TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/3 W233 2190472-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2018
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Entscheidungsdatum

03.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W233 2190465-1/15E

W233 2190475-1/11E

W233 2190468-1/11E

W233 2190470-1/10E

W233 2190472-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. XXXX FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX ,

geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Kasachstan, 2.) XXXX ,

geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kasachstan, 3.) XXXX ,

geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kasachstan, 4.) XXXX ,

geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kasachstan und 5.) XXXX ,

geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kasachstan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 23.03.2018, Zahlen: 15-1088535502 - 151417845 (ad 1.), 15-1088535600 - 151417875 (ad 2.), 15-1088535208 - 151417891 (ad 3), 15-1088535404 - 151417883 (ad 4.) und 15-1088535306 - 151417905 (ad 5.) zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden mit der Maßgabe, dass das in den jeweiligen Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide genannte Datum der Antragstellung auf internationalen Schutz auf 23.09.2015 korrigiert wird, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1), ein männlicher Staatsangehöriger Kasachstans, ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin (BF 2), einer weiblichen Staatsangehörigen Kasachstans. Sie sind die Eltern der minderjährigen Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen (BF 3, BF 4 und BF 5), die ebenfalls kasachische Staatsangehörige sind. Die beschwerdeführenden Parteien stellten am 23.09.2015 nach ihrer gemeinsamen Ankunft am Flughafen Wien-Schwechat Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

1.2. Im Zuge seiner Einvernahmen am 24.09.2015, am 28.09.2015 und am 04.10.2017, führte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er im Jahre 1994 Zeuge eines Mordes gewesen sei. Im Anschluss daran habe er sich bis Dezember 1996 in Dagestan versteckt und habe sich dann an das dortige Innenministerium gewendet, um dort zu erklären, dass er niemanden getötet und auch nichts gesehen hätte. Er wäre dann anschließend von der kasachischen Polizei nach Kasachstan gebracht worden und in Kasachstan zwei Wochen lang eingesperrt gewesen. Von Februar 1997 bis zum Jahr 2004 hätte er bei seiner Mutter in XXXX , in Kasachstan, ohne Probleme gelebt. Im Jahre 2004 hätte dann die Gerichtsverhandlung wegen des von ihm beobachteten Mordes aus dem Jahre 1994 begonnen. Im Zuge dieser Gerichtsverhandlung hätte er erfahren, dass der Drahtzieher des Mordes tot sei, weshalb er auch die Wahrheit erzählt hätte. Während dieser Gerichtsverhandlung sei er in Untersuchungshaft gewesen. Schließlich wäre er vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden, weil er diesen Mord den Behörden nicht angezeigt hätte, jedoch aufgrund einer Amnestie sofort wieder entlassen worden. Im September 2011 wäre er in XXXX (Kasachstan) in einem Hausflur überfallen und mit einem Messer attackiert worden. Eine oder zwei Wochen später wäre er neuerlich in einer Garage in XXXX (Kasachstan) vom Drahtzieher des Mordes aus 1994 und zwei weiteren Personen überfallen worden. Noch am selben Tage sei er mit seiner Familie von XXXX nach XXXX , Russische Föderation, geflüchtet. Am 22.10.2012 seien zwei Männer des Drahtziehers des Mordes aus 1994 zu ihm nach XXXX gekommen und hätten ihn geschlagen und mit einem Messer bedroht. Er hätte aus einem Fenster springen können, wobei er sich einen Fuß gebrochen hätte. Er wäre in einem Spital gewesen und wäre er mit seiner Familie nach XXXX , Russische Föderation, übersiedelt. Am 15.09.2015 hätte einer der Männer des Drahtziehers des Mordes aus 1994 versucht, seine Tochter XXXX in XXXX zu entführen, woraufhin sie abermals geflüchtet und nach XXXX zurückgekehrt seien. In XXXX hätten sie sich einige Tage lang aufgehalten und seien dann nach XXXX geflogen. Nach einer Nacht in XXXX wären sie weiter nach XXXX in XXXX geflogen und von dort mit einem Autobus nach XXXX gefahren, von wo sie schließlich mit einem Flugzeug nach XXXX und in der Folge nach Wien geflogen seien.

Die Zweitbeschwerdeführerin bestätigte im Rahmen ihrer Einvernahmen am 24.09.2015, am 28.09.2015 und am 04.10.2017 die Angaben des Erstbeschwerdeführers.

1.3. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 01.03.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch die Anträge auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kasachstan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter einem wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Zif. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen sie eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Zif 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Kasachstan gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde den Beschwerdeführern gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für ihre freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

Im Wesentlichen lässt sich diesen Bescheiden entnehmen, dass es den Beschwerdeführern nicht gelungen sei, eine konkret und gezielt gegen ihre Personen gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, deren Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen liege, geltend zu machen. Ferner wurde ausgeführt, dass in ihren gegenständlichen Fällen eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention für den Fall ihrer Rückkehr nach Kasachstan nicht erkannt werden könne. Auch seien keine Umstände amtsbekannt, dass in Kasachstan aktuell eine derart extreme Gefährdungslage bestehe, das gleichsam jeder, der dorthin zurückkehren würde, einer Gefährdung im Sinn der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt sei. Des Weiteren führte das Bundesamt aus, dass keine besonders fortgeschrittene Integration der Beschwerdeführer erkannt werden könne, zumal der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich auf einem Antrag auf internationalen Schutz beruhe, welcher sich als nicht berechtigt erwiesen habe. Auch halten sich die Beschwerdeführer zu kurz im Bundesgebiet auf, um ihren Interessen an einem Weiterverbleib in Österreich ein relevantes Gewicht zu verleihen. Zudem seien keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführer sprechenden, integrativen Schritte erkennbar.

In allen den oben angeführten Bescheiden hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausführliche Feststellungen zur Lage in Kasachstan getroffen. Diese Feststellungen beruhten auf einer zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation.

1.4. Gegen diese Bescheide wurde binnen offener Frist mit Schriftsatz vom 23.03.2018 Beschwerde erhoben, wobei in diesem gemeinsamen Beschwerdeschriftsatz im Wesentlichen gerügt wird, dass die Beschwerdeführer und insbesondere der Erstbeschwerdeführer aufgrund der in Kasachstan herrschenden Korruption nicht den Schutz dieses Landes in Anspruch nehmen könnten, weswegen ihnen auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe. Zudem verfügten die Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben. Sie sprächen Deutsch auf einem ausreichenden Niveau und habe der Erstbeschwerdeführer gemeinnützige Arbeit geleistet. Die Zweitbeschwerdeführerin könne als Mutter von drei minderjährigen Kindern keine "überdurchschnittliche" Integration aufweisen, da sie sich vorwiegend um die Erziehung ihrer Kinder kümmere. Nichtsdestotrotz habe sie bereits einen Deutschkurs besucht und diesen mit einer Prüfung auf dem Niveau A.1 erfolgreich bestanden. Die Drittbeschwerdeführerin besuchte im Bundesgebiet eine Neue Mittelschule, sei sprachlich gut integriert und lernwillig. Die Viert- und die Fünftbeschwerdeführerin besuchten im Bundesgebiet einen Kindergarten. In einer Gesamtschau sei daher von einem schützenswerten Privatleben der Beschwerdeführer auszugehen. Mit Beschwerdeergänzung vom 28.05.2018 brachten die Beschwerdeführer vor, dass die sie betreffenden Bescheide auch wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wegen unrichtiger Beweiswürdigung und wegen Aktenwidrigkeit angefochten werden.

