Entscheidungsdatum
05.09.2018Norm
AlVG §10Spruch
W228 2202649-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter POPPENBERGER sowie Franz KOSKARTI als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , SV XXXX , in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice Wien Johnstraße zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Bei der am 02.02.2018 vor dem Arbeitsmarktservice Wien Johnstraße wegen Nichtannahme bzw. Nichtzustandekommen der am 14.12.2018 als Reiseveranstalter-Fachkraft beim Dienstgeber XXXX zugewiesenen Beschäftigung aufgenommenen Niederschrift gab XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) im Wesentlichen zu Protokoll, dass sie technische Probleme gehabt habe und daher keine Bewerbung machen habe können. Sie habe versucht über eine geringfügige Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren und habe aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme eine Kur beantragt.
Mit Bescheid des AMS vom 19.02.2018 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm §10 AlVG für den Zeitraum 16.01.2018 bis 26.02.2018 verloren hat. Nachsicht wurde nicht erteilt. Der angeführte Zeitraum verlängert sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten das Zustandekommen einer vom AMS zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung bei der Firma XXXX ohne Angabe triftiger Gründe vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 07.03.2018 fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass sie sich sehr wohl um Arbeitsplätze umgesehen habe und auch bereits Anfang Jänner eine Stelle in Aussicht gehabt habe, wobei am 15.01.2018 schon klar gewesen sei, dass die Einstellung am 24.01.2018 erfolgen werde, weshalb sie sich auf die vom AMS ausgeschriebene Stelle nicht beworben habe. Die Beschwerdeführerin führte weiters aus, dass ihr psychischer und körperlicher Gesundheitszustand nach dem Verlust ihrer Mutter nicht gut sei und sie bereits in einem vorangegangenen Gespräch ihrer AMS-Beraterin gegenüber die immer wieder auftretenden Migräneanfälle, Schlaf-, Konzentrations- und Verdauungsstörungen kundgetan habe, woraufhin die Beraterin der Beschwerdeführerin angeboten habe, sie kurzfristig aus der Vermittlung zu nehmen, was die Beschwerdeführerin jedoch abgelehnt habe, mit der Begründung, dass sie sich möglichst rasch wieder ins Arbeitsleben integrieren wolle. Hätte die Beschwerdeführerin bei diesem Gespräch dem Vorschlag der Beraterin, sie kurzfristig aus der Vermittlung zu nehmen, zugestimmt, wäre jetzt nicht über eine Sperre zu diskutieren. Sie sei in keiner guten körperlichen Verfassung und habe vor dem AMS auch den Kuraufenthalt, der mittlerweile seitens der PVA für 13.03.-03.04.2018 bewilligt wurde, erwähnt. Weiters wurde ausgeführt, dass sie immer wieder technische Probleme mit ihren alten Geräten habe, die ihr öfter den Zugriff auf ihre Bewerbungsunterlagen erschweren würden.
Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine mit 09.05.2018 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin für die ihr vom AMS am 14.12.2017 zugewiesene Stelle als Reiseveranstalter-Fachkraft nicht beworben habe. Sie habe im Zuge des Beschwerdevorprüfungsverfahrens die Einladung für das BBRZ bezüglich der Abklärung ihrer in der Beschwerde angeführten gesundheitlichen Einschränkungen erhalten, habe den Termin jedoch aufgrund eines Krankenstandes nicht wahrgenommen. Weiters habe sie das Angebot ihrer Beraterin, sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme kurzfristig aus der Vermittlung auszunehmen, selbst abgelehnt, mit der Begründung sich rasch wieder in den Arbeitsmarkt integrieren zu wollen. Es sei daher davon auszugehen, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Arbeitsfähigkeit vorgelegen sei.
Mit Schreiben vom 28.05.2018 stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Vorlage. Es wurde ausgeführt, dass ihr Fall ohne Vorsprache beim BBRZ (wie ursprünglich von Seiten des AMS gefordert) ergangen sei.
Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 03.08.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Vor Erlassung des Erstbescheids vom 19.02.2018 fanden keine Erhebungen zur Zumutbarkeit der vermittelten Stelle trotz mehrerer Krankenstände statt.
Die Beschwerdeführerin verwies in der Beschwerde auf gesundheitliche Probleme (Migräneanfälle, Schlaf-, Konzentrationsstörungen, Verdauungsstörungen). Sie gab dem AMS auch einen Kuraufenthalt von 13.03.-03.04.2018 bekannt.
Eine Zubuchung zum BBRZ, die vom AMS für notwendig befunden wurde, kam im Beschwerdevorprüfungsverfahren aufgrund eines Krankenstandes der Beschwerdeführerin nicht zustande.
Es wurde trotzdem eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit 09.05.2018 erlassen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, insbesondere aus der internen Mitteilung vom 15.03.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS Wien Johnstraße.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG.
"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde:
Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat oder, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat oder, wenn die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Der angefochtene Bescheid erweist sich, aus folgenden Gründen, als mangelhaft:
Die Beschwerdeführerin führt in der Beschwerde gesundheitliche Probleme an und bringt auch vor, dass ihr seitens der PVA von 13.03.-03.04.2018 ein Kuraufenthalt genehmigt worden sei. In einer Mitteilung des AMS mit Erledigungsvermerk vom 15.03.2018 im Zuge des Beschwerdevorprüfungsverfahrens wurde ausgeführt, dass betreffend die Beschwerdeführerin eine BBRZ Zubuchung vorzunehmen sei mit der Fragestellung ob der Beschwerdeführerin mit ihren gesundheitlichen Einschränkungen die Stelle bei der Firma XXXX als Reiseveranstalter-Fachkraft zumutbar gewesen wäre. Es ist sohin offensichtlich, dass die belangte Behörde Zweifel daran hatte, ob die zugewiesene Stelle die Zumutbarkeitskriterien gemäß § 9 Abs. 2 AlVG erfüllte. Die belangte Behörde hat es in weiterer Folge jedoch unterlassen, die Beschwerdeführerin zum BBRZ vorzuladen, zumal die Beschwerdeführerin den möglichen Einladungstermin zum BBRZ am 18.04.2018 aufgrund eines Krankenstandes nicht wahrnehmen konnte. In weiterer Folge hat die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde, ohne die Beschwerdeführerin zur Untersuchung geschickt zu haben.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt als bloß ansatzweise ermittelt erweist, sodass grundlegende und geeignete Ermittlungen und darauf aufbauende Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen. Da die belangte Behörde negativ mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat, anstatt die Beschwerdeführerin zur Untersuchung zum BBRZ zu schicken, erscheint es offensichtlich, dass die belangte Behörde versucht, die Untersuchung an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren. Es ist weiters fallgegenständlich offensichtlich, dass die Behörde im Hauptverfahren vor Erlassung des Erstbescheids gar keine Ermittlungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin und somit der Zumutbarkeit der zugewiesenen Stelle vorgenommen hat und ihr im Beschwerdevorentscheidungsverfahren die Zeit für die schon bis dahin fehlenden Ermittlungen ausgegangen ist. Anstelle der Behebung der eigenen Erstentscheidung und Zurückverweisung zu weiteren Ermittlungen, entschied die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin. Somit ist auch an diesem Zeitnotstand erkennbar, dass die Absicht der Delegierung der Ermittlungsschritte auf das Bundesverwaltungsgericht vorlag.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zum BBRZ vorzuladen haben und aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchung einen neuen Bescheid zu erlassen haben.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat daher den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
In der Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht wurde ausgeführt, dass im erstbehördlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, vielmehr orientiert sich der vorliegende Beschluss an der aktuellen Rechtsprechung (26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 und 24.02.2016, Zl. Ra 2015/08/0209) des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Gesundheitszustand, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W228.2202649.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.11.2018