TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/8 W264 2185119-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2018
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Entscheidungsdatum

08.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W264 2185119-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde des

XXXX , Sozialversicherungsnummer XXXX , vertreten durch Sachwalter RA Dr. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 14.12.2017, Zahl: OB XXXX , mit welchem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, nach Durchführung einer nicht-öffentlichen Sitzung am 21.6.2018 gemäß § 28 VwGVG zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 50 v.H.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte unter Verwendung des Formulars in der Fassung 08/2016 beim Sozialministeriumservice Landesstelle Wien die Ausstellung eines Behindertenpasses und langte der Antrag am 13.4.2017 bei der Behörde ein. Dem Antrag war der Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 28.2.2017 über die Bestellung des einstweiligen Sachwalters für den Beschwerdeführer angeschlossen. Des Weiteren wurde ein ärztliches Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt vom 14.6.2017, welches im Rahmen eines Antrages auf Invaliditätspension erstellt wurde, vorgelegt.

2. Das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten

Dris. Dieter Sebald, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 8.12.2017, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 9.11.2017, hält als Ergebnis fest:

"Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, weiche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Persönlichkeitsstörung 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da bei moderater sozialer Einschränkung ausreichende Struktur gegeben."

03.04.01

30

Der medizinische

Sachverständige stellte nach der Einschätzungsverordnung

BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. fest und attestierte "Dauerzustand".

Der Sachverständige führte zudem aus, dass die Erkrankung Diabetes Mellitus durch aktuelle aussagekräftige Facharztbefunde nicht ausreichend belegt sei, weshalb diesbezüglich keine Funktionseinschränkung festgestellt habe werden können.

Unter "Status Psychicus" hielt der Sachverständige fest wie folgt:

"In allen Qualitäten ausreichend orientiert, Ductus kohärent, Sprache einsilbig, klingt wie XXXX Dialekt (berichtet von Verwandten in der XXXX ), Antrieb normal, antwortet konkret und strukturiert, keine Suicidalität fassbar, kein Wahnsystem erhebbar."

In der Anamnese des Gutachtens ist sind "Persönlichkeitsstörung" und "Diabetes Mellitus" festgehalten.

Unter dem Punkt "derzeitige Beschwerden" hielt der Sachverständige in seinem Gutachten vom 8.12.2017 fest: "Angegeben wird Einschränkung beim Stiegensteigen, er vertrage "keine Autoritäten" und lasse sich nicht gerne "angreifen". Vor ca. 3 Jahren sei er an einer Fachabteilung stationär aufgenommen worden, "ab und zu" gehe er zum niedergelassenen Psychiater."

Zum "Gangbild" führte der Sachverständige aus: "Unauffällig, sicher, keine Hilfsmittel."

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.12.2017 hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen, da der Beschwerdeführer mit dem sachverständig festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. (30%) die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt. Dabei stützte sich die belangte Behörde beweiswürdigend auf das im vorangegangenen Ermittlungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Dieter Sebald vom 8.12.2017. Dieses Sachverständigengutachten wurde dem Bescheid beigelegt und festgehalten, dass es einen Bestandteil der Begründung darstellt.

4. Gegen diesen Bescheid wurde vom Sachwalter des Beschwerdeführers fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben, eingelangt bei der belangten Behörde am 26.1.2018. Der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers führte darin aus, dass dieser gemäß dem im Sachwalterschaftsverfahren eingeholten Gutachten an einer psychiatrischen Erkrankung im Sinne rezidivierender depressiver Zustandsbilder mit Suizidversuch in der Vorgeschichte leide. Aus diesem Gutachten ergebe sich, dass der Beschwerdeführer weder in der Lage sei, seine Finanzen einzuteilen, noch seine eigene Gesundheit entsprechend einzuschätzen und entsprechende Konsequenzen hinsichtlich notwendiger Behandlungen zu beurteilen. Die Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers sei grundsätzlich auszuschließen und daher davon auszugehen, dass diese auf deutlich mehr als 50 % herabgesunken sei.

Im Anhang übermittelte der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers das angesprochene - im gerichtlichen Verfahren betreffend die Sachwalterschaft eingeholte - psychiatrisch-neurologische Gutachten Dris. XXXX vom 17.8.2017.

5. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 2.2.2018 wurde das gegenständliche Verfahren dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt und langte der Verwaltungsakt am 5.2.2018 hg. ein.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens wurde der medizinische Sachverständige

Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin mit Auftragsschreiben vom 29.3.2018 mit der Erstellung eines Gutachtens, basierend auf der Aktenlage beauftragt.

7. Der Sachverständige Dr. XXXX stellte in seinem Gutachten vom 21.4.2018 einen beim Beschwerdeführer vorliegenden Grad der Behinderung von 50 v.H. fest.

Er hielt als Funktionseinschränkung "Rezidivierende depressive Zustandsbilder bei ausgeprägter Persönlichkeitsstörung" fest und stufte diese unter die nächst höhere Positionsnummer 03.04.02 mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ein. In seiner Begründung führte der Sachverständige aus, dass der Erkrankungsbeginn schon in den Jugendjahren des Beschwerdeführers liege und ein Desorganisations-Syndrom vorliege, das zur Folge habe, dass die sozialen Anforderungen des Lebens nicht ausreichend erfüllt würden können. Unter Berücksichtigung des vorliegenden neuropsychiatrischen Gutachtens Dris. XXXX vom 17.8.2017 sie das Leiden 1 um zwei Stufen höher zu bewerten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses nicht einverstanden erklärt hat, war die Beschwerde zu prüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat den Wohnsitz an der Adresse XXXX - somit im Inland - inne.

1.2. Der Beschwerdeführer wird durch seinen Sachwalter vertreten und begehrte dieser mit Antrag vom 13.4.2017 bei der belangten Behörde Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, die Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.3. Der Beschwerdeführer leidet an der Funktionseinschränkung "Rezidivierende depressive Zustandsbilder bei ausgeprägter Persönlichkeitsstörung".

1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 v.H. Beim Beschwerdeführer liegt somit zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Örtlichkeit des Wohnsitzes und des Geburtsdatums des Beschwerdeführers ergeben sich aus der unbedenklichen Auskunft des Zentralen Melderegisters.

Die Feststellung des Datums des Einlangens des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdakts.

Die Feststellung, dass beim Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vH vorliegt, fußt auf dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 21.4.2018.

Der Sachverständige würdigte die vorliegenden Gutachten, nämlich die folgenden: neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 17.8.2017 aus dem gerichtlichen Sachwalterschaftsverfahren, das im vorangegangenen verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholte Gutachten vom 8.12.2017 (welches auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers fußt), sowie das ärztliche Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt zur Beurteilung der Invaliditätspension vom 14.6.2017. Der beigezogene Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer rezidivierende depressive Zustandsbilder bei ausgeprägter Persönlichkeitsstörung vorliegen und bezieht sich dabei auf das im gerichtlichen Sachwalterschaftsverfahren eingeholte Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 17.8.2017.

Aus dem Gutachten vom 17.8.2017 geht hervor, dass der Beschwerdeführer seinen ersten Suizidversuch im Alter von 15 Jahren hatte und der frühe Krankheitsbeginn auf eine ausgeprägte Persönlichkeitsproblematik oder den Beginn einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis hinweist.

Der allgemeinärztliche Sachverständige ordnete schließlich die festgestellte Funktionseinschränkung der Positionsnummer 03.04.02 der Einschätzungsverordnung zu und schätzte den Grad der Behinderung innerhalb des Rahmensatzes von 50 - 70 % mit 50 v.H. mit der Begründung ein, dass der Erkrankungsbeginn bereits im Jungendalter war und ein Desorganisations-Syndrom vorliegt, welches zur Folge hat, dass die sozialen Anforderungen des Lebens nicht ausreichend erfüllt werden können. Dieses Leiden sei daher im Vergleich zum Vorgutachten vom 8.12.2017 um zwei Stufen höher zu bewerten.

Basierend auf diesem Gutachten war daher von einem Grad der Behinderung von 50 v.H. auszugehen, da das Bundesverwaltungsgericht das Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 21.4.2018 als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei wertet und dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde legt. Insbesondere ist es für das Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar, wenn sich der genannte Sachverständige in seinem Gutachten auf das im Sachwalterschaftsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie bezieht und dessen Ergebnis auch seiner Beurteilung zu Grunde legt.

