TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/31 G313 2185058-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.07.2018
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Entscheidungsdatum

31.07.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G313 2185058-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Vorsitzende, sowie die Richterin MMag. Angelika PENNITZ und den fachkundigen Laienrichter Mag. Werner POCK als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 17.11.2017, OB XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42, 45, des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 29.09.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein, der gemäß Hinweis auf dem Antragsformular auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass galt.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten SV- Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Psychiatrie, vom 29.10.2017, wird auf Grund der am 27.10.2017 erfolgten Begutachtung des BF ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v. H. festgestellt und zur Frage, welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen und warum, Folgendes ausgeführt:

"Im Vordergrund stehen chronifizierte Partialsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, die den U. im sozialen Leben beeinträchtigen, es besteht kein Hinweis auf eine Klaustro- bzw. Sozialphobie bzw. phobische Angststörung, es erfolgt keine regelmäßige Therapie, eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem U. zumutbar".

3. Mit Bescheid vom 17.11.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 29.10.2017 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentliches Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Die Voraussetzungen für die genannte Zusatzeintragung würden jedoch nicht vorliegen, weshalb der Antrag abzuweisen gewesen sei.

5. Am 27.12.2017 langte bei der belangten Behörde eine Beschwerde des BF ein. Darin wurde darauf hingewiesen, der BF habe aufgrund seiner Erlebnisse XXXX im Jahr 2005 eine posttraumatische Belastungsstörung, leide unter Panikattacken und Herzrhythmusstörungen und sei seit 2005 deshalb in Invaliditätspension. Ein Zusammensein mit anderen Menschen auf engem Raum wie in öffentlichen Verkehrsmitteln sei für ihn nicht zu ertragen.

6. Am 05.02.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) ein.

7. Mit Schreiben des BVwG vom 14.03.2018, wurde

Dr. XXXX , Ärztin für Psychiatrie und Neurologie , um Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung ersucht.

Mit einem weiteren Schreiben des BVwG vom 14.03.2018, wurde der BF aufgefordert, sich am 27.4.2018, um 9:00 Uhr bei Dr. XXXX an näher angeführter Adresse zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

8. In dem seitens des begutachtenden Arztes erstellten medizinischen Gutachten vom 08.05.2018 wird aufgrund der an demselben Tag erfolgten Untersuchung des BF bezüglich des Zusatzes "Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" folgende "Stellungnahme zu den Vorgutachten" abgegeben:

Anamnese:

Bezüglich der Vorgeschichte siehe Aktenunterlagen bzw. Gutachten Dris. XXXX.

Der U. gibt an, dass er vom 15. bis 50. Lebensjahr eine Drogenkarriere hinter sich habe und zwar von

Cannabis über LSD, Kokain, auch Heroin, zuletzt auch intravenös. Mit ca. 50 Jahren habe er mit Hilfe

der Drogenberatungsstelle in XXXX die Entwöhnung geschafft, anfänglich mit Substitutionstherapie. Er habe auch schon viele Jahre Probleme vonseiten der Halswirbelsäule, vor dem Ereignis 2004 sei auch bereits eine Halswirbelsäulenoperation im Gespräch gewesen. In der Vorgeschichte auch Blinddarmdurchbruch mit ca. 7 Jahren, ansonsten vor allem Verletzungen und diverse Knochenbrüche.

2004 sei er XXXXverletzt worden. Er habe sich Verletzungen im Bereich der linken Hüfte zugezogen, neben Prellungen, oberflächlichen Hautverletzungen und Rippenbrüchen. Er sei anfänglich in XXXX, später in Wien und zuletzt im UKH XXXX medizinisch versorgt worden. Seither stehe er in psychologischer Betreuung.

