TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/8 W264 2181126-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2018
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Entscheidungsdatum

08.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W264 2181126-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde der

XXXX , Sozialversicherungsnummer XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 23.11.2017, Zahl: OB

XXXX , mit welchem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, gemäß § 28 VwGVG zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird abgeändert wie folgt:

Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 50 v.H.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführerin XXXX beantragte unter Verwendung des Formulars in der Fassung 03/2017 beim Sozialministeriumservice Landesstelle Wien die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Antrag langte dort am 13.6.2017 ein. Dem Antrag war ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln beigelegt.

2. Das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten

DDris. XXXX , Fachärztin für Orthopädie, vom 14.11.2017, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.10.2017, hält als Ergebnis fest:

"Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, weiche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Dekompression der LWS und Teilversteifung Unterer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden und mäßig eingeschränkte Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit.

02.01.02

30

2

Verlust des Ringfingers und Kleinfingers links Fixer Richtsatzwert

02.06.32

20

3

Funktionseinschränkung einzelner Finger 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da geringgradige funktionelle Einschränkung des Zeigefingers und Mittelfingers rechts und Zeigefingers links, mäßige funktionelle Einschränkung mit Beugehemmung linker Mittelfinger."

02.06.26

20

Die medizinische

Sachverständige stellte nach der Einschätzungsverordnung

BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH fest. Die medizinische Sachverständige attestierte "Dauerzustand".

Den Gesamtgrad der Behinderung von 30% begründete sie damit, dass das führende Leiden Nr. 1 durch die übrigen Leiden nicht weiter erhöht werde, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege.

In diesem Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 wird unter "Anamnese" festgehalten, dass die Beschwerdeführerin im Jahre 1970 einen schweren Autounfall mit einem Polytrauma und Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe und sieben Monate im Koma gelegen sei. Es sei eine Amputation am Grundglied des Ring- und Kleinfingers links erfolgt und ergebe sich zunehmend eine schlechte Beweglichkeit im PIP- und DIP-Gelenk des Mittelfingers und im DIP Gelenk des Zeigefingers links. Des Weiteren wurde dokumentiert: "Arthroplastik Swanson-Spacer PIP-Gelenk des linken Mittelfingers, Arthrodese DIP Gelenk am Zeigefinger links, prothrahierter Heilungsverlauf, Infekt.; 23.2.2016 Arthrodese des DIP Gelenks des linken Zeigefingers, Revision mit Spongiosaplastik linker Mittelfinger; [...] Mehrere Wirbelsäulenoperationen an der LWS (Dekompression L2/L3 und L3/L4, interkorporelle Cageinterposition TypTpal L4/L5, Soft-PLIF L5/S1, Dekompression L3-S1)"

Im Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 wird unter "derzeitige Beschwerden" festgehalten, dass die Beschwerdeführerin Schmerzen im Bereich des linken Zeigefingers als auch Schmerzen sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule habe.

Unter "Medikamente" wird festgehalten:

"Enalapril, Mexalen, Hirudoid Gel, Tramal 100 mg, Deflamat Gel, Magnosolv

Allergie: Cortison

Nikotin: 0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , 1110"

Unter "Zusammenfassung relevanter Befunde" werden folgende Befunde / Arztberichte genannt:

* Bericht XXXX vom 16.2.2017 (Arthrose DIP-Gelenks dies linken Zeigefingers, operiert und repariert, infiziert, Zustand nach Schrauben - Arthrodese in knöchernem Durchbau.)

* Bericht Orthopädische Abteilung XXXX vom 21.6.2016 (Zustand nach Arthrodese DIP Gelenk Zeigefinger, Exostosenabtragung PIP-Gelenk Mittelfinger und Revision DIP Gelenk Zeigefinger mit Spongiosaplastik)

* Bericht XXXX , OP Freigabe interne Ambulanz vom 18.3.2015 (Bluthochdruck, Aortensklerose, multisegmentale Discopathie, Heberdenarthrosen, Zustand nach Schäde-Hirn-Trauma 1970)

