TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 94/15/0117

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Veröffentlicht am 21.10.1999
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1972 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. Gerhard Daxböck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IX, vom 9. Mai 1994, 6/5 - 5040/92-05, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1985 sowie Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1987,

Spruch

1.) den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1987 richtet, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

2.) zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 9.820 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Vater des Beschwerdeführers (idF: Vater) betrieb bis 31. Dezember 1977 eine Drechslerei in einem ihm gehörenden Gebäude und einen Handelsbetrieb in einem gemieteten Geschäftslokal in M, in dem er Edelhausrat, Porzellan und von ihm hergestellte Waren verkaufte.

Mit Wirkung ab 1. Jänner 1978 übertrug der Vater die Drechslerei an den Beschwerdeführer und den Handelsbetrieb an seine Ehefrau, die Mutter des Beschwerdeführers (idF: Mutter), behielt sich jedoch das Mietrecht am Geschäftslokal.

Der Beschwerdeführer und die Mutter ermittelten ihre Gewinne gemäß § 4 Abs 1 EStG.

Die Mutter stellte den Handelsbetrieb am 31. März 1985 ein und trat in den Ruhestand. Auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches verzichtete der Vater am 3. April 1985 auf das ihm gehörende Mietrecht am Geschäftslokal, wofür er vom Eigentümer des Gebäudes 400.000 S erhielt. Der Vater verpflichtete sich, das Geschäftslokal bis spätestens 30. Juni 1985 zu räumen.

In der Schlussbilanz des Handelsbetriebes per 31. März 1985 standen Aktiva von 41.165 S (hauptsächlich bestehend aus Warenvorräten) Passiva von 987.237,14 S (darunter Verbindlichkeiten an Banken von 374.749,83 S, Lieferantenverbindlichkeiten von 74.592,81 S sowie Darlehen von Familienmitgliedern von 450.821,20 S, darunter vom Beschwerdeführer von 82.861,20 S) gegenüber.

Der Beschwerdeführer übernahm den Handelsbetrieb samt den gesamten Verbindlichkeiten. Im Jahresabschluss für das Jahr 1985 machte er unter dem Titel "Abschreibung Firmenwert" 863.210,94 S als Betriebsausgabe geltend, wobei sich dieser Wert aus der Differenz des negativen Kapitalkontos des Handelsbetriebes zum von ihm der Mutter gewährten Darlehen ergab.

Auf Grund der Ergebnisse einer abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt in - teilweise wieder aufgenommenen - Verfahren ua Bescheide betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1985 sowie Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1987, wobei es zur Begründung auf den gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht verwies. Der Prüfer führte in diesem Bericht hinsichtlich des Jahres 1985 aus, aus von ihm mit dem Beschwerdeführer geführten Gesprächen ergebe sich, dass die Übernahme des Handelsbetriebes aus rein privaten und familiären Erwägungen erfolgt sei. Es sei nicht vorstellbar, dass ein Fremder bei der gegebenen Überschuldung des Handelsbetriebes dessen gesamte Verbindlichkeiten übernommen hätte. Die "Abschreibung Firmenwert" sei daher steuerlich nicht anzuerkennen.

