TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/16 LVwG-2018/37/2026-2

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Veröffentlicht am 16.10.2018
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Entscheidungsdatum

16.10.2018

Index

83 Naturschutz Umweltschutz;
40/01 Verwaltungsverfahren;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AWG 2002 §24a
AWG 2002 §79
VStG §9
VStG §44a
VStG §45 Abs1 Z2
VwGVG §44
VwGVG §50

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde 1. des AA und 2. der BB, beide Adresse 1, Z, beide vertreten durch CC, Rechtsanwalt in Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.05.2018, Zl **, betreffend eine Übertretung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Y),

zu Recht :

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungs-strafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Am 17.10.2017 hat der abfalltechnische Amtssachverständige DD bei der Abfallbehandlungsanlage der BB am Standort Adresse 1, Z, einen Lokalaugenschein durchgeführt und dabei auch den Bereich südlich der Abfallbehandlungsanlage und den Bereich zwischen der EE und der Adresse 2 kontrolliert.

Die Ergebnisse dieses Lokalaugenscheines hat der Landeshauptmann von Tirol mit Schriftsatz vom 16.11.2017, Zl **, der Bezirkshauptmannschaft Y mit dem Ersuchen um weitere Veranlassung zur Kenntnis gebracht.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2017, Zl **, hat die Bezirkshauptmannschaft Y die BB aufgefordert, sich zum Vorwurf, „dass es sich bei den abgedeckten Abfällen zwischen EE und Bundesstraße um gefährliche Abfälle handeln könne und dass für das Abfallzwischenlager zwischen Adresse 3 und Adresse 4 keine Anlagenbewilligung vorliegt“ und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach
§ 79 Abs 1 Z 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) begangen zu haben, zu rechtfertigen.

Am 12.03.2018 hat der abfalltechnische Amtssachverständige DD wiederum einen Lokalaugenschein bei der Abfallbehandlungsanlage der BB am Standort Adresse 1, Z, durchgeführt. Der abfalltechnische Amtssachverständige hat den Bereich südlich der Abfallbehandlungsanlage, konkret den Zufahrtsbereich zum Altstoffsammelzentrum sowie zum Bereich des gewerblichen Zwischenlagers auf dem Grst.**1, GB Z, sowie den Bereich am orographisch rechten EEufer (zwischen der EE und der Adresse 2, Bereich Adresse 1a) kontrolliert.

Die Ergebnisse des Lokalaugenscheines hat der Landeshauptmann von Tirol mit Schriftsatz vom 23.04.2018, Zl **, der Bezirkshauptmannschaft Y mit dem Ersuchen um Prüfung auf verwaltungsstrafrechtliche Relevanz und um weitere Veranlassung zur Kenntnis gebracht.

Mit Straferkenntnis vom 30.05.2018, Zl **, hat die Bezirkshauptmannschaft Y der „BB, pA AA“ zur Last gelegt, es als gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der
BB zu verantworten, dass zumindest ab dem 17.10.2017 nicht gefährliche Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen gelagert worden seien, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 6 AWG 2002 begangen zu haben. Wegen dieser Verwaltungsübertretung hat die Bezirkshauptmannschaft Y gemäß § 24a in Verbindung mit (iVm) § 79 Abs 2 Z 6 AWG 2002 eine Geldstrafe in Höhe von € 2.100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage) verhängt. Die Kosten des Verfahrens hat die belangte Behörde gemäß § 64 VStG mit 10 % der verhängten Geldstrafe, also mit € 210,--, bestimmt.

Gegen dieses Straferkenntnis haben 1. AA, Adresse 1, Z, und 2. die BB, vertreten durch die Geschäftsführerin FF, Adresse 1, Z, beide vertreten durch CC, Rechtsanwalt in Y, mit Schriftsatz vom 02.07.2018 Beschwerde erhoben und beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer/die Beschwerdeführerin einzustellen; hilfsweise wird beantragt die verhängte Geldstrafe herabzusetzen oder eine bloße Ermahnung auszusprechen.

Mit Schriftsatz vom 11.09.2018, Zl **, hat die Bezirkshauptmannschaft Y den Akt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.05.2018, Zl **, dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.

II.      Beschwerdevorbringen:

Die Beschwerdeführer halten fest, das angefochtene Straferkenntnis in seinem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften anzufechten.

Zunächst weisen sie darauf hin, dass sich das angefochtene Straferkenntnis ausdrücklich gegen die „BB, pA AA, Adresse 1, Z, und damit gegen eine juristische Person richte. Schon aus diesem Grund sei das angefochtene Straferkenntnis rechtswidrig und das Verwaltungs-strafverfahren einzustellen. Ergänzend dazu halten die Beschwerdeführer fest, die im Spruch umschriebene Tat sei entgegen § 44a VStG nicht ausreichend konkretisiert. Es werde nicht näher dargelegt, wo die Abfälle gelagert worden seien und warum sie [= Beschwerdeführer] für diese behauptete Lagerung verantwortlich sein sollten. Darüber hinaus sei dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht zu entnehmen, warum die Lagerung von Abfällen an der beschriebenen Stelle überhaupt rechtswidrig sei. Es sei auch völlig unklar, welche Handlungen die BB oder AA gesetzt hätten, aus denen sich der Tatvorwurf des „Lagerns außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen“ ableiten ließe. Die dafür notwendigen Feststellungen würden im Spruch des angefochtenen Bescheides fehlen.

