TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/8 W264 2190632-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2018
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Entscheidungsdatum

08.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W264 2190632-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde der Elfriede XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice

Landesstelle Wien vom 26.2.2018, OB: XXXX , mit welchem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, gemäß § 28

VwGVG zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) begehrte mit Antrag vom 8.1.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses unter Verwendung des Formularvordrucks idF 03/2017.

2. In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. XXXX vom 21.2.2018 wurde nach persönlicher Untersuchung der BF am 21.2.2018 unter Berücksichtigung der von der BF vorgelegten Befunde folgende Funktionseinschränkungen objektiviert:

"Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, weiche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Zustand nach Versteifungsoperation L4/5 Unterer Rahmensatz, da endlagige funktionelle Einschränkungen ohne neurologische Ausfälle

02.01.02

30

2

Kniegelenksersatz beidseits Unterer Rahmensatz, da die Beugung beidseits bis 130° möglich ist

02.05.19

20

Gesamtgrad der Behinderung 30%"

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde von der Sachverständigen damit begründet, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 nicht erhöht wird, da dieses keine maßgebliche funktionelle Zusatzrelevanz aufweist.

Unter "derzeitige Beschwerden" wurde im Gutachten festgehalten, dass die Beschwerdeführerin Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das rechte Bein bis zur Schienbeinvorderkante habe. Schmerzen habe sie besonders beim Sitzen und nachts im Bett, aber auch beim Gehen. In Bezug auf die Kniegelenke habe sie immer wieder ein Druckgefühl "als wären die Knie eingespannt". Ihre Gehstrecke würde in der Ebene nur einige Hundert Meter betragen. Das Stiegensteigen sei ihr möglich.

Die medizinische Sachverständige erhob in der Untersuchung am 21.2.2018 folgenden Unter "Untersuchungsbefund":

"Allgemeinzustand: gut

Ernährungszustand: gut

Größe: 165,00 cm Gewicht: 103,00 kg

Klinischer Status - Fachstatus:

Wirbelsäule - Beweglichkeit:

HWS: Kinn-Jugulum Abstand: 3 cm, alle übrigen Ebenen: frei beweglich

BWS: gerade

LWS: Seitneigen nach links bis 30° möglich, nach rechts bis 30° möglich, blande Narbe

FBA: 30 cm

Obere Extremitäten: Rechtshänderin

Rechts: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich, Ellbogengelenk:

frei, Handgelenk: frei, Finger: o.B.

Links: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich, Ellbogengelenk:

frei, Handgelenk: frei, Finger: o.B.

Kraft- und Faustschluss: bds. frei

Kreuz- und Nackengriff: bds. möglich

Untere Extremitäten:

Rechts: Hüftgelenk: S 0-0-160, F 60-0-50, R 50-0-40

Kniegelenk: S 0-0-130, kein Erguß, bandstabil, blande Narbe

OSG: frei

Links: Hüftgelenk: S 0-0-160, F 60-0-50, R 50-0-40

Kniegelenk: S: S 0-0-130, kein Erguß, bandstabil, blande Narbe

OSG: frei

Varicen: keine

Füße: bds. o.B.

Zehen- und Fersenstand: bds. möglich

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gangbild: Hinken rechts

Gehbehelf: keiner

Status Psychicus:

wach, orientiert"

Die Sachverständige attestierte "Dauerzustand".

3. Unter Zugrundelegung dieses medizinischen Sachverständigengutachtens wurde der Antrag der Beschwerdeführerin mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 26.2.2018 abgewiesen.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 19.3.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin aus, es stimme nicht, dass sie keine Begleitperson benötige. Zur Untersuchung habe sie ihre Tochter begleitet. Eine Gehstrecke von einigen Hundert Metern, wie fälschlicherweise im Gutachten ausgeführt, sei für die BF nicht möglich. Sie müsse sich spätestens nach hundert Metern setzen oder an eine Mauer lehnen, um ihren Rücken zu entlasten. Daher sei es für sie nicht möglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, da einerseits die Station mehr als 350 Meter von ihrem Wohnort entfernt sei und andererseits auch die Umsteigewege zwischen den Verkehrsmitteln stets zu weit seien. Die Einkäufe müssen von ihrer Tochter oder ihrem Sohn erledigt werden. Stiegensteigen sei der BF ebenfalls nicht möglich. Sie habe zu Hause sechs Stiegen zu bewältigen und sei ihr dies nur mit viel Mühe und Schmerzen möglich. Sie leide zudem an Diabetes und habe sie dies mit einem Befund ihrer Hausärztin belegt. Ihre mehrfachen Operationen aufgrund ihrer Schmerzen seien im Gutachten ebenfalls nicht berücksichtigt worden.

