TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/5 L524 2135273-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2018
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Entscheidungsdatum

05.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2135274-1/16E

L524 2135273-1/11E

L524 2135278-1/9E

L524 2135276-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von (1.) XXXX, geb. XXXX, StA Irak, (2.) XXXX, geb. XXXX, StA Irak, (3.) mj. XXXX, geb. XXXX, und

(4.) mj. XXXX, geb. XXXX, StA Irak, alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2016, (1). Zl. 15-1054640701 - 150312115 - BMI-BFA_STM_RD,

(2.) Zl. 15-1100636402 - 152080534 - BMI-BFA_STM_RD, (3.) Zl. 15-1100636707 - 152080585 - BMI-BFA_STM_RD und (4.) Zl. 15-1100637301 - 152080615 - BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.05.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide zu lauten hat:

Gemäß § 55 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise drei Monate ab Zustellung dieses Erkenntnisses.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er im Wesentlichen vor, dass er Araber und sunnitischer Moslem sei. Seine Ehefrau, seine zwei Töchter, seine Eltern, drei Schwestern und ein Bruder würden noch im Irak leben. Der Erstbeschwerdeführer habe in Bagdad gelebt und dort auch die Grundschule besucht. Im November 2014 habe er den Irak legal verlassen. Sein Reisepass (ausgestellt am 17.08.2014) befinde sich bei einem Freund in Istanbul. Im Februar 2015 sei er nach Griechenland gereist und danach über Mazedonien und Serbien nach Österreich gefahren, wo er am 25.03.2015 angekommen sei. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er in seiner Arbeit oft bedroht worden sei, weil er Sunnit sei. Kurz vor seiner Ausreise hätten er und alle anderen sunnitischen Kollegen eine Versetzung nach Mossul bekommen, um gegen den IS zu kämpfen. Jene, die aus anderen Städten versetzt worden seien, seien nicht wieder zurückgekehrt. Daher sei er geflohen.

2. Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des Erstbeschwerdeführer und reiste mit den beiden gemeinsamen minderjährigen Töchtern, den Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen, illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte für sich und die beiden Töchter am 30.12.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung furch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie schiitische Moslemin sei und in Bagdad von 1994 bis 2003 die Schule besucht habe. Im Irak würden noch ihre Eltern, eine Schwester und drei Brüder leben. Vor ca. 20 Tagen habe sie sich zur Ausreise entschlossen und am 10.12.2015 sei sie mit ihren Töchtern legal aus dem Irak ausgereist. Die Reisepässe der Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen wurden alle am 24.09.2014 ausgestellt. Hinsichtlich ihres Fluchtgrundes brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass sie wegen des IS und des Bürgerkrieges Angst um ihr Leben gehabt habe. Es gebe in Bagdad auch Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. Ihr Ehemann und die beiden Kinder würden der schiitischen Minderheit angehören und ein Leben mit Sunniten gemeinsam sei nicht möglich.

3. Am 25.08.2016 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Erstbeschwerdeführer gab an, dass er mit seiner Familie im Haus des Vaters in Bagdad gelebt habe. In diesem Haus hätten noch seine Eltern, zwei Schwestern, ein Bruder sowie eine Nichte und zwei Neffen gewohnt. In Bagdad würden außerdem noch eine weitere Schwester und viele Onkel und Tanten leben. Außerhalb Bagdads würden auch noch zwei Onkel leben. Sein Vater beziehe eine Pension. Der Erstbeschwerdeführer habe sieben Jahre die Schule besucht. Er habe als Elektriker gearbeitet und danach von 2008 bis Oktober 2014 als Polizist. Zu seinem Fluchtgrund gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er im Jahr 2007 von einer Miliz entführt und drei oder vier Stunden gefoltert worden sei. Nach seiner Freilassung habe er zwei Wochen bei seinen Großeltern gelebt. Dort sei er von zwei Freunden angerufen worden, die mit den Milizen gesprochen hätten. Es sei abgesprochen worden, dass der Erstbeschwerdeführer wieder nach Hause gehen könne. Von 2007 bis 2012 habe er ganz normal gelebt. Im Jahr 2012 seien dann die beiden Freunde erschossen worden und er habe Angst bekommen, dass ihm dasselbe Schicksal drohe. Daher habe er ab diesem Zeitpunkt eine kugelsichere Weste im Dienst getragen. Zwei Monate nach dem Tod der Freunde sei er von einem weißen Auto verfolgt und beobachtet worden. Das sei zwei Mal geschehen. Seitdem habe er auch immer sein Fahrzeug auf Sprengstoff kontrolliert. Der Erstbeschwerdeführer sei bei der Polizei befördert worden und dann für die Diensteinteilung der Polizisten verantwortlich gewesen. Ein Kollege, dessen Bruder bei den Milizen Kommandant sei, sei oft nicht zum Dienst erschienen. Der Erstbeschwerdeführer habe dies dem Vorgesetzten melden müssen, der befohlen habe, der Erstbeschwerdeführer müsse schreiben, dass der Kollege geflüchtet sei. Daraufhin sei der Kollege ca. im Juni 2014 suspendiert worden. Nachdem der Kollege kein Gehalt mehr bekommen habe, habe der Erstbeschwerdeführer bemerkt, dass zwölf Männer der Miliz mit drei Fahrzeugen auf der Dienststelle erschienen seien und das Gespräch mit ihm gesucht hätten. Die Männer hätten nach dem Kollegen gefragt und dem Erstbeschwerdeführer gesagt, sie wüssten, was sie mit ihm dem Erstbeschwerdeführer, machen würden. Dies habe er dem Vorgesetzten gemeldet, der gemeint habe, er solle, weil er wieder Vater geworden sei, die Stadt verlassen. Er sei vom Vorgesetzten auf eine Liste von Personen gesetzt worden, die freiwillig nach Mossul gehen wollten. Der Erstbeschwerdeführer habe seiner Tochter einen schiitischen Namen gegeben, in der Hoffnung, dass dies helfen würde. Der Stellvertreter des Kommandanten habe ihm dann gesagt, dass etwas gegen ihn laufe. Daher habe er die Flucht vorbereitet und sein Auto verkauft. Im August 2014 sei er vom Kollegen angerufen und aufgefordert worden, sich auf den Tod vorzubereiten. Nach dem Anruf habe er zwei Tage sein Telefon ausgeschaltet und dann das Land verlassen. Der Erstbeschwerdeführer legte auch Dokumente betreffend sein Fluchtvorbringen vor.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie neun Jahre die Schule besucht habe. Sie habe mit ihrer Familie im Haus des Schwiegervaters gelebt. Nachdem ihr Mann den Irak verlassen habe, habe sie bei ihrer Großmutter gelebt. Für die Ausreise habe sie gespart, die Pension ihres Vaters bekommen und ihr Schwiegervater habe ihr auch geholfen. Im Irak würden noch drei Brüder, eine Schwester, die Mutter und die Großmutter leben. Zu ihrem Fluchtgrund gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie dieselben Gründe wie ihr Ehemann habe. Für die Kinder wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

4. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA vom 01.09.2016 wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkte II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei auch davon auszugehen, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

5. Gegen diese Bescheide richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der das Fluchtvorbringen wiederholt und weiters ausgeführt wurde, dass die Feststellungen zur Lage im Irak unvollständig seien. Der Hauptgrund für die Flucht seien die Bedrohungen durch schiitische Milizen gewesen. Wäre die einzige Bedrohung die Versetzung nach Mossul gewesen, hätte sich der Erstbeschwerdeführer eine andere Tätigkeit gesucht.

6. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 07.05.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur die Beschwerdeführer als Parteien teilnahmen. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Der Erstbeschwerdeführer schilderte seine Ausreisegründe. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, sie habe den Irak verlassen, weil sie zu ihrem Mann gewollt habe. Sie sei derzeit auch schwanger. Die Beschwerdeführer legten Dokumente betreffend ihre Integration in Österreich vor. Den Beschwerdeführern wurden im Rahmen der Verhandlung Berichte zur Lage im Irak ausgehändigt und hierzu eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt, von der die Beschwerdeführer auch Gebrauch machten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und die Eltern der Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen. Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Araber an und sind schiitische Moslems.

Der Erstbeschwerdeführer hat neun Jahre die Schule besucht und war ab dem Jahr 2005 berufstätig. Die Zweitbeschwerdeführerin hat neun Jahre die Schule besucht und war danach Hausfrau.

Der Erstbeschwerdeführer verließ am 11.10.2014 legal den Irak und reiste schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 26.03.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen verließen am 10.12.2015 legal den Irak und reisten schlepperunterstützt nach Österreich, wo sie am 30.12.2015 Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Die Beschwerdeführer lebten in Bagdad im Haus des Vaters des Erstbeschwerdeführers. In diesem Haus leben noch die Eltern und ein Bruder des Erstbeschwerdeführers. Der Erstbeschwerdeführer hat drei Schwestern, die verheiratet sind und in Bagdad leben. Der Vater des Erstbeschwerdeführers erhält eine Pension und auch der Bruder, der behindert ist, arbeitet gelegentlich als Taxifahrer. Sechs Tanten und drei Onkel leben in Bagdad.

Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist 1988 verstorben. Zwei Brüder und eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin leben in Bagdad. Die Mutter und ein Bruder der Zweitbeschwerdeführerin leben in Najaf. Die Brüder sind berufstätig und die Schwester ist verheiratet und wird von ihrem Ehemann versorgt. Die Mutter lebt von ihrer Pension. In Bagdad leben außerdem noch die Großmutter der Beschwerdeführerin, drei Tanten und zwei Onkel. Eine Tante lebt in Babel, drei Tanten und zwei Onkel leben in Najaf.

Die Beschwerdeführer leben von der Grundversorgung und sind strafrechtlich unbescholten. Der Erstbeschwerdeführer ist gesund. Wegen Schlafstörungen nimmt der Erstbeschwerdeführer bei Bedarf am Abend 1/3-Tablette Trittico ret. 150 mg und bei Unruhe Beruhigungstropfen. Die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund und nimmt keine Medikamente. Die Zweitbeschwerdeführerin ist schwanger. Der errechnete Geburtstermin ist der 28.05.2018.

Der Erstbeschwerdeführer besuchte im Jahr 2016 einen Deutschkurs Elementar 1, einen Deutschkurs Elementar II und einen Deutschkurs intensiv A1 Basis. Im Jahr 2017 besuchte er einen Deutschkurs Elementar 2/3 und einen Deutschkurs A1.2. Der Erstbeschwerdeführer geht in ein Fitnessstudio. Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte im Jahr 2016 einen Deutschkurs intensiv A1 Basis. Die Drittbeschwerdeführerin besucht seit September 2017 einen Privatkindergarten.

Der vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er von schiitischen Milizen bedroht worden sei und seine Dienststelle verlassen hätte, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte keine eigenen Fluchtgründe vor. Auch für die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen wurde keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise aus ihrer Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt waren oder sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wären.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Nach einer Blitzkampagne von 10 Tagen erklärte Premier Abadi die vollständige Einnahme Tal Afars sowie der gesamten Provinz Niniveh durch die ISF. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul und wurde von 2000 IS-Kämpfern verteidigt. Die einfache Eroberung wird als Beweis für die Schwäche der Gruppe sowie die Präferenz im Untergrund weiterzukämpfen, verstanden.

Nach der erfolgreichen Einnahme von Mossul und Tal Afar durch die ISF, befürchten IS-Kämpfer ihre letzten Hochburgen im Irak zu verlieren. Familien von IS-Kämpfern fliehen Berichten zufolge täglich aus der Stadt al-Sharbat, südlich von Mossul gelegen, in unbekannte Destinationen. Die Stadt Hawija, welche 55 km südwestlich der erdölreichen Stadt Kirkuk liegt, ist voraussichtlich das nächste Ziel der ISF und der US-geführten Anti-IS-Koalition. Die verbliebenen IS-Kämpfer bestehen vor allem aus lokalen Kämpfern, welche beharrlich um die letzten Gebiete im Irak kämpfen werden. Unterdessen bereiten sich die ISF und kurdische Kräfte auf eine mögliche Entstehung von Post-IS Milizen vor und konzentrieren sich auf Überwachungsmaßnahmen durch Grenzkontrollen, Checkpoints und geheimdienstliche Aufklärung, aber auch auf Aufstandsbekämpfungen.

Es gab eine Reihe intensiver, hochgradig koordinierter Militäroffensiven, die von der Regierung gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) durchgeführt wurden, mit dem Ziel, den IS aus dem Land zu vertreiben. Diese Offensiven führten dazu, dass die territoriale Kontrolle des IS im Irak beendet wurde. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist der sichtbare Rückgang der Sicherheitsvorfälle in Gebieten, die bisher als IS-Hotspots in nichtumkämpften Gebieten ausgewiesen wurden. Dies ist einerseits auf die grundsätzlich schweren Verluste des IS und andererseits darauf zurückzuführen, dass IS-Kämpfer in umkämpfte Gebiete verlegt wurden.

Die Offensiven in Mossul, Tal Afar, Hawija und im westlichen Anbar haben erfolgreich dazu beigetragen, den IS zurückzudrängen und ihrer territorialen Kontrolle im Irak ein Ende zu bereiten. Die Sicherheitsvorfälle im Irak sind sichtbar zurückgegangen, unter anderem auch in Bagdad. Dies ist hauptsächlich auf die Intensität der Militäroffensiven zurückzuführen, was den IS dazu zwang viele IS-Kämpfer an der Front einzusetzen. Der IS kann seine Angriffe im ganzen Land nicht mehr so aufrechterhalten, wie es einmal war.

Das Gouvernement Anbar ist nach der Fallujah-Offensive im Juni 2017 weiterhin volatil. Nach der Befreiung Falludschas haben irakische Truppen und sunnitische Stammeskämpfer weiterhin IS-Städte geräumt und Territorien im Nordwesten gesichert, etwa in Haditha. Die Lage änderte sich allmählich während der Hawija-Offensive im September 2017, als sich die irakische Regierung dazu entschloss, die militärischen Operationen zu verstärken, um den IS im Westen von Anbar zu stoppen, mit dem Ziel, die IS-Truppen vollständig aus dem Irak zu vertreiben und der Wiederherstellung der irakisch-syrischen Grenze. Die irakischen Sicherheitskräfte konnten al-Qaim am 03.11.2017 zurückerobern. Militärische Fortschritte gab es danach in der Nachbarstadt Rawa, wo das letzte verbliebene IS-Gebiet am 11.11.2017 erobert und 10.000 Zivilisten befreit wurden.

Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Parteizentrale im Irak sind nach Angaben von Sicherheitskräften vier Menschen getötet und sieben weitere verletzt worden. Zwei Angreifer hätten sich am Abend des 07.04.2018 als Soldaten verkleidet Zutritt in das Hauptquartier der Al-Hal-Partei in der westirakischen Stadt Hit verschafft, sagte ein örtlicher Sicherheitsbeamter der Nachrichtenagentur AFP. Einer der Attentäter habe sich während eines Treffens von Parteiführern in die Luft gesprengt, sagte General Kassam al-Mohammadi, Befehlshaber der Armee in der Region. Drei Sicherheitskräfte seien dabei getötet und sieben weitere Menschen verletzt worden. Die Al-Hal-Partei gehört zu den wichtigsten politischen Formationen in der mehrheitlich von sunnitischen Stämmen bewohnten Provinz Al-Anbar.

In Bagdad ereignete sich im Juli 2016 die tödlichste Attacke seit 2003. Es gab danach eine Serie von Selbstmordanschlägen. Die Sicherheitslage verbesserte sich mit dem Beginn der Mossul-Offensive und nach einer kurzzeitigen Verschlechterung zu Beginn des Jahres 2017 verringerten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle wieder und nahmen mit der Niederlage des IS im Juli 2017 weiter ab. Im Juni 2017 wurden die wenigsten Angriffe verzeichnet. Zuletzt gab es im Jänner 2018 im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad einen Doppelanschlag. Dabei sind nach offiziellen Angaben mindestens 38 Menschen getötet worden. Laut dem Innenministerium sprengten sich die Selbstmordattentäter am frühen Morgen mit Sprengstoffwesten in die Luft. Die Verantwortung für den Anschlag übernahm bisher niemand. Bei den meisten Opfern soll es sich um Tagelöhner handeln. Der Al-Tajjaran-Platz dient ihnen als Treffpunkt mit potenziellen Arbeitgebern und ist daher besonders am Morgen voller Menschen. Er war in der Vergangenheit wiederholt Ziel von Anschlägen.

Diyala besteht aus einer einzigartigen und vielfältigen ethnischen und religiösen Bevölkerung. Es leben dort Araber, Kurden, Turkmenen und sowohl Schiiten als auch Sunniten. Das Gouvernement Diyala wurde im Jänner 2015 als erstes vom IS befreit. Vom IS ausgeführte Angriffe richten sich meist gegen schiitische Milizen, etwa an Checkpoints, die dann Gegenangriffe auslösen. Angriffe finden meist im Zentrum und im Norden des Gouvernements statt. Die meisten sicherheitsrelevanten Angriffe gab es im Juli 2014. Seither ist ein deutlicher Rückgang zu vermerken.

In Kirkuk leben Kurden, Turkmenen und Araber. Die Provinz ist für 40 % der Erdölproduktion verantwortlich. Die Sicherheitslage war zwischen Juli 2016 und November 2017 weitgehend stabil, mit Ausnahme des Distrikts Hawija. Dieser Distrikt stand seit Juni 2014 unter Kontrolle des IS. Vor dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum gab es in der Stadt Kirkuk nur wenige sicherheitsrelevante Vorfälle. Nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum verschlechterte sich die Situation im September/Oktober 2017. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der KRG (KRI) in Erbil während des kurdischen Referendums im September 2017 verschärfte die Spannungen zwischen der ethnisch vielfältigen Bevölkerung in Kirkuk. Die irakischen Truppen haben im Oktober 2017 die Kontrolle über wichtige Regierungsgebäude in der Stadt Kirkuk, den Flughafen, die Militärbasis und ein Ölfeld übernommen. Am 20.09.2017 starteten die ISF eine Offensive in Hawija. Die Rückeroberung der Gebiete dauerte nur wenige Tage. Am 05.10.2017 verkündete der irakische Premier den Sieg. Nach dem Rückzug der Peshmerga aus dem Gouvernement ist die bewaffnete Konfrontation abgeklungen.

Im Gouvernement Ninewa begann im Oktober 2016 die Mossul-Offensive, die Anfang Juli 2017 endete. Nachdem Ost-Mossul im Jänner 2017 befreit wurde, folgte die Befreiung des bevölkerungsreicheren Westen Mossuls. Die Gewaltakte haben nachgelassen. Es gibt sporadische Selbstmordattentate gegen irakische Streitkräfte und Mitglieder der PMU/PMF. Die durchschnittliche Anzahl der täglichen Attacken in Ninewa bewegt sich zwischen zwei und fünf. Zwischen Jänner und April 2017 lag sie noch zwischen zehn und 15. Von April bis September 2017 sank die Zahl kontinuierlich auf ca. zwei. Nach der Mossul-Offensive erfolgte die Tal Afar-Offensive. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul. In Tal Afar ist geteilt zwischen Sunniten und Schiiten und es leben dort hauptsächlich Turkmenen. Am 01.09.2017 erklärte Premier Abadi den Sieg über den IS in Tal Afar, der das Ende der Kontrolle des IS in Ninewa markierte.

Das Gouvernement Salah al-Din wurde in den frühen Stadien der Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den IS befreit. Tikrit, Saddam Husseins Geburtsort, ist ein wichtiges Symbol der sunnitischen Herrschaft im Zentralirak. In Salah al-Din befindet sich auch der schiitische al-Askari Schrein in Samarra, eine der heiligsten Stätten im schiitischen Islam. Der Angriff auf den Schrein im Jahr 2006 löste eine gewaltwelle zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppierungen aus, die sich auf andere Teile des Landes ausbreitete. Schiitische PMU-Milizen begannen im April 2015 die IS-Milizen aus der Stadt zu vertreiben. Die Sicherheitslage ist vergleichsweise stabil.

Die südlichen Gouvernements waren nicht direkt von den Konflikten in den nördlichen und zentralen Gouvernements betroffen. In relativ geringem Ausmaß gab es auch hier IS-Angriffe (durchschnittlich drei bis zehn pro Monat). Die Gouvernements Basra und Babil sind dabei in erster Linie betroffen. Bei den Vorfällen handelt es sich um IEDs, Autobomben oder Scheißereien. Im Nordwesten von Babil befindet sich die Stadt Jurf al-Sakhr, die einzige mehrheitlich sunnitische Stadt im Gouvernement ist. Die Stadt wurde 2014 vom IS befreit, aber anders als andere befreite Städte bleibt sie entvölkert und zwar wegen ihrer Lage. Die Stadt liegt an der Straße, die zu den heiligen schiitischen Städten im Süden führt - Najaf und Karbala. Im ölreichen Gouvernement Basra gibt es Kämpfe zwischen rivalisierenden Stämmen und Ackerland und Landbesitz.

Die Sicherheitslage in den nördlichen Gouvernements in der Region Kurdistan (KRI/KRG) ist stabil und in der Hand der kurdischen Behörden. Auch diese Gouvernements waren nicht direkt von den Militäroffensiven betroffen. Die Sicherheitslage ist nach dem Abzug kurdischer Peschmerga-Gruppen aus Kirkuk und anderen zuvor kontrollierten Gebieten unverändert. Die Peschmerga-Streitkräfte behalten weiterhin die Kontrolle über das Territorium der KRI. Der Grenzübergang zum Iran ist wieder geöffnet. Internationale Flüge von und nach KRI sind nicht möglich. Inlandsflüge zwischen Bagdad und der KRI sind weiterhin möglich.

