TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/28 G309 2170382-1

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Entscheidungsdatum

28.06.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2170382-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundigen Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, gegen den vom Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX am 23.08.2017 mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. zu OB: XXXX ausgestellten Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 07.06.2017 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Dem Antrag waren eine Kopie des Meldezettels der BF sowie eine Reihe medizinischer Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zur Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben ein ärztliches Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, eingeholt. Im erstatteten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 14.08.2017 wird nach persönlicher Untersuchung der BF am 27.07.2017 im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Depressive Störung, Panikattacken, Sozialphobie Oberer Rahmensatzwert entsprechend einer trotz Medikation instabilen depressiven Störung mit sozialer Rückzugstendenz

03.06.01

40

2

Degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit chronischem Schmerzsyndrom Unterer Rahmensatzwert entsprechend den radiologischen Veränderungen und den rezidivierenden Schmerzen mit andauerndem Therapiebedarf.

02.01.02

30

3

Schwerhörigkeit bds., Einstufung bei beidseitiger mittelgradiger Schwerhörigkeit (laut Befund Dr. Anderhuber, Facharzt für HNO, 13.2.2017, Innenohrschwerhörigkeit mit Hörverlust von 40 Dezibel bds.)

12.02.01

30

4

Allergisches Asthma bronchiale Oberer Rahmensatzwert entsprechend der leicht eingeschränkten Lungenfunktion.

06.05.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dieser ergebe sich aus der führenden Position 1 und werde von den Positionen 2 und 3 um insgesamt zwei Stufen angehoben, da eine weitere Leidensbeeinflussung bestehe. Die Position 4 führe zu keiner weiteren Anhebung, da keine zusätzliche Beeinträchtigung im Alltag vorliege.

Die Fraktur des Kahnbeines des linken Fußes würde keinen Grad der Behinderung erreichen.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.08.2017 wurden der BF das Sachverständigengutachten von XXXX übermittelt und der BF mitgeteilt, dass laut dem Sachverständigengutachten ein Grad der Behinderung vom 60 v.H. festgestellt worden sei. Mit Schreiben vom selben Tag wurde der BF der beantragte Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. übermittelt.

4. Innerhalb offener Frist erhob die BF mit mittels E-Mail vom 31.08.2017 übermitteltem Schreiben Beschwerde gegen den ausgestellten Behindertenpass. Darin brachte sie zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass die Einschätzung der Position 4 (Allergisches Asthma bronchiale) zu gering sei, zudem leide sie seit fast zwei Jahren an Stuhlinkontinenz. Sie beziehe die Invaliditätspension und könne aufgrund der psychischen Belastung und der Stuhlinkontinenz keiner Beschäftigung nachgehen. Es werde ihr zugemutet, öffentliche Verkehrsmittel benutzen zu können, was nicht der Wahrheit entspreche. Sie habe den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses nur für die Gewährung der entsprechenden Zusatzeintragung gestellt, sie könne auf ihr Fahrzeug nicht verzichten. Sie habe eine Psychotherapie wegen der Panikattacken abgebrochen, doch sei sie in ständiger Behandlung bei einer Fachärztin. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei ihr wegen der Panikattacken nicht möglich, sie leide an zwei bis drei Anfällen pro Tag. Zudem benötige sie sechs bis acht Windeln pro Tag, weshalb sie ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benutzen könne. Sie bitte daher um eine Erhöhung des Grades der Behinderung und der Einbeziehung des Leidens der Stuhlinkontinenz und der erhöhten Einschätzung des allergischen Asthmas. Zudem bitte sie um die Gewährung eines Parkausweises nach § 29b StVO und um die entsprechende Zusatzeintragung, eine Eintragung, dass sie den Euro-key für Toiletten benutzen könne und dass ein Bedarf für eine Begleitperson bestehen würde.

5. Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde vorgelegt und langte mit 12.09.2017 beim erkennenden Gericht ein.

6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde dem Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die Amtssachverständige XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, hinzugezogen und mit der Begutachtung und Erstattung eines medizinischen Gutachtens beauftragt.

In dem eingeholten Gutachten vom 14.04.2018 wird, basierend auf persönlicher Untersuchung der BF am 20.11.2017, zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

1

Depressive Störung, Panikattacken, Sozialphobie

2

Degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit chron. Schmerzsyndrom

3

Schwerhörigkeit bds.