* Nachgereichter Befund: Bericht XXXX vom 3.10.2017 (1970 schwerer Autounfall, Polytrauma, Schädel-Hirn-Trauma, Amputation Ringfinger und Kleinfinger links, in letzter Zeit zunehmende Verschlechterung der Beweglichkeit im PIP und DIP Gelenk des Mittelfingers und DIP Gelenk des Zeigefingers links, Arthrodese des Mittelfinger DIP-Gelenks, anschließend Arthroplastik mit Swanson-Spacer im PIP-Gelenk, zuletzt Arthrodese des DIP-Gelenks am Zeigefinger links, hier Revision und Spongiosaplastik. Am 2.10. Revision der Strecksehne im Bereich des PIP-Gelenks des linken Mittelfingers, Rearthrodese des DIP Gelenks des Zeigefingers)

Unter "klinischer Status - Fachstatus" wird in diesem Sachverständigengutachten zu den Extremitäten und der Wirbelsäule festgehalten: "Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Deutlich Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Narbe untere LWS median etwa 10 cm. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 35 cm, in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich. Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar."

Hinsichtlich Fingergelenke wird unter "klinischer Status - Fachstatus" festgehalten: "Zeigefinger, Mittelfinger rechts:

Versteifung der DIP-Gelenke in geringgradiger Beugestellung, Umfangsvermehrung im Bereich der PIP Gelenke. Mittelfinger links:

eingeschränkte Beugefähigkeit, Fingerkuppenhohlhandabstand 5 cm, Zustand nach Amputation des Ringfingers und Kleinfingers links im Bereich der proximalen Phalanx. [...] Der Faustschluss ist nicht komplett, rechts Fingerkuppenhohlabstand 1 cm, links Mittelfinger 5 cm. Opponens-Funktion beidseits möglich."

Das Gangbild und die Gesamtmobilität betreffend wird im Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 festgehalten, dass dieses hinkfrei und unauffällig sei. Am Zeigefinger und Mittelfinger links wurde eine Fingerhülse getragen.

Im Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 wird festgehalten, dass aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Träger oder Trägerin von Osteosynthesematerial" vorliegen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23.11.2017 hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen, da die Beschwerdeführerin mit dem sachverständig festgestellten Grad der Behinderung von 30 vH (30%) die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt. Dabei stützte sich die belangte Behörde beweiswürdigend auf das im vorangegangenen Ermittlungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten der Fachärztin für Orthopädie DDr. XXXX vom 14.11.2017. Dieses Sachverständigengutachten wurde dem Bescheid beigelegt und festgehalten, dass dieses einen Bestandteil der Begründung darstellt.

4. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben, eingelangt bei der belangten Behörde am 20.12.2017. Darin schildert die Beschwerdeführerin ausführlich ihren bisherigen Leidensweg und bringt - zusammengefasst - vor, dass sie sich behindert fühle. Sie habe Schmerzen im Bereich der Knotenpunkte der Schrauben und Schienen in der LWS. Die Beschwerdeführerin führte darin auch zu Begleiterscheinungen ihres Unfalls aus (auszugsweise): "Ich stelle die Frage: Behindere ich mich mit meinem Behindert-Sein? Menschen sind Wesen, die in ihrem Leib eine Seele und den Geist beherbergen; ich konnte nichts, ich fand auch keinen Sinn in irgendeiner Tätigkeit, sei es einen Teller abzuwaschen; ich konnte es nicht mehr ertragen, immer wieder mit der Frau vor mir verglichen zu werden - früher warst du..., früher hast du..., früher konntest du...". Ihre Bewegung sei eingeschränkt und sie bedürfe einer Hilfskraft, könne sich eine solche aber nicht leisten.

Befunde oder Arztberichte waren dem Beschwerdeschreiben nicht angeschlossen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eine neuerliche Untersuchung wurde nicht beantragt.

Mit dem Inhalt des Beschwerdeschreibens bringt die Beschwerdeführerin zum Ausdruck, mit dem Sachverständigengutachten vom 14.11.2017, welches einen Bestandteil der Begründung des bekämpften Bescheids vom 23.11.2017 bildet, nicht einverstanden zu sein.

