TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/4 W193 2132458-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.09.2018
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Entscheidungsdatum

04.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W193 2132457-1/27E

W193 2132458-1/30E

W193 2132456-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER-REISENBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von

1. XXXX ,

2. XXXX , und

3. XXXX ,

alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2016, 1. Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.04.2017 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden XXXX wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und ihnen gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer, beide afghanische Staatsangehörige, reisten gemeinsam illegal in die Republik Österreich ein und stellten am 09.04.2015 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.04.2015 gab der Zweitbeschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass ein Mann namens Jawid vor zweieinhalb Jahren seine Schwester hätte heiraten wollen. Seine Schwester sei dagegen gewesen. Deshalb habe sie Afghanistan verlassen und sei nach Österreich gereist. Dieser Mann habe ihm mehrere Male gedroht, dass er ihn umbringen werde. Aus diesem Grund habe er Afghanistan zusammen mit seiner Ehefrau, der Erstbeschwerdeführerin, verlassen und sei hierher nach Österreich gekommen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

Die Erstbeschwerdeführerin gab bei der Erstbefragung zu ihrem Fluchtgrund an, dass sie dieselben Fluchtgründe wie ihr Ehemann habe. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst um ihr Leben und das ihres Ehemannes habe.

Am 24.07.2015 wurde der gemeinsame Sohn der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführer, geboren.

Am 27.08.2015 stellte der minderjährige Drittbeschwerdeführer, vertreten durch seine Eltern, die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer, einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Es wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Die Beschwerdeführer wurden am 01.03.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dort gaben sie eingangs an, dass sie der Volksgruppe der Usbeken und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft angehören würden.

In der mit dem Zweitbeschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift gab dieser im Wesentlichen an, dass er in Afghanistan in Kabul gelebt habe. Sie hätten zusammen mit seinen Eltern, einem Bruder und einer Schwester in einem gemieteten Haus gewohnt. Es sei ihnen finanziell gut gegangen. Seine Frau und seine Mutter seien Hausfrauen gewesen, sein Bruder sei Schüler gewesen und seine Schwester habe studiert. Sein Vater habe ein Geschäft für getrocknetes Obst und Gemüse gehabt. Der Zweitbeschwerdeführer selbst habe an der Universität studiert und diese auch abgeschlossen. Er habe keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern, da es ihm nicht möglich gewesen sei, diese zu erreichen. Er sei aus Afghanistan geflüchtet, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Der Sohn eines mächtigen Mannes habe seine Schwester zur Frau haben wollen. Seine Schwester, sie wohne mittlerweile in XXXX , habe diesen nicht heiraten wollen, da dieser bereits zwei Frauen gehabt hätte. Der Sohn des Mannes habe sie dann bedroht, geschlagen und Gewalt gegen sie ausgeübt. Seine ganze Familie sei aus ihrem Haus geflüchtet, um woanders zu wohnen. Nach einiger Zeit habe er sie aber wieder gefunden. Er habe sie töten wollen. Er habe seinen Vater immer gefragt, wo seine Tochter, die Schwester des Erstbeschwerdeführers, sei. Sie hätten ihm gesagt, dass sie nicht wüssten, wo sich diese befinde, er habe ihnen aber nie geglaubt. Sie hätten dann um Zeit gebeten, um zu schauen, wo sich diese befinde. Er und seine Frau, die Erstbeschwerdeführerin, seien dann nach Europa geflüchtet. Sie seien in keinem Landesteil von Afghanistan sicher, da die Familie des mächtigen Mannes Kontakt zu den Behörden habe und sie überall leicht finden würde. Sie hätten sich nur durch die Flucht retten können. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würden ihn die Leute finden und töten.

