TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/3 VGW-221/008/9302/2018/VOR

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Veröffentlicht am 03.10.2018
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Entscheidungsdatum

03.10.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

GewO 1994 §14 Abs1
GewO 1994 §88 Abs1
GrundversorgungsG Bund 2005 §7 Abs2
NAG §32

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Burda über Einbringung einer Vorstellung des Herrn D. S., vertreten durch Rechtsanwälte, vom 13.07.2018 gegen das Erkenntnis des Rechtspflegers des Verwaltungsgerichtes Wien, Zl. VGW-221/008/RP11/6932/2018, vom 25.06.2018, mit welchem die Beschwerde gegen den gemäß § 88 Abs. 1 GewO erlassenen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 23.04.2018, Zl. …, als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30. August 2018

zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird in Bestätigung der Entscheidung des Rechtspflegers des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25.6.2018 zur Zahl VGW-221/008/RP11/6932/2018-2 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

1.   Verfahrensgang:

Die belangte Behörde leitete das gegenständliche Entziehungsverfahren aufgrund einer Verständigung des Polizeikommissariats A. vom 27.2.2017 ein, wonach gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden als Bf bezeichnet) eine Ausweisung des Bundesasylamtes, Außenstelle B., gemäß § 10 AsylG, (rechtskräftig seit 2.3.2013) vorliege, weshalb eine allfällige aufrechte Gewerbeberechtigung mangels legalen Aufenthalts des Bf im Bundesgebiet zu entziehen wäre. Die zuständige Fachgruppe der Wirtschaftskammer Wien und die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien wurden gemäß § 361 Abs. 2 GewO 1994 angehört, wobei die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien laut ihrem Schreiben vom 31.03.2017 keine Einwände gegen die geplante Entziehung erhob.

Über Vorhalt des Ermittlungsergebnisses führte der rechtsfreundlich vertretene Bf mit Schreiben vom 18.4.2017 im Wesentlichen aus, er habe am 06.06.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus eingebracht und diesen Antrag mit seinen intensiven familiären und privaten Bindungen zum Bundesgebiet begründet. Dieser Antrag sei derzeit noch immer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig. Gleichzeitig sei gegen den Bf von der Landespolizeidirektion Niederösterreich ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und eine Geldstrafe in Höhe von € 2.500,00 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts verhängt worden. Dagegen habe der Bf rechtzeitig Beschwerde eingebracht, über die das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich entschieden habe. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe der Beschwerde Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Die Entscheidung werde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich damit begründet, dass der Bf bereits im Februar 2016 (zum Tatzeitpunkt) derartig gravierende private und persönliche Bindungen in Österreich aufgewiesen habe, dass seine Interessen an der Aufrechterhaltung die entgegenstehenden öffentlichen Interessen an der Außerlandesschaffung überwogen hätten. Seither hätten sich die familiären und privaten Bindungen des Bf zum Bundesgebiet weiter intensiviert. Dies bedeute, dass aufgrund der vom Bf eingegangenen familiären und privaten Bindungen, die allesamt auf Dauer angelegt seien, eine Aufenthaltsbeendigung nicht mehr zulässig sei. Da die Rückkehrentscheidung somit auf Dauer unzulässig sei, folge daraus, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus vorliegen würden. Der Bf habe somit einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus. Dieser Anspruch ergebe sich aus Art. 8 EMRK. Es habe sich somit Entscheidungswesentliches zu Gunsten des Bf seit Erlassung der Ausweisung im Jahr 2013 geändert, weshalb nicht mehr von einem unrechtmäßigen Aufenthalt auszugehen sei, zumal vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich klargestellt worden sei, dass eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts nicht mehr zulässig sei. Auf Grund der nun äußerst intensiven familiären und privaten Bindungen sei die Ausweisung gegenstandslos geworden. Da die Ausweisung aufgrund geänderter Umstände gegenstandslos geworden sei, würden die Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht vorliegen. Es würden somit aufgrund der intensiven familiären Bindungen des Bf zum Bundesgebiet und dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus nicht die Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 88 Abs. 1 GewO vorliegen. Der Bf halte sich nunmehr zulässigerweise in Österreich auf, da ansonsten ein Straferkenntnis wegen unrechtmäßigen Aufenthalts gegen ihn erlassen hätte werden können. Darüber hinaus würden keinesfalls die Voraussetzungen des
§ 88 Abs. 2 GewO vorliegen, zumal der Bf das Gewerbe in den letzten drei Jahren ausgeübt habe und er mit der Entrichtung der Umlage nicht im Rückstand sei.