Darüber hinaus heben die Beschwerdeführer hervor, dass der Tatbestand des § 79 Abs 2 Z 6 AWG 2002 das Lagern von Abfällen außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen nicht erfasse. Die eben zitierte Vorschrift pönalisiere die Ausübung der Tätigkeit eines Sammlers oder Behandlers von nicht gefährlichen Abfällen, ohne im Besitz der gemäß § 24a Abs 1 AWG 2002 erforderlichen Erlaubnis zu sein, oder die Fortführung dieser Tätigkeit entgegen § 25a Abs 6 AWG 2002 oder § 26 Abs 5 AWG 2002.

Die belangte Behörde habe es daher verabsäumt gemäß § 44a VStG das Tatverhalten der entsprechenden Verwaltungsvorschrift zuzuordnen.

Die Beschwerdeführer bringen zudem vor, dass die belangte Behörde nicht darlege, wer gemäß § 9 Abs 1 VStG für den vorgeworfenen Sachverhalt verantwortlich sei. Auch dies widerspreche dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG.

Abschließend monieren die Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde selbst keinen Sachverhalt festgestellt, sondern sich damit begnügt habe, auf den Inhalt des Schreibens des Landeshauptmannes von Tirol vom 17.11.2017, Zl **, zu verweisen.

III.     Rechtslage:

1.       Abfallwirtschaftsgesetz 2002:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 70/2017, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von Abfällen

§ 24a

(1)  Wer Abfälle sammelt oder behandelt bedarf einer Erlaubnis durch den Landeshauptmann. Das Anbieten des Sammelns oder des Behandelns von Abfällen gegenüber einem größeren Kreis von Personen ist der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit gleichzuhalten. Der Antrag kann, sofern dieser Teilbereich in einem Register gemäß § 22 Abs. 1 eingerichtet ist, über dieses Register erfolgen.

[…]“

„Strafhöhe

§ 79

(1)  Wer

[…]

9. eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 erforderlichen Genehmigung zu sein,

[…]

begeht ? sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstraf-bestimmungen mit strenger Strafe bedroht ist ? eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis zu 41.200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht.

(2)  Wer

[…]

2.  nicht gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit nicht gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder die Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

[…]

6.  die Tätigkeit eines Sammlers oder Behandlers von nicht gefährlichen Abfällen ausübt, ohne im Besitz der gemäß § 24a Abs 1 erforderlichen Erlaubnis zu sein, oder entgegen § 25a Abs 6 oder § 26 Abs 5 die Tätigkeit nicht einstellt,

[…]

begeht ? sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strenger Strafe bedroht ist ? eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis zu 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht.

[…]“

[§ 79 AWG 2002 erfuhr durch die am 13.07.2018 in Kraft getretene Novelle BGBl I Nr 44/2018 eine Änderung. Diese Änderung ist für das gegenständliche Verfahren allerdings ohne Relevanz.]

2.       Verwaltungsstrafgesetz 1991:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), in der Stammfassung (§ 44a) sowie in den anzuwendenden Fassungen BGBl I Nr 3/2008 (§ 9) und BGBl I Nr 33/2013 (§ 45), lauten auszugsweise wie folgt:

„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

§ 9

(1)  Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

[…]“

„§ 44a

Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten.

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

2.   die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.   die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.   den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.   im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

§ 45

(1)  Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.       Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.       die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

[…]“

3.   Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, in den anzuwendenden Fassungen BGBl I Nr 24/2017 (§ 44) und BGBl I Nr 57/2018 (§ 50), lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„Verhandlung

§ 44

(1)  Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2)  Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

[…]“

„Erkenntnisse

§ 50

(1)  Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Landesverwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

[…]“

IV.      Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VStG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Das angefochtene Straferkenntnis wurde der „BB pA AA“ am 04.06.2018 zugestellt. Die Beschwerde des AA und der BB, beide vertreten durch CC, Rechtsanwalt in Y, wurde am 02.07.2018 und somit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Post aufgegeben.

2.        In der Sache:

2.1.    Zur Verantwortlichkeit von juristischen Personen:

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Das nach außen vertretungsbefugte Organ ist nur dann nicht verantwortlich, sofern die Verwaltungsvorschriften anderes bestimmen oder verantwortliche Beauftragte im Sinn des § 9 Abs 2 VStG bestellt sind.

Das angefochtene Straferkenntnis richtet sich an die „BB pA AA“ und damit an die juristische Person als solche. Dies widerspricht der eindeutigen Vorschrift des § 9 Abs 1 VStG, wonach anstelle der juristischen Person ein vertretungsbefugtes Organ oder ein verantwortlicher Beauftragter als Adressat der Strafnorm gilt.