Neue Befunde oder medizinische Beweismittel legte die Beschwerdeführerin nicht bei. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

5. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Beschwerdevorlageschreiben vom 28.3.2018 den bezughabenden Akt zur Entscheidung vor und lange dieser noch am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da die Beschwerdeführerin den Bescheid, mit welchem ihr Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wird, bekämpft, war die Beschwerde dahingehend zu prüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die BF stellte unter Verwendung des vorgesehenen Formulars idF 03/2017 bei der belangten Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Die BF leidet an den Funktionseinschränkungen Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, zustand nach Versteifungsoperation L4/5 30 % und Kniegelenkstotalersatz beidseits 20%.

1.3. Das Leiden degenerative Wirbelsäulenveränderungen wird durch den Zustand des Kniegelenktotalersatzes nicht erhöht, da das Knieleiden keine maßgebliche funktionelle Zusatzrelevanz aufweist bzw. keine negativen wechselseitigen Leidensbeeinflussungen bestehen.

1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 %.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die unter 1.1. getroffenen Feststellungen gründen auf dem unbestrittenen Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes.

2.2. Die unter 1.2. bis 1.4. getroffenen Feststellungen basieren auf dem verwaltungsbehördlich eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 21.2.2018, welches auf der persönlichen Untersuchung der BF am selben Tag fußt.

Die Leiden der BF wurden auf Grundlage der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung am 21.2.2018 vom von der belangten Behörde beigezogenen medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , Fachärztin für Orthopädie erhoben und unter Zugrundelegung der von der BF vorgelegten Beweismittel - es sind dies ein orthopädischer Arztbrief vom 15.10.2012 (Spondylolisthese L4/5, Claudicatio spinalis, Lumboischialgie bds., Adipositas), ein orthopädischer Befundbericht vom 28.10.2013 (St.p. T-LIF L4/5 (Oktober 2012 KH XXXX ), Lumbago, Gonalgie bds. Omarthralgie bds.), orthopädischer Patientenbrief vom 14.9.2015 (Implantation Knie-TEP links) sowie vom 23.9.2016 (Implantation Knie-TEP rechts), Entlassungsbericht einer Rehaklinik vom 14.12.2015 sowie vom 19.12.2016, ein kurzes Schreiben ihrer Hausärztin (DM II), ein orthopädisches Schreiben vom 22.11.2017 (Lumboischialgie bei Z.n. PLIF L4/5), Röntgenbefund vom 3.11.2017 (LWS und Knieglenke bds.) - befundet.

Die medizinische Sachverständige nahm eine Einschätzung des jeweiligen Grades der Behinderung der bei der BF vorhanden Funktionseinschränkungen als auch eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung der BF nach der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012, vor.

Die im gegenständlichen Verfahren befasste medizinische Sachverständige gelangte zu dem Schluss, dass die bei der Beschwerdeführerin vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen einzeln bzw. im Zusammenwirken einen (Gesamt)grad der Behinderung von mindestens 50 % nicht erreichen. Dabei beachtete sie entsprechend der Einschätzungsverordnung, dass für die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit es der Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander bedarf und wurde der sachverständig festgestellte Gesamtgrad der Behinderung von der fachärztlichen Sachverständigen in ihrem Gutachten begründet und ist die Sachverständige von jener Funktionseinschränkung ausgegangen, für welche der höchste Wert festgelegt wurde, unter Berücksichtigung ob und inwieweit der höchste Wert durch die weitere Funktionsbeeinträchtigung erhöht wird. Bei der Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehung der beiden Funktionsbeeinträchtigungen zueinander wurde durch die Sachverständige festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung bei der BF 30 % beträgt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht es einem Antragsteller frei, im Falle dessen, dass er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, das im Auftrag der Behörde (des Gerichts) erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl VwGH 27.6.2000, 2000/11/0093).