Auf Ersuchen der belangten Behörde vom 20.12.2017 um nochmalige Prüfung, ob die seit 2.3.2013 rechtskräftige Ausweisung des Herrn D. S. nach wie vor Gültigkeit besitze oder ob sich dieser nunmehr zu Recht in Österreich aufhalten dürfe (wobei ua. die obzitierte Stellungnahme vom 18.4.2017 sowie die oa. Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich angeschlossen waren), teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit E-Mail vom 23.3.2018 mit, dass im vorliegenden Fall der Bf zuletzt und einzig nur für die Dauer seines Asylverfahrens vom 5.4.2011 bis zur Erlassung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 20.2.2013 zur Zl. … über eine lediglich vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 51 AsylG verfügt habe. Von Asylgewährung iSd § 14 Abs. 1 GewO an den Bf könne daher in seinem Fall zu keinem Zeitpunkt die Rede sein. Seither halte sich der Bf unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seine Erstantragsstellung vom 6.6.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vom 6.6.2016 habe gemäß § 58 Abs. 13 AsylG keinerlei Aufenthalts- oder Bleiberecht begründet und stehe der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen.

Dieses E-Mail des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.3.2018 wurde dem Bf mit behördlichem Schreiben vom 26.3.2018 zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit gegeben, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung Stellung nehmen.

In weiterer Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23.4.2018.

Mit diesem Bescheid überschneidend langte eine Stellungnahme des Bf vom 18.4.2018 zur behördlichen Verständigung vom 26.3.2018, in der er ausdrücklich auf seine obzitierte Stellungnahme vom 18.4.2017 verwies und im Übrigen die gleichen Ausführungen wie in der später eingebachten Beschwerde tätigte.

In dieser führte der rechtsfreundlich vertretene Bf außerdem aus, dass zwar nun das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen habe, allerdings habe der Bf dagegen fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Dieser Beschwerde komme aufschiebende Wirkung zu, weshalb aufenthaltsbeendende Maßnahmen derzeit keinesfalls zulässig seien. Die Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sei insofern verfehlt, als in dieser die familiären und privaten Bindungen des Bf zum Bundesgebiet übergangen würden. Im Gegensatz zum Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, das im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowohl den Bf als auch dessen Lebensgefährtin befragt habe, habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keinerlei Ermittlungen zu den familiären und privaten Bindungen durchgeführt und diese aus nicht nachvollziehbaren Gründen verneint. Diese Vorgangsweise des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl verletze den Bf in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Dazu komme, dass der Bf beruflich äußerst erfolgreich sei und mittlerweile über zwei Mitarbeiterinnen verfüge. Er habe somit nachweislich zwei Arbeitsplätze geschaffen. Aufgrund des Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus, der sich aus Art. 8 EMRK ableite und somit verfassungsrechtlich garantiert sei, liege kein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet vor, weshalb die Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht zulässig sei. Die Ausweisung aus dem Jahr 2013 sei aufgrund seither maßgeblich geänderter Umstände gegenstandslos geworden und vermöge einen unrechtmäßigen Aufenthalt nicht zu begründen. Dies sei auch vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich festgestellt worden. Im Gegensatz zur Rechtsansicht der belangten Behörde seien derzeit aufenthaltsbeendende Maßnahmen somit nicht zulässig. Zwar normiere § 58 Abs. 13 AsylG, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen. Jedoch sei dann von einem Bleiberecht auszugehen, wenn sich dieser Anspruch aus Art. 8 EMRK ergebe, zumal es sich dabei um ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht handle. Dies bedeute, dass immer dann, wenn ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestehe, von keinem rechtswidrigen Aufenthalt auszugehen sei. Damit würden auch die Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht vorliegen. Dies habe die belangte Behörde verkannt. Es werde daher die Aufhebung dieses Bescheides sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt.

Die gegenständliche Beschwerde wurde in der Folge mit Erkenntnis des Rechtspflegers des Verwaltungsgerichtes Wien zur Zl. VGW-221/008/RP11/6932/2018 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Vorstellung, in welcher der Bf ausführte, dass er ein aus Art. 8 EMRK abgeleitetes Bleiberecht habe und sohin kein rechtswidriger Aufenthalt vorliege. Der fehlende Aufenthaltstitel dürfe nicht zu einem Verlust von mit diesem Aufenthaltsrecht verbundenen Rechten führen.

