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L82407 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Tirol;Norm
AWG 1990 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde der H GmbH & Co KG Abfallsortier- und Kompostieranlage in R, vertreten durch Dr. Klemens Stefan Zelger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Müllerstraße 16, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. Juni 1999, Zl. U-3923/2, betreffend Feststellung der Abfalleigenschaft gemäß § 3 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge eines gegen das vertretungsbefugte Organ der Beschwerdeführerin gemäß § 27 Abs. 1 lit. a und b des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes (TAWG) eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens führte die zuständige Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) ein Feststellungsverfahren nach § 3 dieses Gesetzes von Amts wegen durch und stellte mit Bescheid vom 26. Mai 1999 fest:
"Bei den von der (Beschwerdeführerin) in P. im Zeitraum vom 4.1.1999 bis 26.2.1999 zur Deponie R. verbrachten Abfällen, und zwar die Reststoffe aus der mechanischen Abfallaufbereitung (Sortierung), die Leichtfraktion aus der Verpackungssammlung ÖNORM S 91207, die Siebreste aus der biologischen Abfallbehandlung (Kompostierung) von Küchen- und Kantinenabfällen der ÖNORM S 91202 sowie den Strahlenmittelrückständen mit anwendungsspezifischen nicht schädlichen Beimengungen der ÖNORM S 31451 gemäß Lieferschein Nr. 3855 und 3857 der Firma L.T. MTU GmbH, K., handelt es sich um
betriebliche Abfälle
im Sinne des § 2 Abs. 3 TAWG".
In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, dass sich im Zuge des vorgenannten Strafverfahrens die Frage gestellt habe, welcher Art der bei der Sortierung der Beschwerdeführerin anfallende Restmüll sei. Der Beschuldigte habe sich im Strafverfahren dahingehend gerechtfertigt, dass es sich bei diesen Reststoffen nicht um betriebliche Abfälle im Sinne des TAWG, sondern um produktionsspezifische Abfälle handle. Die Frage der Zuordnung der gegenständlichen Abfälle stelle eine Vorfrage im Strafverfahren dar, weshalb die Behörde von Amts wegen den Feststellungsbescheid erlassen habe. Den Begriff des "produktionsspezifischen" Abfalles kenne das TAWG nicht, für die Behörde sei klar, dass die im Spruch angeführten Materialien betriebliche Abfälle im Sinne des TAWG seien.
In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass nach der ursprünglich im TAWG enthaltenen Begriffsbestimmung des Abfalles die Abfalleigenschaft solange bestanden habe, bis diese beweglichen Sachen in den technischen Vorgang der Verwertung einbezogen worden seien. Dadurch sei klargestellt gewesen, dass bei der Frage, ob Abfälle als betriebliche Abfälle oder als Hausmüll zu beurteilen seien, auf den Zeitpunkt der Anlieferung bei der Beschwerdeführerin und nicht denjenigen der Anlieferung bei der Deponie abzustellen gewesen sei. Nichts anderes könne aber nach der Novelle 1998 des TAWG gelten, mit welcher der Begriff des Abfalles ersatzlos gestrichen worden sei. Die Begriffe Hausmüll und betriebliche Abfälle müssten auf den Zeitpunkt des Anfalles und nicht den der Ablieferung an die Enddeponie bezogen werden. Die BH habe jedoch nicht die Frage geprüft, welche Qualifikation die Abfälle zum Zeitpunkt des Einlangens bei der Beschwerdeführerin gehabt hätten. Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin werde durch die Anordnung des § 10 Abs. 2 lit. b TAWG gestützt. Selbst dann, wenn es sich bei den Abfällen schon bei Anlieferung an die Beschwerdeführerin um betriebliche Abfälle gehandelt hätte, wären diese im Betrieb der Beschwerdeführerin zulässigerweise behandelt worden. Entsprechend dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides handle es sich um Reststoffe aus der mechanischen Abfallaufbereitung (Sortierung), die Siebreste aus der biologischen Abfallbehandlung von Küchen- und Kantinenabfällen etc. Die Behörde erster Instanz habe den "Ursprung" der an die Deponie R. abgelieferten Restabfälle nicht geklärt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. Juni 1999 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin trenne und behandle in ihrer Abfallsortier- und Kompostieranlage Abfälle. Bei den dort angelieferten Abfällen handle es sich um zu trennende Wertstoffe und kompostierfähiges Material. Ziel der Sortierung sei es, sortenreine Abfallarten für eine weitere Verwertung vorzubereiten. Durch die Kompostierung solle ein bestimmten Qualitätskriterien entsprechender Kompost und somit ein Produkt hergestellt werden. Bei der Trennung und Behandlung fielen allerdings Stoffe an, die sich nicht verwerten ließen und zu deponieren seien. Sie seien jedenfalls von jenen Abfällen, die den Anlagen zwecks Sortierung und Kompostierung zugeführt würden, zu unterscheiden und der Beschwerdeführerin als Anlagenbetreiberin zuzurechnen. Die Beschwerdeführerin sei diesbezüglich daher als Abfallerzeugerin anzusehen. Gegenstand des anhängigen Feststellungsverfahren seien die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides beschriebenen Abfälle, die im Zuge der Sortierung und Kompostierung als zu deponierende Reststoffe anfielen. Es handle sich daher um jene Abfälle, die die Beschwerdeführerin zur Deponie R. verbringe. Die im erstinstanzlichen Bescheid beschriebenen Abfälle seien betriebliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 3 TAWG, da sie typischerweise im Zusammenhang mit dem Betrieb der Sortier- und Kompostieranlage der Beschwerdeführerin stünden. Von üblicherweise im Haushalt anfallenden Abfällen sei nicht auszugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem
Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde das Tiroler
Abfallwirtschaftsgesetz, LGBl. Nr. 50/1990 in seiner Fassung LGBl.
Nr. 76/1998, anzuwenden.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. sind Hausmüll alle diesem Gesetz unterliegenden Abfälle, die üblicherweise in einem Haushalt anfallen, sowie die in einem Betrieb anfallenden Abfälle gleicher Art. Nicht zum Hausmüll zählen jene Abfälle, die der Verpackungsverordnung 1996, BGBl. Nr. 648 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 232/1997, unterliegen.
Gemäß § 2 Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind betriebliche Abfälle alle diesem Gesetz unterliegenden Abfälle mit Ausnahme des Hausmülls.
Die Entsorgung von Abfällen umfasst gemäß Abs. 5 dieses Paragraphen die Sammlung, die Abfuhr, die Zwischenlagerung, die Verwertung, die Behandlung und die Ablagerung von Abfällen.
Behandlung von Abfällen ist die Verringerung ihres Volumens und ihrer schädlichen Eigenschaften (Abs. 6).
Gemäß § 3 leg. cit. hat bei Streitigkeiten darüber, welcher der im § 2 Abs. 1, 2 und 3 genannten Abfallarten ein Abfall zuzuordnen ist, die Bezirksverwaltungsbehörde dies auf Antrag des Inhabers der Sache oder der Gemeinde oder von Amts wegen mit schriftlichem Bescheid festzustellen.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass bei der Trennung und Behandlung der Abfälle in der Abfallsortier- und Kompostierungsanlage der Beschwerdeführerin Stoffe anfielen, die sich nicht verwerten ließen und zu deponieren seien. Diese Stoffe seien jedenfalls von jenen Abfällen, die der Anlage zwecks Sortierung und Kompostierung zugeführt würden, zu unterscheiden und daher der Beschwerdeführerin als Anlagenbetreiberin zuzurechnen.