Das eingeholte Sachverständigengutachten vom 21.4.2018 steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Das vorliegende Sachverständigengutachten stamm aus der Feder eines Arztes für Allgemeinmedizin und wird vom Bundesverwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung dieser Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs 2 AVG) bedeutet nach stRsp des VwGH nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist.

Die vorliegenden Beweismittel und der vorgelegte Fremdakt der belangten Behörde - in welchem die vom gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers vorgelegten Beweismittel (oben näher bezeichnete Gutachten) einliegen - ermöglichen dem erkennenden Gericht, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen.

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, welcher den Regeln der Logik zu folgen hat, und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Die Würdigung der Beweise ist zufolge § 45 Abs 2 AVG keinen gesetzlichen Regeln unterworfen. Davon ist jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht ausgeschlossen. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie ua den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen.

Das "Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens", Hauer/Leukauf in der 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führt beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Richter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungs-methoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 17.2.2004, GZ 2002/06/0151).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte - insbesondere der zitierten Entscheidungen - ist das zitierte medizinische Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 21.4.2018 schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf und erfüllt dieses die Grundlage der Einschätzung des Grades der Behinderung bildende eingeholte Gutachten die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die maßgeblichen formalrechtlichen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) und jene des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im Bundesbehindertengesetz normiert § 45 Abs 3, dass in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grad der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor, sodass entsprechend dem § 45 Abs 4 BBG ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundiger Laienrichter hinzuzuziehen war.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte - mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes - ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind - soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A) - Entscheidung in der Sache:

Die maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesbehindertengesetz (BBG).

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter "Behinderung" iSd BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, welche geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, welche nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) sieht vor, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit

(Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen sind. Eine solche zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967,

BGBl 376.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Gemäß § 54 Abs. 12 BBG sind die Gesetzesstellen § 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 idF BGBl I 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft getreten.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Der Behindertenpass ist gemäß § 42 Abs. 2 BBG unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen (§ 43 Abs. 1 BBG).

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im gegenständlichen Fall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 einzuschätzen war und blieb dies in der Beschwerde auch unbestritten.

Da der gegenständliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde am 13.4.2017 einlangte und somit nach dem Tag des Inkrafttretens der Einschätzungsverordnung, dem 1.9.2010, gestellt wurde, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung idgF zu beurteilen.

Betreffend das beim Beschwerdeführer sachverständig festgestellte vorliegende Leiden ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF

BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

Rezidivierende depressive Zustandsbilder bei ausgeprägter Persönlichkeitsstörung

03.04 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen

Erfasst werden spezifische Persönlichkeitsstörungen beginnend in der Kindheit (Borderline-Störungen).

Andauernde Persönlichkeitsveränderungen im Erwachsenenalter.

Angststörungen, affektive Störungen, disruptive Störungen.

03.04.02 Persönlichkeits- Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen

Beeinträchtigungen 50 - 70 %

Ernsthafte und durchgängige Beeinträchtigungen der meisten sozialen Bereiche

Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014,

Ro 2014/11/0023).

Das bundesverwaltungsgerichtlich in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.4.2018 befundet die Funktionsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers und beurteilt entsprechend dem § 2 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung deren Auswirkungen als Grad der Behinderung. Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung iSd § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung war im gegenständlichen Fall mangels Vorliegen mehrerer Funktionseinschränkungen nicht notwendig.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers, welche im Sachverständigengutachten vom 21.4.2018 als Leiden 1 bezeichnet ist, fällt nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 unter Position 03.04.02, wofür die Einschätzungsverordnung einen Rahmensatz von 50 % bis 70 % vorsieht und wird der Grad der Behinderung vom medizinischen Sachverständigen mit 50 % (50 v.H.) festgestellt und das Ergebnis der Einschätzung des Rahmensatzes entsprechend § 2 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung durch den medizinischen Sachverständigen begründet.

Unter Beachtung der dargetanen Position aus der Einschätzungsverordnung samt deren Rahmensatz und den Vorgaben der Einschätzungsverordnung in den §§ 2 und 3 wurde somit der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers im medizinischen Sachverständigengutachten vom 21.4.2018 unter Zugrundelegung der Einschätzungsverordnung mit 50 v.H. korrekt eingeschätzt.

Beim Beschwerdeführer liegt demnach ein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor. Da sämtliche Anspruchsvoraussetzungen damit erfüllt sind, ist dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. auszustellen.