10. Mit Vorlagebericht vom 29.12.2017 wurde die Beschwerde samt Fremdakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

11. Mit E-Mail vom 3.3.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben, worin unter anderem unter Hinweis auf ihre linke Hand und den Unfall vor vielen Jahren die Schwierigkeiten im Alltag sowie Suizid-Gedanken vorgebracht werden. Die Beschwerdeführerin informiert, dass sie einer Hilfskraft bedürfe, deren Kosten sie nicht tragen könne und begehrte die BF vor der nächsten Operation eine Antwort zu der Frage "Wie kann diese Rätselfrage gelöst werden?"

12. Mit E-Mail vom 25.3.2018 wurde vom Bundesverwaltungsgericht, Abteilung W264, eine Antwort begehrt zu dem Vorbringen in dieser E-Mail. Zusammengefasst berichtet die Beschwerdeführerin, dass eine Operation von Zeigefinger und Daumen an der rechten Hand bevorstehe und dass die Beschwerdeführerin eine Hilfe im Haushalt und zur Körperpflege benötige. Ihre Bewegung sei eingeschränkt und sie könne ohne Gehhilfe bloß 15 Minuten lang gehen.

13. Die Beschwerdeführerin übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht am 6.4.2018 die Stationäre Aufnahme Patienten-Information des XXXX , Station XXXX betreffend die Operation am 6.4.2018 - wobei darin nicht erwähnt wird, um welche Operation es sich handelt.

14. Mit Auftragsschreiben vom 16.4.2018 wurde die medizinische Sachverständige Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens basierend auf persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin beauftragt. Insbesondere wurde auf die von der Beschwerdeführerin immer wieder in ihren Schreiben geäußerten Suizid-Gedanken hingewiesen: Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer E-Mail vom 3.3.2018 mit den Beschwerlichkeiten im Alltag unter Einem Suizidgedanken vor. In Zusammenschau mit ihren Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz handelte es sich bei dem Vorbringen von Suizid-Gedanken aus Sicht der Richterin nicht um neue Tatsachenvorbringen, sodass das medizinische Sachverständigenbeweises aus dem Fachgebiet Psychiatrie eingeholt wurde.

15. Nach erfolgter Ladung der Beschwerdeführerin zu einem Untersuchungstermin bei der genannten Sachverständigen übermittelte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht E-Mails, worin sie neuerlich mehrmals Suizidgedanken äußerte. Das Bundesverwaltungsgericht involvierte mit Schreiben vom 7.5.2018 das Magistratische Bezirksamt XXXX sowie die örtlich zuständige Polizeiinspektion mit dem Ersuchen, allenfalls notwendige Schritte entsprechend den §§ 8 und 9 Unterbringungsgesetz zu veranlassen, heran und hielen zwei Organe der Landespolizeidirektion am 8.5.2018 an der Adresse der Beschwerdeführerin Nachschau. In einer Sachverhaltsdarstellung der LPD Wien vom 8.5.2018 wurde festgehalten wie folgt: " XXXX öffnete die Wohnungstüre und wurde zu dieser Mail befragt. Sie gab an, dass sie selbständige XXXX sei, und dass die Wortwahl sehr wohl so benutzt wurde. An einen Suizid dachte sie jedoch nie. [...]".

16. Die psychiatrische Sachverständige Dr. XXXX führte in ihrem Gutachten vom 22.5.2018, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag, im Wesentlichen aus, wie folgt:

"[...]

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Von den vielen Verletzungen und

Operationen kaum mehr etwas bemerkbar. Tatsächlich sehr gut operiert. An den oberen Extremitäten fehlen der 4. und 5. Finger der linken Hand, die sie in einem Stützverband trägt, an der rechten Hand ist der 3. Finger steif, der 2. Finger hat ein künstliches Gelenk und den Daumen trägt sie in einer Schiene. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unsicher aber möglich. Gangbild unsicher. An den unteren Extremitäten deutlich Hypästhesie beidseits.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit vordergründig ausgeglichen, freundlich, kooperativ. Bemüht, sich besser darzustellen, als sie sich wohl innerlich fühIt. Aber etwas klagsam, obwohl sie offensichtlich dissimuliert. Sicher latent depressiv Und resigniert. Fraglich instabil. Keine Suizidalität.