Das angefochtene Straferkenntnis zitiert zwar § 9 Abs 1 VStG, es bleibt aber völlig offen, welche Person für die belangte Behörde das nach außen vertretungsbefugte Organ ist. Sollte AA als vertretungsbefugtes Organ qualifiziert werden, so hat die belangte Behörde verabsäumt, diese Annahme zu begründen. Zudem gilt es in diesem Zusammenhang Folgendes zu berücksichtigen:

Die BB verfügt aufgrund des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 03.04.2017, Zl **, über die Erlaubnis zum Sammeln und Behandeln näher bezeichneter gefährlicher und nicht gefährlicher Abfälle. Im Zusammenhang mit der Ausübung des Sammelns und Behandelns von Abfällen durch die BB ist GG, wohnhaft Adresse 5, Y, als abfallrechtlicher Geschäftsführer tätig, dessen Bestellung der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 23.10.2017, **, die Erlaubnis erteilt hat.

Handelsrechtliche Geschäftsführerin der BB ist seit 28.02.2018 FF, geb am X.

Aus der bloßen Zitierung des § 9 Abs 1 VStG im angefochtenen Bescheid lässt sich folglich nicht ableiten, wer als verwaltungsstrafrechtliches Organ erfasst werden soll. Zudem ist Adressatin des angefochtenen Straferkenntnisses die BB und damit eine juristische Person. Dies widerspricht ? wie dargelegt ? der eindeutigen Bestimmung des § 9 Abs 1 VStG. Folglich ist schon aus diesem Grund das angefochtene Straferkenntnis rechtswidrig.

Unabhängig davon hält das Landesverwaltungsgericht Tirol noch Folgendes fest:

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, das nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat, zu enthalten. Darunter ist der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt zu verstehen. Im Spruch sind die wesentlichen Tathandlungen konkret auszuführen. Aus der Umschreibung der Tathandlung muss auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden können [Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 44a Rz 2ff (Stand 01.05.2017, rdb.at)].

Laut dem angefochtenen Straferkenntnis ist die als erwiesen angenommene Tat das Lagern nicht gefährlicher Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen. Die belange Behörde hat es aber verabsäumt, konkret darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Lagerung nicht gefährlicher Abfälle in den beschriebenen Bereichen nicht genehmigt sei. Insbesondere hat sich die Bezirkshauptmannschaft Y mit den für die Errichtung und den Betrieb der Abfallbehandlungsanlage der BB am Standort Adresse 1, Z, erteilten anlagerechtlichen Bewilligungen nicht auseinandergesetzt.

Der aufgezeigte Widerspruch zu § 44a Z 1 VStG belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Als verletzte Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z 2 VStG ist jene Verbots- oder Gebotsnorm anzuführen, die ein bestimmtes Verhalten gebietet oder verbietet und unter die die Tat nach § 44a Z 1 VStG zu subsumieren ist. Die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift hat so präzise zu sein, dass in Verbindung mit der Tatumschreibung nach § 44a Z 1 VStG eine eindeutige Zuordnung der vorgeworfenen Tat zu einem bestimmten Straftatbestand möglich ist. Die (ausschließliche) Zitierung einer nicht die verletzte Vorschrift darstellenden Bestimmung zieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung nach sich [Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 44a Rz 5f (Stand 01.05.2017, rdb.at)].

Der von der belangten Behörde zitierte Straftatbestand des § 79 Abs 2 Z 6 AWG 2002 erfasst die unerlaubte Tätigkeit des Sammelns oder Behandelns von nicht gefährlichen Abfällen. Das im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfene Verhalten des Lagerns nicht gefährlicher Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen stellt eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 3 AWG 2002, allenfalls nach § 79 Abs 1 Z 9 AWG 2002, nicht aber eine solche nach § 79 Abs 2 Z 6 AWG 2002 dar. Die Zitierung der falschen Strafnorm und der damit verbundene Verstoß gegen § 44a Z 2 VStG bewirkt die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses. Eine dem Verwaltungsgericht erlaubte Präzisierung verbietet sich im gegenständlichen Fall schon deshalb, da eine solche Vorgehensweise eine korrekte Umschreibung der vorgeworfenen Tathandlung voraussetzt.

3.   Ergebnis:

Adressatin des angefochtenen Straferkenntnisses ist die BB und damit eine juristische Person als solche. Dies widerspricht § 9 Abs 1 VStG und zieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses nach sich. Unabhängig von diesem entscheidungswesentlichen Umstand widerspricht das angefochtene Straferkenntnis den Anforderungen des § 44a Z 1 und 2 VStG.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen (vgl Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses).

4.   Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die mündliche Verhandlung konnte nach dem eindeutigen Wortlaut des § 44 Abs 2 VwGVG entfallen.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat ausgehend von den §§ 9 und 44a VStG das angefochtene Straferkenntnis als rechtswidrig qualifiziert. Dabei hat sich das Landesverwaltungsgericht Tirol auf die einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gestützt. Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung waren nicht zu erörtern. Dementsprechend erklärt das Landesverwaltungsgericht Tirol die ordentliche Revision für nicht zulässig
(vgl Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,-- zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Abfall; Tätigkeit des Sammelns und Behandelns; unzulässige Lagerung; juristische Person; verantwortliches Organ;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.37.2026.2

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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