Gegen die ergangenen Sachbescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung, wobei er hinsichtlich des Jahres 1985 im Wesentlichen vorbrachte, die Übernahme des Handelsbetriebes sei wegen der zentralen Lage des Geschäftslokales in einer Fußgängerzone und der Möglichkeit, selbst hergestellte Waren zu verkaufen, sinnvoll erschienen. Darüber hinaus sei ein Großteil seiner Lieferanten mit denen des Handelsbetriebes ident gewesen. Die Lieferanten des Handelsbetriebes seien zum Teil auch seine Kunden gewesen. Er habe daher befürchtet, ein etwaiger Konkurs über das Vermögen der Mutter könnte für ihn negative wirtschaftliche Folgen haben. Die von der Mutter übernommenen Verbindlichkeiten an Banken seien mit der nunmehr ihm gehörenden Liegenschaft, auf der sich das Gebäude befinde, in dem er die Drechslerei betreibe, besichert worden. Bei einem etwaigen Konkurs über das Vermögen der Mutter sei zu befürchten gewesen, dass seiner Drechslerei die räumliche Grundlage und damit ihm die wirtschaftliche Existenz hätte entzogen werden können. Die Übernahme des Handelsbetriebes und der Verbindlichkeiten der Mutter sei daher aus betrieblichen Gründen erfolgt. Bis zum Jahr 1978 habe der Vater die Drechslerei und den Handelsbetrieb geführt. Für die Lieferanten hätten daher beide Betriebe stets als ein Betrieb gegolten. Den Konkurs über das Vermögen der Mutter hätten die Lieferanten auch als Konkurs über sein Vermögen aufgefasst. Die von der Mutter übernommenen Verbindlichkeiten an Banken seien bereits vom Vater eingegangen und grundbücherlich auf der nunmehr ihm gehörenden Liegenschaft besichert worden. Er habe die Drechslerei und die Liegenschaft nur unter der Bedingung, die bestehenden grundbücherlichen Belastungen zu akzeptieren, übernehmen können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie hinsichtlich des Jahres 1985 die Ansicht vertrat, wenn Aufwendungen für einen Betriebserwerb (aufgewendete Eigenmittel, übernommene oder beim Betriebserwerb eingegangene Verbindlichkeiten) die Summe der Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter überstiegen, so sei der übersteigende Betrag in der Eröffnungsbilanz als Geschäfts- oder Firmenwert auszuweisen. Dieser Wert könne sich beispielsweise aus einem übernommenen Kundenstock, dem besonderen Ruf oder der Lage, den Geschäftsbeziehungen eines Betriebes oder der bestehenden Betriebsorganisation mit Einkaufsbedingungen und geschultem Personal ergeben. Für den Ansatz eines Firmenwertes sei jedoch stets erforderlich, dass der Mehrpreis, den der Erwerber zusätzlich aufzuwenden bereit sei, seine Ursache im übernommenen Betrieb habe, somit betrieblich veranlasst sei. Gründe sich die Leistung eines überhöhten Erwerbspreises auf außerbetriebliche Umstände - wie zB familienrechtliche Beziehungen zwischen Übergeber und Erwerber - so könne sich ein Firmenwert nur insoweit ergeben, als auch ein Fremder bereit wäre, einen den Wert der Aktiva übersteigenden Betrag aufzuwenden. Im Beschwerdefall habe sich bereits aus Gesprächen des Prüfers mit dem Beschwerdeführer ergeben, dass die Übernahme des Handelsbetriebes aus rein privaten und familiären Erwägungen erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe die Übernahme des Handelsbetriebes mit der zentralen Lage des Geschäftslokales in einer Fußgängerzone und der Möglichkeit, selbst hergestellte Waren zu verkaufen, begründet. Gegen diese Ausführungen spreche jedoch der Umstand, dass das Mietrecht am Geschäftslokal, somit eine wesentliche Geschäftsgrundlage, nicht auf den Beschwerdeführer übertragen worden sei. Vielmehr habe der Vater auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches auf das ihm gehörende Mietrecht am Geschäftslokal unmittelbar nach der Übertragung des Handelsbetriebes an den Beschwerdeführer zu Gunsten des Eigentümers des Gebäudes um 400.000 S verzichtet. Der Beschwerdeführer sei daher nicht in der Lage gewesen, das Geschäftslokal für seine betriebliche Tätigkeit zu nutzen. Ein Fremder hätte unter diesen Umständen lediglich die Warenvorräte zum Teilwert erworben, sich aber keinesfalls verpflichtet, auch die diese um ein Vielfaches übersteigenden Verbindlichkeiten zu übernehmen. Die Übernahme der Warenvorräte und der hohen Verbindlichkeiten durch den Beschwerdeführer sei daher ausschließlich auf private und familiäre Gründe zurückzuführen. Der Ansatz eines Bilanzpostens für den Firmenwert sowie dessen gänzliche Abschreibung im Jahr 1985 sei somit unzulässig. Der Beschwerdeführer habe weiters darauf hingewiesen, dass die von der Mutter übernommenen Verbindlichkeiten an Banken mit der ihm gehörenden Liegenschaft, auf der sich das Gebäude befinde, in dem er die Drechslerei betreibe, besichert worden seien. Bei einem etwaigen Konkurs über das Vermögen seiner Mutter sei zu befürchten gewesen, dass seiner Drechslerei die räumliche Grundlage hätte entzogen werden können. Dieses Vorbringen führe nicht dazu, von der Annahme abzuweichen, die Übernahme der hohen Verbindlichkeiten durch den Beschwerdeführer sei ausschließlich auf private und familiäre Gründe zurückzuführen. Im Wirtschaftsleben sei es nicht üblich, dass der Inhaber eines Erzeugungsbetriebes eine derart hohe Haftung für Verbindlichkeiten eines seiner Abnehmer eingehe, und so Gefahr laufe, bei Inanspruchnahme durch dessen Gläubiger seine Einkunftsquelle zu verlieren. Die Besicherung der Verbindlichkeiten an Banken sei somit ebenfalls nicht betrieblich veranlasst, sondern ausschließlich auf private und familiäre Gründe zurückzuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde erwogen:

Mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 10. August 1994, D 1112/1/2-IV/6/94, wurde der angefochtene Bescheid soweit er über Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1987 abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 299 Abs 2 BAO aufgehoben. Der Beschwerdeführer ist insoweit durch diesen Bescheid klaglos gestellt. Die Beschwerde war daher nach Anhörung des Beschwerdeführers insoweit als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren gemäß § 33 Abs 1 VwGG einzustellen.

Der Beschwerdeführer hält dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Jahres 1985 entgegen, auf Grund der vor dem Jahr 1978 bestandenen und im Jahr 1985 wieder hergestellten Einheit der Drechslerei mit dem Handelsbetrieb und der seit Jahrzehnten vor dem Jahr 1978 bestehenden und seitdem ununterbrochen fortdauernden wirtschaftlichen Verflechtung der beiden Betriebe, ergebe sich, dass ausschließlich betriebliche Überlegungen bei Übernahme der gesamten Aktiva und Passiva des Handelsbetriebes im Vordergrund gestanden seien.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Unter Firmenwert ist jener Wert zu verstehen, der nicht einzelnen betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgütern zugeordnet werden kann, sondern sich als Mehrwert über den Substanzwert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter ergibt, also durch den Betrieb des Unternehmens im Ganzen vermittelt wird (vgl die bei Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 8, Tz 34, zitierte hg Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines solchen Mehrwertes beim Erwerb des Handelsbetriebes verneint und ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Warenvorräte und die hohen Verbindlichkeiten ausschließlich aus privaten und familiären Gründen übernommen. Gründe sich die Leistung eines überhöhten Erwerbspreises auf außerbetriebliche Umstände, so könne sich ein Firmenwert nur insoweit ergeben, als auch ein Fremder bereit wäre, einen den Wert der Aktiva übersteigenden Betrag aufzuwenden. Ein Fremder hätte lediglich die Warenvorräte zum Teilwert erworben, sich aber keinesfalls verpflichtet, auch die deren Teilwert um ein Vielfaches übersteigenden Verbindlichkeiten zu übernehmen. Bei isolierter Betrachtungsweise des Handelsbetriebes kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund des Umstandes, dass auf das Mietrecht am Geschäftslokal unmittelbar nach der Übertragung des Handelsbetriebes an den Beschwerdeführer gegen Entgelt verzichtet worden ist, wobei die dafür bezahlten 400.000 S dem Vater und nicht dem Beschwerdeführer zugeflossen sind, sowie auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer den Bilanzposten Firmenwert noch im selben Jahr zur Gänze abgeschrieben hat, zu dem Schluss gelangt ist, ein Fremder hätte lediglich die Warenvorräte zum Teilwert erworben, sich aber keinesfalls verpflichtet, auch die deren Teilwert um ein Vielfaches übersteigenden Verbindlichkeiten zu übernehmen. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die seit Jahrzehnten vor dem Jahre 1978 bestandene und seitdem ununterbrochen fortdauernde wirtschaftliche Verflechtung der beiden Betriebe sei durch die Übernahme der gesamten Aktiva und Passiva des Handelsbetriebes wieder hergestellt worden, zeigt er damit keine betriebliche Veranlassung für die Übernahme der hohen Verbindlichkeiten des Handelsbetriebes auf.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften bezieht sich lediglich auf Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1987, weswegen es sich erübrigte, darauf einzugehen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 56 leg cit iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 21. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1994150117.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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