Die Erstbeschwerdeführerin gab in der mit ihr vor dem Bundesamt aufgenommen Niederschrift an, dass sie circa acht Monate in Kabul gelebt habe. Vor ihrer Hochzeit habe sie in XXXX gelebt. Sie habe zwölf Jahre die Schule besucht. Ihre Familie lebe in XXXX . Sie hätten gemeinsam mit den Eltern und einem Bruder ihres Mannes in einem Haus in Kabul gelebt. Es sei ihnen finanziell sehr gut gegangen. Sie sei Hausfrau gewesen. Sie habe Afghanistan verlassen, da ihr Leben in Gefahr gewesen sei. Der Sohn eines mächtigen Mannes habe sie töten wollen. Einmal seien in der Nacht mehrere Leute zu ihnen gekommen und hätten ihren Mann und ihren Schwiegervater geschlagen. Sie hätten immer nach der Schwester ihres Mannes gefragt. Sie hätten ihnen ein bisschen Zeit gelassen, um diese zu finden und ihnen zu übergeben. Sie sei sehr überrascht gewesen und habe, da sie gesehen habe, wie sie "gedroht und geschlagen" hätten, große Angst gehabt. Sie habe dieselben Fluchtgründe wie ihr Ehemann, der Erstbeschwerdeführer.

Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2016, Zln. XXXX , wurden die Anträge der Erst- bis Drittbeschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Erst- bis Drittbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und wurde die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan keinen Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen seien und solche auch nicht zu erwarten haben. Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt aus, dass den Beschwerdeführern in Kabul ein innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Der Zweitbeschwerdeführer leide nicht an gesundheitlichen Einschränkungen und würde bei einer Rückkehr eine Arbeit finden, bei welcher er und seine Familie zumindest ihr Existenzminimum sichern könnten. Das Bundesamt gelangte damit zum Ergebnis, dass bei den Beschwerdeführern die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht vorliegen würden. In Spruchpunkt III. wurde dargelegt, dass aus dem Privatleben der Beschwerdeführer keine objektiven Gründe ersichtlich seien, die einer Ausweisung entgegenstehen würden. Es wurde den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt.

Mit Verfahrensanordnung vom 26.07.2016 wurde den Beschwerdeführern der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Am 11.08.2016 legte der Rechtsanwalt Dr. Hans Jalovetz eine Vollmacht vor.