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf, die der Deutschen Botschaft Bagdad durch das irakische Außenministerium per Verbalnote zwecks Überprüfung zugesandt wurden. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden.

Im Zeitraum Jänner 2014 bis 31. März 2018 wurden 2,2 Millionen Binnenflüchtlinge (367.542 Familien) registriert, die sich auf 97 Bezirke und 3.533 Orte im Irak verteilten. Im selben Zeitraum wurden auch 3,6 Millionen Rückkehrer (605.933 Familien) ausgemacht. Insgesamt sank die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen um etwa 5 % (-112.446 Personen). Rückgänge wurden in allen 18 Gouvernements des Irak verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer stieg im um 4 % (123.996 Personen). Dies zeigt einen anhaltenden Trend zu zunehmenden Rückkehrbewegungen. 60 % (1,3 Millionen) der Binnenvertriebenen werden privat untergebracht und 28 % (616.000) befinden sich in Flüchtlingslagern. Binnenvertriebene befinden sich vorwiegend in den Gouvernements Ninewa (30 %, 665.910), Dohuk (16 %, 354.432), Erbil (11 %, 232.164), Salah al-Din (9 %, 205.182) und Sulaymaniyah (8 %, 165.630). Die meisten Rückkehrer gibt es im Gouvernement Ninewa (35 %) und Anbar (34 %). Danach folgen Salah al-Din (14 %), Kirkuk (8 %), Diyala (6 %) und Bagdad (2 %). Insgesamt 91 % der 123.996 Rückkehrer im März 2018 verteilen sich auf vier Gouvernements:

Anbar, Kirkur, Ninewa und Salah al-Din. Alleine in Ninewa wurden 86 % (107.292) der neuen Rückkehrer verzeichnet, von denen wiederum

77.166 in den Distrikt Mossul zurückkehrten. In Anbar wurden die meisten der 7.146 Rückkehrer im zurückeroberten Gebiet West Anbars registriert. In Salah al-Din, wo insgesamt 4.530 neue Rückkehrer registriert wurden, kehrten viele in die rückeroberten Distrikte Al-Shirqat (3.114 Personen) und Baiji (642) zurück. In Kirkuk, wurden ca. 2.760 neue Rückkehrer registriert, von den 2.442 in den zurückeroberten Distrikt Hawija zurückkehrten, da sich dort die Sicherheit verbesserte.

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich.

Es gibt inzwischen regelmäßige Linienflüge wichtiger Luftfahrtgesellschaften, u. a. aus Europa und Staaten des Nahen Ostens, nach Bagdad (Royal Jordanian, Middle East Airlines, Turkish Airlines). Es gibt Inlandsflüge zwischen Sulaymaniya und Basra sowie Bagdad (Iraqi Airways), weiters gibt es Inlandsflüge zwischen Erbil und Bagdad, Basra sowie Najaf (Iraqi Airways, Fly Baghdad). Mitunter kehren Iraker mit Hilfe der Internationalen Organisation für Migration (IOM) aus Deutschland über Amman freiwillig nach Irak zurück. Seit 01.01.2017 werden für Rückkehrer aus Österreich insgesamt drei Reintegrationsprojekte angeboten: RESTART II von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), IRMA plus von der Caritas Österreich und ERIN vom Bundesministerium für Inneres (BM.I). Das Projekt ERIN betrifft Rückkehrer in den Irak. 2015 kehrten 754 Personen in den Irak zurück. Die meisten von IOM Österreich im Jahr 2016 unterstützten Personen kehrten in den Irak (1.396 Personen) zurück. Im ersten Halbjahr 2017 unterstützte IOM Österreich insgesamt 1.716 Menschen (1.286 Männer und 430 Frauen) bei der freiwilligen Rückkehr in ihre Herkunftsländer. Die mit Abstand größte Gruppe (356 Personen) kehrte in den Irak zurück, womit sich der Trend aus dem Vorjahr fortsetzt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den Beschwerdeführern, zu ihrer Herkunft, zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, zu ihrer Schulbildung, zur Tätigkeit im Irak, zu ihrer illegalen Einreise sowie zu ihrer Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen der Erst- und Zweitbeschwerdeführer im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten. Es ist kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer sunnitischer Moslem ist. Der Erstbeschwerdeführer behauptete zwar vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht, dass er sunnitischer Moslem sei, doch konnte er vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Nachfrage nicht einmal angeben, welcher konkreten sunnitischen Glaubensrichtung er angehören würde. Es ist Beschwerdeführern anderer Verfahren sehr wohl möglich, jene konkrete Glaubensrichtung zu nennen, der sie angehören. Dass der Erstbeschwerdeführer dazu trotz seiner neunjährigen Schulbildung nicht in der Lage ist, spricht nicht dafür, dass er tatsächlich sunnitischer Moslem ist. Auch die ausweichende Antwort, die der Erstbeschwerdeführer auf diese Frage gab, nämlich: "Ich richte mich nach gar keiner Glaubensrichtung. Ich bin ganz normal." spricht nicht für die Glaubhaftigkeit seines Angaben. Es wird daher davon ausgegangen, dass er mit der Behauptung sunnitischer Moslem zu sein, sich Vorteile im Asylverfahren verschaffen will. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie schiitische Moslemin sei. In ihrer Erstbefragung gab sie auch an, dass ihr Ehemann und die Kinder schiitische Moslems seien. Auf diesen Vorhalt meinte der Erstbeschwerdeführer, dass sich seine Frau "bei so etwas" nicht wirklich auskenne (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Überzeugend ist diese Antwort nicht, zumal die Zweitbeschwerdeführerin auch über Schulbildung im selben Ausmaß wie der Erstbeschwerdeführer verfügt und sie daher durchaus in der Lage sein muss anzugeben, welcher Richtung des Islams sie und ihr Ehemann angehören würden. Darüber hinaus gab der Erstbeschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA (AS 40) und auch vor dem Bundesverwaltungsgericht (Seiten 13 und 14 des Verhandlungsprotokolls) an, dass er in einer schiitischen Gegend gelebt habe bzw. XXXX - wo der Erstbeschwerdeführer schon zur Zeit seiner behaupteten Entführung und Folter im Jahr 2007 gelebt habe - ein schiitischer Bezirk sei, was auch nahelegt, dass der Erstbeschwerdeführer selbst auch schiitischer Moslem ist. Das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers, er hätte seiner zweiten Tochter einen schiitischen Vornamen gegeben um der Miliz zu beweisen, dass er nicht der sei, für den sie ihn halten würden (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls), überzeugt nicht, sondern spricht dafür, dass der Erstbeschwerdeführer selbst wohl auch schiitischer Moslem ist. Auch die Schilderungen im Zusammenhang mit dem Erlangen der Polizeistelle lassen nicht den Schluss zu, dass der Erstbeschwerdeführer tatsächlich sunnitischer Moslem ist. Vor dem BFA wurde der Erstbeschwerdeführer gefragt, wie er als Sunnit Polizist habe werden können. Auf diese Frage wich er jedoch aus und meinte, dass man als Sunnit auch bei der Polizei weniger Rechte hätte (AS 42). Widersprüchlich dazu gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass ihm seine schiitischen Nachbarn die Stelle bei der Polizei verschafft hätten, da ihr Vater eine hohe Position im Irak hätte (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Auf Grund all dieser Umstände war es nicht glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer sunnitischer Moslem sei. Die Zweitbeschwerdeführerin gab selbst an, dass sie schiitische Moslemin sei. Es erfolgte daher die Feststellung, dass die Beschwerdeführer schiitische Moslems sind.