1.5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz: BVwG) vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.03.2018 vorgelegt.

1.6. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 02.07.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführer (BF 1, BF2 und BF 3) im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, ist trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Das Bundesamt beantrage bereits anlässlich der Beschwerdevorlage die Abweisung der Beschwerde.

1.7. Mit Schriftsatz vom 11.07.2018 brachten die gewillkürt vertretenen Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein, in welcher sie auf ihre bisherigen Vorbringen verweisen und darüber hinaus Ausführungen zu ihren Integrationsbemühungen vorbringen, wobei dieser Stellungnahme eine Kopie eines Jahreszeugnisses der Drittbeschwerdeführerin über Schuljahr 2017/18, eine Entscheidung über die Aufnahme der Viertbeschwerdeführerin in die Vorschulstufe einer Volksschule, eine Besuchsbestätigung der Viertbeschwerdeführerin in einem Kindergarten und eine Bestätigung über eine psychotherapeutische Behandlung der Zweitbeschwerdeführerin angeschlossen sind. Ausführungen zu den mit ihnen in der mündlichen Verhandlung erörterten und ihnen überreichten Länderinformationen der Staatendokumentation über Kasachstan finden sich in dieser Stellungnahme nicht.

1.8. Mit Schreiben vom 16.07.2018 legten die Beschwerdeführer weitere drei Empfehlungsschreiben vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der gegenständlich erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme der beiden erwachsenen Beschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie von Organwaltern des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Stellungnahme der gewillkürt vertretenen Beschwerdeführer, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verwaltungsakte, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Datum der Antragstellung auf internationalen Schutz:

Die Beschwerdeführer stellten am 23.09.2015 nach ihrer Ankunft im Bundesgebiet am Flughafen Wien-Schwechat im Rahmen ihrer Einreisekontrolle die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

1.2. Zum sozialen Hintergrund der Beschwerdeführer:

Alle Antragsteller sind Staatsangehörige von Kasachstan.

Der Erst-, die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin lebten vor ihrer Einreise nach Österreich am 23.09.2015 bis zu ihrem jeweiligen

45. Lebensjahr (BF 1), 39. Lebensjahr (BF 2) und 12. Lebensjahr (BF 3) überwiegend in ihrem Herkunftsstaat Kasachstan, wobei sich die genannten Beschwerdeführer seit dem Jahre 2011 vorwiegend in der Russischen Föderation, namentlich in der Teilrepublik Dagestan und der Teilrepublik Nordossetien-Alanien aufgehalten haben. Die Viert- und Fünftbeschwerdeführerin wurden jeweils in der Russischen Föderation geboren und lebten bis zu ihrem 3. Lebensjahr (BF 4) und 2. Lebensjahr (BF 5) im Familienverband der Beschwerdeführer. Seit 23.09.2015 halten sich die Beschwerdeführer durchgängig im österreichischen Bundesgebiet auf, wobei sie zuletzt seit 18.04.2018 in ihrer Wohnsitzgemeinde XXXX , gemeldet sind.

Der Erstbeschwerdeführer hat in der Zeit der Sowjetunion in Kasachstan und in der Stadt XXXX acht Jahre Schulunterricht erhalten und danach in Kasachstan eine Lehre als Elektriker und eine Ausbildung über Kühlanlagen absolviert und im Anschluss daran Kühlschränke repariert und konnte so seinen und den Lebensunterhalt seiner Familie erwirtschaften. Die Muttersprache des Erstbeschwerdeführers ist Tabassaranisch, daneben beherrscht er die Sprachen Russisch und Türkisch.

Der Erstbeschwerdeführer war in Kasachstan nicht Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung. Der Erstbeschwerdeführer hat keine Kenntnis darüber, ob in seinem Herkunftsstaat Kasachstan aktuell ein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig ist, oder nach ihm gefahndet wird.

Der Erstbeschwerdeführer ist in der Lage sich mit einfachen Worten in der deutschen Sprache auf alltagstauglichem Niveau zu verständigen, verfügt aber nicht über ein Sprachdiplom über Kenntnisse der deutschen Sprach. Der Erstbeschwerdeführer nimmt seit 01.05.2018 an einem Deutschkurs am dem Niveau A.2. teil. Zudem hat der Erstbeschwerdeführer im Rahmen des Bildungsprogramms der Initiative " XXXX " am Workshop "Energie- & Klimaschutz im Wohnbereich" teilgenommen und hat im Mai 2018 gemeinnützige Tätigkeiten in seiner Aufenthaltsgemeinde verrichtet und in der Gemeinde XXXX einen schwer kranken Bewohner des dortigen Flüchtlingsheimes beim Kochen, Einkaufen und Bekleiden unterstützt als auch wiederholt in der Gemeinde XXXX im Rahmen des Neophythenprojekts mitgearbeitet.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat in Kasachstan die Grundschule besucht und im Anschluss daran eine Ausbildung zur Buchhalterin absolviert, in diesem Beruf jedoch nicht gearbeitet. Allerdings hat sie zwei Jahre Berufserfahrung als Kassiererin in einem Speisesaal gewonnen. Die Muttersprache der Zweitbeschwerdeführerin ist Russisch.

Die Zweitbeschwerdeführerin war in Kasachstan nicht Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung. Sie hatte in Kasachstan auch keine Probleme mit den dortigen Sicherheitskräften (z.B. der Polizei in Kasachstan) und wurde von den Sicherheitsbehörden in Kasachstan auch nicht gesucht noch ist oder war in Kasachstan ein Gerichtsverfahren gegen sie anhängig.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist in der Lage sich mit einfachen Worten in der deutschen Sprache auf alltagstauglichem Niveau zu verständigen und ist im Besitz eines Sprachdiploms über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A.1., ausgestellt am 22.02.2017. Zudem hat die Zweitbeschwerdeführerin am 19.04.2018 am Werte- und Orientierungskurs gemäß § 5 Integrationsgesetz teilgenommen.

Die Drittbeschwerdeführerin hat in der Russischen Föderation vier Klassen einer Schule besucht. Im Bundesgebiet hat die Drittbeschwerdeführerin im Schuljahr 2017/18 die siebente Schulstufe einer Neue Mitteschule erfolgreich abgeschlossen und ist zum Aufsteigen in die achte Schulstufe berechtigt. Die Drittbeschwerdeführerin spricht gutes Deutsch; ihre Leistung im Unterrichtsfach Deutsch wurde mit Genügend beurteilt, wobei dieser Beurteilung die Anmerkung "grundlegende Allgemeinbildung" angeschlossen ist.

Die Viertbeschwerdeführerin und die Fünftbeschwerdeführerin haben im "Kindergartenjahr 2017/18" im Bundesgebiet einen Kindergarten regelmäßig besucht und ist die Viertbeschwerdeführerin mit Entscheidung vom 05.06.2018 in die Vorschule einer öffentlichen Volksschule aufgenommen.

Die Dritt-, die Viert- und die Fünftbeschwerdeführerin sprechen Russisch.

Die Beschwerdeführer verfügt in ihrem Herkunftsstaat Kasachstan über einen familiären Anknüpfungspunkt in Form von Geschwistern des Erstbeschwerdeführers.