Mit Beschwerdeschriftsätzen vom 10.08.2016 erhoben die Beschwerdeführer gegen die genannten Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und führten aus, dass sich aus ihrem Fluchtvorbringen ein Fluchtgrund ergebe. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Die Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer seien glaubhaft, dies würde unter anderem durch die Asylgewährung der Schwester des Zweitbeschwerdeführers belegt werden, welcher aufgrund Verfolgung durch Private der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und nicht, wie von der belangten Behörde behauptet, aufgrund von westlicher Orientierung. Es wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Beschwerden und die Bezug habende Verwaltungsakte langten am 16.08.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 21.03.2017 legte der Rechtsanwalt Dr. Helmut Blum eine Vollmacht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.04.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Dabei brachte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie in der Provinz XXXX geboren sei und mit ihrer Familie in XXXX gelebt habe. Sie habe in XXXX geheiratet, der Vater ihres Mannes sei gut mit ihrem Vater befreundet. Die Familien hätten sich gegenseitig besucht. Daraufhin hätten ihr Mann und sie über "Facebook" Kontakt aufgenommen und sich besser kennengelernt. Sie hätten einander geliebt. Es hätten viele Interessenten um ihre Hand angehalten. Da sie aber aus einer modernen Familie stamme, habe sie ganz offen zu ihrem Vater gesagt, dass es bereits einen Mann gebe, welchen sie liebe. Ihr Vater sei mit ihrer Entscheidung einverstanden gewesen und sie habe ihren Mann am 07.08.2014 in XXXX geheiratet. Sie habe die zwölfte Klasse abgeschlossen. Ihre Eltern hätten ihr erlaubt, zu arbeiten und auch zu studieren, aber in der afghanischen Gesellschaft sei dies für Frauen nicht möglich. Sie hätte gerne arbeiten und selbständig Geld verdienen wollen. Sie habe nicht ihr Leben lang finanziell von ihrem Vater abhängig sein wollen. Auch jetzt wolle sie nicht von ihrem Ehemann abhängig sein. Sie habe immer den Wunsch gehabt, auf eigenen Füßen zu stehen und ein eigenständiges Leben zu führen. Wenn sie in XXXX auf die Straße gegangen sei, habe sie ein Kopftuch getragen und sich normal angezogen. Sie habe über ihre Bekleidung keine Burka und auch keinen Mantel getragen. Dies sei abhängig davon, in welcher Familie man aufgewachsen sei. Manche Familien seien konservativ und würden ihre Frauen nicht aus dem Haus lassen. Ihre Familie habe ihr erlaubt normal gekleidet auf die Straße zu gehen, dies werde natürlich von der Gesellschaft kritisiert, wiewohl ihr eine Art "Sitten-oder Bekleidungspolizei" nicht bekannt sei. Ihre Eltern sowie ihre vier Brüder und ihre Schwester würden noch in XXXX leben. Ihre Großeltern würden in XXXX leben. Ihre Eltern würden in einem Eigentumshaus mit Garten leben. Ihr Vater arbeite für eine Organisation zur Unterstützung von Kindern in XXXX . Er verdiene circa 800-900 Dollar im Monat. Die finanzielle Lage ihrer Familie sei sehr gut. Die Familie rufe die Erstbeschwerdeführerin circa einmal im Monat an. Ihren Eltern gehe es gut. Sie habe Afghanistan verlassen, weil ihr Leben und das Leben ihres Mannes, des Zweitbeschwerdeführers, in Gefahr gewesen sei. Der Sohn, XXXX , eines Kommandanten namens XXXX habe sie töten wollen. Dieser habe die Schwester ihres Mannes heiraten wollen. Diese habe dies nicht gewollt. Sie habe ihren Cousin väterlicherseits geliebt und sich entschieden, diesen zu heiraten. Die Familie ihres Mannes habe sich gegen die Heirat der Schwester ihres Mannes mit dem Sohn des Kommandanten ausgesprochen, weshalb diese bedroht worden sei. Sie wisse nicht, ob der Kommandant der Regierung oder welcher Gruppierung zugehörig sei. Der Sohn des Kommandanten sei eines Abends bewaffnet in das Haus ihrer Schwiegereltern, in welchem auch ihr Mann und sie gelebt hätten, gekommen. Sie wisse nicht, wie oft er bei ihrer Schwiegerfamilie gewesen sei, sie habe es nur einmal miterlebt. Ihr Mann und ihr Schwiegervater seien damals zusammengeschlagen worden. Die Familie sei mit dem Tod bedroht worden, der Sohn des Kommandanten habe gefordert, dass die Familie ihre Schwägerin zurückhole und ihm überlasse. Am darauffolgenden Tag sei die ganze Familie in das Haus eines Freundes des Schwiegervaters geflohen. Der Schwiegervater habe dann ihre Flucht organisiert. Die Erstbeschwerdeführerin wolle in Österreich unbedingt eine Lehre machen und arbeiten. Sie wünsche sich, dass ihr Kind in Österreich studiere und einen angesehen Beruf habe. Sie wünsche sich, dass der Zweitbeschwerdeführer arbeite und sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen seien. Eine Rückkehr nach Afghanistan würde für ihre Familie und sie den Tod bedeuten.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Wesentlichen an, dass er seine Frau kennen gelernt habe, da sein Vater und deren Vater gut befreundet seien. Die Familien hätten einander gegenseitig besucht. Seine Frau und er hätten einander gern gehabt und sich entschlossen zu heiraten. Er wisse nicht, wo seine Familienangehörigen seien, seit zwei Jahren wisse er nichts von ihnen. Er habe eine Tante väterlicherseits, welche in XXXX lebe. In Kabul habe er ein Universitätsstudium absolviert, er sei Bachelor in Business Administration. Afghanistan habe er verlassen, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Der Sohn eines Kommandanten habe sie vernichten wollen. Dieser Kommandant namens XXXX und sein Sohn XXXX seien sehr mächtige Leute gewesen. Er könne sie keiner konkreten Gruppierung zuordnen, aber sie würden sehr viel Macht und Einfluss in Afghanistan haben. Sie seien bewaffnet bei ihnen zu Hause gewesen und hätten sie zusammengeschlagen. Sie seien zweimal innerhalb von Kabul umgezogen, jedes Mal seien sie gefunden und bedroht worden. Zuletzt hätten sie im Kabuler Stadtteil XXXX gewohnt; zuvor in XXXX . Er könne nicht zuordnen, in welcher Gegend oder in welcher Stadt der Kommandant seine Kommandantur geführt habe, aber Kommandanten hätten überall ihren Einfluss ausüben und überall sein können. Der Kommandant habe sich gegen seine Familie gerichtet, da sein Sohn seine Schwester habe heiraten wollen. Er habe ihnen die Forderung gestellt, seine Schwester mit ihm zu verheiraten, andernfalls würde er sie alle töten. Seine Schwester heiße XXXX und wohne nunmehr in XXXX . Das letzte Mal sei der Sohn des Kommandanten bewaffnet mit drei Männern und zu ihnen gekommen. Sein Vater und er seien zusammengeschlagen und mit dem Tod bedroht worden. Sie hätten sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen müssen. Zunächst hätten sie sich ein paar Tage im Haus eines Freundes seines Vaters versteckt. In dieser Zeit habe sein Vater für den Zweitbeschwerdeführer und seine Frau die Möglichkeit geschaffen, Afghanistan zu verlassen. Der Vater des Zweitbeschwerdeführers habe eine Militärakademie/Militäruniversität absolviert. Seine Arbeit beim Militär habe er vor vielen Jahren aufgegeben, dann habe er in seinem Geschäft Trockenfrüchte verkauft. Sie hätten nicht zu Verwandten gehen können, da sie gefährdet gewesen seien und somit auch andere in Gefahr gebracht hätten. Der Zweitbeschwerdeführer wolle in Österreich arbeiten und selbständig für seine Familie sorgen. Seine Frau, die Erstbeschwerdeführerin gehe derzeit in die Schule. Er wolle, dass diese die Schule abschließe und anschließend eine Ausbildung mache. Sie habe freie Berufswahl.

