TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/26 G303 2163572-1

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Veröffentlicht am 26.07.2018
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Entscheidungsdatum

26.07.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G303 2163572-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva Wendler und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX,

geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, vom 15.02.2017, OB XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 15.11.2016 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ein. Da der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht im Besitz eines Behindertenpasses war, wurde der Antrag seitens der belangten Behörde als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gewertet. Mit dem Antrag wurden eine Meldebestätigung und medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 29.01.2017 wurde, nach persönlicher Untersuchung des BF am 16.01.2017, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Z.n. Ablatio Retinae-Operation links 5/2015, Cataracta secundaria rechts Pat leidet an rezidivierenden Sehstörungen, er sieht schwimmende Strukturen, am Computer Mehrfachbilder und leidet konsekutiv an Vertigo, sowie vegetativer Begleitsymptomatik (Übelkeit, Diarrhoe) und Cephalea.

11.02.10

30

2

Sprunggelenk - Untere Extremitäten, Posttraumatische Sprunggelenksarthrose rechts Gering- mäßiggradige Funktionseinschränkung (Flexion)

02.05.32

30

3

Hüftgelenke - Untere Extremitäten, Geringgradige Coxarthrose bds. (re>li), geringe Sacroiliacalgelenks-Arthrose bds. Abduktion im re Hüftgelenk eingeschränkt

02.05.08

20

4

Varikositas und chronisch venöse Insuffizienz links, Z.n. Varizenoperation rechts Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen und ohne Kompressionsstrümpfe Schwellneigung

05.08.01

10

5

Leichte Hypertonie Therapie mit einem Antihypertensivum (Kombinationspräperat mit einem Diuretikum) ausreichend

05.01.01

10

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

40 v.H.

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die Gesundheitsschädigung (GS) 1 führend sei. Die GS 2 stehe in negativer Wechselwirkung und würde um einen Grad steigern. Die GS 3-5 seien zu gering ausgeprägt, um weiter zu steigern.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.02.2017 wurde der Antrag vom 15.11.2016 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen.

3.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte, unter I.2.1. angeführte, ärztliche Sachverständigengutachten. Danach betrage der Grad der Behinderung des BF 40 %. Das genannte Gutachten wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. Als rechtliche Begründung wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) angeführt.

4. Gegen diesen Bescheid vom 15.02.2017 brachte der BF binnen offener Frist mit E-Mail vom 25.03.2017 die bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde ein. Begründend führte der BF aus, dass ihm das Heben und Tragen von schweren Lasten aufgrund der zum Teil nicht haftenden Netzhaut untersagt sei. Durch das abwechselnde unterschiedliche Sehen zwischen dem linken und dem rechten Auge ergebe sich ein erhöhtes Schwindelgefühl. Im Bereich der Netzhautblase sei je nach Hintergrund eine Art Lichtkegel bzw. graue Scheibe zu sehen sei. Im Tagesverlauf sei das Gehen sehr beschwerlich und schmerzhaft, insbesondere die Sprunggelenksarthrose schmerze. Durch die Hernie ergebe sich eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme. Des Weiteren sei der seit 2004 bestehende Diabetes nicht erwähnt worden. Der BF ersuche daher, um nochmalige Überprüfung der Bewertung seines Falles.

5. Von Seiten der belangten Behörde wurden weitere Sachverständigengutachten beauftragt.

5.1. Im Sachverständigengutachten von XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 05.06.2017, wurde, nach persönlicher Untersuchung des BF am 10.05.2017, aus internistischer Sicht bei Vorliegen von Speiseröhren-Motilitätsstörungen und Diabetes mellitus ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 10 % festgehalten.

5.2. Im Sachverständigengutachten von XXXX, Fachärztin für Augenheilkunde, vom 30.06.2017, wurde, nach persönlicher Untersuchung des BF am 26.06.2017, aus augenärztlicher Sicht bei Vorliegen einer Gesichtsfeldeinschränkung nach oben am linken Auge und des Zustandes nach Netzhautabhebung links ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 10 % festgehalten.

5.3. Im Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 03.07.2017, wurde aufgrund der Aktenlage ein Gesamtgrad der Behinderung mit 40 % festgehalten.

5.4. Des Weiteren wurde von XXXX am 03.07.2017 eine Gesamtbeurteilung unter Einbeziehung der unter Punkt 5.1. bis 5.3. angeführten Sachverständigengutachten vorgenommen und festgehalten, dass ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 % vorliege.