Die Feststellungen betreffend die Teilnahme des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin an Deutschkursen und der Besuch eines Privatkindergartens der Drittbeschwerdeführerin ergeben sich aus den entsprechenden Bestätigungen. In der mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht, dass der Erstbeschwerdeführer bei einem Verein sei, wo sie Kaffee trinken, schauspielen und kochen würden. Eine Bestätigung dafür konnte er nicht vorlegen, weshalb keine diesbezügliche Feststellung getroffen werden konnte. Ebenfalls mangels Vorlage eines entsprechenden Dokuments konnte nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer für einen Deutschkurs A2 vorgemerkt sei.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Erstbeschwerdeführers ergeben sich aus einer ärztlichen Bestätigung vom 14.05.2018. Soweit mit der Beschwerdeergänzung ein Befundbericht vom 24.05.2016 vorgelegt wurde, wonach der Erstbeschwerdeführer zeitweise an einem Schwindel leide, kommt diesem keine Aktualität zu, zumal Derartiges aus dem ärztlichen Attest vom 14.05.2018 nicht mehr hervorgeht. Die Schwangerschaft der Zweitbeschwerdeführerin und des errechneten Geburtstermins ergeben sich aus dem vorgelegten Mutter-Kind-Pass.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 04.05.2018.

Der vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

In der Erstbefragung gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er in seiner Arbeit oft bedroht worden sei, weil er Sunnit sei. Kurz vor seiner Ausreise hätte er, wie alle anderen Sunniten auch, eine Versetzung nach Mossul erhalten, um gegen den IS kämpfen. Alle anderen, die versetzt worden seien, seien nicht mehr zurückgekommen. Daher habe er den Irak verlassen (AS 9). Dagegen gab der Erstbeschwerdeführer vor dem BFA, kurz zusammengefasst an, dass er 2007 von einer schiitischen Miliz entführt und gefoltert worden sei. 2012 seien zwei schiitische Freunde ermordet worden und er habe dasselbe Schicksal befürchtet. 2014 sei ein Kollege nicht mehr zum Dienst erschienen, weshalb der Erstbeschwerdeführer von einer Miliz, der der Bruder des Kollegen angehören würde, bedroht worden sei. Daher habe ihn ein Vorgesetzter auf eine Liste gesetzt, wonach er freiwillig nach Mossul gehen würde. Im August 2014 habe er dann einen Anruf der Miliz erhalten, dass er sich auf den Tod vorbereiten solle (AS 39 und 40). Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die vor dem BFA genannten fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan - vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind - zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Der Erstbeschwerdeführer hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Erstbeschwerdeführer in der Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund darlegt als in der folgenden Einvernahme vor dem BFA.

Der Erstbeschwerdeführer schilderte sowohl vor dem BFA als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Entführung und Folter durch eine Miliz im Jahr 2007. Ein Vergleich der beiden Schilderungen zeigt aber, dass jene Schilderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich ausführlicher und detaillierter war als jene vor dem BFA, was angesichts des Umstandes, dass zwischen der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ca. eineinhalb Jahre vergangen sind, nicht nachvollzogen werden kann, zumal davon auszugehen ist, dass die Erinnerung im Laufe der Zeit weiter verblasst, weshalb die Schilderungen an Details verlieren müssten und nicht - wie hier - detaillierter werden. Es ist daher schon aus diesem Grund nicht glaubhaft, dass es diese Entführung und Folter tatsächlich gegeben hat. Hinsichtlich der von der behaupteten Folter davongetragenen Narben äußerte sich der Erstbeschwerdeführer auch widersprüchlich. So gab er vor dem BFA an, dass er jetzt keine Narben mehr habe. Drei Tage nach der Folter hätte er blaue Flecken gehabt und Kratzer im Gesicht (AS 42). Dagegen zeigte der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Narbe am Rücken, eine kleine Narbe an der rechten Schulter und über der Hüfte (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese unterschiedlichen Ausführungen zum Bestehen bzw. Nichtbestehen von Narben sprechen nicht für eine tatsächlich erfolgte Folter. Dass die tatsächlich vorhandenen Narben des Erstbeschwerdeführers tatsächlich auf die von ihm beschriebene Weise im Zuge einer Folter entstanden sind, ist somit nicht glaubhaft.

Dem Erstbeschwerdeführer ist es aber darüber hinaus auch nicht gelungen, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen im Jahr 2007 und der Ausreise im Jahr 2014 herzustellen. Vor dem BFA meinte er, dass ihn zwei schiitische Freunde angerufen hätten, die mit den Milizen gesprochen hätten. Mit den Milizen sei abgesprochen, dass er wieder nach Hause gehen könne; er solle nur seinen "Mund halten" (AS 39). Die vor dem Bundesverwaltungsgericht geschilderte Version stellte sich jedoch anders dar. Hier meinte er, dass eine Gruppe der Miliz zum Elternhaus gekommen sei und gesagt hätte, dass sie entweder das Haus sofort verlassen sollten, oder sie sollten einen Bürgen bringen. Die Bürgen seien dann zwei schiitische Nachbarn gewesen. Der Erstbeschwerdeführer sei zum Elternhaus zurückgekehrt, habe sich aber an die Regeln der Miliz halten müssen. Er hätte nicht außerhalb der Wohnung gehen dürfen, keinen Kontakt aufnehmen dürfen und nur zu den Bürgen gehen und vor dem Haus sitzen und sich mit ihnen unterhalten dürfen (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls).

Auf die Frage in der mündlichen Verhandlung, in welchem Zusammenhang die Ereignisse 2007 mit der Ausreise 2014 stünden, meinte der Erstbeschwerdeführer zunächst, dass die beiden Bürgen ihm die Stelle als Polizist verschafft hätten. Danach erklärte er, dass er sich bis 2012 an die Regeln der Miliz gehalten hätte. Diese Behauptung ist aber nicht mit den angegebenen Regeln der Miliz in Einklang zu bringen. Die Tätigkeit als Polizist verlangt nämlich geradezu danach, dass sich der Erstbeschwerdeführer außerhalb der Wohnung aufhält und Kontakt mit Menschen aufnehmen muss. Außerdem wäre es dem Erstbeschwerdeführer nur erlaubt gewesen, nur zu den Bürgen zugehen und vor dem Haus zu sitzen und sich mit ihnen zu unterhalten. Auch dies ist mit einer Tätigkeit als Polizist nicht vereinbar. Es ist daher weder glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer von der Miliz entführt und gefoltert wurde noch, dass ihm von schiitischen Nachbarn eine Stelle bei der Polizei verschafft worden sei (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Es ist nicht glaubhaft, dass dieses Vorbringen den Tatsachen entspricht, sondern dass der Erstbeschwerdeführer damit bloß versucht, einen Zusammenhang zu den nachfolgenden behaupteten Ereignissen in den Jahren 2012 und 2014 zu konstruieren.