1. Zusatzbemerkung:

Frau XXXX berichtet abschließend einigermaßen erzürnt, dass am Sonntag, dem 20.5.2018 so gegen 22 Uhr 30, plötzlich die Polizei zu ihr ins Haus gekommen sei, einigermaßen laut und auch von den Nachbarn bemerkt, angeblich vom Bundesverwaltungsgericht gesendet, die bei ihr Einlass begehrt hätten und nachgesehen hätten, ob sie nicht Suizid begangen hätte. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass sie ja in ihren Eingaben an das BVWG, per mail vom 3.3.2018 geschrieben hat: "...im Kopf ist neben den Schmerzen der Suizid-Gedanke prägend."

Daher war es nur verantwortungsvoll von der zuständigen Richterin, diesen Appell ernst zu nehmen und Nachschau zu halten. [...]

2. Zusatzbemerkung:

Nachdem ich Frau XXXX schon verabschiedet habe, läutet sie nach etwa 5 Minuten noch einmal und kommt mit folgender Frage zurück: "Ob ich der Meinung seit dass sie in nervenfachärztliche Behandlung gehen solle?"

Ich antworte: Ja, unbedingt. Sie sei nicht nur körperlich schwer traumatisiert worden durch den Unfall, sondern durch die monatelange Amnesie und den Verlust ihres Lebens vor dem Unfall, durch den Verlust ihrer Fähigkeiten vor dem Unfall, durch das Erlernen müssen von neuen Fähigkeiten und der gravierenden Veränderung in ihrem Leben, durch den völligen Neubeginn in einem anderen Land in einer anderen Stadt, Verlust der Freunde, der Familie,

der Söhnet etc., sei sie sicher auch depressiv und brauche Hilfe. Sie nimmt diese Erklärung und Information an und ich gebe ihr eine Adresse einer Kollegin in ihrem Bezirk.

Beantwortung der gestellten Fragen die bitte dem Akt zu entnehmen sind:

Beschwerdeführerin (BF) hat bei der heutigen Untersuchung keine neuen Unterlagen gebracht, aber sehr ausführlich über ihre Krankengeschichte reden können. Als Psychiaterin ist sehr gut nachvollziehbar, was dieser Unfall bei einem Menschen ausgelöst hat und noch nach Jahren auslöst. der mit einem Schlag sein Gedächtnis verloren hat, damit auch sein bisheriges voriges Leben, seine Erinnerung, seine Fähigkeiten, seine Bezugspersonen, vom Ehemann, auch wenn die Beziehung schon vorher nicht gut war, verlassen wird, von den

3 Söhnen gemieden wird, keine Freunde mehr hat, quasi für tot erklärt wurde und monatelang sich langsam wieder ins Leben zurückgekämpft hat.

Dass Frau XXXX es trotzdem geschafft hat, ihrem Leben mit Schreiben wieder Sinn zu geben, ist beachtlich. Sie hat XXXX und ist auch in XXXX in einem XXXX aktiv. Aber sonst nur sehr zurückgezogen.

Für mich imponiert sie als depressiv und zeigt Zeichen der posttraumatischen Belastungsstörung, die sie sich selbst aber nicht eingestehen mag, weil sie aus einer Familie stammt, in der man "immer stark sein musste" und "nie Schwäche zeigen durfte".

1. Diagnose aus nervenfachärztlicher Sicht:

Posttraumatische Belastungsstörung Position 03.05.04 40 %

Oberer Rahmensatz, da typische Symptomatik wie Vermeidungsverhalten, Rückzugsverhalten, Dissimulierung, Persönlichkeitsveränderung, aber Therapiereserven."

16. Der Beschwerdeführerin wurde das nervenfachärztliche Sachverständigengutachten Dris. XXXX , vom 22.5.2018, übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt dazu innerhalb von vier Wochen eine Stellungnahme abzugeben. In ihrer Stellungnahme vom 22.6.2018 führte die Beschwerdeführerin wieder umfassend zu ihrem Lebensweg und ihren Erkrankungen aus. Sie monierte, dass die sachverständige Fachärztin in nur 45 Minuten

80 Jahre ihres Lebens beurteilt hätte.

17. Mit Auftrag vom 17.7.2018 wurde die Sachverständige Dr. XXXX , welche auch Sachverständige im Bereich der Allgemeinmedizin ist, um ein zusammenfassendes Gutachten über die das Gutachten von DDr. XXXX und ihr eigenes zu erstatten. Die genannte Sachverständige übermittelte noch am selben Tag ihr Gutachten betreffend sämtliche Leiden der Beschwerdeführerin und nahm die Einschätzung des daraus

resultierenden Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin vor. Aus diesem Gutachten vom 17.7.2018 geht ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. hervor.

