Entscheidungsdatum
28.06.2018Norm
BBG §40Spruch
G309 2178483-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie der Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen, über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 11.09.2017, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Der Grad der Behinderung beträgt 50 (fünfzig) v.H. (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 18.07.2017 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Dem Antrag waren eine Kopie der Meldebestätigung der BF sowie eine Reihe medizinischer Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Im von der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 07.09.2017, wird nach persönlicher Untersuchung der BF, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Skoliose, chronisch rheumatoide Arthritis, Osteoporose, Zustand nach Sacruminsuffizienzfraktur, Zustand nach operierter Kniescheibenfraktur, Psoriasis, Zustand nach mehreren ausgeheilten Frakturen unterer Rahmenwert des mittleren Rahmensatzes bei Bedarfsschmerzmedikation und sehr guter Beweglichkeit
02.02.02
30
2
Zustand nach Whipple-Operation, Zustand nach inkompletter Appendektomie, Lactose- und Fructoseintoleranz, gastroösophageale Refluxerkrankung, Zustand nach mehreren Bauchoperationen mittlerer Rahmenwert des unteren Rahmensatzes bei normalem Ernährungszustand und ausgezeichnetem Allgemeinzustand
07.07.01
20
3
Morbus Basedow, Zustand nach Schilddrüsenoperation unterer Rahmensatzwert bei euthyreoter Funktionslage unter entsprechender Medikation
09.01.01
10
4
Teilharninkontinenz, Verengte Harnröhre unterer Rahmenwert des unteren Rahmensatzes bei Vorlagenversorgung
08.01.06
10
5
Anpassungsstörung, Schlafstörungen, getrübte Stimmungslage unterer Rahmenwert des unteren Rahmensatzes da keine Medikation eingenommen wird
03.06.01
10
6
Ohrgeräusche (Tinnitus), chronische Sinusitis unterer Rahmenwert des unteren Rahmensatzes bei kompensierter Erkrankung ohne nennenswerte psychische oder vegetative Begleiterscheinungen
12.02.02
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Begründend wurde zum Gesamtgrad der Behinderung ausgeführt, führend sei die Position 1, weil sie die schwerwiegendste sei. Die anderen Positionen würden nicht in einer direkten ungünstigen Wechselwirkung zu der führenden Gesundheitsschädigung stehen und würden daher nicht steigern.
Die folgenden, beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen:
"Zustand nach Venenstripping stellt bei intakten Hautverhältnissen keine einschätzbare Behinderung dar.
Zustand nach mehreren Kieferoperationen sowie die geschilderten Zahnprobleme sind nicht einschätzbar, da ein normaler Ernährungszustand vorliegt und somit durch diese Beschwerden keine Mangelernährung verursacht wird.
Zustand nach Brustoperation stellt bei einem benignen Tumor keine einschätzbare Behinderung dar."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.09.2017 wurde ein Grad der Behinderung von 30 v. H. (von Hundert) festgestellt und der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das erstattete Sachverständigengutachten.
4. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob die BF fristgerecht mit Schreiben vom 13.10.2017 Beschwerde. Darin brachte sie unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel vor, sie sei mit der Einschätzung ihres Gesamtgrades der Behinderung nicht einverstanden. Sie leide unter massiven Beschwerden in der Hals- und Lendenwirbelsäule, welche bei der Beurteilung ihres Zustandes nicht berücksichtigt worden seien.
5. Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde vorgelegt und langte mit 01.12.2017 beim erkennenden Gericht ein.
6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde die Amtssachverständige XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der Erstattung eines medizinischen Gutachtens beauftragt. In dem eingeholten Gutachten vom 28.03.2018 wird, basierend auf persönlicher Untersuchung der BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Zustand nach Whipple-Operation bei Pankreaskopfadenom plus Gallenblasenentfernung mit Pankreasinsuffizienz und Durchfallneigung. Eine Stufe unterhalb des oberen Rahmensatzes, entsprechend der rezid. Diarrhoe. 2015 kam es zum Auftreten einer Cholestase mit massiv erhöhten Laborwerten, welche sich auf eine antibiotische Therapie rückbildeten.
07.07.01
30
2
Rezid. Bauchschmerzen. Unterer analoger Rahmensatz, entsprechend der laut Befunden bestehenden ausgeprägten Divertikulose, zuletzt akut 10/2016, mit notwendigem Krankenhausaufenthalt. Es bestehen auch immer wieder Beschwerden mit Verdacht auf Appendicitis, zuletzt 03/2017 auch diese bildete sich auf eine antibiotische Therapie zurück.
07.04.05
30
3
Polyarthrosen/Polyarthritis Unterer Rahmensatz, entsprechend den aktuellen Hüftgelenksbeschwerden rechts bei laut Befund bestehender akuter Entzündung. Zur Entlastung werden derzeit zwei Unterarmstützkrücken verwendet, es erfolgt eine entsprechende Therapie, wodurch eine gewisse Besserung erwartbar ist. Hier wird auch die posttraumatische Arthrose von Seiten des rechten Kniegelenkes, ohne wesentlichem Defizit, sowie die beginnenden Fingergelenksarthrosen mitbeurteilt
02.02.02
30
4
Cervikolumbalsyndrom, Insuffizienzfraktur des Sacrums bei Osteopenie. Unterer Rahmensatz, entsprechend der deutlich degenerativen Veränderungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, jedoch ohne Hinweis auf eine akute Nervenwurzelreizung bei sehr guter Beweglichkeit, vor allem der Lendenwirbelsäule. Eine Osteoporose wird behandelt, die Sacrumfraktur ist verheilt, es wird noch ein Druckschmerz berichtet.