Insoweit die belangte Behörde davon ausgeht, daß die nach anlagenspezifischer Sortierung und Kompostierung anfallenden bzw. verbleibenden Abfälle jedenfalls betriebliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 3 TAWG sind, verkennt sie aus folgenden Gründen die Rechtslage:
Seit der Novelle LGBl. Nr. 76/1998 enthält das TAWG keine Begriffsbestimmung des Abfalls mehr. Schon aus der Anordnung über den Geltungsbereich des TAWG in dessen § 1 Abs. 1 ergibt sich jedoch, dass für das TAWG die Abfalldefinition des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, maßgeblich ist. Durch den Entfall der Definition des Abfalles im TAWG hat sich diesbezüglich an der bis zur Novelle LGBl. Nr. 76/1998 geltenden Rechtslage daher nichts geändert, und es ist weiterhin davon auszugehen, dass Abfälle bewegliche Sachen sind, deren sich der Inhaber entledigen will oder entledigt hat oder deren geordnete Entsorgung aus den im § 4 Abs. 2 TAWG genannten Interessen geboten ist. Auch Abfälle, die einer Verwertung zugeführt werden sollen, bleiben solange Abfälle, bis sie in den technischen Vorgang der Verwertung einbezogen werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 96/07/0223, mwN).
Eine Sache, der die Abfalleigenschaft zukommt, gilt sohin solange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt wurden. Aus einem bereits erzeugten Abfall kann jedoch durch Behandlung ein in Menge und Qualität vom Ersteren zu unterscheidender Abfall anfallen. Ohne Rechtsirrtum hat daher die belangte Behörde zwischen dem zur Abfallsortier- und Kompostierungsanlage der Beschwerdeführerin gelieferten Abfall und dem durch seine Behandlung in der Anlage veränderten Abfall unterschieden. Insofern daher durch die Bearbeitung des in die Abfallsortier- und Kompostieranlage der Beschwerdeführerin gebrachten Abfalles in seiner Zusammensetzung verschiedener Abfall entsteht, ist er im Sinne der Begriffsbestimmungen (Abfallarten) des § 2 Abs. 1 bis 3 TAWG neu zu qualifizieren. Ob der so entstandene neu angefallene Abfall Hausmüll oder betrieblicher Abfall im Sinne des TAWG ist, kann daher erst nach entsprechenden Feststellungen beurteilt werden (Bezüglich der Kriterien für die Unterscheidung von Hausmüll und betrieblichen Abfällen verweist der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom 15. Juli 1999, Zl. 97/07/0180). Mangels solcher auf fachkundige Ermittlungsergebnisse gestützter Feststellungen durch die belangte Behörde kann aber derzeit abschließend nicht beurteilt werden, ob die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannten Abfälle betriebliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 3 TAWG sind, weil die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen ist, dass jeder durch die Bearbeitung der angelieferten Abfälle entstandene neue Abfall jedenfalls betrieblicher Abfall im Sinne des TAWG ist. Für jede von der Feststellung nach § 3 TAWG betroffene Abfallart hat die Behörde daher unabhängig davon, ob sie in der Anlage der Beschwerdeführerin auf Grund einer Behandlung eines angelieferten Anfalles neu erzeugt worden ist oder ohne weitere Bearbeitung einer Behandlung im weiteren Sinn (z.B. Deponierung) zugeführt werden soll bzw. worden ist, gesondert zu beurteilen, ob sie Haushaltsmüll oder betrieblicher Abfall ist. Hiezu reicht keinesfalls die nicht nachvollziehbare Feststellung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, "von üblicherweise im Haushalt anfallenden Abfällen im Sinne des § 2 Abs. 1 TAWG" sei "nicht auszugehen" nicht aus. Abschließend weist der Verwaltungsgerichtshof aber darauf hin, dass es für die Feststellung nach § 3 TAWG nicht darauf ankommt, wer Abfallerzeuger ist, sondern welcher Abfallart im Sinne des § 2 Abs. 1, 2 oder 3 leg.cit. ein Abfall im Sinne dieses Gesetzes zuzuordnen ist
Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999070146.X00Im RIS seit
20.11.2000