Die Beschwerdeführer verfügen auch in Österreich über einen familiären Anknüpfungspunkt, in Form der volljährigen Tochter der Zweitbeschwerdeführerin, XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kasachstan, deren Verfahren nach ihrem Antrag auf internationalen Schutz am 17.08.2018, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch anhängig ist. XXXX ist seit 18.04.2017 an der Adresse der Beschwerdeführer in XXXX , gemeldet. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass diese familiäre Beziehung unter Erwachsenen über die üblichen familiären Bindungen hinausgeht oder dass die minderjährigen Beschwerdeführer auf die Unterstützung der erwachsenen Tochter der Zweitbeschwerdeführerin angewiesen wären. Gegenteiliges wurde auch von den Beschwerdeführern nicht vorgebracht.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin waren im österreichischen Bundesgebiet nie legal erwerbstätig, sind nicht selbsterhaltungsfähig und beziehen Grundversorgung für sich und ihre Kinder.

Der Erst-, die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Allerdings wurde der Erstbeschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Kasachstan am 20.08.1998, am 08.08.2001 und am 09.11.2004 wegen gerichtlich strafbarer Handlungen zu Freiheitsstrafen von 2 Jahren, 1 Jahr und 6 Monaten und 1 Jahr, verurteilt.

Der Erstbeschwerdeführer befand sich im Bundesgebiet wegen einer offenen Lungen-TBC beidseitig, mit nodulären Veränderungen rechts, in medizinischer Behandlungen. Im Zuge einer am 29.01.2018 bei ihm in ambulanter Behandlung durchgeführten Verlaufskontrolle in einer Abteilung für Pneumologie eines Krankenhauses wurde bei ihm festgestellt, dass er sich bei dieser ambulanten Kontrolluntersuchung in einem guten Allgemeinzustand präsentiert, die Sputumkulturen vom Dezember 2017 und Jänner 2018 negativ seien und die Therapie bis 28.04.2018 fortgesetzt werden möge. Darüber hinaus befindet sich der Erstbeschwerdeführer in Österreich wegen depressiver Anpassungsstörungen in ärztlicher Behandlung.

Die Zweitbeschwerdeführerin befindet sich Mitte Juli 2016 in einem Zentrum für interkulturelle Psychotherapie regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung.

Allerdings liegen weder beim Erst- noch bei der Zweitbeschwerdeführerin Hinweise auf eine die Schwelle des Art. 3 EMRK überschreitende ernsthafte physische oder psychische Krankheit vor.

Die Dritt-, die Viert- und die Fünftbeschwerdeführerin sind gesund.

Die Beschwerdeführer haben seit ihres zum Entscheidungszeitpunt rund drei Jahre dauernden Aufenthaltes in Österreich keine außergewöhnlichen, besonders zu berücksichtigenden Integrationsschritte gesetzt. Dementsprechend kann eine ausgeprägte und verfestigte Integration der Beschwerdeführer in Österreich nicht festgestellt werden.

1.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer stellten am 23.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und begründeten diesen im Wesentlichen damit, dass der Erstbeschwerdeführer da er in seinem Herkunftsstaat einen Mord mitangesehen habe, vom Täter bzw. Drahtzieher des Mordes, sowohl in seinem Herkunftsstaat Kasachstan als auch in der Russischen Föderation verfolgt worden sei, bzw. man versucht hätte seine Tochter XXXX in der Russischen Föderation zu entführen, weshalb er gemeinsam mit seiner Familie hätte flüchten müssen.

Es konnte von den Beschwerdeführern nicht glaubhaft vermittelt werden, dass sie in ihrem Herkunftsstaat einer Verfolgung von einer Privatperson, konkret dem Täter bzw. Drahtzieher eines Mordes im Jahre 1994, den der Erstbeschwerdeführer mitangehen habe, ausgesetzt waren oder im Falle ihrer Rückkehr ausgesetzt wären, die, würde sie von staatlichen Organen gesetzt, Asylrelevanz zukäme und sein Herkunftsstaat, die Republik Kasachstan nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden.

Ebenso konnten die Beschwerdeführer nicht glaubhaft vorbringen, dass ihre auf keinem Konventionsgrund behauptete Verfolgung durch einen Privaten asylrelevanter Charakter zukommt, weil ihr Heimatstaat aus den in Art. 1 Abschnitt A Zif. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, ihnen Schutz zu gewähren.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass sich die Beschwerdeführer wegen der von ihnen in einem Drittstaat, nämlich der Russischen Föderation, behaupteten Verfolgung, nicht des Schutzes ihres Heimatstaates, der Republik Kasachstan, hätten bedienen können.

Nicht festgestellt werden kann weiters, dass die Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kasachstan in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Kasachstan Gefahr liefen, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Bei beiden erwachsenen Beschwerdeführern handelt es sich um arbeitsfähige und gesunde Personen, bei denen die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Erstbeschwerdeführer hat eine 8-jährige Schulausbildung erfahren und darüber hinaus eine Ausbildung als Elektriker und für Kühlgeräte erhalten und verfügt darüber hinaus über eine mehrjährige Berufserfahrung in Kasachstan. Auch die Zweitbeschwerdeführerin hat eine Schul- und Berufsausbildung in Kasachstan erhalten und verfügt ebenso über eine zumindest zwei- oder dreijährige Berufserfahrung als Kassiererin. Somit sind beide erwachsenen Beschwerdeführer mit dem Arbeitsmarkt in Kasachstan vertraut. Durch ihre vormaligen Erwerbstätigkeiten haben sie somit maßgebliche Vorteile bei der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit in Kasachstan.

Somit wird festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Kasachstan keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in der Republik Kasachstan (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Kasachstan vom 20.06.2016):

1.5.1. Politische Lage

Das unabhängige Kasachstan hatte sich 1993 seine erste - parlamentarische - Verfassung gegeben. Schon 1995 wurde sie durch eine neue Konstitution ersetzt, die, orientiert an der französischen, einen starken Präsidenten etabliert. Durch mehrere Verfassungsänderungen wurden dessen Kompetenzen auf Kosten von Regierung und Parlament noch erweitert.

Die geltende Verfassung räumt dem Präsidenten weitreichende Vollmachten ein: Der Präsident ernennt und entlässt die Regierung, die allein ihm verantwortlich ist. Er ist dem Parlament gegenüber politisch nicht verantwortlich (Präsidentenanklage nur wegen Hochverrats). Bei einem Misstrauensantrag der Legislative gegen die Regierung kann er das Parlament auflösen. Er kann Rechtsverordnungen erlassen. Seine Vollmachten erstrecken sich auch auf die Judikative (u.a. Ernennung von Mitgliedern des Verfassungsrats, Vorsitz des Obersten Gerichts). Er ernennt die Verwaltungschefs (Akime) der Gebiete und der Städte Astana und Almaty. Auch nach dem Ende seiner Amtszeit genießt er umfangreiche Immunitäten und das Recht, auf die kasachische Politik Einfluss zu nehmen ('Führer der Nation' seit Mai 2010). Durch die Verfassungsänderung vom 18.05.2007 wurde die Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre reduziert. Die Wiederwahl ist einmalig möglich. Präsident Nasarbajew ist als "Erster Präsident" Kasachstans von dieser Wiederwahlbeschränkung durch eine Ausnahme in der Verfassung befreit. Er ist Vorsitzender der Regierungspartei Nur Otan, die 1999 gegründet wurde und 2005 mit drei anderen Parteien fusionierte.