Derzeitige Beschwerden:

Der U. gibt an, dass er vonseiten der linken Becken-Hüftregion eigentlich ständig Schmerzen habe. Diese Schmerzen würden bei Kälte und fraglich auch bei Belastung zunehmen. Im Vordergrund der derzeitigen Beschwerden stehen Ängste vor Menschenansammlungen, er halte es in größeren oder auch kleineren Menschenmengen nicht aus. Er bekomme dann Herzsensationen und ein Beklemmungsgefühl. Er schaffe es nicht ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Auch müsse er andere Menschenansammlungen vermeiden, er ziehe sich komplett zurück.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Psychotherapie

Sozialanamnese: keine Berufsausbildung, über viele Jahre selbstständiger Lederwarenerzeuger und -händler, Kunsthandwerker, zuletzt LKW-Fahrer, seit 2005 pensioniert, geschieden, alleine lebend, 2 erwachsene Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Auszug aus dem SV-Gutachten Dris. XXXX vom 27.10.2017:

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD), Posttraumatische Beiastungsstörung mittleren Grades, St. p. Polytoxikomanie

Auszug aus der Gesamtbeurteilung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, vom 31.08.2017, Dris. XXXX:

Zusammenfassung der Sachverständigengutachten:

XXXX, Neurologie, 25.08.2017

Dr.in XXXX, Allgemeinmedizin, 31.08.2017

1. rezidivierende Depression, posttraumatische Beiastungsstörung 03.06.02 50%

2. Cervicalsyndrom bei degenerativen Veränderungen mit Radikulopathie C7 beidseits 02.01.02 40%

3. Wirbelsäule, Radikulopathie L5 links, Hüftschmerz links 02.01.01 20%

Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut

Ernährungszustand:

Normal

Größe: 176 cm Gewicht: 74 kg Blutdruck: 120/80

Gesamtmobilität - Gangbild:

siehe neurologischer Fachstatus

Klinischer Status - Fachstatus:

Neurologischer Befund:

Der U. ist in normaler Bewusstseinslage, keine Nackensteifigkeit, die HN-Austrittspunkte sind frei, die HWS frei beweglich, Caput nicht kiopfempfindlich, occipitale Austrittsstellen nicht druckempfindlich.

Hirnnerven:

I - XII: o.B.

Sprache: unauffällig, Hirnpathologische Zeichen: keine

Obere Extremität:

Trophik, Tonus, Kraft und Motilität, sowie Feinmotiütät bds. seitengleich regelrecht. RPR, BSR und TSR seitengleich bds. lebhaft. Beim AW kein Absinken, keine Pronationstendenz. Nervenstämme indolent. Eudiadochokinese. FNV bds. zielsicher, kein Reboundphänomen. Pyramidenbahnzeichen bds. negativ. Keine Sensibilitätsausfälle.

Rumpf:

WS gerade, frei beweglich. Die paravertebrale Muskulatur ist frei. Die BHR seitengleich auslösbar. Keine neurogene Blasenfunktionsstörung.

Untere Extremität:

Hüftgelenkseinschränkung links.

Ansonsten Tonus, Trophik, grobe Kraft und Motilität, sowie Feinmotilität seitengleich regelrecht. PSR und ASR seitengleich mittellebhaft auslösbar. Knie-Haken-Versuch bds. zielsicher. Pyramidenbahnzeichen wie Babinski bds. negativ. Keine Sensibilitätsausfälle.

Koordination: unauffällig.

Stand: unauffällig.

Gang: derzeit beeinträchtigt wegen Sturzes von der Leiter mit Schmerzen im Fersenbereich links und Steißbeinbereich.

Psychischer Status:

Der U. ist in normaler Bewusstseinslage, in allen Qualitäten orientiert.

Das Verhalten ist situationsangepasst.

Die Stimmungslage ist dysthym, resignativ.

Das Denken ist geordnet. Keine inhaltliche Denkstörung. Keine Wahnideen, jedoch zentriert auf die Ereignisse 2004 und soziale Phobien.

Aufmerksamkeit und Konzentration erscheinen unauffällig.

Die Merkfähigkeit ist ungestört.

Die Intelligenz ist im Normbereich.

Persönlichkeitsmäßig finden sich bei Zust. n. Polytoxikomanie und posttraumatischer Belastungsstörung (XXXX2004) Zeichen einer dauernden Persönlichkeitsänderung mit im Vordergrund stehenden sozialen Ängsten und Rückzugstendenzen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos. Nr.

