ereignis sie an der rechtzeitigen Ergreifung des Rechtsmittels gehindert habe, gestellt und gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag habe sie gesetzeskonform das versäumte Rechtsmittel, den Einspruch, ausgeführt. Den Bestimmungen des AVG (§ 72 Abs. 3) entsprechend sei auf die Erledigung der Berufung erst einzugehen, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen worden sei. Zunächst wäre sohin der Antrag auf Wiedereinsetzung zu erledigen und erst in weiterer Folge der Einspruch zu behandeln gewesen. Da aber über den Wiedereinsetzungsantrag noch nicht entschieden worden sei, sei die Entscheidung über den Einspruch nicht rechtmäßig.

Mit diesem Vorbringen kann die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides zur Zeit seiner Erlassung zu beurteilen, was bedeutet, dass der Zurückweisungsbescheid (die bestätigende Berufungsentscheidung) dann rechtmäßig ist, wenn zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung nicht bewilligt war. Über die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels ist - von Fällen abgesehen, in denen dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde - unabhängig von einem anhängigen, aber noch nicht bejahend entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag zugleich aufgrund der Aktenlage zu entscheiden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Oktober 1986, VwSlg. 12.275/A). Wird die Wiedereinsetzung später bewilligt, so tritt der Zurückweisungsbescheid nach § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft.

Entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Auffassung enthält das AVG somit keine Regelung des Inhaltes, dass über ein Rechtsmittel, welches gleichzeitig mit einem Wiedereinsetzungsantrag eingebracht wird, nicht entschieden werden dürfe, bevor über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden ist, vermag dies auch mitunter als unzweckmäßig erscheinen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis eines verstärkten Senates ausgesprochen hat, ist für eine ausdehnende Interpretation des § 72 Abs. 3 AVG (ganz abgesehen vom eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung) kein Raum.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 20. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999080143.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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