Der Erstbeschwerdeführer schilderte vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht, dass die beiden schiitischen Nachbarn 2012 ermordet worden seien. Vor dem BFA konnte der Erstbeschwerdeführer nur angeben, dass dies 2012 gewesen sei (AS 39). Hingegen meinte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass es ungefähr im August 2012 gewesen sei (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, die einige Zeit nach der Einvernahme vor dem BFA stattfand, konkretere Angaben machen kann, ist nicht plausibel. Der Erstbeschwerdeführer meinte vor dem BFA, dass er Angst gehabt hätte, ihm könnte das gleiche Schicksal drohen. Dies erscheint jedoch insofern nicht glaubhaft, da zwischen den Ereignissen 2007 und 2012 fünf Jahre vergangen sind, in denen der Erstbeschwerdeführer, wie er selbst sagte, ganz normal gelebt habe (AS 39). Er hat auch vor dem BFA keine Umstände dargelegt, die die Annahme rechtfertigen würden, die Ermordung der beiden Nachbarn stünde in einem Zusammenhang mit den Ereignissen 2007. Dies ist dem Erstbeschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht gelungen. Er schilderte dann, dass er nach der Ermordung der zwei Personen zwei Mal verfolgt und beobachtet worden sei und ab dieser Zeit eine kugelsichere Weste getragen habe. Die unmittelbar daran anschließenden Schilderungen datieren jedoch im Jahr 2014. Der Erstbeschwerdeführer bringt nichts vor, das einen Zusammenhang zwischen der Ermordung der zwei Personen 2012 und den Ereignissen 2014 erkennen lässt. Das Vorbringen stellt sich als bloße Aneinanderreihung von Vorfällen dar, ohne darin Zusammenhänge erkennen zu lassen. Bei der Schilderung der Verfolgungen im Jahr 2012 fällt wiederum auf, dass diese Angaben erneut detaillierter waren als noch vor dem BFA, was schon aus diesem Grund nicht glaubhaft ist. So nannte der Beschwerdeführer nun das Autokennzeichen des Fahrzeugs, was er vor dem BFA noch nicht getan hat (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls).

Der Erstbeschwerdeführer behauptete vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass ihm seine schiitischen Nachbarn die Stelle bei der Polizei verschafft hätten, da ihr Vater eine hohe Position im Irak hätte (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem BFA wurde der Erstbeschwerdeführer gefragt, wie er als Sunnit habe Polizist werden können. Dazu gab er zunächst jedoch nicht jene Antwort wie vor dem Bundesverwaltungsgericht, sondern wich der Frage vielmehr aus und meinte, dass man als Sunnit auch bei der Polizei weniger Rechte hätte. Die Polizeistation bei der er gearbeitet hätte, sei von den Amerikanern gegründet worden. Sie seien alle jungen Polizisten gewesen und hätten auf der Straße nichts gegen die Milizen ausrichten können (AS 42). Erst nach der Rückübersetzung des Protokolls der Einvernahme vor dem BFA meinte er, die beiden schiitischen Freunde hätten ihm die Stelle bei der Polizei besorgt. Dass dies möglich gewesen sei, da deren Vater eine hohe Position gehabt hätte, behauptete er hier nicht (AS 44). Diese widersprüchlichen Angaben sprechen nicht dafür, dass der Erstbeschwerdeführer tatsächlich Polizist gewesen ist.

Der Erstbeschwerdeführer legte auch ein Dokument betreffend die Aufnahme in den Polizeidienst im Jahr 2008 vor. Dort findet sich der Name XXXX (OZ 8). Der Erstbeschwerdeführer legte einen Ausweis des Ministry of Interior vor. Der auf diesem am 29.10.2013 ausgegebenen Ausweis enthält den Namen XXXX (AS 92). Darin sind die Namen XXXX und XXXX nicht mehr angeführt. Im vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten Dokument betreffend eine Beförderung im Jänner 2014 wird als Name XXXX angeführt (OZ 8). In der vorgelegten Liste der Freiwilligenmeldungen für Mossul ist der Name XXXX (OZ 8) angeführt. Im Reisepass vom 17.08.2014 findet sich wiederum ein anderer Name. Dort wird der Name XXXX (AS 47) angeführt. Ungeachtet der unterschiedlichen Schreibweisen zeigt sich, dass es zwar zum Teil Übereinstimmungen gibt, es ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass die Polizei, bei der der Erstbeschwerdeführer angestellt gewesen sei, unterschiedliche Namen des Erstbeschwerdeführers führt. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer tatsächlich Polizist gewesen ist. Anzumerken ist, dass der Erstbeschwerdeführer überwiegend bloß abfotografierte Dokumente zeigte, weshalb eine Überprüfung dieser Dokumente schon deswegen nicht möglich ist. Hinsichtlich des Ausweises ist auch auf die Länderfeststellungen zu verweisen, wonach im Irak jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung beschafft werden kann, weshalb auch aus diesem Grund und in Zusammenschau mit den unterschiedlichen in den Dokumenten angeführten Namen Zweifel darüber aufgekommen sind, dass der Erstbeschwerdeführer tatsächlich Polizist gewesen ist. Die vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten Dokumente, die den Erstbeschwerdeführer in Uniform zeigen, vermögen das Vorbringen alleine deshalb nicht glaubhaft zu machen, da die Entstehungsgeschichte der Bilder nicht bekannt ist. Allein der Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer auf den Bildern in Uniform zu sehen ist, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich um seine eigene Uniform handelt und er Polizist war.

Hinsichtlich der behaupteten Beförderung des Erstbeschwerdeführers bei der Polizei ergaben sich auch Widersprüche. Vor dem BFA gab er dazu an, dass er am 09.01.2014 befördert worden sei (AS 36). Dieses Datum ergibt sich auch aus der Übersetzung des Dokuments des Erstbeschwerdeführers. Dazu widersprüchlich sind jedoch die Angaben des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Hier gab er nämlich an, dass er 2013 befördert worden sei (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls).