Im Wesentlichen führte die Sachverständige aus wie folgt:

"[...]

1. Diagnose aus nervenärztlicher Sicht:

Posttraumatische Belastungsstörung Position 03.05.04 40%

Oberer Rahmensatz, da typische Symtpomatik wie Vermeidungsverhalten, Rückzugsverhalten, Dissimulierung, Persönlichkeitsveränderung, aber Therapiereserven.

2. Diagnose aus orthopädischer Sicht:

2.1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Dekompression der LWS und Teilversteifung Position 02.01.02 30%

Unterer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden und mäßig eingeschränkte Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit.

2.2. Verlust des Ringfingers und Kleinfingers links Position 02.06.32 20%

Fixer Richtsatzwert.

2.3. Funktionseinschränkung einzelner Finger Position 02.06.26 20%

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da geringgradige funktionelle Einschränkung des Zeigefingers und Mittelfingers rechts und Zeigefingers links, mäßige funktionelle Einschränkung mit Beugehemmung linker Mittelfinger.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 von Hundert.

Begründung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2.1. bis 2.3. um 1 Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht, besonders da das Sitzen und Schreiben für die Bewältigung der Leidensgeschichte eine Möglichkeit der psychischen Aufarbeitung darstellt und durch die Einschränkungen deutlich erschwert wird.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit der Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses nicht einverstanden erklärt hat, war die Beschwerde zu prüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren und hat den Wohnsitz an der Adresse XXXX - somit im Inland - inne.

Die Beschwerdeführerin erfüllt damit die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Die Beschwerdeführerin begehrte mit ihrem Antrag, welcher am 13.6.2017 bei der belangten Behörde Sozialministeriumservice Landesstelle Wien einlangte, die Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.3. Bei der Beschwerdeführerin wurde von medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Funktionseinschränkungen "Posttraumtische Belastungsstörung; Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Dekompression der LWS und Teilversteifung;

Verlust des Ringfingers und Kleinfingers links;

Funktionseinschränkung einzelner Finger" vorliegen.

1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 v.H. Bei der Beschwerdeführerin liegt somit zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Grad der Behinderung von mindestens

50 v.H. vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Örtlichkeit des Wohnsitzes und des Geburtsdatums der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der unbedenklichen Auskunft des Zentralen Melderegisters.

Die Feststellung des Datums des Einlangens des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdakts.

Die Feststellung, dass bei der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vH vorliegt, beruht auf dem Gutachten der medizinischen Sachverständigen DDr. XXXX , Fachärztin für Orthopädie, vom 14.11.2017, sowie dem Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 22.5.2018, insbesondere dem diese beiden Gutachten zusammenfassenden Gutachten Dris. XXXX vom 17.7.2018.

In den vorliegenden Sachverständigengutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.

Zu den orthopädischen Leiden der Beschwerdeführerin:

Die orthopädische Sachverständige erstellte aufgrund der von der Beschwerdeführerin vorlegten Befunde - es sind dies die Berichte des XXXX vom 16.2.2017 und vom 3.10.2017, der Bericht der orthopädischen Abteilung des XXXX vom 21.6.2016 sowie der Bericht der XXXX betreffend die OP-Freigabe vom 18.3.2015 - ein richtiges und schlüssiges Gutachten. Das Gutachten setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem im Rahmen der Anamnese von der Beschwerdeführerin Vorgebrachten zu ihren Beschwerden im Zeitpunkt der Untersuchung am 18.10.2017 auseinander und hält fest, welche Medikamente von der Beschwerdeführerin im damaligen Zeitpunkt eingenommen wurden.

