TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 98/20/0526

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Veröffentlicht am 21.10.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des AH in Wien, geboren am 1. November 1963, vertreten durch Dr. Susanne Schwarzenbacher, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Eßlinggasse 17/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. August 1998, Zl. 200.337/0-VI/18/98, wegen Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit. Er reiste am 27. Juni 1997 in das Bundesgebiet ein und stellte am 1. Juli 1997 einen Asylantrag, den er damit begründete, Peschmerga bei der KDP gewesen zu sein und ab 1990 die Aufgabe gehabt zu haben, Lebensmittel an hilfsbedürftige Kurden in Kalar zu verteilen. Nach seiner Heirat habe er sich mit seiner Gattin nach Arbil begeben, wo er mit einem weitschichtigen Verwandten ein Geschäft zum Verkauf alkoholischer Getränke betrieben habe. Am 31. August 1996 habe die irakische Armee neben anderen Geschäften auch sein Geschäft beschossen, wobei er schwer verletzt worden sei. Er sei darauf zuerst drei Monate im Krankenhaus in Dohuk in Behandlung gewesen und habe sich im Anschluss daran von April 1997 bis zum 10. Juni 1997 bei seiner Gattin und der Tochter aufgehalten. Als sein Geschäftspartner versucht habe, das zerstörte Geschäftslokal zu renovieren, habe er Drohungen einer islamisch fundamentalistischen Bewegung erhalten. Sie seien daher gezwungen gewesen, die Waren zu verkaufen und das Geschäftslokal zu schließen. Er sei sodann in einem Krankenhaus in Ankara behandelt worden, habe jedoch von einer Rückkehr in den Irak abgesehen, weil seine Frau ihm mitgeteilt habe, dass die türkische Invasion alles unter Kontrolle habe. Diese schlechte politische Lage in Kurdistan sei schließlich der Grund dafür gewesen, dass er nicht in den Irak zurückkehrte, sondern flüchtete.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1997 hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Asylgesetz 1991 mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, die bloße Behauptung, den Irak wegen der schlechten politischen Lage in Kurdistan verlassen zu haben und beim Einmarsch der irakischen Armee in Arbil schwer verletzt worden zu sein, könne eine Asylgewährung nicht begründen.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer insbesondere geltend, dass es das Bundesasylamt unterlassen habe, die Gründe für seine Flucht ausreichend zu würdigen und die spezielle Situation der Freiheitskämpfer zu erörtern. Er habe über fast zwei Jahrzehnte gegen die Regierung in Bagdad (Saddam Husein) gekämpft und sich politisch betätigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Sie erhob das gesamte, für glaubwürdig erachtete Vorbringen des Beschwerdeführers zu ihren Feststellungen.

Darüber hinaus hielt die belangte Behörde "auf Grund der zur Verfügung stehenden Dokumentationsmaterialien" fest,

"dass im September 1996 der im Nordirak zwischen den rivalisierenden kurdischen Parteien KDP und PUK herrschende Konflikt eskalierte, als reguläre Bagdader Truppen in die Auseinandersetzungen der beiden Parteien auf Seiten der KDP eingriffen, sich allerdings nach Erreichung der militärischen Ziele (Einnahme der Städte Arbil und Suleimania durch die KDP) wieder zurückzogen. Im Juni 1997 fand zudem in kurdisch besiedelten Gebieten des Nordiraks eine Offensive türkischer Sicherheitskräfte statt. Eine am 14.5.1997 begonnene erneute türkische Militäroperation im Nordirak gegen die PKK wurde mit Unterstützung der KDP geführt. Diese Operation wurde allerdings von türkischer Seite Ende Juni 1997 für beendet erklärt und der Truppenabzug eingeleitet."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter anderem aus:

"Eine im Heimatland des Berufungswerbers herrschende Bürgerkriegssituation, welche auf Grund der obigen Ausführungen unzweifelhaft ist, indiziert nach der ständigen Judikatur der österreichischen Behörden und Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft. Das Asylrecht hat nicht zur Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgehen. Umstände, wonach die Vertreter staatlicher bzw. quasi staatlich agierender Autoritäten ein individuell gegen die Person des Berufungswerbers gerichtetes Interesse an einer Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe gehabt hätten, konnten aus den Angaben des Berufungswerbers (ergänze: 'nicht') festgestellt werden.

Der Berufungswerber gibt selbst an, dass er keine konkret gegen ihn gerichtete Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates gehabt hat. Er selbst fürchtet nur im Falle der Rückkehr in die Heimat bei einer etwaigen Weiterführung des Geschäftes - wohl auf Grund des Verkaufs alkoholischer Getränke - von Islamisten bedroht und eventuell sogar umgebracht zu werden.

(...)

Den diesbezüglichen Ausführungen des Berufungswerbers, dass er sein Geschäftslokal auf Grund Drohungen von Fundamentalisten schließen musste, war nicht zu entnehmen, dass er sich diesbezüglich um Hilfe bemüht hätte oder dass ihm eine solche, zumal er nach eigenen Angaben ein Peschmerga bei der KDP war, verwehrt worden wäre.

Auf Grund des Umstandes, dass der Berufungswerber auch Mitglied der KDP gewesen sein will, kann zudem das fluchtauslösende Motiv im Juni 1997, nämlich die zeitlich begrenzte Offensive türkischen Streitkräfte im Nordirak, nicht zur Gänze nachvollzogen werden, ist doch nach dem amtsbekannten Dokumentationsmaterial die KDP keinesfalls das Ziel militärischer Operationen der türkischen Streitkräfte gewesen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 gebildeten Senat erwogen hat:

Nach § 7 AsylG ist Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv (in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Mit seinem Vorbringen, die "schlechte politische Lage in Kurdistan" sei der Grund dafür gewesen, dass er nicht in den Irak zurückkehrte, sondern flüchtete, vermag der Beschwerdeführer ebenso wenig einen in der FlKonv genannten, asylrelevanten Grund für eine Furcht vor Verfolgung geltend zu machen wie mit dem - von der belangten Behörde ebenfalls für glaubhaft gehaltenen - Vorbringen, sein Geschäftspartner habe bei dem Versuch, das zerstörte Lokal für den Handel mit alkoholischen Getränken zu renovieren, Drohungen einer islamisch fundamentalistischen Bewegung erhalten. Weiter gehende Behauptungen, etwa, dass nach Schließung des Geschäfts weitere Drohungen erfolgt wären und dass diese auf Gründe, die in der FlKonv genannt sind, zurückzuführen seien, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Der in der Berufung erstatteten allgemeinen Behauptung, der Beschwerdeführer habe (als Kurde) über zwei Jahrzehnte gegen die Regierung in Bagdad gekämpft, fehlt ein nachvollziehbarer Hinweis auf eine daraus resultierende bereits stattgefundene Verfolgung bzw. auf eine Verfolgungsgefahr. Der Beschwerdeführer hat selbst vorgebracht, seiner Tätigkeit für die KDP bis April 1994 ungehindert nachgekommen zu sein, nach seiner Heirat im Dezember 1994 in Abril ein Geschäft (Handel mit Alkoholika) betrieben zu haben und nach dem Einmarsch irakischer Truppen im August 1996 und deren Rückzug erst im Zusammenhang mit dem Einmarsch türkischer Truppen im Juni 1997 zur Flucht veranlasst worden zu sein. Eine den irakischen staatlichen Behörden zuzurechnende, asylrelevante Verfolgung kann aus diesem Vorbringen nicht abgeleitet werden.

Der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200526.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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