TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 98/20/0290

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Veröffentlicht am 21.10.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der am 9. Oktober 1966 geborenen MT in Wien, vertreten durch Dr. Kurt Ludwig Breit, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. Februar 1998, Zl. 201.554/0-VII/20/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Irak, reiste am 9. Dezember 1997 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein und beantragte am 16. Dezember 1997 die Gewährung von Asyl. Anlässlich ihrer Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See am 11. Dezember 1997 gab sie an, den Irak deshalb verlassen zu haben, weil sie die Unterdrückung nicht mehr ertragen habe. Ihr Vater sei Kaufmann gewesen und sei immer wieder telefonisch von der Partei bedroht worden. Als schließlich Freunde ihres Vater gekommen seien und ihm geraten hätten, er solle das Land verlassen, seien ihre Eltern nach Jordanien gegangen. Sie sei zusammen mit ihrem Bruder im Irak verblieben. Aus Angst vor den Behörden hätten sie das Land verlassen.

In ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Fluchtgründe an, ihre Eltern sollten als Kaufleute mit Kurden gehandelt haben und seien deshalb von anderen Bewohnern des Dorfes bei der Polizei der Zusammenarbeit mit Kurden bezichtigt worden. Ihr persönlich sei nicht das Geringste passiert und sie habe selbst keinerlei Probleme mit den Behörden aus politischen oder sonstigen Gründen gehabt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. Dezember 1997 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie gehöre der katholischen Kirche an und habe auch auf die Probleme ihrer Eltern, die natürlich auch die ihren seien, hingewiesen. Ihnen seien einfach die Lebensgrundlagen entzogen und darüber hinaus seien ihrem Vater Handlungen unterstellt worden, die gegen die Regierung des Irak gerichtet gewesen seien. Auch gegen ihren Bruder hätten sich behördliche Zwangsmaßnahmen gerichtet. Weil im Irak, wie auch in vielen anderen Ländern des Orients die Sippenhaftung angewandt werde, habe sie aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das Regime des Sadam Hussein die Flucht ergriffen und sei nach Österreich gekommen. Darüber hinaus erstattete die Beschwerdeführerin ein ausführliches Vorbringen dazu, dass in ihrem Fall die Bedrohungstatbestände des § 57 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 vorlägen und sie brachte in diesem Zusammenhang auch vor, ihr drohe nicht nur eine Verfolgung auf Grund ihrer politischen Gesinnung, sondern auch deshalb, weil sie aus dem Irak ausgereist sei, sich unerlaubt im Ausland aufhalte und in Österreich einen Asylantrag gestellt habe. Dies werde vom irakischen Regime als staatsfeindlicher Akt gewertet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997 ab. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Berufungsausführungen nicht geeignet seien, Änderungen der Feststellungen der Behörde erster Instanz herbeizuführen, weil dem Berufungsvorbringen jegliche Substantiierung fehle und es gegenüber dem Vorbringen im Verfahren erster Instanz eine Steigerung darstelle. So könne weder die von der Asylwerberin angesprochene Sippenhaftung angenommen werden, noch begründe die illegale Ausreise bzw. die Asylantragstellung der Beschwerdeführerin die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Darin wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass ihr Vorbringen in der Berufung als Steigerung ihres Vorbringens vor den Asylbehörden erster Instanz gewertet und nicht berücksichtigt worden sei, und verweist im Wesentlichen auf die im Irak notorische Sippenhaftung, von der auch sie als Familienmitglied von des Handels mit Kurden verdächtigen Personen betroffen sei. Schließlich habe weder die Behörde erster Instanz eine konkrete und detaillierte Befragung der Beschwerdeführerin über ihre Fluchtgründe vorgenommen, noch sei dies auf der Ebene der Berufungsbehörde geschehen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Auf das Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 findet das AVG Anwendung. Als besondere Bestimmung für das Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten sieht § 67d AVG grundsätzlich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor, zu welcher die Parteien und die anderen zu hörenden Personen zu laden sind. Nach dem Artikel II Abs. 2 lit. d Z 43a EGVG ist auch auf das behördliche Verfahren des unabhängigen Bundesasylsenates das AVG anzuwenden, § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und nach schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308).

Wird im Berufungsverfahren ein konkreter neuer Sachverhalt behauptet, so ist es dem unabhängigen Bundesasylsenat schließlich auch verwehrt, durch Würdigung der Berufungsangaben als unglaubwürdig den Sachverhalt ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und insbesondere ohne den Asylwerber selbst persönlich einzuvernehmen als geklärt anzusehen.

Die Beschwerdeführerin macht erstmals in ihrer Berufung geltend, im Irak herrsche Sippenhaftung, auch ihr Bruder sei von Zwangsmaßnahmen des Staates betroffen gewesen und die Probleme ihrer Familie, der gegen die Regierung gerichtete Handlungen unterstellt worden seien, seien auch die ihren. Weiters wies sie erstmals darauf hin, dass sie auch auf Grund der Ausreise und der Asylantragstellung im Falle der Rückkehr in den Irak einer Verfolgung aus politischen Gründen ausgesetzt wäre. Dieses Vorbringen erscheint in seiner Gesamtheit jedenfalls als so ausreichend substantiiert, dass es die belangte Behörde im Sinne der oben angeführten Judikatur hätte veranlassen müssen, die Beschwerdeführerin im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen mündlichen Verhandlung einzuvernehmen.

Diese Verpflichtung besteht nach dem Obgesagten auch deshalb, weil die belangte Behörde dem Berufungsvorbringen offenbar die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat, was aus dem angefochtenen Bescheid allerdings nur insofern hervorgeht, als dieses Vorbringen mit dem Hinweis auf eine Steigerung gegenüber dem Vorbringen im Verfahren erster Instanz von der belangten Behörde nicht weiter berücksichtigt wurde.

Allerdings führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung eines Bescheides, sondern nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Der Beschwerdeführerin gelingt es aber nicht, die Relevanz dieses Verfahrensmangels darzutun.

Es ist der Beschwerdeführerin zwar zuzugestehen, dass sie bei Vorliegen von Sippenhaftung in ihrem Heimatland der Gefahr einer Verfolgung selbst dann ausgesetzt wäre, wenn die bisherigen Verfolgungshandlungen nicht gegen sie direkt, sondern zunächst nur gegen Familienangehörige gerichtet worden wären (vgl. dazu das ebenfalls eine Asylwerberin aus dem Irak betreffende hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0494, 0495). Dies setzte aber voraus, dass gegen Familienangehörige asylrelevante Verfolgungshandlungen gesetzt worden wären.

Die Beschwerdeführerin brachte nun während des Verwaltungsverfahrens vor, ihre Familienangehörigen seien "telefonisch durch die Partei bedroht" worden, es sei ihnen "die Lebensgrundlage entzogen" und gegen ihren Bruder seien "behördliche Zwangsmaßnahmen" gesetzt worden. In der Beschwerde wiederholt sie dieses allgemein gehaltene Vorbringen und verweist auf die sie als Angehörige treffende Sippenhaftung. Selbst bei unterstellter Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin wären in diesen nach ihren Angaben gegen ihre Familienangehörigen von staatlicher Seite gesetzten Handlungen aber infolge der Unbestimmtheit ihrer Darstellung und mangels näherer Konkretisierung keine asylrelevanten Verfolgungshandlungen zu erblicken; wären aber die Familienangehörigen der Beschwerdeführerin nicht in asylrelevanter Weise verfolgt worden, so könnte auch sie selbst im Rahmen der Sippenhaftung nicht von einer derartigen Verfolgung bedroht sein. Der Beschwerdeführerin gelang es daher mit ihrem Vorbringen in der Beschwerde nicht aufzuzeigen, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des ihr unterlaufenen Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gelangen hätte können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200290.X00

Im RIS seit

12.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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