Jegliche Art der Gewaltenteilung (checks and balances) im Sinne der Kontrolle der Exekutive ist extrem schwach. Die Exekutive beherrscht alle übrigen Bereiche der Regierung und innerhalb der Exekutive wiederum der Präsident mit seiner engsten Entourage und der Präsidialverwaltung. Während das gegenwärtige Regime relativ stabil ist, verhindert es das Entstehen neuer politischer Kräfte, verlangsamt die Entwicklung einer Mittelklasse und schafft auf lange Hinsicht Stabilitätsrisiken.

Senat (Oberhaus) und Mazhilis (Unterhaus) sind die beiden Häuser des Parlaments. Der Senat setzt sich seit der Verfassungsänderung vom 16.05.2007 aus 47 Senatoren zusammen: Je Verwaltungsgebiet (Oblast) werden zwei Senatoren (Amtszeit 6 Jahre) von den örtlichen Vertretungskörperschaften (Maslikhate) gewählt; 15 Senatoren werden vom Präsidenten ernannt.

Die OSZE konstatierte zwar einigen Fortschritt, doch hätte das Land noch Wesentliches vor sich, um die OSZE-Verpflichtungen für die Durchführung demokratischer Wahlen zu erfüllen. Der rechtliche Rahmen schränke die grundlegenden politischen und Bürgerrechte ein, was eine umfassende Reform von Nöten mache.

Ende April 2016 kam es zu zahlreichenden Demonstrationen in ganz Kasachstan, die sich gegen eine geplante Landreform richteten, welche von den Gegnern als Ausverkauf kasachischen Bodens vor allem an ausländische Investoren, die nun Landtitel statt 10 Jahre 25 Jahre pachten können, aufgefasst wurde. In mehreren Städten sollen jeweils zwischen 1.000 und 2.000 Personen teilgenommen haben (BBC 28.4.2016). Als Reaktion suspendierte die Regierung die Änderungen des Landrechts (ODF 20.5.2016), nachdem Präsident Nasarbajew am 5.5.2016 sein Veto bis zur "weiteren Klarstellung" eingelegt hatte. Am selben Tag entließ Nasarbajew den Wirtschaftsminister, dessen Stellvertreter sowie den Landwirtschaftsminister, weil sie es verabsäumt hätten, der Bevölkerung die diesbezügliche Regierungspolitik zu erklären.

1.5.2. Sicherheitslage

Erstmals kam es im Jahre 2011 zu mehreren kleineren Terroranschlägen in Kasachstan mit ungeklärtem Hintergrund, hauptsächlich gegen Gebäude staatlicher Behörden. Im Zusammenhang damit wurde im Oktober 2011 ein neues Religionsgesetz verabschiedet, um die Verbreitung extremistischer religiöser Strömungen einzudämmen.

Die kasachische Regierung ist weiterhin bestrebt, die Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus z.B. mit den Vereinigten Staaten auszuweiten. Die kasachische Regierung zeigt sich angesichts der Bedrohung durch den sog. Islamischen Staat und der Unsicherheit in Afghanistan besorgt. Im April 2015 schätzte der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitskomitees, Nurtai Abykaev, die Zahl der Kasachen in Syrien auf 350, wobei hiervon nur 150 an den Kämpfen beteiligt seien. Beim Rest handle es ich um Familienmitglieder. Insgesamt wird die Bedeutung des Islamismus aber für nicht sehr groß gehalten.

Kasachstan verfügt über eine umfassende Anti-Terrorismus-Gesetzgebung. Es gibt vier spezielle Anti-Terror-Einheiten beim Innenministerium sowie eine weitere beim Nationalen Sicherheitskomitee. Was den Umgang mit ehemaligen IS-Kämpfern anlangt, wird einerseits ein Rehabilitationsprogramm umgesetzt, andererseits werden ehemalige IS-Kämpfer auch verhaftet und gerichtlich verfolgt. Der gesetzliche Rahmen für die Terrorismusbekämpfung stand 2015 in Kritik, nachdem es zur Verhaftung und Strafverfolgung von Einzelpersonen und Gruppen kam, deren Vergehen nach internationalen Standards nicht als terroristische Handlungen betrachtet werden. Beispielsweise wurden Mitglieder verbotener religiöser Gruppen, wie der Tablighi Jamaat, verhaftet, die auf Gewalt verzichten. Während in der Vergangenheit die Gesetzesvollzugsorgane dafür kritisiert wurden, dass sie Mitglieder von verdächtigten Terrorgruppen eher erschießen als verhaften, geht die Tendenz in den letzten Jahren in Richtung Festnahme und Verhör. 2015 zählte die Generalstaatsanwaltschaft 280 Fälle von Extremismus und Terrorismus in Kasachstan. Die meisten Verhafteten waren Rekrutierer. Es gab nur wenige Fälle, bei denen es um beabsichtigte Terroraktionen oder Reisen in ausländische Kriegsgebiete ging. 2015 wurden 71 Personen wegen Terrorverdachts und 13 wegen der Teilnahme an bewaffneten Konflikten im Ausland verurteilt.

Am 5.6.2016 und am Folgetag kam es in der 400.000 Einwohner-Stadt Aqtobe zu Schießereien zwischen mutmaßlichen islamistischen Extremisten und Sicherheitskräften, bei denen laut Innenministerium 19 Tote gab. Zwei Dutzend junger Männer überfielen ein Waffengeschäft, dann ein zweites und schließlich eine Kaserne der Nationalgarde. Es wurde die oberste Terrorwarnstufe ausgerufen. Unter den Toten waren 13 Attentäter, drei Zivilisten und drei Nationalgardisten. Die Behörden machten militante Islamisten für die Angriffe verantwortlich. Während nachfolgender Polizeirazzien wurden fünf weitere vermeintliche Attentäter getötet, sodass sich die Zahl der Toten auf 25 erhöhte.

1.5.3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Justiz wird von der Exekutive eingeschränkt. Überdies dominiert generell der Staatspräsident die Justiz. Der Präsident ernennt die Richter des Obersten Gerichtshofes und jene der lokalen Gerichte sowie die Mitglieder des Obersten Justizrates. Zwar sieht die Verfassung die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit des Gerichtswesens vor, doch in der Praxis ist sie der Exekutive dienlich und schützt die Interessen der herrschenden Eliten.

Nach wie vor kommen Korruption und politische Intervention im Rechtsbereich vor. Im Strafverfahren werden häufig Verfahrensregeln verletzt. Reformanstöße von innen und außen werden zögernd angenommen und umgesetzt.

Obgleich es den Gerichten obliegt, Haftbefehle zu bewilligen oder zu verweigern, werden solche auf Antrag der Staatsanwaltschaft in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ausgestellt. Die Staatsanwälte haben die Macht, Untersuchungen und Festnahmen zu autorisieren.

Das Anti-Folter-Komitee (CAT) der Vereinten Nationen befand im November 2015, dass es immer noch eine mangelnde Ausgewogenheit zwischen der Rolle des Staatsanwaltes, der Verteidigung und der Richter gäbe. Die dominante Rolle des Staatsanwaltes im Gerichtsverfahren besteht weiterhin ebenso wie der Mangel der gerichtlichen Kontrolle der Handlungen der Staatsanwälte. Denn die Richter sind infolge ihrer Abhängigkeit von der Regierung allzu sehr den Staatsanwälten untergeben. So können Verteidiger weiterhin keine Beweise sammeln und vorlegen.