In der Beschwerde trat die BF den Ausführungen der fachärztlichen Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 21.2.2018 nicht substantiiert entgegen. Sie legte keine neuen Befunde oder medizinische Beweismittel vor und wurden alle ihre Leiden dokumentierenden medizinischen Beweismittel, welche sie mit ihrem Antrag vorlegte, von der medizinischen Sachverständigen berücksichtigt.

Betreffend ihr in der Beschwerde angeführtes Leiden Diabetes Mellitus II ist auszuführen, dass dieses nicht fachärztlich befundet, sondern lediglich mit hausärztlichem Bestätigungsschreiben dokumentiert ist und demnach mangels ausreichender fachärztlicher Dokumentation nicht festgestellt werden konnte.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde hinsichtlich der ihr möglichen Wegstrecke ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Verfahren der Beschwerdegegenstand die Abweisung der Ausstellung des Behindertenpasses ist und nicht die Abweisung des Antrages der Vornahme der Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Demgemäß ist auch dieses Vorbringen nicht geeignet, um den sachverständigen Schlussfolgerungen im Gutachten der orthopädischen Sachverständigen vom 21.2.2018 entgegen zu treten bzw. zu entkräften.

Der erhobene Untersuchungsbefund vom 21.2.2018 steht mit der erfolgten Zuordnung der festgestellten Funktionseinschränkungen der Positionsnummern der Einschätzungsverordnung im Einklang.

So hat die orthopädische Sachverständige eine Kniebeweglichkeit bei beiden Kniegelenken der Beschwerdeführerin von 0-0-130 festgestellt und das durch den Knietotalersatz hervorgerufene Leiden der Positionsnummer der Einschätzungsverordnung 02.05.19 zugeordnet. Zu dieser Positionsnummer wird in der Einschätzungsverordnung näher beschrieben wie folgt: "Streckung/Beugung bis 0-0-90°". Da die Beugemöglichkeit der Kniegelenke der BF sogar über 90° liegt, wurde die Funktionseinschränkung "Kniegelenkstotalersatz beidseits" mit der Begründung der Sachverständigen "da die Beugung beidseits bis 130° möglich ist" mit dem unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer mit 20% nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes korrekt eingeschätzt.

Die vorgenommene Einschätzung des Hauptleidens "Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Zustand nach Versteifungsoperation L4/5" wurde nach Ansicht des Gerichtes ebenfalls im Einklang mit den vorgelegten Befunden und dem erhobenen Untersuchungsbefund vom 21.2.2018 korrekt der Positionsnummer 02.01.02 "Funktionseinschränkungen mittleren Grades" zugeordnet. Die Sachverständige berücksichtigte dabei - entgegen der Ansicht der BF - auch die vorgenommenen Operationen.

Zu den in der Beschwerde vorgebrachten Schmerzen ist festzuhalten, dass die BF diese bereits im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 21.2.2018 an die orthopädische Sachverständige herantrug und daher bereits bei der Einschätzung des Grades der Behinderung im Gutachten vom 21.2.2018 Berücksichtigung fanden.

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte wird das Sachverständigengutachten vom 21.2.2018 im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung verwertet. Dieses Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch und stammt aus der Feder einer Fachärztin für Orthopädie und wird vom Bundesverwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung dieser Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs 2 AVG, welcher gemäß § 17 VwGVG vor dem Verwaltungsgericht anzuwenden ist) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des

§ 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in Richtung ob der Sachverhalt genügend erhoben ist, nicht aus. Die Würdigung der Beweise ist zufolge

§ 45 Abs 2 AVG keinen gesetzlichen Regeln unterworfen. Davon ist jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht ausgeschlossen. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie ua den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen.

