TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/20 99/01/0214

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Veröffentlicht am 20.10.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §67d;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des N G in N, geboren am 2. Dezember 1970, vertreten durch Dr. Norbert Lehner, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Seebensteinerstraße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. September 1998, Zl. 200.806/0-IV/11/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus dem Kosovo stammender jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Nationalität, ist am 3. Dezember 1997 in das Bundesgebiet eingereist und hat am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt. Bei seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt am 9. Dezember 1997 hat er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen Folgendes angegeben:

Es sei bereits 1994 gemeinsam mit seiner Gattin nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der jedoch abgewiesen worden sei. Danach hätten sie sich in ihr Heimatland zurückbegeben. Drei Monate nach seiner Rückkehr nach Gjakove sei die Polizei in sein Haus gekommen. Über Anraten seiner Gattin sei er aus dem Fenster gesprungen und habe sich in der Folge einige Zeit bei Verwandten aufgehalten. Dies alles liege drei Jahre zurück.

Auf die konkrete Frage, warum er das Heimatland verlassen habe, gab er an, dass er sich bis Ende September 1997 etwa fünf Monate in Montenegro bei seinem Onkel aufgehalten habe. Als er danach mit einem Taxi nach Gjakove habe zurückfahren wollen, sei das Taxi von der Polizei verfolgt und angehalten worden. Man habe sowohl vom Taxilenker als auch von ihm die Dokumente verlangt. Er sei zum Polizeiposten in Gjakove gebracht worden, wobei ihm vorgehalten worden sei, er wolle an der für den nächsten Tag angekündigten Demonstration teilnehmen. Er habe dies bestritten und ausgeführt, von Demonstrationen gar nichts zu wissen. Die Polizisten hätten ihn mit einem Gummiknüppel auf den Unterschenkel geschlagen. Während die Polizisten versucht hätten, mit dem Innenministerium Kontakt aufzunehmen, sei er weggelaufen. Wäre er nicht weggelaufen, hätte man von ihm wissen wollen, was er in der Zeit, in der er nicht zu Hause gewesen sei, gemacht habe. Außerdem wäre er verprügelt und eingesperrt worden, weil man ihm vorgehalten hätte, an der Demonstration teilnehmen zu wollen.

Bei seinem Onkel in Montenegro habe er sich nicht niedergelassen, weil er sich sonst bei der Gemeinde anmelden hätte müssen und die Polizei ihn Gjakove dann erfahren hätte, dass er sich dort befinde. Der Hauptgrund warum er nach Österreich gekommen sei, sei allerdings dass er gehört habe, dass seine Gattin (die mittlerweile nach Österreich ausgereist sei) vergewaltigt worden sei und er wissen habe wollen, von wem diese Vergewaltigung ausgegangen sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 21. September 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen. Sie hat das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als unglaubwürdig gewertet, jedoch - durch Verweisung auf den Bescheid der Behörde erster Instanz - die Ansicht vertreten, dass der Beschwerdeführer keine Umstände habe anführen können, aus denen sich seine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ergäbe. Die allgemein Situation im Heimatland des Asylwerbers vermöge die Asylgewährung grundsätzlich nicht zu begründen, weil sich die daraus erfließenden Umstände nicht speziell gegen den Asylwerber richteten. Dass aber die gesetzten Maßnahmen eine Verfolgung aller in dem betreffenden Gebiet lebenden Personen aus asylrechtlich relevanten Motiven zum Ziel hätten und nicht nur - hinzunehmende - Beeinträchtigungen allgemeiner Natur darstellten, habe der Beschwerdeführer weder behauptet noch könne dies sonst erkannt werden.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Es kann dahinstehen, ob die dem Beschwerdeführer im Kosovo individuell widerfahrenen Ereignisse asylrelevant sind, der Beschwerdeführer stammt nämlich aus Gjakove (= Dakovica) und somit aus einem Gebiet, in dem für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die bloße Zugehörigkeit zur albanischen Bevölkerungsgruppe ausreichen kann, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0576, mwN, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die belangte Behörde hätte daher auf die aktuelle Situation im Kosovo - von Amts wegen - Bedacht nehmen müssen. Da sie dies unterlassen hat, belastete sie ihren Bescheid mit einem Verfahrensmangel.

Dies würde nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative in Montenegro offensteht.

Dazu hat die belangte Behörde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer etwa fünf Monate in Montenegro aufgehalten habe und dort keinerlei Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates gehabt habe. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er sich bei einer Niederlassung in Montenegro auch anmelden hätte müssen und dadurch sein Aufenthalt der Polizei im Kosovo bekannt geworden wäre, könne nicht gefolgt werden, zumal sich der Beschwerdeführer bereits mehrere Monate in Montenegro aufgehalten habe, bei seinem Onkel gearbeitet habe und nicht erkannt werden könne, dass aus der bloßen Anmeldung in Montenegro die Polizei in Gjakove den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers erfahren hätte oder der Beschwerdeführer sonst Repressionen zu befürchten hätte.

Die belangte Behörde hat jedoch weder zur Frage der Behandlung von Flüchtlingen aus dem Kosovo in der Lage des Beschwerdeführers in Montenegro noch darüber, ob der Aufenthaltsort einer in Montenegro gemeldeten Person der Polizei im Kosovo bekannt wird, ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Sie belastete ihren Bescheid daher auch in diesem Punkt mit einem Verfahrensmangel. Den Ausführungen, dass sich die Sicherheit des Beschwerdeführers in Montenegro schon aus dessen fünfmonatigem, unbehelligten Aufenthalt in diesem Land ergäbe, ist - abgesehen davon, dass aus den Ausführungen des Beschwerdeführers geschlossen werden kann, er sei auch in diesen fünf Monaten nicht gemeldet gewesen - zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer erst nach dem fünfmonatigem Aufenthalt in Montenegro auf die dargestellte Weise in das Blickfeld der Polizei in seiner Heimat geraten ist.

Aufgrund der aufgezeigten Verfahrensfehler war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999010214.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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