Der Entzug der Gewerbeberechtigung gemäß § 88 Abs. 1 GewO setze voraus, dass sich der Gewerbeinhaber nicht mehr zulässig in Österreich aufhalte. Dies sei nicht mit unrechtmäßigem Aufenthalt gleichzusetzen bzw. mit dem Nichtvorliegen eines Aufenthaltstitels. Abermals verwies der Bf auf die Begründung der bereits zitierten Entscheidung des LVerwG NÖ und er führte dazu aus, dass eine Aufenthaltsbeendigung nicht mehr zulässig sei, der Bf sich zulässigerweise in Österreich aufhalte und die Voraussetzungen für den Entzug der Gewerbeberechtigung nicht vorlägen.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 30. August 2018 brachte der Beschwerdeführervertreter vor, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom BFA abgewiesen worden sei. Dagegen sei eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht am 20.4.2018 eingebracht worden. Das Beschwerdeverfahren sei dort … noch immer anhängig. Ein Verfahren bei der MA 35 sei keines anhängig.

Derzeit gebe es vier Mitarbeiter im Gewerbebetrieb des Bf, zwei seien vollzeitbeschäftigt, eine Mitarbeiterin sei im Ausmaß von 20 Stunden, eine andere im Ausmaß von 10 Stunden beschäftigt. Der Fuhrpark umfasse derzeit sechs Fahrzeuge und es würden ab nun zwei weitere Mitarbeiter beschäftigt werden.

Die Lebensgemeinschaft zur österreichischen Staatsbürgerin bestehe nach wie vor; es liege nach wie vor Art. 8 EMRK als Abschiebehindernis vor.

Im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung käme es zu einer im Hinblick auf das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit nicht vertretbaren Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Bf und seiner Mitarbeiter.

In der Folge wurde die gegenständliche Entscheidung verkündet und begehrte der Bf innerhalb offener Frist gemäß § 29 VwGVG deren schriftliche Ausfertigung.

2. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den aus Anlass der Beschwerdevorlage übermittelten Verwaltungsakt, Einsicht in den hg. Akt zur Zl. VGW-221/008/RP11/6932/2018 sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30.08.2018.

3. Aufgrund des Ermittlungsverfahrens ist von folgendem (entscheidungsrelevanten) Sachverhalt auszugehen:

Der Bf, welcher indischer Staatsangehöriger ist, verfügt seit 10.01.2012 über die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“, im Standort Wien, C.-straße.

Festgestellt wird, dass mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.2.2013 der vom Beschwerdeführer eingebrachte Asylantrag rechtskräftig abgewiesen und mit einer ebenso rechtskräftigen Ausweisung verbunden wurde. Dieses Erkenntnis wurde am 20.2.2013 zur Zahl … erlassen. Bis zur Erlassung des Erkenntnisses verfügte der Bf über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung, welche spätestens mit Erlassung der zitierten Entscheidung endete.

Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde von der zuständigen Verwaltungsbehörde abgewiesen, über das dagegen eingebrachte Rechtsmittel liegt bis dato keine Entscheidung vor.

Bei der Wiener Einwanderungsbehörde MA 35 wurde kein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt.

4. Beweiswürdigung:

Die entscheidungsrelevanten persönlichen Daten der Bf (Staatsangehörigkeit, Gewerbedaten) sind in den Akten ausgewiesen und unstrittig. Art und Ausmaß der bislang in Österreich abgewickelten Verfahren mit dem Ziel der Legalisierung des Aufenthalts und der Letztstand des Aufenthaltsstatus ergeben sich aus den unbedenklichen und überdies unstrittigen Behördenauskünften in Verbindung mit dem vorliegenden Parteivorbringen.

5. Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 88 Abs. 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn sich der Gewerbeinhaber nach den für ihn in Betracht kommenden Rechtsvorschriften nicht mehr zulässigerweise in Österreich aufhält.

Gemäß § 14 Abs. 1 leg.cit. dürfen ausländische natürliche Personen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn dies in Staatsverträgen festgelegt worden ist. Angehörige von Staaten, mit denen kein derartiger Staatsvertrag abgeschlossen wurde, Personen, denen Asyl gewährt wird, oder Staatenlose dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn sie sich nach den für sie in Betracht kommenden Rechtsvorschriften zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits in Österreich aufhalten dürfen. Für Drittstaatsangehörige, die noch nicht rechtmäßig aufhältig sind (Erstantragsteller) und in Österreich ein Gewerbe ausüben wollen, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zulässt, zur rechtmäßigen Ausübung dieses Gewerbes erforderlich.