Der vorgelegte Fremdakt der belangten Behörde - in welchem die von der BF im vorangegangen Verfahren vorgelegten Beweismittel, das verwaltungsbehördlich eingeholte Sachverständigengutachten vom 21.2.2018 und die Beschwerde einliegen - ermöglicht dem erkennenden Gericht, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen.

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat, und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.9.1978, 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führt beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.2.1987, 13 Os 17/87, aus:

"Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Richter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungs-methoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn

(VwGH vom 17.2.2004, 2002/06/0151).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte - insbesondere der zitierten Entscheidungen - ist das genannte medizinische Sachverständigengutachten Gutachten Dris. XXXX vom 21.2.2018, insbesondere die Zuordnung der festgestellten Funktionseinschränkungen zu den entsprechenden Positionsnummern der Einschätzungsverordnung, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde darin auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der bei der BF vorliegenden festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen und deren wechselseitige Beziehung zueinander Stellung genommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die maßgeblichen formalrechtlichen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) und jene des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im Bundesbehindertengesetz normiert § 45 Abs 3, dass in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grad der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor, sodass entsprechend dem § 45 Abs 4 BBG ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundiger Laienrichter hinzuzuziehen war.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte - mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes - ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind - soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A) - Entscheidung in der Sache:

Die maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesbehindertengesetz (BBG).

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter "Behinderung" iSd BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, welche geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs 1 BBG normiert, dass behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, welche nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

§ 35 Abs 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) sieht vor, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit

(Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen sind. Eine solche zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967,

BGBl 376.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs 2 BBG vorliegt.

Gemäß § 54 Abs 12 BBG sind die Gesetzesstellen § 1, § 41 Abs 1 und 2, § 55 Abs 4 und 5 idF BGBl I 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft getreten.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Der Behindertenpass ist gemäß § 42 Abs 2 BBG unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen (§ 43 Abs 1 BBG).

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

§ 46 BBG normiert: Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im gegenständlichen Fall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 einzuschätzen war und blieb dies in der Beschwerde auch unbestritten.

Da der gegenständliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde am 8.1.2018 einlangte und somit nach dem Tag des Inkrafttretens der Einschätzungsverordnung, dem 1.9.2010, gestellt wurde, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung idgF zu beurteilen.

Betreffend die bei der BF sachverständig festgestellten vorliegenden Leiden ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

Ad Leiden 1: Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Zustand nach Versteifungsoperation L4/5

02.01 Wirbelsäule

Manische, depressive und bipolare Störungen

02.01.02 Funktionseinschränkungen mittleren Grades 30 - 40 %

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika, Beispiel:

Bandscheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)

30 %: Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika

40 %: Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen maßgebliche Einschränkungen im Alltag

Ad Leiden 2: Kniegelenkstotalersatz beidseits

02.05 Untere Extremitäten

02.05.19 Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig 20 - 30 %

Streckung/Beugung bis 0-0-90°

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde die BF von einer orthopädischen Sachverständigen am 21.2.2018 untersucht, welche den daraus gewonnenen Untersuchungsbefund in das Gutachten vom 21.2.2018 einfließen ließ und dabei - auch unter Berücksichtigung der von der BF vorgelegten Beweismittel - unter Zugrundelegung der Vorgaben der Einschätzungsverordnung zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 30% gelangte. Das medizinische Sachverständigengutachten erfüllt die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 der Einschätzungsverordnung und bildet die Grundlage der Einschätzung des Grades der Behinderung der BF. Es befundet die Funktionsbeeinträchtigungen der BF und beurteilt entsprechend dem § 2 Abs 1 der Einschätzungsverordnung deren Auswirkungen als Grad der Behinderung. Es nimmt die Einschätzung des Grades der Behinderung iSd § 3 Abs 1 der Einschätzungsverordnung vor, nämlich mit 30%.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der BF somit nicht erfüllt und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen

(§ 24 Abs 1 VwGVG). Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs 2 VwGVG).

