TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 98/15/0195

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Veröffentlicht am 21.10.1999
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §279 Abs1;
BAO §282 Abs1;
BAO §289;
BAO §303;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Berufungssenates VIII der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. September 1998, Zl. RV/049 - 17/06/98, betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 303 BAO (hinsichtlich Einkommensteuer 1988) und Zurückweisung der gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid des Finanzamtes eingebrachten Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über die Zurückweisung des Antrages gemäß § 303 BAO abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, ansonsten, soweit er die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes zurückweist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte beim Finanzamt mit Schriftsatz vom 30. September 1997 den Antrag, das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für 1988 gemäß § 303 BAO wieder aufzunehmen. Dieses Ansuchen wies das Finanzamt mit Bescheid vom 3. Dezember 1997 mit der Begründung ab, dass die im Wiederaufnahmeantrag vorgebrachten Gründe keinen Wiederaufnahmegrund nach § 303 BAO erfüllten. Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 7. Jänner "1997" (richtig: 1998) Berufung, wobei er die Annahme des Finanzamtes hinsichtlich Fehlens eines Wiederaufnahmegrundes als unzutreffend darstellte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Vorsitzende des Berufungssenates VIII der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland den mit 30. September 1997 datierten "Antrag gemäß § 303 BAO" auf Grund seiner Befugnisse gemäß § 282 Abs. 1 BAO zurück. Weiters wurde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung vom 7. Jänner 1998 gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid des Finanzamtes als "gegenstandslos (geworden) gemäß §§ 282 Abs. 1 i.V.m. 278 BAO zurückgewiesen". In der Begründung wird dazu ausgeführt, im Antrag vom 30. September 1997 werde zwar behauptet, es seien neue Tatsachen und neue Beweismittel hervorgekommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht hätten geltend gemacht werden können, es sei aber nicht weiter konkretisiert worden, weshalb kein Verschulden vorgelegen sei. Da somit eine "essentielle Antragsvoraussetzung nicht erfüllt wurde, nämlich eine Darstellung worauf fehlendes Verschulden des Wiederaufnahmswerbers zurückzuführen sei", sei es dem Vorsitzenden des Berufungssenates oblegen, den gegenständlichen Antrag zurückzuweisen. Dies bedeute weiters, dass die Berufung gegen den die Wiederaufnahme ablehnenden Bescheid des Finanzamtes gegenstandslos geworden und daher gleichfalls zurückzuweisen gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht aus folgenden Gründen zu Recht eine Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend:

Wenn die Berufungsentscheidung gemäß § 260 Abs. 2 BAO durch einen Berufungssenat zu fällen ist, werden auf Grund der Bestimmung des § 282 Abs. 1 BAO die den Abgabenbehörden zweiter Instanz gemäß den §§ 278, 279 und 281 eingeräumten Rechte zunächst vom Vorsitzenden des Senates ausgeübt. Die gemäß § 282 Abs. 1 BAO ergehenden Verfügungen des Vorsitzenden wirken wie Verfügungen des Senates (§ 282 Abs. 2 BAO).

Nach § 278 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu prüfen, ob ein von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht aufgegriffener Grund zur Zurückweisung der Berufung vorliegt. Ist ein solcher Grund gegeben, so hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Zurückweisung mit Bescheid auszusprechen.

Im Berufungsverfahren haben die Abgabenbehörden zweiter Instanz nach § 279 Abs. 1 BAO die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind. Nach § 279 Abs. 2 leg. cit. können die Abgabenbehörden zweiter Instanz notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens auch durch die Abgabenbehörden erster Instanz vornehmen lassen.

Gemäß § 289 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 278 BAO zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist nach § 289 Abs. 2 BAO berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

"Sache" des Berufungsverfahrens war im Beschwerdefall der Inhalt des Spruches erster Instanz, sohin die ablehnende Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers vom 30. September 1997. Nur über diesen erstinstanzlichen Abspruch im Sinn des § 289 Abs. 2 BAO zu entscheiden, lag in der sachlichen Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörde. Sie hätte dabei etwa auch in Erlassung einer abweisenden Berufungsentscheidung den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abändern können, dass der Wiederaufnahmeantrag vom 30. September 1997 nicht ab-, sondern zurückzuweisen sei. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz, und somit auch der Vorsitzende des Berufungssenates in Wahrnehmung seiner Rechte nach § 282 Abs. 1 BAO, hatte hingegen keine Kompetenz, den mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Finanzamtes abgewiesenen Wiederaufnahmeantrag gleichsam nochmals mit Bescheid (außerhalb einer Berufungsentscheidung) zurückzuweisen. Auch § 279 Abs. 1 BAO, auf den die belangte Behörde in der Gegenschrift hinweist, vermittelt dem Vorsitzenden des Berufungssenates keine Entscheidungskompetenz, die dem Berufungssenat selbst nicht zusteht.

Der angefochtene Bescheid ist somit in seinem Abspruch über die Zurückweisung des am 30. September 1987 gestellten Wiederaufnahmeantrages mit einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. Er war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben. Damit ist aber auch der auf diese Zurückweisung gestützte (weitere) Spruch des angefochtenen Bescheides, wonach die Berufung vom 7. Jänner 1998 vom Vorsitzenden des Berufungssenates VIII als gegenstandslos geworden gemäß § 282 Abs. 1 i.V.m. § 278 BAO zurückgewiesen werde, - inhaltlich - rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher in diesem zweiten Spruchbestandteil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998150195.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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