6. Nach Ablauf der Beschwerdevorentscheidungsfrist wurden die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 06.07.2017 vorgelegt.

7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden seitens des erkennenden Gerichtes XXXX, Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie und XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, jeweils mit der Begutachtung und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.

7.1. Im augenärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX, vom 25.01.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 15.01.2018, im zusammengefassten Ergebnis folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Ausschluss eines Auges vom Sehakt.

11.01.03

30

2

Störende Photopsien und Gesichtsfelddefekte eines Auges mäßigen Grades (30-40°) bei normalem Gesichtsfeld am anderen Auge.

11.02.09

10

3

Störung des zentralen Sehens links durch Netzhautveränderungen und Glaskörpertrübungen Fixer Rahmensatzwert laut Tabelle Z1 Sp1

11.02.01

0

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

30 v.H.

Zum Gesamtgrad der Behinderung wurde begründend ausgeführt, dass aufgrund des Ausschlusses eines Auges vom Sehakt (negativer Lang-Stereo-Test) der Grad der Behinderung auf 30 % festzusetzen sei. Die Gesichtsfelddefekte am linken Auge würden durch das rechte Auge kompensiert werden. Die störenden Photopsien seien wie Gesichtsfelddefekte einzustufen. Da keine negative Leidensbeeinflussung bestehe, erfolge keine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung durch die Gesundheitsschädigung 2. Die Sehbeeinträchtigung durch Glaskörpertrübungen (Visus bds 0,8 fixer Rahmensatzwert) erreiche keinen Grad der Behinderung.

7.2. Im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten von XXXX, vom 09.04.2018, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 27.03.2018, im zusammengefassten Ergebnis folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Ausschluss eines Auges vom Sehakt. Vorgegebener Rahmensatz entsprechend dem Augen-GA XXXX vom 25.01.2018. Hier wird aufgrund des Ausschlusses eines Auges im Sehakt (neg. Lang Stereo Test) dieser Rahmensatz festgesetzt.

11.01.03

30

2

Störende Photopsien und Gesichtsfelddefekte eines Auges mäßigen Grades (30-40°) bei normalem Gesichtsfeld am anderen Auge. Vorgegebener Rahmensatz entsprechend dem fachärztlichen Gutachten XXXX, bei Dekompensation des rechten Auges. Die störenden Photopsien sind wie Gesichtsfelddefekte einzustufen. Sehbeeinträchtigungen durch Glaskörpertrübungen (Visus bds. 0,8 fixer Rahmensatzwert) erreichen keinen Grad der Behinderung.

11.02.09

10

3

Posttraumatische Arthrose rechts Sprunggelenk Eine Stufe unterhalb des oberen Rahmensatzes bei entsprechenden Funktionsdefizit und Belastungsschmerzen entsprechend dem angefochtenen Bescheid.

02.05.32

30

4

Polyarthrosen Oberer Rahmensatz entsprechend der laut Befunden bestehenden leichten Arthrosen beider Hüftgelenke sowie der beginnenden Sacroiliacalgelenksarthrose bds. und der laut bildgebenden Verfahren, geringgraigen Femoropatellaarthrosen bei Ansatzverkalkung des Lig. Patellae bds., jedoch ohne Funktionsdefizit. Es erfolgt keine Änderung zum angefochtenen Bescheid aufgrund des geringen Defizites sämtlicher Gelenke, wobei bei der heutigen Untersuchung vor allem im linken Hüftgelenk eine Einschränkung der Innenrotation festgestellt wird.

02.02.01

20

5

Zustand nach Varizenoperation rechts, mit geringem Rezidiv und Varikositas links Unterer Rahmensatz bei Beschwerdefreiheit durch Tragen von Stützstrümpfen bds. Es erfolgt keine Änderung zum angefochtenen Bescheid.

05.08.01

10

6

Bluthochdruck Vorgegebener Rahmensatz entsprechend der gut behandelten Hypertonie mit 1. Antihypertensivum. Es erfolgt auch hier keine Änderung zum angefochtenen Bescheid.

05.01.01

10

 

7

Diabetes mellitus Kostbeschränkung, noch ohne Medikation. Der zuletzt gemessene HbA1c-Wert betrug 5,0 % (03/2017).