Der Erstbeschwerdeführer war auch nicht in der Lage, die Ereignisse im Jahr 2014 vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern. Wie schon bei den Schilderungen der anderen Ereignisse waren die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers zu den Vorkommnissen im Jahr 2014 vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich ausführlicher und detaillierter als noch vor dem BFA, weshalb schon aus diesem Grund Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens aufgekommen sind. Darüber hinaus ergaben sich hinsichtlich der einzelnen Vorfälle auch Widersprüche, weshalb auch deshalb das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers nicht glaubhaft ist. So gab der Erstbeschwerdeführer vor dem BFA an, dass ein Kollege "oft" nicht zum Dienst erschienen sei. Sein Vorgesetzter habe ihm befohlen, er solle schreiben, der Kollege sei geflüchtet. Der Kollege sei ca. im Juni 2014 "suspendiert" worden (AS 40). Dagegen brachte der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass der Kollege "15 Tage durchgehend" nicht anwesend gewesen sei, was er dem Chef mitgeteilt habe. Der Chef habe gesagt, er müsse sofort "entlassen" werden. Dies sei auch geschehen. Der Erstbeschwerdeführer habe die Erlaubnis erhalten, den Kollegen zu entlassen (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Danach sei es zu einem Vorfall mit Milizen gekommen, den der Erstbeschwerdeführer vor dem BFA anders darstellte als vor dem Bundesverwaltungsgericht. Übereinstimmend war nur, dass es ca. zwölf Personen gewesen seien, die in drei Fahrzeugen gekommen seien. Die übrigen Schilderungen weichen aber wesentlich voneinander ab, weshalb es nicht glaubhaft ist, dass sich dies ereignet hat. Der Erstbeschwerdeführer erklärte vor dem BFA, dass die Milizen auf der Dienststelle erschienen seien und mit ihm gesprochen hätten. Sie hätten gefragt, ob er den Kollegen [XXXX] kenne und wisse, wer dieser sei. Die Männer hätten dann zu ihm gesagt, sie wüssten was sie mit ihm machen würden. Der Erstbeschwerdeführer habe dies dem Vorgesetzten gemeldet (AS 40). Vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er dagegen, dass bei dem Gespräch mit der Miliz in der Dienststellte der Chef dabei gewesen sei und der Chef habe ihn gefragt, ob er den Kollegen XXXX kenne und warum der Erstbeschwerdeführer diesen fristlos gekündigt habe. Er sei auch vom Chef angeschrien worden. Der Stellvertreter des Chefs habe zum Erstbeschwerdeführer gesagt, er solle nie wieder in die Direktion kommen und seine Adresse ändern. Entweder würden sie ihn nämlich entführen oder töten (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Während der Erstbeschwerdeführer vor dem BFA auch angab, dies alles habe sich im Juni 2014 ereignet, meinte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Vorfall sei im Mai 2014 passiert (AS 40 und Seite 15 des Verhandlungsprotokolls).

Die Schilderung des Erstbeschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er nach dem Vorfall mit der Miliz in der Dienststelle auf den Stellvertreter des Chefs gehört habe und dann bei seiner Schwester gewohnt habe und den Weg zur Arbeit immer geändert habe, er aber trotzdem weiter zur Arbeit gegangen sei, ist völlig unplausibel. All diese angeblichen Maßnahmen, nämlich ein anderer Wohnsitz und unterschiedliche Arbeitswege, werden nämlich dadurch, dass der Beschwerdeführer weiterhin seiner Arbeit nachgegangen ist, konterkariert (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Darüber hinaus hat der Erstbeschwerdeführer ein derartiges Verhalten seinerseits vor dem BFA gar nicht erwähnt. Es ist daher nicht glaubhaft, dass sich dies tatsächlich ereignet hat.

Auch hinsichtlich der Versetzung bzw. Freiwilligenmeldung nach Mossul ergaben sich Widersprüche im Vorbringen des Erstbeschwerdeführers. Vor dem BFA meinte er dazu, sein Vorgesetzter habe gesagt, er solle auf Grund der Tatsache, dass er wieder Vater geworden sei, die Stadt verlassen. Sein Vorgesetzter habe ihn dann auf eine Liste von Freiwilligen für Mossul gesetzt (AS 40). Die Tochter des Erstbeschwerdeführers wurde am XXXX geboren, was bedeutet, dass sich das vom Erstbeschwerdeführer Geschilderte nach diesem Datum ereignet haben muss. Damit nicht in Einklang zu bringen ist jedoch die Liste, die der Erstbeschwerdeführer vorlegte, da diese mit 12.06.2014 und damit deutlich vor dem Geburtstag seiner Tochter liegt. Schon auf Grund dieser widersprüchlichen Angaben vor dem BFA ist das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers nicht glaubhaft. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er den Befehl zur Arbeit in Mossul am 12.06.2014 erhalten habe. Dieses Datum stimmt zwar mit dem Datum der vorgelegten Liste überein, widerspricht aber den Ausführungen vor dem BFA, wonach er deshalb versetzt werde, weil er wieder Vater geworden sei, da zu diesem Zeitpunkt seine zweite Tochter noch nicht geboren war.

Auch die nachfolgenden Ereignisse schilderte der Erstbeschwerdeführer vor dem BFA anders als in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Vor dem BFA erklärte er, der Stellvertreter des Kommandanten habe ihn darauf hingewiesen, dass das Leben für ihn gefährlich sei und etwas gegen ihn laufe. Deshalb habe er die Flucht vorbereitet und sein Auto verkauft. Im August 2014 sei er dann vom Kollegen XXXX angerufen worden, der ihn aufgefordert habe, sich auf den Tod vorzubereiten. Nach dem Anruf habe er zwei Tage das Telefon ausgeschaltet und dann das Land verlassen (AS 40). In der mündlichen Verhandlung behauptete er dagegen, dass er von XXXX mehr als einmal angerufen und mit dem Tod bedroht worden sei. Die Schilderungen vor dem Bundesverwaltungsgericht legen auch den Schluss nahe, dass diese Anrufe schon Anfang Juni begonnen hätten, da der Erstbeschwerdeführer angab, dass er dann eine Tochter bekommen habe, die er auf einen schiitischen Vornamen getauft habe. Er sei aber weiter bedroht worden. Auf die Nachfrage gab er dann auch an, dass er in den zehn Tagen nach dem Vorfall mit der Miliz - welcher laut Angaben in der mündlichen Verhandlung im Mai 2014 gewesen sei - zwei Mal von XXXX angerufen worden sei (Seiten 15 und 16 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese unterschiedlichen Angaben sprechen gegen eine Glaubhaftmachung des Vorbringens. Darüber hinaus steigerte der Erstbeschwerdeführer sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung auch. Er behauptete nämlich nun auch, dass XXXX Postnachrichten an die ehemaligen Arbeitskollegen geschickt hätte, die auch die Kollegen des Erstbeschwerdeführers gewesen seien. Jeden Tag hätte dem Erstbeschwerdeführer ein anderer Kollege mitgeteilt, dass ihn XXXX umbringen würde (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls). Soweit der Erstbeschwerdeführer Fotos von XXXX vorlegte, die er aus Facebook hat, sind diese nicht geeignet, das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zu belegen, zumal auch nicht nachvollzogen werden kann, ob es sich bei der abgebildeten Person tatsächlich um den Kollegen des Erstbeschwerdeführers handelt.

Im Zusammenhang mit dem schiitischen Vornamen seiner Tochter behauptete der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass man erst 40 Tage nach einer Geburt Dokumente bekomme. Der Erstbeschwerdeführer habe daher sofort nach den 40 Tagen die Dokumente ausstellen lassen (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Aus dem Reisepass der Tochter geht jedoch hervor, dass dieser am 24.09.2014 ausgestellte wurde und damit erst drei Monate nach der Geburt der Tochter (AS 25 des Aktes der Viertbeschwerdeführerin). An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass der Reisepass des Erstbeschwerdeführers am 17.08.2014 und die Reisepässe der Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen jeweils am 24.09.2014 ausgestellt wurden, was nicht dafür spricht, dass sie den Irak aus Furcht vor einer Verfolgung verlassen haben, sondern es sich vielmehr um eine gezielte Auswanderung gehandelt hat.