Der Beschwerde war aus den dargelegten Gründen stattzugeben und der Grad der Behinderung mit 50 v.H. festzustellen.

3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen

(§ 24 Abs 1 VwGVG). Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 VwGVG).

Nach § 24 Abs 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art 6 MRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18.7.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Laut Verwaltungsgerichtshof ist sowohl bei der Einschätzung des Grades der Behinderung auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens als auch bei der Beurteilung, ob die gesundheitlichen Einschränkungen des Betroffenen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lassen, "wegen des für die Entscheidungsfindung wesentlichen persönlichen Eindrucks von der Person des Antragstellers" grundsätzlich eine mündliche Verhandlung geboten (VwGH 21.6.2017,

Ra 2017/11/0040-5 mit dem Hinweis VwGH 8.7.2015, 2015/11/0036, 21.4.2016,

Ra 2016/11/0018, 25.5.2016, Ra 2016/11/0057, und 16.8.2016, Ra 2016/11/0013).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs 1 VwGVG lautet aber auch, dass das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn das Verwaltungsgericht eine solche für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (VwGH 18.10.2016, 2015/03/0029 mwH). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird.

Expressis verbis des § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Verhandlung durchzuführen, wenn eine solche beantragt wird. Sowohl im Beschwerdeschriftsatz als auch in der Beschwerdevorlage wurde die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt.

Soweit nicht in einem Bundes- oder einem Landesgesetz anderes bestimmt ist, kann gemäß

§ 24 Abs 4 VwGVG das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs 4 VwGVG).

Es muss einem Senat des Bundesverwaltungsgerichts zugebilligt werden, dass sich dieser darüber ein Urteil zu bilden vermag, ob die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Im vorliegenden Fall wurde durch Ermessen des erkennenden Gerichts die Durchführung einer - ohnedies nicht beantragten - öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht als erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde keine Sachverhalts- sondern lediglich rechtliche Fragen zu klären waren. Der Verfassungsgerichtshof hat jüngst judiziert, dass der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kein absoluter ist (siehe dazu VfGH 9.6.2017, 1162/2017).

Im gegenständlichen Fall wurden die Auswirkungen der vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung medizinisch sachverständig nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 beurteilt. Ein konkret sachverhaltsbezogenes Vorbringen wurde im Beschwerdeverfahren insofern erstattet, als dass aus diesem hervorgekommen ist, dass der Beschwerdeführer laut dem im Sachwalterschaftsverfahren eingeholten Gutachten an einer psychiatrischen Erkrankung im Sinne rezidivierender Zustandsbilder mit Suizidversuch in der Vorgeschichte leidet. Von der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wurde daher Gebrauch gemacht und der Allgemeinmediziner Dr. XXXX mit der Gutachtenserstellung, unter Bezugnahme auf das mit der Beschwerde vorgelegte fachärztliche Gutachten vom 17.8.2017, beauftragt wurde. Der medizinische Sachverständige diagnostizierte beim Beschwerdeführer die in der Beschwerde genannte Krankheit als Funktionseinschränkung und nahm die Einschätzung - wie bereits ausgeführt - entsprechend der Einschätzungsverordnung vor. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens als geklärt anzusehen.

Wie oben ausgeführt, wurde das eingeholte Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig sowie der maßgeblichen Rechtsgrundlage Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 entsprechend erachtet.

Nach Aktenstudium und Lektüre des Beschwerdeschreibens ergaben sich für das Gericht weder an die Parteien des Verfahrens, noch an die im Verfahren befassten Sachverständigen ergänzende Fragen. Nach Aktenstudium und Lektüre des Beschwerdeschreibens ist für das Gericht nicht zu Tage gekommen, dass zum Zwecke der Entscheidungsfindung zusätzlich zu den vorliegenden Beweismitteln es überdies auf die Gewinnung des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers ankäme und beschränkt sich das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Entscheidung nicht auf eine bloße Zitierung von Beweisergebnissen und die Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens.

Im gegenständlichen Verfahren konnte daher die mündliche Verhandlung unterbleiben, da eine solche weder beantragt wurde, noch es einer solchen bedurfte, um die gegenständliche Rechtsache zu klären.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W264.2185119.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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