Mit Schreiben vom 26.04.2017 wurde von den Beschwerdeführern eine Stellungnahme zu den Länderinformationen abgegeben und ergänzende Ausführungen zur Lage in Afghanistan gemacht.

Mit gemeinsamen Erkenntnis vom 17.05.2017 zu den Zl. W193 2132457-1/10E, W193 2132458-1/12E und W193 2132456-1/9E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden infolge ab.

Über die gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.05.2017 erhobene Beschwerde entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit Erkenntnis vom 21.09.2017, Zl. E 2130-2132/2017-14, indem er hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise auf eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander erkannte. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten lehnte der VfGH die Behandlung ab und trat die Beschwerde über Antrag der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 03.11.2017, Zl. E 2130.2132/2017-16, an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zur Entscheidung ab.

Mit Erkenntnis vom 28.06.2018, Zl. Ra 2017/19/0579 bis 0581-5, behob der VwGH die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten. Begründend führte er aus, das Bundesverwaltungsgericht habe verabsäumt, sich hinsichtlich der westlich orientierten Lebensweise der Erstbeschwerdeführerin dahingehend auseinanderzusetzen, ob bzw. mit welchen staatlichen oder nichtstaatlichen Reaktionen sie aufgrund ihres selbstbestimmten westlichen Lebensstils rechnen müsste und ob diese Reaktion aufgrund der Schwere als Verfolgung angesehen werden können und ob ihr - im Fall von Privatverfolgung - staatlicher Schutz gewährt werden würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben am 07.08.2014 in XXXX geheiratet, sind somit Ehegatten und zudem Eltern des am 24.07.2015 in XXXX , Österreich, geborenen minderjährigen Drittbeschwerdeführers.

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, gehören zur Volksgruppe der Usbeken und sind Angehörige des sunnitisch-muslimischen Glaubens.

Der Zweitbeschwerdeführer hat am 01.05.2014 in Kabul an der XXXX einen Ausbildungsabschluss als "Bachelor of Business Administration - BBA" erlangt und hat berufliche Erfahrungen durch seine Tätigkeit als Finanzmanager bei einer NGO in Kabul gesammelt.

Am 09.04.2015 stellten die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz.

Am 24.07.2015 wurde der Drittbeschwerdeführer geboren, dieser stellte am 27.08.2015, vertreten durch seine Eltern, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes.

1.2 Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer wohnten unmittelbar vor ihrer nunmehrigen Ausreise aus Afghanistan in der Stadt Kabul, im Stadtteil XXXX , im Haus der Eltern des Zweitbeschwerdeführers, in abgesicherten Verhältnissen. Der Vater des Zweitbeschwerdeführers absolvierte eine Militäruniversität bzw. Militärakademie, war im Militärdienst tätig und besitzt seit vielen Jahren ein Geschäft für den Handel mit Trockenfrüchten.