Nach § 24 Abs 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art 6 MRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Laut Verwaltungsgerichtshof ist sowohl bei der Einschätzung des Grades der Behinderung auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens als auch bei der Beurteilung, ob die gesundheitlichen Einschränkungen des Betroffenen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lassen, "wegen des für die Entscheidungsfindung wesentlichen persönlichen Eindrucks von der Person des Antragstellers" grundsätzlich eine mündliche Verhandlung geboten (VwGH 21.6.2017,

Ra 2017/11/0040-5 mit dem Hinweis VwGH 8.7.2015, 2015/11/0036, 21.4.2016,

Ra 2016/11/0018, 25.5.2016, Ra 2016/11/0057, und 16.8.2016, Ra 2016/11/0013).

Laut Verwaltungsgerichtshof zu § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn das Verwaltungsgericht eine solche für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (VwGH 18.10.2016, 2015/03/0029 mwH). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird.

Das Gesetz (kann-Bestimmung im § 24 Abs 4 VwGVG) überlässt die Beurteilung der Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung dem Einzelrichter bzw dem Senat, sodass es dem Gericht obliegt zu beurteilen, ob die Aktenlage für die Entscheidung ausreicht oder es zur weiteren Klärung der Rechtssache einer mündlichen Erörterung bedarf.

Expressis verbis des § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Verhandlung durchzuführen, wenn eine solche beantragt wird. Sowohl im Beschwerdeschriftsatz als auch in der Beschwerdevorlage wurde die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt. Soweit nicht in einem Bundes- oder einem Landesgesetz anderes bestimmt ist, kann gemäß

§ 24 Abs 4 VwGVG die Verhandlung entfallen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389 entgegenstehen

(§ 24 Abs 4 VwGVG).

Im vorliegenden Fall wurde durch Ermessen des erkennenden Gerichts die Durchführung einer - ohnedies nicht beantragten - Verhandlung nicht als erforderlich erachtet und wurde am 21.6.2018 eine nicht-öffentliche Senatssitzung durchgeführt. Laut Verfassungsgerichtshof ist der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kein absoluter: "Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und - ihm folgend - des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg. 18.994/2010, 19.632/2012). Angesichts der vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen ist es vertretbar, wenn es im Einklang mit dieser Rechtsprechung von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen hat." (VfGH 9.6.2017, 1162/2017).

Im gegenständlichen Fall wurden die Auswirkungen der vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen, dahingehend, ob sie die Ausstellung eines Behindertenpasses rechtfertigen, medizinisch sachverständig beurteilt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des eingeholten und nicht substantiell bestrittenen fachärztlichen Sachverständigengutachtens Dris. XXXX geklärt. Dem vorliegenden fachärztlichen Gutachten wurde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten und war zur weiteren Klärung des Sachverhaltes weder die Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens, noch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig. Das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten wurde als vollständig, nachvollziehbar und schlüssig gewertet und war zu beachten und der Entscheidung zu Grunde zu legen.

Im gegenständlichen Verfahren konnte die mündliche Verhandlung unterbleiben, da die Klärung der Rechtssache durch eine eingehende Auseinandersetzung mit den Funktionseinschränkungen der BF durch ein fachärztliches Sachverständigengutachten erfolgte und bedingt durch die nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen in dem zu Grunde liegenden Sachverständigengutachten es keiner weiteren Klärung der Rechtssache bedurfte. Nach Aktenstudium und Lektüre des Beschwerdeschreibens ergaben sich für das Gericht weder an die Parteien des Verfahrens, noch an die im Verfahren befasste Sachverständige ergänzende Fragen. Nach Aktenstudium und Lektüre des Beschwerdeschreibens ist für das Gericht nicht zu Tage gekommen, dass zum Zwecke der Entscheidungsfindung zusätzlich zu den vorliegenden Beweismitteln es überdies auf die Gewinnung des persönlichen Eindrucks der BF ankäme und beschränkt sich das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Entscheidung nicht auf eine bloße Zitierung von Beweisergebnissen und die Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens.

Daher wurde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W264.2190632.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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