TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 98/20/0566

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.1999
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des FG in Graz, geboren am 22. August 1975, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Oktober 1998, Zl. 201.505/0-V/13/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, reiste am 22. Juni 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 24. Juni 1996 Asyl. Mit Bescheid vom 15. Juli 1996 hat das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer brachte vor, er sei am 25. Mai 1996 von bewaffneten Männern angehalten worden, die zu Charles Taylor gehörten. Sie hätten ihn in einen LKW gezerrt und zu einem "Platz am Meer" gebracht, um ihn dort eine Woche lang zum Zwecke des Kampfes für Charles Taylor zu trainieren. Dem Beschwerdeführer sei jedoch die Flucht gelungen.

In einer ergänzenden Stellungnahme zu seiner Berufung gegen den genannten Bescheid des Bundesasylsenates brachte der Beschwerdeführer darüber hinaus Folgendes vor:

"Ich selbst floh aus einem Ausbildungslager von Charles Taylor's Truppen, wohin mich die Soldaten nach meiner Zwangsrekrutierung gebracht hatten. Nachdem man Fotos von uns gemacht hatte - und uns damit einschüchterte, dass man unsere Identität jederzeit beweisen könnte, wenn wir fliehen sollten - wurde uns die Todesstrafe angedroht, sollten wir jemals desertieren (...). Ich konnte und wollte nicht kämpfen oder töten, deshalb rannte ich trotz der Drohungen fort. Ich würde die Behörde ersuchen, die Situation in Liberia eingehender zu prüfen, da ich mich in keinem Fall sicher fühle, nach Liberia zum jetzigen Zeitpunkt zurückzukehren."

Während das Bundesasylamt in seinem Bescheid die angebliche Verschleppung des Beschwerdeführers in das Lager des Charles Taylor nicht für glaubhaft hielt und davon ausging, dass der vom Beschwerdeführer angegebene Fluchtgrund nicht der Wahrheit entspricht, traf die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid keinerlei Feststellungen über die konkrete Situation des Beschwerdeführers in seinem Heimatland und seine Fluchtgründe. Als Ergebnis des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens und insbesondere unter Berufung auf eine Note des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten vom 25. Mai 1998 und einem von der österreichischen Botschaft Abidjan erstellten Länderbericht vom April 1998 stellte die belangte Behörde fest, dass die vormals zum Zeitpunkt der Ausreise des Antragstellers in Liberia herrschenden Bürgerkriegshandlungen beendet worden seien. Nach internationalen Medienberichten sowie gemäß der Einschätzung internationaler Beobachter befinde sich Liberia auf dem Weg zur Demokratisierung und Wiederherstellung der staatlichen Institutionen. Auf Grund der unter der Mithilfe der ECOMOG bewirkten Verbesserung der allgemeinen Sicherheitssituation seien bis dato etwa 100.000 Personen in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Daraus folge rechtlich, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme, weshalb die Gewährung von Asyl nicht statthaft sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der vorliegende Fall gleicht in den für die Entscheidung maßgeblichen Umständen - Durchführung von Ermittlungen im Berufungsverfahren und Treffen zusätzlicher Sachverhaltsfeststellungen, ohne eine mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer durchzuführen; keine Feststellungen zu der Behandlung von Personen, die sich der Zwangsrekrutierung durch die ehemalige Bürgerkriegspartei und nunmehrige Regierungspartei des Charles Taylor entzogen haben, durch die staatlichen Behörden; Unüberprüfbarkeit der Beweiswürdigung mangels Vorhandenseins des erwähnten Länderberichts im Verwaltungsakt, auf den die belangte Behörde die Beweiswürdigung zu den Feststellungen über die aktuelle politische Situation in Liberia stützt - den mit den hg. Erkenntnissen vom 22. April 1999, Zl. 98/20/0567, und vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0399, erledigten Fällen. Eine anonymisierte Ausfertigung dieser Erkenntnisse, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist der vorliegenden Entscheidung angeschlossen.

Aus den dort genannten Gründen war auch der hier angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200566.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten