Entscheidungsdatum
11.09.2018Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §4 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Konecny über die Beschwerde des Herrn A. F., geboren 1963, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat …, vom 08.06.2017, GZ …, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO (1960),
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 08.06.2017 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 07.11.2016 um 08:29 Uhr in Wien, W.-Straße, in Fahrtrichtung stadteinwärts als Lenker des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-8 mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl er und die Person in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben. Er habe dadurch § 4 Abs. 5 StVO (1960) verletzt und wurde wegen dieser Übertretung über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO (1960) eine Geldstrafe von EUR 150,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen und 21 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 10 % der verhängten Strafe zur Bezahlung vorgeschrieben.
In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschuldigte die Begehung der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bestritten habe. Aufgrund der eindeutigen Angaben des Zeugen sei diese aber als erwiesen anzunehmen.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst das Zustandekommen eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden mit dem gegnerischen Unfallfahrzeug zur Tatzeit bestritten. Im geführten Zivilverfahren sei ein KFZ-Sachverständiger beauftragt worden und seien zufolge diesem die Schäden am Fahrzeug des Klägers nicht mit dem Sachschaden des laufenden Ermittlungsverfahrens in Einklang zu bringen. Der Beschuldigte zeige aufgrund der Aussagekraft des Zeugen S. und des Unfallsachverständigen einen höheren und „sinngemäßen“ Wahrheitsgehalt als der Kläger auf.
Aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Verwaltungsstrafakt ergibt sich folgender Sachverhalt:
Das gegenständliche Strafverfahren gründet sich auf eine von Herrn Mag. P. gelegte Verkehrsunfallanzeige der Polizeiinspektion … vom 07.11.2016.
Der Lenker des unfallbeteiligten Fahrzeuges (A) VW mit dem behördlichen Kennzeichen W-8 sei am 07.11.2016 um 08.29 Uhr in Wien, W.-Straße beim knappen Wechsel des mittleren Fahrstreifens nach rechts mit dem von ihm gelenkten Porsche mit dem behördlichen Kennzeichen W-6 (B) zusammengestoßen An Beschädigungen wurde in der Anzeige „Verkehrsunfall mit Sachschaden“ vom 07.11.2016 ein Lackschaden und eine Delle am Kotflügel links vorne angeführt. (In der im Verwaltungsstrafakt ebenfalls einliegenden Anzeige vom 15.11.2016 werden als Beschädigungen „Lackschäden am Kotflügel links vorne“ angegeben. Das gegnerische Fahrzeug müsse mit Sicherheit auch einen Schaden an seiner rechten Seite haben.)
Auf eine schriftliche Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 der belangten Behörde vom 15.11.2016 hat der Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-8, Herr S., den Beschwerdeführer als Lenker zum anfragegegenständlichen Zeitpunkt angegeben.
Mit „Aufforderung zur Rechtfertigung“ vom 30.11.2016 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer die verfahrensgegenständliche Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO erstmals zur Last gelegt und ihm die Möglichkeit geboten, sich hiezu zu rechtfertigen.
Für den Beschwerdeführer hat Herr S. sich dahingehend mit E-Mail vom 10.12.2016 gerechtfertigt, dass die Anlastung zu Unrecht erfolgt sei.
Anlässlich seiner persönlichen Befragung am 16.01.2017 hat der Beschwerdeführer gegenüber der belangten Behörde niederschriftlich angegeben, dass es richtig sei, dass er das Fahrzeug zur Tatzeit an der Tatörtlichkeit gelenkt habe. Der Anzeiger habe sich auf der äußerst rechten Fahrspur zum Rechtsabbiegen befunden. Da er die Fahrt in gerader Richtung an der Kreuzung W.-Straße – K.-straße fortsetzen habe wollen, habe er sich hinter seinem Fahrzeug eingereiht. Es sei dabei zu keinem Zusammenstoß mit dem anderen Fahrzeug gekommen. Er sei aus seinem Fahrzeug ausgestiegen, weil er vom Anzeiger aus dessen Fahrzeug fotografiert wurde. Er sei zum Fahrzeug des Anzeigers gegangen, doch dieser habe nur eine abwertende Handbewegung gemacht. Als er zu seinem Fahrzeug zurückgegangen sei, um einen Stift und Zettel zum Notieren des Kennzeichens zu holen, sei der Angezeigte einfach weiter gefahren.
Der Anzeigeleger Mag. P. wurde von der belangten Behörde in der Folge am 14.02.2017 zeugenschaftlich einvernommen und gab dieser im Wesentlichen an, am 07.11.2016 um 08.29 Uhr in Wien, W.-Straße in Fahrtrichtung stadteinwärts mit seinem Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-6 unterwegs gewesen zu sein. Er habe sich bei vier Fahrstreifen auf dem zweiten Fahrstreifen befunden und sei der Unfallgegner auf der W.-Straße vor der Tatörtlichkeit links neben ihm gefahren. Ihre Fahrgeschwindigkeit habe ca. 20 km/h betragen. Der Unfallgegner sei mit seinem Fahrzeug immer näher zu seinem Fahrzeug gefahren und habe sich auf Höhe der Tatörtlichkeit vor ihm auf seinen Fahrstreifen gezwängt. Im Zuge dieses Fahrstreifenwechsels sei er mit der rechten hinteren Seite seines Fahrzeuges mit der linken vorderen Seite des von ihm gelenkten Fahrzeuges zusammengestoßen. Es sei ein Anstoßgeräusch zu hören gewesen. Er lege den Untersuchungsbericht des ÖAMTC und ein Foto von seinem beschädigten Fahrzeug vor. An seinem Fahrzeug sei durch den Zusammenstoß ein Lackschaden auf dem linken vorderen Kotflügel entstanden. Der Schaden sei vor dem Vorfall nicht vorhanden gewesen.