Die Familie der Erstbeschwerdeführerin, insbesondere ihre Eltern und ihre Geschwister, leben in XXXX . Die wirtschaftliche Lage der Familie der Erstbeschwerdeführerin ist sehr gut. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin verdient circa 800 bis 900 Dollar pro Monat mit einer Arbeit in einer Organisation zur Unterstützung von Kindern XXXX . Die Familie lebt in einem Eigentumshaus mit Garten. Die Erstbeschwerdeführerin hat etwa einmal im Monat telefonischen Kontakt zu ihrer Familie in XXXX und dieser geht es auch gut.

Die Erstbeschwerdeführerin lebte bis zu ihrer Eheschließung in XXXX in abgesicherten Verhältnissen, konnte 12 Jahre Schulbildung erlangen. Es war ihr erlaubt, den Mann ihrer freien Wahl zum Ehemann zu nehmen, wobei sie die aufkeimende Beziehung mit ihrem Mann über die Social-Media-Plattform "Facebook" festigen konnte. Die Erstbeschwerdeführerin hatte nie Nachteile als Angehörige der Volksgruppe der Usbeken zu erleiden.

1.3 Die Schwester des Zweitbeschwerdeführers namens XXXX , verehelichte XXXX , stellte am 30.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie heiratete am 04.12.2013 ihren nunmehrigen Ehegatten in XXXX . Zur Zeit ihrer Flucht aus Kabul war die Familie des Zweitbeschwerdeführers im Stadtteil XXXX wohnhaft. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2014, Zl. 13-86454104/14066362/BMI-BFA_K_RD, wurde Meral Alim der Status der Asylberechtigten zugesprochen, weil sie von Zwangsverheiratung bedroht war.

1.4 Die Erstbeschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Sie selbst lebt in Österreich nicht nach dieser Tradition. Die Lebensweise der ERSTBESCHWERDEFÜHRERIN in Österreich ist als "westlich" zu bezeichnen. Ihre Lebensumstände in Afghanistan stünden mit jenen, welche sich die ERSTBESCHWERDEFÜHRERIN aus freiem Willen zu gestalten wünscht, in unüberwindbarem Gegensatz.

1.5 Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom XXXX ):

Friedens- und Versöhnungsprozess

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden.

Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen -ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff:

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Grundversorgung/Wirtschaft

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11.2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11.2016).

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11.2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11.2016).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11.2016).

Medizinische Versorgung

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9.2016).

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9.2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9.2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9.2016).

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9.2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9.2016).

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet - (AI 24.2.2016).

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

Usbeken

Die usbekische Minderheit ist die viert-größte Minderheit Afghanistans (WSJ 23.1.2017); die etwa 9% der Bevölkerung ausmacht (GIZ 1.2017). Usbeken sind Sunniten und siedeln sowohl im ländlichen Raum, wie auch in urbanen Zentren (Mazar-e Sharif, ebenso Kabul, an Kandahar, Laschkargah u.a.), wo ihre Wirtschafts- und Lebensformen kaum Unterschiede zu Dari-sprachigen Gruppen aufweisen. In den Städten und in vielen ländlichen Gegenden sind Usbeken zweisprachig. Sie beherrschen neben dem Usbekischen auch Dari auf nahezu muttersprachlichem Niveau. Heiratsbeziehungen zwischen Usbeken und Tadschiken sind keine Seltenheit (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Der wohl berühmteste Führer der Usbeken ist Abdul Rashid Dostam (CRS 12.1.2015); ein ehemaliger Warlord, der gleichzeitig der Anführer der usbekischen Minderheit in Afghanistan ist. Mittlerweile ist er erster Vizepräsident Afghanistans (WSJ 23.1.2017).

Die usbekische Minderheit ist im nationalen Durchschnitt mit etwa 8% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Frauen:

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Bildung

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 - 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren

63.911 Frauen (CSO 2016).

Frauenuniversität in Kabul

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vgl. auch:

MORAA 31.5.2016).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vgl. auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

Berufstätigkeit

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

Frauen im öffentlichen Dienst

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9.2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9.2016).

Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das I

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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