1.5.4. Sicherheitsbehörden

Die Zentralregierung hält das Gewaltmonopol inne. Das Nationale Sicherheitskomitee (KNB) ist weiterhin die Hauptinstitution, die für die nationale Sicherheit verantwortlich ist und eng mit dem Innenministerium zusammenarbeitet.

Das kasachische Innenministerium beaufsichtigt die Polizei, die vor allem für die nationale Sicherheit verantwortlich ist. Weiters gibt es die Agentur für Wirtschaftsverbrechen und Korruption (Finanzpolizei) und das erwähnte KNB. Das KNB spielt eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Gesetze, bei der Grenzsicherheit, der inneren Sicherheit, bei Anti-Terror-Maßnahmen und bei der Ermittlung und dem Verbot von illegalen oder nicht registrierten Gruppen, wie z. B. extremistische, militaristische, politische, religiöse Gruppierungen und Gewerkschaften. Das KNB, Syrbar (Auslandsgeheimdienst), die Agentur für die Angelegenheiten des Öffentlichen Dienstes und Anti-Korruption berichten dem Präsidenten direkt.

Korruption unter den Gesetzesvollzugsorganen ist weit verbreitet. Personen, die verhaftet, festgehalten oder beschuldigt werden, ein Verbrechen begangen zu haben, haben von Anfang an das Recht auf einen Anwalt. Seit 1.1.2016 ist die Polizei gesetzlich verpflichtet, die Verhafteten über ihre Rechte aufzuklären. Weiters erlaubt das Gesetz der Polizei, einen Gefangenen bis zu 72 Stunden vor der Anklage festzuhalten. Menschenrechtsbeobachter kritisieren diese Zeitperiode als zu lange und sie sind der Meinung, dass diese Zeit genutzt wird, um Druck auszuüben und ein Geständnis zu erpressen. Anwälte berichten über bestehende Probleme mit willkürlichen Verhaftungen.

1.5.5. Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter; dennoch existieren Berichte, dass Häftlinge von Polizei- und Strafvollzugsbeamten gefoltert und missbraucht worden wären; meistens um Geständnisse zu erzwingen. Straffreiheit für Folter und andere Formen der Misshandlung werden größtenteils nicht in Frage gestellt.

Das neue Strafgesetzbuch und das Strafverfahrensrecht beinhalten positive Zusätze. Hierzu gehört die Bestimmung, dass Foltervorwürfe als Straftat automatisch registriert und untersucht werden sollten, und zwar von einer anderen Behörde als jener, welcher der Tatbeschuldigte angehört. Die Verjährungsfrist für Folterfälle wurde abgeschafft und jene, die wegen Folter angeklagt oder verurteilt wurden, wurden von möglichen Amnestien ausgenommen. Die Höchststrafe für Foltervergehen wurde auf zwölf Jahre heraufgesetzt. Rechtsanwälte berichten jedoch, dass zwar die Registrierung von Folteranschuldigungen und Misshandlungen erfolgt, aber eine angemessene Untersuchung immer noch ausbleibt.

2014 trat der Nationale Präventionsmechanismus gegen Folter (NPM) in Kraft. Manche Beobachter meinen, dass es dem NPM an ausreichend qualifizierten und ausgebildeten Personal mangelt. Der NPM ist Teil der Ombudsmannstelle und somit kein von der Regierung unabhängiges Organ.

Am 25.2.2016 präsentierten die Weltorganisation gegen Folter (OMTC) und kasachische Menschenrechtsorganisationen ein Follow-Up zu den Schlussfolgerungen des UN-Anti-Folter-Komitees (CAT). Demgemäß wurden die Empfehlungen des CAT hinsichtlich der wirksamen Untersuchung von Foltervorwürfen nicht erfüllt: Gesetze und politische Maßnahmen hinsichtlich des staatlichen Schutzes von Menschenrechten und der Folterprävention würden weiterhin nicht konsistent in die Praxis umgesetzt. Die meisten Foltervorwürfe und jene von Misshandlungen würden für vorläufige Untersuchungen jenen Abteilungen übertragen, in denen die Beschuldigten arbeiten. Eine umfassende sowie aufgeschlüsselte Datensammlung von Beschwerden, Untersuchungen, Strafverfolgungen und Verurteilungen durch die Gesetzesvollzugsorgane, das Sicherheits- und Gefängnispersonal fehlen weiterhin.

1.5.6. Korruption

Korruption ist allgemein verbreitet und reicht in alle Bereiche der Regierung hinein. Nach wie vor kommen Korruption und politische Interventionen im Rechtsbereich vor.

Korruption ist in der Exekutive, in verschiedenen Strafverfolgungsbehörden, in lokalen öffentlichen Verwaltungen, im Bildungssystem und in der Justiz verbreitet. Das Innenministerium, das Komitee für nationale Sicherheit (KNB) und die Disziplinarkommission für den Staatsdienst sind für die Bekämpfung der Korruption verantwortlich. Das Gesetz sieht Strafen für Korruption bei Beamten vor, jedoch hat die Regierung das Gesetz nicht effektiv implementiert, und Beamte wenden häufig ungestraft korrupte Praktiken an. Die Generalstaatsanwaltschaft vermeldete hingegen für die ersten zehn Monate des Jahres 2015, das über 1.000 Beamte wegen Korruptionstatbeständen verurteilt wurden und in über 3.000 Fällen Untersuchungen eingeleitet wurden. Das neue Strafrecht hat die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Sanktionierung von Straftaten in Verbindung mit Korruption verschärft, u.a. lebenslange Sperre für den Öffentlichen Dienst und das Streichen von Verjährungsfristen.

1.5.7. Allgemeine Menschenrechtslage

Die aktuelle Menschenrechtslage in Kasachstan ist nicht zufriedenstellend und bleibt hinter internationalen Standards und Verpflichtungen zurück. Die Meinungs- und Medienfreiheit wird rechtlich und faktisch erheblich eingeschränkt. Der Großteil der Medien wird direkt oder indirekt staatlich finanziert. Dadurch kommt es häufig, trotz verfassungsmäßig garantierter Pressefreiheit, zu Selbstzensur. Die Versammlungsfreiheit wird restriktiv gehandhabt. Die Religionsfreiheit ist für traditionelle und nicht traditionelle Religionen weitgehend gewährleistet. Im Rechtsbereich kommen nach wie vor Korruption und politische Intervention vor. Im Strafverfahren werden häufig Verfahrensregeln verletzt. Seit 2004 gilt ein Moratorium für die Todesstrafe. Frauen sind in Spitzenpositionen von Politik und Wirtschaft trotz ihrer relativ hohen Bildungs- und Erwerbstätigkeitsquote selten anzutreffen.

Kasachstan hat wenige Schritte unternommen, um der verschlechterten Menschenrechtslage entgegenzuwirken. Die Behörden schließen weiterhin Zeitungen, Inhaftieren oder Bestrafen Menschen wegen der Abhaltung von friedlichen Demonstrationen, verbieten die friedliche Religionsausübung und missbrauchen den vagen und breit formulierten Tatbestand der "Anstiftung zu sozialen, nationalen, religiösen, Klan-, Rassen-, Klassenzwietracht". ArbeiterInnenrechte sind eingeschränkt, und das seit 2014 eingeführte Gesetz über die Gewerkschaften machte es manchen Gewerkschaften unmöglich, sich zu registrieren.