3

Allergisches Asthma bronchiale

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H

7. Das Sachverständigengutachten wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 25.04.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

8. Mit Schreiben vom 08.05.2018 (Datum: Poststempel) äußerte sich die BF unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel im Rahmen des Parteiengehörs zum Ergebnis des Beweisverfahrens dahingehend, dass sie mit der Begutachtung der Amtssachverständigen und mit dem Sachverständigengutachten nicht einverstanden sei.

9. Am 20.06.2018 (Datum: Poststempel) brachte die BF ein ärztliches Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die BF hat ihren Wohnsitz im Inland und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die BF leidet unter einer depressiven Störung, Panikattacken, Sozialphobie, degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit chron. Schmerzsyndrom, beiderseitiger Schwerhörigkeit und allergischem Asthma bronchiale.

Der Grad der Behinderung beträgt 60 (sechzig) v. H. (von Hundert).

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt die vorgelegten Verwaltungsakte und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, vom 14.04.2018, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen und die im Laufe des Verfahrens vorgelegten medizinischen Beweismittel miteinbezogen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung vollständig erhobenen Befund. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die von der BF mit Schreiben vom 08.05.2018 zum Sachverständigengutachten von XXXX erstattete Stellungnahme beschränkt sich auf den Einwand, dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Die Einwendungen blieben jedoch im Hinblick auf die Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ohne konkretes Vorbringen. Die Stellungnahme war daher mangels konkreten, substantiierten Vorbringens nicht geeignet, das Sachverständigengutachten zu entkräften.

Da im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Veränderungen hinsichtlich der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung der BF zu Tage getreten sind, ist ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. zu objektivieren.

Die mit Schreiben vom 20.06.2018 beim erkennenden Gericht eingebrachten medizinischen Beweismittel unterliegen der Neuerungsbeschränkung, wonach im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Beweismittel und Tatsachen nicht vorgebracht werden dürfen, weshalb diese medizinischen Beweismittel bei der Entscheidung des erkennenden Gerichtes nicht miteinbezogen werden konnten.

Das Sachverständigengutachten von XXXX, das auch im Hinblick auf das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 14.08.2017, zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangt, wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zu Mal auch keine Verfahrenspartei eine Verhandlung beantragt hat.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BGBl. Nr. 22/1970 in der geltenden Fassung), angehören.

§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (Bundesgesetz über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen - EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988 in der geltenden Fassung) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, Zl. 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, Zl. 0705/77).

Mit Novelle des Bundesbehindertengesetztes (BGBl. I 57/2015) hat der Gesetzgeber für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. § 46 BBG regelt, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach Erhebung der Beschwerde neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Zum Gesamtgrad der Behinderung:

Die BF leidet unter einer depressiven Störung, Panikattacken, Sozialphobie, degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit chron. Schmerzsyndrom, beiderseitiger Schwerhörigkeit und allergischem Asthma bronchiale. Der Grad der Behinderung beträgt 60 v.H. (von Hundert).

Da der Gesamtgrad der Behinderung vor dem erkennenden Gericht entsprechend der Einschätzung im Vorverfahren mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt werden konnte, war in der Entscheidung der belangten Behörde hinsichtlich des eingetragenen Grades der Behinderung in den Behindertenpass keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

Zur Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" bzw. "Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson":

Das Vorbringen der BF ihre Mobilität betreffend zielt offenbar auf die Vornahme einer Zusatzeintragung ab. Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis ("Parkausweis") auszufolgen.

Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht über Rechtssachen entscheiden, die nicht bereits Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Verfahrens bzw. der entsprechenden Entscheidung waren. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; des Weiteren Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) RN 833). Fallgegenständlich war "Sache" und Gegenstand der Entscheidung der belangten Behörde die Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. die Feststellung des Grades der Behinderung.

Verfahrensgegenstand war daher die Beurteilung des Grades der Behinderung der BF bzw. die Ausstellung eines Behindertenpasses, nicht jedoch auch die Vornahme von Zusatzeintragungen bzw. die Prüfung der Gesamtmobilität der BF.

Die BF ist daher darauf hinzuweisen, dass es ihr freisteht, beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gem. § 29b StVO (Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung"), als auch auf Vornahme der Zusatzeintragung "Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson", in den Behindertenpass, zu stellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2170382.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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