In der Beschwerde, welche sich gegen den Bescheid der belangten Behörde richtet, wird als Begründung im Wesentlichen angegeben, dass sich die Beschwerdeführerin behindert fühle und Schmerzen hätte. Die Bewegungsmöglichkeit des Rückens schränke sich mehr und mehr ein. Am 10.8.2009 sei ein Tumor im linken Nasenflügel im XXXX entfernt worden. Sie hätte insgesamt drei Operationen an der Lendenwirbelsäule hinter sich gebracht und sei durch die dritte ihr Rücken mittels Schrauben und Schienen unbeweglich versteift worden. Betreffend ihre Finger habe sie bereits unzählige Operationen gehabt und sei bereits die nächste Operation von zwei Fingern der rechten Hand geplant. Sie habe Probleme bei der Bewältigung des einfachen Alltages. Durch die Einschränkung der Sensibilität habe sie beispielsweise Probleme beim Zubereiten von Nahrung, beim Essen mit Besteck, beim Anziehen von Kleidung, beim Schließen von Knöpfen, beim Öffnen von Türen bei der Handhabung von Schlüsseln, beim Pflegen des eigenen Körpers, etc.

Die Beschwerdeführerin bezieht sich in ihrer gesamten Beschwerde auf die bereits vorliegenden OP-Berichte und Befunde.

Das Sachverständigengutachten, auf welchem der bekämpfte Bescheid fußt, hält als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung (Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.10.2017) die Funktionseinschränkungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Dekompression der LWS und Teilversteifung" (Leiden 1), "Verlust des Ringfingers und Kleinfingers links" (Leiden 2) und "Funktionseinschränkung einzelner Finger" (Leiden 3) fest und wird unter "Anamnese" festgehalten, dass bei der Beschwerdeführerin eine Amputation am Grundglied Ring- und Kleinfinger links durchgeführt wurde und leide sie an einer zunehmend schlechteren Beweglichkeit des Mittelfingers und des Zeigefingers links. Am linken Mittelfinger wurde eine Arthroplastik und am linken Zeigefinger eine Arthrodese durchgeführt. Zudem haben mehrere Wirbelsäulenoperationen an der LWS stattgefunden.

Unter "derzeitige Beschwerden" wird im Sachverständigengutachten angegeben, dass die Beschwerdeführerin Schmerzen im Bereich des linken Zeigefingers sowie im Bereich der Lendenwirbelsäule habe. Die Lendenwirbelsäule sei zudem nur eingeschränkt beweglich.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Dekompression der LWS und Teilversteifung" (Leiden 1) fällt nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 unter Position Nr. 02.01.02 (Wirbelsäule; Funktionseinschränkungen mittleren Grades), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 30% bis 40% vorsieht.

Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 02.01.02 mit 30% aus. Sie stellte den Grad der Behinderung mit dem unteren Rahmensatz mit der Begründung fest, da rezidivierende Beschwerden und eine mäßig einschränkte Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit vorliegen.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Verlust des Ringfingers und Kleinfingers links" (Leiden 2) fällt nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 unter Position Nr. 02.06.32 (Verlust von zwei Fingern; Sonst)„ für welche die Einschätzungsverordnung einen fixen Satz von 20% vorsieht.

Die medizinische Sachverständige zog bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den festen Satz der Positionsnummer 02.06.32 heran. Sie stellte den Grad der Behinderung aufgrund des fixen Satzes mit 20% fest.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Funktionseinschränkung einzelner Finger" (Leiden 3) fällt nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 unter Position Nr. 02.06.26 (Funktionseinschränkung einzelner Finger), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 10% bis 30% vorsieht.

Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 02.06.26 mit 20% aus. Sie stellte den Grad der Behinderung mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz mit der Begründung fest, dass geringgradige funktionelle Einschränkungen des Zeigefingers und Mittelfingers rechts und

des Zeigefingers links bestehen. Beim linken Mittelfinger besteht eine mäßige funktionelle Einschränkung mit Beugehemmung.