Im April 2016 zeigte sich das EU-Parlament wegen der Verschlechterungen im Bereich der Medien-, Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zutiefst besorgt. Die kasachischen Behörden werden aufgefordert, die Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters zur Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit umzusetzen. Kasachstan wird geraten, das neue Strafrecht in Bezug auf die Kriminalisierung der üblen Nachrede zu überarbeiten und abzuändern, da dies fundamentale Freiheitsrechte untergräbt.

1.5.8. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind rau und manchmal lebensbedrohlich. Die Einrichtungen entsprechen nicht den internationalen Gesundheitsstandards. Gesundheitliche Probleme werden in vielen Fällen nicht behandelt, oder die Haftbedingungen verschärfen diese noch. In den Gefängnissen sind die sanitären und hygienischen Bedingungen unbefriedigend. Es herrscht Knappheit bei der medizinischen Versorgung, sowohl was Medikamente als auch Personal anlangt. Außerdem besteht ein weitverbreiteter Mangel an Heizung und Ventilation.

Misshandlungen passieren in Polizeigefängnissen, Untersuchungshaftanstalten und gewöhnlichen Haftanstalten. Die Verbindung zur Außenwelt, wie etwa zur Familie, ist ebenso eingeschränkt wie der Informationsfluss über Häftlingsrechte. Verbesserungen haben sich durch das geänderte Strafrecht ergeben, dass Alternativstrafen, wie Geldbußen und Sozialarbeit, für nicht gewaltbezogene Delikte vorsieht. 2015 wurden derartige Alternativstrafen vermehrt angewandt.

Neben der Ausweitung von Bewährungsstrafen kommen auch elektronische Fesseln vermehrt zur Anwendung. Letzteres gilt für drei Kategorien von Verurteilten: jene, die zu einer Begrenzung der Freiheit oder bedingt verurteilt wurden, bzw. jene, die auf Bewährung freikommen. Offiziell werden die Maßnahmen als Teil der Humanisierung des Strafrechts, aber auch als Mittel zur Reduzierung der Häftlingszahlen und damit verbunden zur Kostenersparnis betrachtet.

1.5.9. Ethnische Minderheiten

Laut Schätzung (2009) sind 63,1% der Einwohner ethnische Kasachen; 23,7% Russen; 2,9% Usbeken; 2,1% Ukrainer; 1,4% Uiguren; 1,3% Tataren; 1,1% Deutsch und 4,4% gehören anderen Ethnien an. Von 1999 bis 2009 nahm der Anteil der Kasachen hierbei von 53,5 auf 63,1%zu, jener der Russen als zweitgrößter Gruppe schrumpfte im gleichen Zeitraum von 29,9 auf 23,7%. Mit Ausnahme der Usbeken, haben sich die Anteile aller Minderheiten an der Gesamtbevölkerung verkleinert, auch von Minderheiten, die in absoluten Zahlen gewachsen sind.

Kasachstan ist besonders stolz auf die Tatsache, dass die mehr als 130 Ethnien und mehr als 30 Religionsgruppen im Land friedlich zusammenleben und betont dies auch immer wieder. Entsprechend groß ist die Vielfalt der Sprachen, Religionen, Traditionen und Kulturen - auch wenn früher das "Sowjetische" und heute zunehmend das "Kasachische" im Vordergrund stehen. Nach der Unabhängigkeit hat es eine starke Emigration vieler nichtkasachischer Nationalitäten (Russen, Deutsche, Polen u.v.a.) gegeben, gleichzeitig kehrten Kasachen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, der Mongolei und China in ihre "historische Heimat" zurück. Das Zusammenleben war seit der Unabhängigkeit nicht problemfrei, aber abgesehen von ganz kleinen, lokal begrenzten Auseinandersetzungen, friedlich. Nicht nur in der Verfassung, sondern auch in der Realität genossen die Nationalitäten Schutz; Eintracht zwischen den Nationalitäten war ausdrückliches Politikziel. In den letzten Jahren lässt sich aber deutlich eine "Kasachisierungs"-Tendenz erkennen. Kasachstan wird zunehmend nicht mehr als "gemeinsames Haus", sondern als Haus der Kasachen betrachtet. Nach der Unabhängigkeit wurde Kasachisch in der Verfassung zur Staatssprache erhoben, Russisch erhielt aber eine herausgehobene Sonderrolle als Sprache der interethnischen Kommunikation. Offenbar ausgelöst durch die aktuelle Wirtschaftskrise ist seit 2015 eine neue Ausreisewelle von Russen zu beobachten.

1.5.10. Frauen/Kinder

Knapp 52% der Bevölkerung Kasachstans sind Frauen. Ihre Stellung in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen ist zwar keineswegs dominant und im sozialen Leben und auf der Einkommensskala nicht gleichberechtigt, doch vor allem im Vergleich mit anderen Staaten der Region relativ gut. Das drücken auch die verschiedenen internationalen Gender Indizes aus. Kasachstan hat eine Reihe internationaler Gender Equality Vereinbarungen unterzeichnet.

Auf dem Gender Gap Index des World Economic Forum nahm Kasachstan 2015 Rang 47 von 145 Ländern ein. Überdurchschnittlich war das Abschneiden bei den Subkategorien: "economic participation and opportunity" (mit Ausnahme der Komponente Einkommen, wo lediglich Rang 89 erreicht wurde), "educational attainment" und "health and survival". Unterdurchschnittlich rangierte Kasachstan hinsichtlich der politischen Position von Frauen. Infolge der unterdurchschnittlichen Repräsentanz in politischen Vertretungs- und Regierungsorganen gab es hier bloß Platz 78.

Das Europäische Parlament hieß in der Resolution zur Implementierung der EU-Zentralasien Strategie die kasachische Strategie zur Geschlechtergleichstellung willkommen, bedauerte jedoch gleichzeitig die mangelnde Vertretung von Frauen in den kasachischen staatlichen Entscheidungsorganen trotz der gesetzlich festgelegten 30-Prozent-Quote.

Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, stellt ein Problem dar. Das Gesetz über häusliche Gewalt kennt zahlreiche Arten von häuslicher Gewalt, wie physische, psychologische, sexuelle, und ökonomische und beinhaltet die Zuständigkeiten der lokalen und nationalen Regierungen sowie der NGOs bei der Bereitstellung von Unterstützung für Opfer von häuslicher Gewalt. Für häusliche Gewalt können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Vergewaltigung ist strafbar, das Strafmaß beträgt zwischen drei und fünfzehn Jahren Haft; Vergewaltigung in der Ehe ist hier ebenfalls inkludiert. Nach dem Gesetz kann ein Anwalt, ohne erschwerte Umstände wie z. B. Gruppenvergewaltigung, keinen Vergewaltigungsfall eröffnen, außer es wird Anzeige erstattet. Sobald aber eine Anzeige erstattet ist, muss die Kriminalpolizei ermitteln, auch wenn das Opfer widerruft oder eine Zusammenarbeit ablehnt. Sexuelle Belästigung bleibt ein Problem, da das Gesetz nur bestimmte Formen verbietet. Rechts- und Genderexperten sehen die Gesetzeslage als unzureichend. Es gibt Berichte über Vorfälle von sexueller Belästigung, aber weder hat das Opfer Schutz durch das Gesetz gefunden, noch gab es Berichte von Strafverfolgungen. Die Polizei greift in Familiendispute nur dann ein, wenn sie glaubt, dass der Missbrauch lebensgefährlich ist. Jede regionale Polizeikommandantur verfügt über einen Spezialisten zu Genderfragen, die in der Regel eine Frau ist. Nachdem 2014 Änderungen am Gesetz zur Prävention von häuslicher Gewalt vorgenommen wurden, öffnete die Regierung Schutzeinrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt in Regionen, wo diese noch nicht bestanden hatten. Infolgedessen wurden im Jahr 2014 3.500 Frauen an Krisenzentren verwiesen, um dort rechtliche und psychologische Unterstützung zu erhalten. Laut Innenministerium bestehen 28 Krisenzentren.