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin mit jenen des Erstbeschwerdeführers übereinstimmen würden und sich kein einziger Widerspruch aufgetan habe, was für die Glaubhaftmachung des Vorbringens spreche (AS 209) ist dazu festzuhalten, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem BFA zum Fluchtvorbringen ihres Mannes nicht geäußert hat. Auf die ihr gestellten Fragen zum Vorbringen des Mannes gab sie an, dass ihr Mann ihr davon erzählt habe bzw. erklärte sie, er hätte ihr nicht viel darüber erzählt. Die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zum Vorbringen des Mannes waren daher auch nur sehr kurz (AS 51 des Aktes der Zweitbeschwerdeführerin).

Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der Erstbeschwerdeführer eine Verfolgung durch die Regierung befürchte, da er seinen Dienst verlassen habe und geflüchtet sei (AS 211), ist dazu auszuführen, dass der Erstbeschwerdeführer Derartiges in der Einvernahme vor dem BFA mit keinem Wort erwähnt hat. Dort gab er sogar den Angaben in der Beschwerde widersprechend an, dass er in der Heimat keine Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen habe und es sei auch kein Gerichtsverfahren anhängig (AS 37). Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er nicht vor, er hätte eine Verfolgung zu befürchten, weil er den Dienst verlassen habe. Erst als der Erstbeschwerdeführer gefragt wurde, was ihm im Falle einer Rückkehr von der irakischen Regierung drohen würde, meinte er, er werde verhaftet, weil er als Polizist nicht einfach seine Dienststelle verlassen dürfe und würde bestraft werden (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls). In der mündlichen Verhandlung brachte der Erstbeschwerdeführer vor, er hätte bis 09.10.2014 - zwei Tage vor seiner Ausreise aus dem Irak - gearbeitet (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem BFA meinte er jedoch, dass er nach dem Anruf von XXXX im August zwei Tage das Telefon ausgeschaltet habe und dann den Irak verlassen hätte, was noch eine Ausreise im August nahelegt (AS 40). Dies widerspricht nun der belegten Ausreise am 11.10.2014, jedoch ist in diesem Zusammenhang auch das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers in der Erstbefragung zu sehen, wo er - tatsachenwidrig - mehrfach behauptete, dass er im November 2014 den Irak verlassen habe und den Reisepass noch nicht vorgelegt hat (AS 5 und 7). Es ist daher auch nicht glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer bis 09.10.2014 gearbeitet haben soll. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass der Erstbeschwerdeführer damit nur versucht, sein Vorbringen an das belegte Ausreisedatum anzupassen, um sein Vorbringen somit glaubhaft erscheinen zu lassen.

In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde haben den Umstand außer Betracht gelassen, dass es sich bei den Beschwerdeführern um eine gemischt sunnitisch-schiitische Familie handle. Deshalb könnten die Beschwerdeführer nämlich nur in einem gemischt-konfessionellen Gebiet bzw. Viertel leben (AS 209). Dazu ist nun festzuhalten, dass es - wenn man außer Betracht lässt, dass es dem Erstbeschwerdeführer nicht gelungen ist glaubhaft zu machen, sunnitischer Moslem zu sein - den Beschwerdeführern bis zu ihrer Ausreise aus dem Irak problemlos möglich war, in einem schiitischen Bezirk zu leben. Die Beschwerdeführer lebten in XXXX, wobei es sich laut den Angaben des Erstbeschwerdeführers um einen schiitischen Bezirk handelt (Seiten 11, 13 und 14 des Verhandlungsprotokolls). Weshalb es den Beschwerdeführern nur möglich wäre, in einem gemischt-konfessionellen Gebiet zu leben, kann daher nicht nachvollzogen werden, zumal sie selbst in einem schiitischen Viertel keinerlei Probleme hatten. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Beschwerdeführer selbst nie irgendwelche Probleme in der Einvernahme vor dem BFA schilderten, die sie wegen einer gemischt-konfessionellen Ehe gehabt hätten. Erstmals in der Beschwerde wird vorgebracht, dass sie nur in einem gemischt-konfessionellen Gebiet leben könnten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderten die Beschwerdeführer dann auch keinerlei Probleme, die sie wegen ihrer (behaupteten) gemischt-konfessionellen Ehe gehabt hätten. Die Rechtsvertreterin fragte dann auch die Zweitbeschwerdeführerin, ob sie deswegen Probleme gehabt hätte, was diese jedoch ausdrücklich ausgeschlossen hat. Der entsprechende Auszug aus dem Protokoll stellt sich wie folgt dar (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls):

"RV: Sie sind Schiitin und Ihr Mann ist Sunnite. Haben Sie aufgrund dessen Probleme im Irak gehabt?

BF2: Ich persönlich nicht.

RV: Und Ihr Mann?

BF2: Nein. Es ist alles normal. Seine Probleme betreffen den Arbeitsplatz."

Die Rechtsvertreterin versuchte dann auch beim Erstbeschwerdeführer mit ihrer suggestiven Fragestellung ein entsprechendes Vorbringen dem Erstbeschwerdeführer in den Mund zu legen. Der Erstbeschwerdeführer hat den Wink seiner Vertreterin offensichtlich verstanden (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls):

"RV: Sie sind mit einer Schiitin verheiratet. Hatten Sie aufgrund der gemischten Ehe schon einmal Probleme im Irak?

BF1: Natürlich hat das auch einen Grund. Ich habe eine schiitische Frau geheiratet, um den Verdacht wegzubringen. Meine Entführung war im Jahr 2007, meine Frau habe ich im Jahr 2011 geheiratet. Ich wollte die schiitische Miliz überzeugen, dass ich keine Unterschiede mache."

Diese Antwort des Erstbeschwerdeführers ist auch völlig unplausibel. Es kann nämlich nicht nachvollzogen werden, dass er vier Jahre nach der Entführung heiratet, um einen "Verdacht wegzubringen", wenn er andererseits vorbringt, dass er von 2007 bis 2012 "ganz normal" (AS 39) habe leben können und keine Vorkommnisse bzw. Probleme in den Jahren zwischen 2007 und der Hochzeit 2001 geschildert hat. Anhand der Antwort zeigt sich auch, dass der Erstbeschwerdeführer keinerlei Probleme wegen einer gemischt-konfessionellen Ehe gehabt habe. Er schilderte keinen einzigen Vorfall, der sich deswegen ereignet habe. Es ist daher auch nicht glaubhaft, dass es wegen einer gemischt-konfessionellen Ehe Probleme gegeben hätte. Gegen solche Probleme spricht auch das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers auf die Frage, weshalb er nicht in eine andere Stadt ziehen könne. Hierauf gab er nämlich nur an, dass er in anderen Städten niemanden kenne (AS 42). Etwaige Probleme wegen einer gemischt-konfessionellen Ehe brachte er auch hier nicht vor. Daher ist auch das ausschließlich von der Vertreterin am Ende der mündlichen Verhandlung erstattete Vorbringen, die Beschwerdeführer könnten wegen ihrer unterschiedlichen Religionszugehörigkeit weder in sunnitischen noch in schiitischen Gebieten leben, nicht nachvollziehbar. Die Behauptung, sie könnten auch nicht in schiitischen Gebieten leben, widerspricht überdies auch der Tatsache, dass die Beschwerdeführer bisher ohne jegliche Probleme in einem schiitischen Gebiet gelebt haben.

Der Erstbeschwerdeführer behauptete auf die Frage seiner Vertreterin nach Problemen wegen der gemischten Ehe, er h

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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