GdB %

1

Andauernde Persönlichkeitsänderung nach posttraumatischer Belastungsstörung (ICD-10 F62.0)

03.05.02

50%

2

Cervikal- und Lumbalsyndrom mit intermittierenden radikulären Schmerzen bzw. sensiblen Symptomen bei degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule

02.01.02

40%

3

Hüftschmerz links nach Weichteilverletzung (orthopädische Einschätzung erforderlich)

 

 

Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Ad lfd. Nr. 1; Der untere Rahmensatz der Einschätzungsverordnung 03.05.02 mit 50% wird herangezogen entsprechend des Schweregrades des psychischen Störbildes nach Polytoxikomanie im jungen Erwachsenen alter bis ca. 50 und Auftreten einer posttraumatischen Belastungsstörung nach XXXX 2004 XXXX, bei dem der U. betroffen war. Der U. ist seither in ständiger psychotherapeutischer Behandlung und zeigt ausgeprägte Ängste und soziophobische Symptome neben einer resignativ-depressiven Grundstimmung. Somit keine Änderung zur Einschätzung Dris. XXXX vom 27.10.2017.

Ad lfd. Nr. 2; Der obere Rahmensatz der Einschätzungsverordnung 02.01.02 mit 40% wird herangezogen entsprechend des chronischen Schmerzsyndroms im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule mit intermittierenden neurologischen Reizsymptomen. Derzeit liegen keine radikulären Ausfälle vor.

Ad lfd. Nr. 3: eine orthopädische Begutachtung ist erforderlich.

Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Führend ist die Gesundheitsschädigung lfd. Nr. 1 mit 50%.

Die Gesundheitsschädigung lfd. Nr. 2 erhöht um eine weitere Stufe, da es sich um eine eigenständige funktionell behindernde Gesundheitsschädigung handelt.

Somit gegenüber der Einschätzung durch das Sozialministeriumservice Kärnten keine Änderung.

X Dauerzustand

? Nachuntersuchung

Begründung:

Der Antragsteller kann trotz seiner Funktionsbeeinträchtigungen mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

ja x nein (in Pension)

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

ja

nein

nicht geprüft

Der Untersuchte

?

x

?

ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen

?

x

?

ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

?

x

?

ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

?

x

?

ist gehörlos

?

X

?

ist schwer hörbehindert

?

X

?

ist taubblind

?

X

?

ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates

?

X

Q

ist Epileptikerin oder Epileptiker

?

X

?

bedarf einer Begleitperson

?

x

?

ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial

?

X

?

ist Orthesenträgerin oder ist Orthesenträger

?

X

?

ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger

Begründung:

 

 

 

Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

1. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Dem U. ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zuzumuten, da infolge des Ereignisses 2004 eine andauernde Persönlichkeitsänderung vorliegt nach Extrembelastung mit Ängsten und insbesondere Soziophobie, die es dem U. unmöglich machen sich in engen Räumen zu bewegen, in den Menschen angesammelt sind.

Vonseiten der körperlich funktionellen Situation bestehen keine Einschränkungen.

2. Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Keine

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor wegen:

ja nein nicht geprüft

? ? x Tuberkuloses, Zuckerkrankehti, Zöliakie, Aids oder

eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung

nach Pos. 09.03 GdB: ab

? ? x Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit GdB: ab

? ? x Erkrankungen des Verdauungssystems GdB: ab

9. Mit Verfügung vom 18.5.2018, dem BF zugestellt am 25.05.2018 wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

10. Gegen das Sachverständigengutachten vom 08.05.2018 wurden keine Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen Dr. XXXX vom 08.05.2018 schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. Dem Gutachten lagen die Vorgutachten Dr. XXXXzugrunde.

Es wurde auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß auf Grundlage der Begutachtung des BF und unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde ausführlich eingegangen.

Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten psychischen Beeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen.

So hat die Gutachterin schlüssig dargelegt, dass beim BF aufgrund der Ereignisse XXXX es zu einer Persönlichkeitsänderung gekommen ist und der BF an Soziophobie leide die es ihm unmöglich macht mit anderen Personen auf engem Raum sich aufzuhalten. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel daher nicht zumutbar sei.

Gegen die gutachterliche Beurteilung, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vorliegen, wurden im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendungen erhoben.

Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte fachärztliche Gutachten von

Dr. XXXX vom 22.02.2017 erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Das Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass beim BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, vorliegen. Es wurden direkte erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten - am rechten Bein - festgestellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, dass angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde in einem auf Grundlage der Einschätzungsverordnung ergangenen Sachverständigengutachten die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund dieses nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 08.05.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G313.2185058.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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