Asylwerber zählen nicht zu den in § 14 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 genannten „Personen, denen Asyl gewährt wird“ und sind daher nach dieser Bestimmung nicht gewerberechtsfähig. Jedoch ist gemäß § 7 Abs. 2 erster Satz GVG-B 2005 die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit (nur) in den ersten 3 Monaten nach Einbringung des Asylantrages unzulässig (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung 19943, § 14, Rz 9).

Aus der Systematik der GewO 1994 in Verbindung mit den Gesetzesmaterialien (erläuternden Bemerkungen) und der Teleologie des § 88 Abs. 1 ergibt sich, dass dieser Entziehungstatbestand grundsätzlich an § 14 anknüpft und jenen Fällen Rechnung tragen soll, in welchen die dort festgelegten und ehemals vorliegenden Ausübungsvoraussetzungen nach dem Entstehen einer Gewerbeberechtigung wegfallen, d.h. ein früheres Aufenthaltsrecht, welches zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigte, nicht mehr gegeben ist (vgl. auch Grabler/Stolzlechner/Wendl, a.a.O., § 14, Rz 13).

Gemäß § 32 NAG bedarf mit Ausnahme der Fälle des § 2 Abs. 1 Z 7 die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit - unbeschadet zusätzlicher Berechtigungen nach anderen Bundes- oder Landesgesetzen - der Ausstellung eines Aufenthaltstitels mit entsprechendem Zweckumfang.

Nach der nunmehrigen Aktenlage steht unstrittig fest, dass das Asylverfahren des Bf spätestens im Februar 2013, sohin nach Entstehung des Gewerberechts, rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde und bislang kein neues Aufenthaltsrecht – aus welchem Titel auch immer – erwirkt wurde. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde von der zuständigen Verwaltungsbehörde abgewiesen, über das dagegen eingebrachte Rechtsmittel liegt bis dato keine Entscheidung vor. Unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht bewirkt dieses anhängige Verfahren keinen (vorläufigen) legalen Aufenthalt und ermöglicht damit auch keine Erwerbstätigkeit.

Spätestens mit Entscheidung des Asylgerichtshofes endete das Asylverfahren des Bf. Bislang wurde kein neues zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigendes Aufenthaltsrecht, aus welchem Titel auch immer, erwirkt. Die Tatbestände des § 14 Abs. 1 GewO stellen nicht auf ein allfälliges Vorliegen der fremdenrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, sondern lediglich auf das Vorliegen des einwanderungsbehördlichen Verwaltungsaktes selbst ab. Eine diesbezügliche „ersatzweise“ Beurteilung durch die Gewerbebehörde bzw. durch das Verwaltungsgericht kommt daher nicht in Betracht. Aus diesem Grunde hat auch außer Betracht zu bleiben, dass der Aufenthalt des Bf aus Gründen des Art. 8 EMRK in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht vom LVerwG NÖ nicht sanktioniert wurde. Ebenso hat bei der rechtlichen Beurteilung außer Betracht zu bleiben, ob durch die Entziehung der Gewerbeberechtigung Arbeitsplätze bzw. Investitionen verloren gehen, zumal der Bf seit Februar 2013 wusste, dass eine rechtskräftige Ausweisung gegen ihn vorliegt, weshalb seine ungeachtet dessen getroffenen geschäftlichen Entscheidungen einzig und allein in seine Ingerenz fallen. Aus diesem Grunde teilt das Verwaltungsgericht die diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Eingriffs in die Erwerbsfreiheit des Bf nicht. Da der Bf als Drittstaatangehöriger sich derzeit weder als Asylwerber noch aufgrund eines behördlich zuerkannten Aufenthaltstitels zulässigerweise in Österreich aufhält, liegen die Voraussetzungen des § 88 Abs. 1 GewO 1994 vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Gemäß § 25 a Abs. 1 VwGG war die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen, da sich im Beschwerdeverfahren keine entscheidungsrelevanten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG stellten. Der festgestellte Sachverhalt wirft keine Rechtsfragen auf, die nicht anhand der allgemeinen Interpretationsgrundsätze gelöst werden könnten. Die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts stehen auch in keinem grundlegenden Widerspruch zu einer einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Ferner unterliegen einzelfallbezogene Beurteilungen nicht der Nachprüfung durch den VwGH (vgl. VwGH 24.2.2016, Ra 2016/04/0013, mwV).

Schlagworte

Entziehung der Gewerbeberechtigung, Asylwerber, Gewerberechtsfähigkeit, Aufenthaltsrecht

Anmerkung

VfGH v. 12.12.2018, E 4595/2018; Ablehnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.221.008.9302.2018.VOR

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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