Die Aussage des Zeugen als auch die vorgelegten Unterlagen wurden dem Beschwerdeführer mit „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 14.02.2017 zur Kenntnis gebracht und hat Herr S. mit E-Mail vom 03.03.2017 hiezu Stellung genommen. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Zeuge den Vorfall wahrgenommen habe. Zum Zeitpunkt des Vorfalls hätten keine Schäden an seinem Fahrzeug festgestellt werden können. Die Schäden am Fahrzeug des Klagenden seien, falls vorhanden, mit großer Wahrscheinlichkeit selbstverursacht bzw. von einem anderen Vorfall. Weitere Angaben könnten erst nach Genesung des Beschwerdeführers gemacht werden. Vorgelegt wurde ein Lichtbild vom Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-6.
Mit E-Mail vom 31.03.2017 teilte der Zulassungsbesitzer S. mit, dass sich der Beschuldigte an den Zeugen nicht mehr erinnern könne. Übermittelt wurde auch ein E-Mail der Versicherung vom 30.03.2017, wonach eine Klage des Anzeigers eingebracht worden sei.
Die belangte Behörde hat sodann dass nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.
Aufgrund des Beschwerdevorbringens wurde vom Verwaltungsgericht Wien vom das Zivilverfahren betreffend den gegenständlichen Verkehrsunfall führenden Bezirksgericht das dort eingeholte Sachverständigengutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen DI K., erstattet in der Gerichtsverhandlung am 06.07.2017, eingeholt. Mit Schreiben vom 04.08.2017 wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers, Herrn S., das Urteil des Bezirksgerichtes vom 25.07.2017, …, vorgelegt.
In beide Unterlagen wurde vom erkennenden Richter Einsicht genommen und diese der Entscheidung zugrunde gelegt.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung entfallen, da bereits aufgrund der (ergänzten) Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 haben die im Abs. 1 genannten Personen (alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht), wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.
Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und zumindest einen Sachschaden zur Folge hat (vgl. VwGH 20.04.2001, Zl. 99/02/0176; 15.11.2000, Zl. 2000/03/0264).
Der Beschwerdeführer hat während des gesamten Verfahrens vor der Behörde und auch in seiner Beschwerde bestritten, dass es beim mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug VW mit dem Kennzeichen W-8 durchgeführten Fahrstreifenwechsel zur Tatzeit an der Tatörtlichkeit zu einem Kontakt mit dem beteiligten Fahrzeug Porsche mit dem Kennzeichen W-6 und damit zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen sei.
Die belangte Behörde stützte ihre Annahme eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden ausschließlich auf die Angaben des Zeugen Mag. P..
Für einen Schuldspruch wegen Übertretung des Abs. 5 genügt die bloße Möglichkeit einer Verursachung eines Schadens an dem beteiligten Fahrzeug nicht, sondern von der Behörde wäre der Beweis für einen derartigen Sachschaden zu liefern (VwGH 25.2.1983, 82/02/0236).
Zufolge dem im zivilgerichtlichen Verfahren eingeholten schlüssigen und leicht nachvollziehbaren Befund und Gutachten (nach Durchführung einer Stellprobe mit den beteiligten Fahrzeugen) des gerichtlich bestellten verkehrstechnischen Sachverständigen DI K., erstattet in der mündlichen Verhandlung vor dem Bezirksgericht am 06.07.2017, ist als feststehend anzunehmen, dass zwar nachdem geschilderten Vorgang die Möglichkeit eines Kontaktes zwischen dem vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeug und dem vom Anzeiger Mag. P. gelenkten Fahrzeug besteht, dass aber die Schäden am Frontstoßstangen-Seitenteil des Klagsfahrzeugs (sohin des Porsche) und jene am Kotflügel des Fahrzeuges nicht zeitgleich entstanden sind sowie dass die Schäden am Kotflügel des Porsche nicht vom Beklagtenfahrzeug stammen können. Der Lackschaden am Kotflügel des Klagsfahrzeuges scheide aufgrund der Formgebung des Beklagtenfahrzeuges (sohin des VW) als vorfallskausal aus. Die festgestellte Deformation des Radlaufes am Beklagtenfahrzeug (VW) weise eine zu große Intensität auf, um mit den Schäden am Klagsfahrzeug in Zusammenhang gebracht werden zu können.
Da im gegenständlichen Fall im Hinblick auf die nicht zu beanstandende sachverständige Beurteilung im zivilgerichtlichen Verfahren, deren Ergebnis im Verwaltungsstrafverfahren zu verwenden keine Bedenken bestehen, eine kausale Verursachung des in der Anzeige angegebenen Schadens am linken vorderen Kotflügel des Fahrzeuges Porsche durch das Fahrzeug VW nicht erweislich war, bestand für den Beschwerdeführer auch keine Verpflichtung zur Meldung eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden bei der nächsten Polizeidienststelle. Es war daher unter Heranziehung dieses Ermittlungsergebnisses der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren spruchgemäß zur Einstellung zu bringen.
Die ordentliche Revision (durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde) ist unzulässig, da im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zu treffende Entscheidung hing alleine von der Lösung einer Sachverhaltsfrage ab, welcher die eindeutige Rechtslage zu Grunde zu legen war.
Schlagworte
Verkehrsunfall; keine kausale Verursachung; EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.054.10627.2017Zuletzt aktualisiert am
08.11.2018