Es gibt Berichte von Kindesmissbrauch. NGOs schätzen, dass mehr als die Hälfte aller Kinder unter 14 Jahren zumindest einmal körperlichen oder psychischen Missbrauch durch einen Erwachsenen erfuhr. Missbrauch ist in ländlichen Regionen häufiger anzutreffen. Minderjährige ab 16 Jahren haben das Recht, sich direkt mit einem Ansuchen an das Gericht zu wenden. 2014 gab es 46 strafrechtliche Untersuchungen gegen Eltern oder Betreuer wegen Kindesmissbrauchs. 4.000 Eltern wurden verwaltungsrechtlich belangt, weil sie ihren elterlichen Pflichten nicht nachkamen, wovon 900 ihres Erziehungsrechtes verlustig gingen.

Das UN-Kinderrechtskomitee zeigte sich im Oktober 2015 hinsichtlich der Gewalt gegen Kinder besorgt, wonach es Berichten zufolge noch immer zu Vorfällen von Folter und Misshandlungen von Kindern in Polizeigewahrsam sowie Pflegeeinrichtungen komme. Zwar lobte das Komitee einige positive Gesetzesänderungen, doch es zeigte sich besorgt, dass die Gesetzgebung es verabsäumte, ausdrücklich körperliche Züchtigung zu verbieten. Besorgnis äußerte das Komitee auch hinsichtlich Vorfälle von Gewalt gegen Kinder durch Lehrer mit schwerwiegenden Folgen inklusive des Todes eines Kindes. Weiters gibt es Berichte von steigenden Zahlen von Fällen sexuellen Missbrauches von Kindern und dem Mangel an Schutzeinrichtung für Kindesopfer sexueller Gewalt und Missbrauchs.

1.5.11. Grundversorgung/Wirtschaft

2014 wurde die Führung des Landes offenbar von geringeren Wachstumsraten als in den Vorjahren überrascht. 2013 hatte das BIP ca. 232 Mrd. US-Dollar betragen, das BIP-Wachstum lag bei 6%; 2014 waren es 212 Mrd. US-Dollar und 4,3%. Im Februar 2014 musste der Tenge um fast 20% abgewertet werden. Die Verschiebung bei der Aufnahme der Erdölförderung in Kaschagan zeigte Auswirkungen, vor allem aber bereitet die schwächelnde russische Wirtschaft bei der engen Verknüpfung beider Ökonomien Probleme. Bei der mangelnden Diversifizierung der Wirtschaft hat Kasachstan darüber hinaus wenige Einflussmöglichkeiten. Der global immer weiter sinkende Ölpreis macht die wirtschaftliche Situation immer schwieriger. Ende 2015 hatte der Tenge einen um mehr als 50% geringeren Wert als zu Beginn des Jahres. Die Führung des Landes reagiert mit verschiedenen Antikrisenmaßnahmen. U.a. kündigte der Präsident die Privatisierung diverser großer in staatlicher Hand verbliebener Unternehmen an, was in der Bevölkerung Besorgnis ausgelöst hat. Beobachter halten vor allem auch eine effektive Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption für notwendig.

Die Wertminderung der Landeswährung hat zu einer Diskussion über den Grad der Ungleichheit zwischen den Reichsten und Ärmsten geführt, was zu substantiellen sozialen Brüchen führen könnte. Die beiden ärmsten Regionen sind Mangistau und Süd-Kasachstan. Kasachstan liegt weltweit auf Platz 16, was die Zahl der Millionäre anbelangt. Obwohl nur 3-4% unter der nationalen Armutsschwelle leben - 2001 waren es noch 47%, lauern die soziale Exklusion und Marginalisierung. Was gegen mögliche Proteste infolge der sozialen Ungleichheit spricht, ist die Existenz einer Mittelschicht, die laut einer Studie aus dem Jahr 2014 41% der Bevölkerung umfasst. Das Durchschnittseinkommen entspricht jenem Russlands und liegt weit höher als in den meisten anderen post-sowjetischen Ländern.

Die Reallöhne sind 2013 das zweite Jahr in Folge gesunken. Sowohl Unzufriedenheit mit der eigenen sozialen Lage als auch mit von der Regierung geplanten Reformen wirkt aber nur auf sehr wenige Menschen aktivierend. Anfang Februar 2014 hat die Freigabe des Tenge-Kurses und die darauffolgende Entwertung zu Protesten geführt, was ein Durchgreifen der Sicherheitskräfte provozierte. Die aktuelle Wirtschaftskrise und die damit verbundene Entwertung des Tenge verschärfen die sozioökonomische Lage großer Teile der Bevölkerung. Bislang tragen aber nur verzweifelte Hypothekenschuldner ihren Protest auf die Straße, die Masse der Kasachstaner ist noch ruhig.

Der Anteil der nach internationaler Definition Armen erscheint gering, doch erfordert das Überleben in so teuren Städten wie Almaty und Astana weit mehr als 2 US-Dollar pro Tag. Besonders von Armut betroffen sind häufig Rentner, daneben Arbeitslose und ländliche Zuwanderer. Im Juni 2013 wurde nach kontroversen Diskussionen eine Reform des Rentensystems beschlossen, deren wichtigste Neuerungen die Anhebung des Rentenalters der Frauen von 58 auf 63 Jahre und die Einführung eines eigenen Rentenfonds sind. Die Durchschnittsrente betrug 2011 knapp 180 US-Dollar (das Durchschnittsarbeitseinkommen 2012 663 US-Dollar). Die Arbeitslosenquote lag im Oktober 2014 offiziell bei 5%, inoffizielle Zahlen nennen 15-20%.

Es gibt ein System von finanziellen Unterstützungen und Leistungen. Die finanziellen Beihilfen werden von der öffentlichen Hand an alle bedürftigen Bürger ausgeschüttet, die Leistungen werden von der Sozialversicherung nur an Beitragszahler ausbezahlt. Die Sozialversicherung ist verpflichtend für Arbeitnehmer und Selbständige.

Der sog. monatliche Berechnungsindex (MCI) dient der Berechnung von Pensionen, Beihilfen und anderen Sozialleistungen. 2016 betrug mit Stand 5.1.2016 der MCI 2.121 KZT [das sind 5,59 € mit Stand 16.6.2016). Das Mindestgehalt betrug 2016 22.859 KZT, die Mindestpension 25.824 sowie die Mindeststufe für die Berechnung der Basis für die Sozialbeihilfe 22.859 KZT.