09.02.01

10

8

Zwerchfellbruch mit Refluxbeschwerden Unterer Rahmensatz entsprechend der Refluxerkrankung ohne nachgewiesener Ösophagitis bei bekanntem Zwerchfellbruch. Es wird eine Diät eingenommen, weiters ein PPI, darunter ist der BF beschwerdefrei.

07.03.05

10

9

Schwindel RS entsprechend der Voreinstufung

12.03.01

10

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

40 v.H.

Zum Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die führende GS 1 aus dem augenfachärztlichen Sachverständigengutachten mit 30 % übernommen werde. Die orthopädischen Diagnosen 3 und 4 würden bei gegenseitiger Leidenspotenzierung gemeinsam um eine weitere Stufe steigern. Die übrigen Positionen würden nicht steigern, da sie zu gering seien.

8. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien vom erkennenden Gericht mit Schreiben vom 16.04.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

8.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung wurde dazu seitens der Verfahrensparteien nicht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF hat einen Wohnsitz im Inland.

Der BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

-

Ausschluss eines Auges vom Sehakt (Grad der Behinderung: 30%)

-

Störende Photopsien und Gesichtsfelddefekte mäßiges Grades am linken Auge (30-40°) bei normalem Gesichtsfeld am rechten Auge, welches kompensiert (Grad der Behinderung: 10%)

-

Posttraumatische Arthrose beim rechten Sprunggelenk (Grad der Behinderung: 30%)

-

Polyarthrosen (Grad der Behinderung: 20%)

-

Zustand nach Varizenoperation rechts, mit geringem Rezidiv und Varikositas links (Grad der Behinderung: 10%)

-

Bluthochdruck (Grad der Behinderung: 10%)

-

Diabetes mellitus (Grad der Behinderung: 10%)

-

Zwerchfellbruch mit Refluxbeschwerden (Grad der Behinderung: 10%)

-

Schwindel (Grad der Behinderung: 10%)

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 (vierzig) von Hundert (v.H.). Dieser wird vom führenden Augenleiden (Grad der Behinderung: 30 v.H.) des BF gebildet; die orthopädischen Leiden (posttraumatische Arthrose beim rechten Sprunggelenk und Polyarthrosen) steigern bei gegenseitiger Leidenspotenzierung den Gesamtgrad der Behinderung um eine weitere Stufe. Die weiters vorliegenden Gesundheitsschädigungen sind zu gering ausgeprägt, und können daher keine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung bewirken.

Der BF erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der Beschwerde sowie aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zum Wohnsitz ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Melderegister und den Angaben des BF im verfahrenseinleitenden Antrag.

Der Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert wurde aufgrund der vom erkennenden Gericht eingeholten Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 09.04.2018, objektiviert. Das fachärztliche Sachverständigengutachten aus dem Gebiet der Augenheilkunde und Optometrie, vom XXXX, vom 25.01.2018, wurde von XXXX bei des Einschätzung des Grades der Behinderung berücksichtigt.

Diese Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Wechselwirkungen zueinander ergeben sich daraus.

Die Einschätzungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen bezüglich der Höhe des Grades der Behinderung erfolgten entsprechend der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt und nachvollziehbar. Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen darauf.

Insgesamt war aus dem Beschwerdevorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass weitere - von den Sachverständigen nicht berücksichtigte - Gesundheitsschädigungen beim BF vorliegen.

Der Inhalt dieser ärztlichen Sachverständigengutachten wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder vom BF noch von der belangten Behörde erstattet. Die eingeholten Sachverständigengutachten blieben damit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keinerlei Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten. Diese werden daher der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

In seinem Urteil vom 18.07.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztlichen Begutachtungen basierten auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt der vorliegenden Sachverständigengutachten wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 in der geltenden Fassung, angehören.

Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

In der vorliegenden Rechtssache wurde gemäß § 41 Abs. 1 BBG im Beschwerdeverfahren unter Mitwirkung von zwei ärztlichen Sachverständigen der Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Danach wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 40 von Hundert objektiviert und festgestellt, da auch die Gesamteinschätzung unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 18.10.2000, Zl. 99/09/0097) ist.

Im gegenständlichen Fall sind daher die Voraussetzungen für die Ausstellung des beantragten Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie abzuweisen war.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2163572.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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