TE Bvwg Beschluss 2018/6/28 G314 2199206-1

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Entscheidungsdatum

28.06.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67

Spruch

G314 2199206-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER im Verfahren über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, slowenischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots:

A) Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Nach der Aktenlage ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer (BF) hält sich seit 2010 durchgehend in Österreich auf. Er lebte hier bis zu seiner Volljährigkeit in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und seinem Stiefvater und besuchte die Hauptschule und die Polytechnische Schule. Am 08.11.2010 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung als Angehöriger ausgestellt. Eine Lehre brach er 2014 nach kurzer Zeit ab; danach war er immer wieder kurzfristig (zum Teil geringfügig) beschäftigt und bezog zeitweilig Arbeitslosengeld. Ab Oktober 2016 nahm er wiederholt bei Freunden oder in Notschlafstellen Unterkunft.

Der BF wurde von seiner Mutter und seinem Stiefvater angezeigt, im Februar/März 2017 in ihrer Abwesenheit unbefugt in ihrer Wohnung gewohnt und dort Schmuck gestohlen zu haben; diesbezüglich kam es zu einer außergerichtlichen Einigung. Am XXXX2017 wurde der BF in XXXX beim Besitz und Konsum von Suchtgift (Marihuana) zum Eigenkonsum betreten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 06.12.2017, XXXX, wurde der BF als junger Erwachsener wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB für schuldig erkannt; die Verhängung einer Strafe wurde für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass er im April 2017 drei Mal mit einer damals Zwölfjährigen einvernehmlich vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog. Als mildernd wurden seine Unbescholtenheit und das umfassende Geständnis gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen von drei Verbrechen. Bei der Strafzumessung wurden auch eine gewisse Intelligenzminderung, die Tatprovokation durch die minderjährige Sexualpartnerin des BF und der Umstand, dass der Erschwerungsgrund nur aufgrund seiner Angaben bekannt geworden sei, berücksichtigt.

Der BF lebt seit 05.07.2017 (mit einer Unterbrechung von 02.03.bis 23.04.2018, während der er mit einem Freund zusammenwohnte) im XXXX Wohnheim XXXX, einer Übergangswohneinrichtung nach § 17 OÖ ChancengleichheitsG für volljährige Frauen und Männer, wo er auch sozialarbeiterisch betreut wird. Er hat Kontakt zu seiner inXXXX wohnhaften Mutter; das Verhältnis zu seinem Stiefvater ist äußerst schwierig. Seit 28.05.2018 ist er über ein Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen als Hilfsarbeiter erwerbstätig.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des BF gegen den oben genannten Bescheid vor. Damit wurde gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein vierjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass die sofortige Durchsetzbarkeit des Bescheids im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich sei. Aufgrund der bisher vom BF verübten Taten könne mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er erneut straffällig werden würde. Das Privat- und Familienleben des BF stünde dem nicht entgegen. Es liege kein Eingriff in sein Familienleben vor, weil die Beziehung zu seiner Mutter aufgrund des Schmuckdiebstahls nicht intakt sei. Er sei am Arbeitsmarkt nicht integriert und (wie schon zuvor) in einer Notschlafstelle gemeldet.

In der Beschwerde beantragt der BF die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Er wohne derzeit nicht in einer Notschlafstelle und gehe seit 28.05.2018 wieder einer Beschäftigung nach. Er habe psychische Probleme und sei 2016 in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der XXXX untergebracht gewesen. Seine Mutter sei seine einzige Familienangehörige. Er habe seinen Lebensmittelpunkt seit sieben Jahren in Österreich und bemühe sich, ein geregeltes Leben zu führen.

Die Verwaltungsakten und die Beschwerde langten am 26.06.2018 beim BVwG ein.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte Verfügung, die den Ausgang des Verfahrens nicht vorwegnimmt. Es ist lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des BF als vertretbare Behauptungen zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Angesichts des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts des BF in Österreich, seines Schulbesuchs im Inland und seiner schwierigen psychosozialen Situation ist trotz der fehlenden Integration am Arbeitsmarkt und seiner Verfehlungen ohne nähere Prüfung des Sachverhalts nicht auszuschließen, dass seine Ausreise nach Slowenien eine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte gemäß Art 8 EMRK bedeuten würde, zumal seine unterdurchschnittliche Intelligenz und das Fehlen naher Bezugspersonen dort eine Widereingliederung erschweren.

Nach der Aktenlage hat der BF als EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht erworben, sodass ein Aufenthaltsverbot voraussetzt, dass sein Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit iSd § 66 Abs 1 letzter Satz FPG darstellt. Trotz der schwerwiegenden Straftaten gegen die sexuelle Integrität einer Unmündigen ist dieser Gefährdungsmaßstab hier nicht erfüllt, zumal die Sexualpartnerin des BF nicht verletzt, erniedrigt oder in einen qualvollen Zustand versetzt wurde, sondern die Taten vielmehr provozierte, und das Strafgericht mit einem Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe das Auslangen fand.

Der Beschwerde ist daher vom Amts wegen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen. Der darauf gerichtete Beschwerdeantrag ist weder notwendig noch zulässig.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG aufwirft, nicht zuzulassen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2199206.1.01

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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