Die Unterstützungszahlungen im Falle der Schwangerschaft und der Kindsgeburt werden als Einmalbeträge gewährt, während das Kindergeld monatlich bis zum Alter von einem Jahr ausgezahlt wird. Die monatliche Kinderbeihilfe bis zu einem Jahr berechnet sich nach dem monatlichen Durchschnittseinkommen der letzten 24 Monate multipliziert mit 0,4 minus 10% Pensionsbeitrag. Die Kinderbeihilfe darf nicht 40% des zehnfachen Mindestlohnes übersteigen. Anlässlich der Kindsgeburt wird für das erste bis dritte Kind das Dreißigfache des MCI-Wertes ausbezahlt (64.080 KZT mit Stand 26.2.2016), für das vierte und weitere 50mal der MCI-Wert. Das zusätzliche Monatsgeld bis zum Alter von einem Jahr beträgt für das erste Kind 5,5mal der MCI, für das zweite 6,6mal der MCI, für das dritte 7,7mal der MCI und für jedes weiter Kind 8,5mal der MCI.

Das Arbeitslosengeld richtet sich nach dem vormaligen Einkommen der letzten 24 Monate multipliziert mit einer Einkommensersatzrate. Die Bezugszeit hängt von der Länge der Beschäftigungszeit ab. Der Ersatzratenfaktor beträgt 0.3. Die Bezugsdauer ist 0,7 bei 11 Monaten Beschäftigung und steigert sich in Stufen bis zu 1,0 bei fünfjähriger Arbeitsdauer.

1.5.12. Medizinische Versorgung

Die ärztliche und zahnärztliche Versorgung in Kasachstan entspricht nicht europäischen Verhältnissen. In Astana, in allen Stadtbezirken Almatys und in den größeren Städten Kasachstans existieren Polikliniken. Die Ausstattung der Apotheken in Kasachstan entspricht nicht europäischem Standard, jedoch sind in der Regel ausreichend Medikamente zur Behandlung unkomplizierter Krankheiten vorhanden.

Die Reform des Gesundheitswesens wurde und wird mit vielerlei Programmen vorangetrieben, während sich das zuständige Ministerium zufrieden mit den Ergebnissen zeigt, sind es die Betroffenen offenbar weniger. Nach Angaben der WHO wurden 2013 nur 4,3% des BIP für den Gesundheitssektor aufgewendet. Ein Überblick zeigt, dass der Gesundheitszustand der Bürger Kasachstans zu wünschen übrig lässt. Die relativ hohe TB-Rate der neunziger Jahre hat sich zwar verbessert, ist aber immer noch vergleichsweise hoch. Nur eine Grundsicherung auf niedrigem Niveau ist kostenfrei, die notwendige Zuzahlung für viele Untersuchungen, plus die häufig geforderten "inoffiziellen" Zahlungen schließen einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung, gerade Rentner, von der medizinischen Betreuung aus. Wer viel zahlen kann, wird bestens und auf höchstem Niveau behandelt. Das Versorgungsangebot ist auch sehr ungleichmäßig, wie überall in den Städten besser als auf dem Land, manche Gebiete Kasachstans sind aber auch sehr viel schlechter versorgt als andere. Dies wird sogar in einem mehrjährigem Unterschied beispielsweise der Lebenserwartung der Bevölkerung sichtbar: im Gebiet Nord-Kasachstan betrug sie 2010 66,3 Jahre, in der Stadt Astana 73,2. Für eine zahlungskräftige ausländische Klientel von Medizintouristen ist Kasachstan dagegen sogar ein Anziehungspunkt geworden. Die Bezahlung des im öffentlichen Sektor beschäftigten medizinischen Personals ist sehr niedrig, was sich auf die Reputation der Gesundheitsberufe und manchmal auch das Engagement auswirkt.

1996 wurde das System der verpflichtenden Krankenversicherung eingeführt, das auf zwei Pfeilern ruhte: dem Basisleistungspaket und dem garantierten Leistungspaket. Das garantierte Leistungspaket umfasst Notversorgung, Transfusionen und Überweisung in Spezialkliniken bzw. zu Programmen für übertragbare Krankheiten. Das Basisleistungspaket umfasst ambulante und stationäre Leistungen. Anfang 2000 wurde ein Nationales Programm für Gesundheitsreform und Entwicklung 2005-2010 angekündigt, welches das staatliche Garantierte Leistungspaket einführte, das vom Staat getragen wird und ambulante, stationäre und Notfallversorgung umfasst. Für nicht umfasste Leistungen müssen Patienten selbst bezahlen oder eine freiwillige oder berufliche etc. Zusatzversicherung abschließen. Auch Medikamente bedürfen der Zuzahlung, außer man wird stationär behandelt. Deshalb versuchen Patienten in Kasachstan, wenn möglich stationär aufgenommen zu werden.

Während der 1990er-Jahre nahm die Zahl der Spitäler in Kasachstan, vor allem in ländlichen Gegenden, um mehr als die Hälfte ab. In den 2000er-Jahren stieg sie wieder leicht auf 10.041 (2009), was 756 Betten pro 100.000 Einwohner entspricht. 2010 kamen 870 Krankenschwestern, 403 Ärzte, 77 Apotheker, 10 Zahnärzte und 42 Hebammen auf 100.000 Einwohner.

HIV/AIDS:

Das umfassende kasachische Gesundheitsprogramm 2011-2015 hat verschiedene Programme und Sektoren zusammengefasst, darunter auch das nationale AIDS-Programm. Besonders die Begleiterkrankung von HIV mit TB wird beachtet. Ein ganzes Sub-Programm widmet sich dem Thema der HIV und TB-Prävention in Gefängnissen.

Tuberkulose (TB):

Tuberkulose stellt in Kasachstan ein relevantes Gesundheitsproblem dar. Es werden ca. 137 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr erfasst. Die Resistenzrate des Tuberkelerregers gegen die üblichen Tuberkulosemedikamente liegt relativ hoch.

Kasachstan gehört zur Gruppe von 27 Ländern, die unter hoher multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB) leiden. Obwohl der Kampf gegen MDR-TB im Gesundheitsprogramm für die Periode 2011-2015 einen Schwerpunkt bildete und das Budget für die TB-Kontrolle erhöht wurde, wurde eine umfassende Behandlung noch nicht erreicht. Dem Land fehlt es auch an Laborkapazitäten für Kultur- und Resistenzprüfungen sowie für die Frühdiagnose von MDR-TB-Fällen. Kasachstan praktiziert eine exzessive Hospitalisierung von Patienten mit TB-Verdacht. Trotz Fortschritten in den letzten Jahren ist die Infektionskontrolle in vielen Gesundheitszentren mit TB-Bezug suboptimal.

1.5.13. Behandlung nach Rückkehr / Migration

Die Lage der Zuwanderer ist prekär, sowohl der kasachischen, die auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen vom Land in die Städte kommen und dort auf Wohnungsprobleme stoßen und nur wenig Geld mit wenig qualifizierten Tätigkeiten verdienen, als auch der Arbeitsmigranten aus den benachbarten zentralasiatischen Republiken, deren Status und soziale Lage noch problematischer sind.

Ein Programm, das darauf zugeschnitten war, die Kasachische Diaspora durch großzügige Beihilfen ins Land zurückzuholen wird nun zurückgefahren. Seit der Unabhängigkeit 1991 verfolgte die Regierung die Politik, ethnische Kasachen, die in der Sowjetära in andere Länder gingen, zurück zu holen um damit die Anzahl der ethnischen Kasachen in Kasachstan zu erhöhen. 700.000 Nachfahren von Emigranten kehrten so zurück. Die Rückkehrenden, "Oralman" genannt, konnten finanzielle Hilfe und nach drei Monaten den Kasachischen Pass erhalten. 2011 wurde das "Oralman Programm" suspendiert. Nun ist die Staatsb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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