Aus dem Beschwerdeschriftsatz geht hervor, dass die Beschwerdeführerin darüber klagt, ihren Alltag nicht mehr selbständig bewerkstelligen zu können und eine Pflegekraft benötigen würde. Dazu ist auszuführen, dass das Verfahren über die Ausstellung eines Behindertenpasses solche Umstände nicht berücksichtigt. Während bei der Beurteilung des Pflegebedarfs (Pflegeaufkommen in einer bestimmten Stundenanzahl pro Monat) auf den Pflegeaufwand einer Pflegeperson bzw die Anwesenheit einer Pflegeperson abzustellen ist, kommt es bei der Beurteilung für die Gewährung eines Behindertenpasses nach der Rechtsgrundlage BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 nicht auf die benötigte Fremdhilfe (Pflege) an, sondern auf die körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigungen oder Beeinträchtigungen der Sinnesfunktionen, welche geeignet sind, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 bleibt daher ein allenfalls bestehender Pflegebedarf unberücksichtigt und ist darauf hinzuweisen, dass hierfür ein Antrag nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl 110/1993, zu stellen ist, welches den Zweck hat, in Form einer Geldleistung (Plegegeld) die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

Gegenständlich werden die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß beurteilt und der Grad der Behinderung basierend auf dieser Beurteilung festgestellt. Stützend werden die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Beweismittel verwendet.

Die Beschwerdeführerin legte ihrem Beschwerdeschreiben keine neuen medizinischen Beweismittel bei.

Die Beschwerdeführerin ist in ihrer Beschwerde den Ausführungen der beigezogenen orthopädischen Sachverständigen in deren medizinischen Gutachten vom 14.11.2017 nicht ausreichend substantiiert entgegen getreten. Weder hat sie ein Sachverständigengutachten bzw. eine sachverständige Aussage, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien vorgelegt, noch hat sie Beweismittel vorgelegt, welche Hinweise auf ein zusätzliches Dauerleiden oder aber auf eine wesentliche Änderung gegenüber den bereits im Verfahren vor der belangten Behörde berücksichtigten Leiden geben würden. Die von ihr in ihrer Beschwerde angegebenen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule führte die Beschwerdeführerin auch während der Anamneseerhebung im Rahmen der persönlichen Untersuchung ins Treffen und wurden diese von der Sachverständigen bei ihrer Einschätzung des Grades der Behinderung des Leidens mit der fortlaufenden Nummer 1 entsprechend berücksichtigt.

In dem Beschwerdeschriftsatz werden sohin keine solchen Leiden vorgebracht, welche nicht schon im Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 berücksichtigt bzw. befundet worden wären und wird im Beschwerdeschriftsatz auch nicht in Abrede gestellt dass die von der medizinischen Sachverständigen aufgrund der durchgeführten Begutachtung festgestellten Funktionseinschränkungen vorliegen. Ebenso wird nicht vorgebracht, dass das medizinische Sachverständigengutachten die Einschätzung des Grades der Behinderung der jeweiligen festgestellten Funktionseinschränkungen nicht der Einschätzungsverordnung entsprechend vorgenommen hätte und wird auch nicht vorgebracht, dass das Sachverständigengutachten die Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung nicht entsprechend der Einschätzungsverordnung vorgenommen hätte.

Die übrigen von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde angeführten Leidenszustände wurden bereits im Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 umfassend berücksichtigt und der bei der Beschwerdeführerin vorliegende Grad der Behinderung entsprechend eingeschätzt.

Die vorgebrachte Einschränkung der Beweglichkeit ihres Rückens findet unter dem Leiden 1 "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Dekompression der LWS und Teilversteifung" Berücksichtigung. Im Untersuchungsbefund des Sachverständigengutachtens wird diesbezüglich auch festgehalten, dass die Lendenwirbelsäule in allen Ebenen zu einem Drittel eingeschränkt beweglich ist.

Das Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 führt unter "Gesamtmobilität / Gangbild" aus, dass die Beschwerdeführerin selbständig gehend zur Untersuchung im Oktober 2017 kommt und das Gangbild hinkfrei und unauffällig ist.

Zu sämtlichem Vorbringen betreffend die funktionseingeschränkten Finger der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass diese Leiden unter der fortlaufenden Nummer 3 im Sachverständigengutachten als "Funktionseinschränkung einzelner Finger" berücksichtigt wurden.