02.01.02
30
5
Chronische Sinusitis mit Kopfschmerzen bei Zustand nach FESS. Eine Stufe oberhalb des unteren Rahmensatzes, entsprechend der Schmerzen, vor allem beim Bücken, Pressen und Husten, aktuell unbehandelt.
12.04.04
20
6
Anpassungsstörung Unterer Rahmensatz, entsprechend der immer wieder auftretenden Beschwerden nach schwerem Jugendtrauma, sowie Problemen mit alkoholabhängigen Ehemännern und Überlastung mit der Pflege der Mutter. Eine diesbezügliche Therapie erfolgt bei berichteter Unverträglichkeit nicht. Gesprächstherapien wurden bereits mehrfach empfohlen und auch durchgeführt. Es erfolgt im Vergleich zum angefochtenen Bescheid deshalb eine Erhöhung um eine Stufe.
03.06.01
20
7
Refluxerkrankung I. Unterer Rahmensatz, entsprechend der guten Behandelbarkeit. Es erfolgt keine Änderung zur Voreinstufung.
07.03.05
10
8
Zustand nach Schilddrüsenoperation bei Morbus Basedow, mit Rechtsknoten. Unterer Rahmensatz, entsprechend der erfolgreichen Substitution.
09.01.01
10
9
Tinnitus. Unterer Rahmensatz bei laut Befund bestehendem Tinnitus - kompensiert, es erfolgt somit auch hier keine Änderung zur Voreinstufung.
12.02.02
10
10
Harninkontinenz. Unterer Rahmensatz, entsprechend der Voreinstufung, mit Vorlagenversorgung. Es besteht ein Zustand nach Ureterkonkrement.
08.01.06
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründend wurde zum Gesamtgrad der Behinderung ausgeführt, führend sei die Position 1 mit 30 %, die Position 2, welche eine eigenständige Erkrankung darstelle, steigere um eine weitere Stufe, ebenso wie, den Stütz und Bewegungsapparat betreffend, die Positionen 3 und 4 gemeinsam, welche eine gegenseitige Leidenspotenzierung bewirken würden. Die übrigen Positionen würden den GdB nicht anheben, da sie zu gering seien, um zu steigern bzw. keine gegenseitige Wechselwirkung bestehe.
7. Das Sachverständigengutachten wurden den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 10.04.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Beschwerdeführerin hat ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland.
Die BF leidet an einem Zustand nach Whipple-Operation bei Pankreaskopfadenom und Gallenblasenentfernung mit Pankreasinsuffizienz und Durchfallneigung, an rezid. Bauchschmerzen, an Polyarthrosen/Polyarthritis, an einem Cervikolumbalsyndrom, an einer Insuffizienzfraktur des Sacrums bei Osteopenie, an einer chronischen Sinusitis mit Kopfschmerzen bei Zustand nach FESS, an einer Anpassungsstörung, an einer Refluxerkrankung I, an einem Zustand nach Schilddrüsenoperation bei Morbus Basedow, an einem Tinnitus sowie an Harninkontinenz.
Der Grad der Behinderung beträgt 50 von Hundert.
Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung zum Wohnort der BF ergibt sich einerseits aus ihren eigenen Angaben und andererseits durch Einsichtnahme in einen aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Der bei der BF vorliegende Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus dem seitens des erkennenden Gerichts eingeholten Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 28.03.2018. Das Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Insoweit das Gutachten vom von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten abweicht, erklärt sich dies durch die durch XXXX nunmehr nachvollziehbar mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzten Krankheitsbildern der Positionen 1 bis 4. Den Ausführungen der Sachverständigen zufolge würden diese durch gegenseitige Wechselwirkungen zu einer gegenseitigen Leidenspotenzierung führen. Das zu Position 1 eingeschätzte Leiden des Zustandes nach Whipple-Operation bei Pankreaskopfadenom und Gallenblasenentfernung mit Pankreasinsuffizienz und Durchfallneigung wird somit durch die rezid. Bauchschmerzen um eine Stufe angehoben sowie auch die zu den Positionen 3 und 4 dokumentierten Einschränkungen am Bewegungsapparat gemeinsam um eine Stufe angehoben. Es konnte demnach ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. objektiviert werden.
Das im Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Darüber hinaus wurde das Sachverständigengutachten von beiden Verfahrensparteien im Zuge des gewährten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Das vorliegende Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragten.
3.2. Zu Spruchteil A):
In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung anzuwenden.
Nach § 1 Abs. 2 BBG ist unter einer Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, angehören.
§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (Bundesgesetz über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen - EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich daraus wie folgt:
Da ein Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) von Hundert festgestellt wurde und auch die sonstigen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der BF erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2178483.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.11.2018