TE Vfgh Beschluss 1997/9/29 B1385/97

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Veröffentlicht am 29.09.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags wegen Aussichtslosigkeit; Abweisung des Abtretungsantrags

Spruch

Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung des Wiedereinsetzungsantrages an den Verwaltungsgerichtshofes wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 4. März 1997 wurde der Vorstellung der beiden Einschreiter gegen den Beschluß der Abteilung III der Rechtsanwaltskammer Wien vom 27. Jänner 1997, mit dem ihrem Antrag auf Umbestellung des ihnen beigegebenen Verfahrenshelfers in einer näher bezeichneten Rechtssache nicht Folge gegeben wurde, mit näherer Begründung keiner Folge gegeben. Das gegen diesen Bescheid von den beiden Einschreitern formlos erhobene Rechtsmittel wurde mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 1. April 1997 mit der Begründung, daß ein ordentliches Rechtsmittel gegen den Beschluß des Plenums der Rechtsanwaltskammer Wien nicht zulässig ist, als unzulässig zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß wurde von den Einschreitern neuerlich Beschwerde geführt, die mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 29. April 1997 als unzulässig zurückgewiesen wurde.

2.1. Mit Schriftsatz vom 5. Juni 1997 begehren die Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 4. März 1997. Gleichzeitig wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung der Beschwerde gegen den genannten Bescheid beantragt.

2.2. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird ausgeführt, daß der Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 4. März 1997 keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Den Einschreitern sei daher erst durch den Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 29. April 1997 bekannt geworden, daß der Beschluß vom 4. März 1997 mittels Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bekämpfbar war.

Für den Fall der Nichtstattgebung des Wiedereinsetzungsantrages wird die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

3.1.1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988, uva.).

3.1.2. Es trifft zwar zu, daß der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 4. März 1997 keine Rechtsmittelbelehrung enthält, doch vermag dieser Umstand eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen: Da die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht von der Erteilung einer Rechtsbelehrung über Rechtsmittel abhängt, sondern sich allein nach den hiefür geltenden Vorschriften richtet, kann in der Unterlassung eines Hinweises auf die Möglichkeit der Beschwerdeführung an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht ein Umstand erblickt werden, aus dem ein Grund für die Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages abgeleitet werden könnte (vgl. VfSlg. 10813/1986, 12249/1990 und VwSlg. A11444/1984). Die Unkenntnis der rechtlichen Möglichkeit, gegen einen letztinstanzlichen Bescheid Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu erheben, ist nicht als ein Fehler einzustufen, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht: Es obliegt jedermann selbst, sich Kenntnis von allenfalls bestehenden außerordentlichen Rechtsschutzinstrumenten (wie die Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) zu verschaffen (vgl. zB VfSlg. 10473/1985 und 13924/1994). Ganz besondere Umstände, aufgrund derer dies den Einschreitern unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, wurden weder geltend gemacht noch sind solche dem Verfassungsgerichtshof erkennbar.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit abzuweisen.

3.2. Bei diesem Ergebnis war auch der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen, weil die von den Einschreitern beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erscheint (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

3.3. Auch der Antrag auf Abtretung des Wiedereinsetzungsantrages an den Verwaltungsgerichtshof mußte mangels gesetzlicher Grundlage abgewiesen werden.

3.4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz VerfGG sowie §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B1385.1997

Dokumentnummer

JFT_10029071_97B01385_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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