Die medizinische Sachverständige zog bei Beurteilung der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin die von ihr mit dem Antrag vorgelegten medizinischen Beweismittel heran und beurteilte, unter Zugrundelegung des Untersuchungsbefundes nach erfolgter persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.10.2017, die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen, und stellte dabei einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH fest.

Betreffend die in der Beschwerde erwähnte Entfernung des Tumors im linken Nasenflügel im Jahr 2009 ist zu sagen, dass diesbezüglich keinerlei medizinische Unterlagen vorgelegt wurden. Des Weiteren wird in diesem Zusammenhang auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

Einem Antragsteller - so er die Auffassung vertritt, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden - steht es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Zu dem psychischen Leiden der Beschwerdeführerin:

Aufgrund der mehrfach in den Schreiben der Beschwerdeführerin vorgekommenen Äußerungen von Suizid-Gedanken holte das Bundesverwaltungsgericht schließlich auch ein Sachverständigen Gutachten aus dem Bereich der Neurologie/Psychiatrie ein, welches auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basiert.

Die neurologisch/psychiatrische Sachverständige kam in ihrem Gutachten nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin vom 22.5.2018 zu dem Ergebnis, dass diese an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Sie schätzte dieses Leiden unter die Positionsnummer 03.05.04 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. ein und wählte dabei den oberen Rahmensatz, da bei der Beschwerdeführerin eine typische Symptomatik, wie Vermeidungsverhalten, Rückzugsverhalten, Dissimulierung und Persönlichkeitsveränderung gegeben sei. Zusätzlich bemerkte die Sachverständige, dass Therapiereserven bestehen würden.

In einem die beiden nunmehr vorliegenden Gutachten - orthopädisches Gutachten vom 14.11.2017 und neurologisch/psychiatrisches Gutachten vom 22.5.2018 - zusammenfassenden Gutachten vom 17.7.2018 führte die medizinische Sachverständige

Dr. XXXX aus, dass die orthopädischen Leiden das psychische Leiden in einer Art und Weise negativ beeinflussen, sodass sich der eingeschätzte Grad der Behinderung der posttraumatischen Belastungsstörung um eine Stufe, nämlich von 40 v.H. auf 50 v.H. erhöhe. Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin betrage daher 50 v.H.

Die getroffenen Einschätzungen der beiden medizinischen Sachverständigen - basierend auf den vorliegenden Befunden sowie den beiden persönlichen Untersuchungen - entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 richtig eingestuft.

Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der beiden befassten Sachverständigen oder deren Beurteilungen bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die vorliegenden Sachverständigengutachten stammen aus der Feder zweier Fachärzte für Orthopädie und Neurologie/Psychiatrie und werden vom Bundesverwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung dieser Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs 2 AVG) bedeutet nach stRsp des VwGH nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist.

Die vorliegenden Beweismittel und der vorgelegte Fremdakt der belangten Behörde - in welchem die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel (oben näher bezeichnete Arztberichte) einliegen - ermöglichen dem erkennenden Gericht, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen.

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, welcher den Regeln der Logik zu folgen hat, und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Die Würdigung der Beweise ist zufolge § 45 Abs 2 AVG keinen gesetzlichen Regeln unterworfen. Davon ist jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht ausgeschlossen. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie ua den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen.

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führt beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Richter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungs-methoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 17.2.2004, GZ 2002/06/0151).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte - insbesondere der zitierten Entscheidungen - sind die zitierten medizinischen Sachverständigengutachten DDris. XXXX vom 14.11.2017 und Dris. XXXX vom 22.5.2018 sowie deren zusammenfassendes Gutachten vom 17.7.2018 schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf und erfüllen diese die Grundlage der Einschätzung des Grades der Behinderung bildenden eingeholten Gutachten die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllen die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die maßgeblichen formalrechtlichen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) und jene des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im Bundesbehindertengesetz normiert § 45 Abs 3, dass in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grad der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor, sodass entsprechend dem § 45 Abs 4 BBG ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundiger Laienrichter hinzuzuziehen war.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte - mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes - ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind - soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A) - Entscheidung in der Sache:

Die maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesbehindertengesetz (BBG).

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter "Behinderung" iSd BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, welche geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, welche nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) sieht vor, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit

(Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen sind. Eine solche zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Vor

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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