TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 98/20/0318

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Veröffentlicht am 21.10.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §32 Abs3;
AsylG 1997 §38 Abs5;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. Juni 1998, Zl. 203.295/0-VII/19/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 AsylG 1997 (mitbeteiligte Partei: LD, geboren am 23. März 1969, letzte bekannte Adresse: Evangelischer Flüchtlingsdienst, Grimmgasse 6/3, 1150 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger des Irak, reiste am 12. Mai 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 15. Mai 1998 einen Antrag auf Asylgewährung. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Mai 1998 gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), als unzulässig zurück, weil der Mitbeteiligte in der Slowakei Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Der Mitbeteiligte erhob Berufung.

Die belangte Behörde gab gemäß § 32 Abs. 2 AsylG der Berufung statt, behob den bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen vertrat die belangte Behörde die Ansicht, im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz sei einerseits das Resümee eines am 5. Mai 1998 stattgefundenen Arbeitsgespräches vorgelegen, aus welchem für sich allein betrachtet die Drittlandsicherheit der Slowakei abzuleiten gewesen sei; andererseits seien diverse Stellungnahmen des UNHCR vorgelegen, aus welchen sich das Gegenteil, nämlich die mangelnde Drittstaatsicherheit in der Slowakei habe ableiten lassen, was auch in der bisherigen Judikatur der belangten Behörde festgestellt worden sei. Diese Dokumente stünden im Widerspruch zueinander. Die Behörde erster Instanz wäre im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht verpflichtet gewesen, Schritte zu setzen, um diesen Widerspruch aufzulösen, z.B. durch die gutachterliche Einbeziehung des UNHCR. Der festgestellte Mangel im erstinstanzlichen Verfahren wiege derart schwer, dass dieser nicht durch das Berufungsvorbringen (gemeint vermutlich: das Berufungsverfahren) sanierbar gewesen sei und dass in der Folge die belangte Behörde im Rahmen ihrer viertägigen Entscheidungspflicht keine diesbezügliche Ermittlungspflicht getroffen habe. Die belangte Behörde habe lediglich geprüft, ob die von der erstinstanzlichen Behörde durchgeführten amtswegigen Ermittlungen ausreichend gewesen seien und ob die darauf gestützten rechtlichen Schlussfolgerungen bzw. die Feststellung, die Slowakei sei ein sicherer Drittstaat, im Sinn des § 4 Abs. 1 AsylG zu Recht habe angenommen werden können. Darüber hinaus sei nicht abgesprochen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Der Mitbeteiligte hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Mit Schriftsatz vom 27. Juli 1999 teilte die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof mit, der Mitbeteiligte sei am 15. Dezember 1998 in die USA ausgewandert; das anhängige Asylverfahren sei gemäß § 30 Abs. 1 AsylG eingestellt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat über die Amtsbeschwerde erwogen:

Die belangte Behörde beantragt die Zurückweisung der Amtsbeschwerde als unzulässig, weil diese - nach Bejahung der Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung durch das Bundesasylamt - die subjektive Rechtssphäre des Mitbeteiligten nicht mehr berühren könne und das Tatbestandserfordernis des § 38 Abs. 5 AsylG, nämlich eine Beschwerde "zugunsten" oder "zum Nachteil" des Beschwerdeführers zu erheben, nicht erfüllt sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die von der belangten Behörde zitierte Wendung des § 38 Abs. 5 AsylG "sowohl zugunsten als auch zum Nachteil des betroffenen Fremden" klarstellt, dass die Amtsbeschwerde nicht nur zum Nachteil des Fremden erhoben werden darf, sondern dass es - im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde - auf die Interessenslage des Beschwerdeführers überhaupt nicht ankommt. Die Beschwerdelegitimation ist in einem solchen Fall ein von den Verfahrensparteien losgelöstes Kontrollinstrument zur Prüfung, ob der angefochtene Bescheid in objektiver Weise rechtmäßig ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0220, sowie vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0304, jeweils mwN).

Aus diesem Grund führt auch die bekannt gegebene Auswanderung des Mitbeteiligten in die USA während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - anders als im Fall der Beschwerde eines Asylwerbers und seiner danach erfolgten Auswanderung (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 2. Juli 1998, Zl. 98/20/0030) - nicht zu einer Gegenstandslosigkeit der Beschwerde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 98/01/0326, die nachträgliche Zurückziehung eines Asylantrages betreffend).

Es war daher inhaltlich auf die Beschwerde einzugehen.

Der unabhängige Bundesasylsenat hat im abgekürzten Berufungsverfahren gemäß § 32 Abs. 2 AsylG 1997 nach Maßgabe des § 66 Abs. 4 AVG u.a. darüber zu entscheiden, ob der Asylantrag wegen Drittstaatsicherheit gemäß § 4 AsylG zurückzuweisen ist. Praktische Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Entscheidungsfrist nach § 32 Abs. 3 AsylG 1997 in Bezug auf Antragszurückweisungen nach § 4 AsylG 1997 bieten keine Rechtfertigung dafür, entgegen der Vorschrift des § 66 Abs. 4 AVG nicht in der Sache selbst zu entscheiden. Der vorliegende Fall gleicht insofern, als die belangte Behörde - im Übrigen diesbezüglich ohne jegliche Begründung - davon ausging, ihr stünde in einem Verfahren nach § 32 AsylG über eine Berufung gegen die Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 AsylG eine kassatorische Entscheidungsbefugnis zu, demjenigen, der dem hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, zugrundelag. Auf das zuletzt zitierte Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Aus den dort dargestellten Gründen war auch der vorliegende Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. Oktober 1999

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200318.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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