Index
000;Norm
EStG 1988 §33 Abs4 Z3 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der G in G, vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, Churerstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 24. Februar 1997, Zl. 3095-6/96, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall ist die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Monate Mai bis Juli 1995 sowie die Monate März bis Juni 1996 in Bezug auf die am 2. Februar 1974 geborene Tochter Jasmine (im Folgenden: Tochter) der Beschwerdeführerin strittig.
Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 14. Februar 1996 dem Finanzamt bekannt gegeben, dass die Tochter seit 13. November 1995 berufstätig und bis dahin keinerlei Beschäftigung nachgegangen sei. Nach Abschluss eines Vorhalteverfahrens habe das Finanzamt mit Bescheid vom 17. Juni 1996 die für die Tochter gewährte Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Mai 1995 bis Juni 1996 mit der Begründung zurückgefordert, dass die Tochter am 28. April 1995 den Schulbesuch an einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt abgebrochen habe. Die Berufung bekämpfe die Rückforderung insoweit als davon die Zeiträume Mai bis Juli 1995 und März bis Juni 1996 betroffen seien. Unbestritten sei - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides -, dass die Tochter die Höhere Technische Bundeslehranstalt (HTL) ab 29. April 1995 nicht mehr besucht, sich danach innerhalb des Rückforderungszeitraumes (5/95 bis 6/96) nicht mehr in Berufsausbildung befunden habe und seit dem 13. November 1995 berufstätig sei. Die Beschwerdeführerin sei der Ansicht, dass bezüglich der Monate Mai, Juni und Juli 1995 für die Gewährung der Familienbeihilfe § 2 Abs. 1 lit. d FLAG zur Anwendung komme, wonach für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Diese Ansicht könne die belangte Behörde nicht teilen, weil die genannte Gesetzesstelle diese Weitergewährung der Familienbeihilfe nur für die "Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung" vorsehe und die Tochter ihre an der HTL begonnene Berufsausbildung "im April 1995 nicht" abgeschlossen habe. Zur Rückforderung für die Monate März bis Juni 1996 sei die Beschwerdeführerin der Meinung, diese sei deshalb zu Unrecht erfolgt, weil sie dem Finanzamt im Februar und dann nochmals im März 1996 Meldung darüber erstattet habe, dass die Tochter im November 1995 ein Arbeitsverhältnis aufgenommen habe. Zu diesem Vorbringen sei vorweg festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung zur rechtzeitigen Meldung des Wegfalles der Anspruchsvoraussetzungen binnen der Monatsfrist des § 25 FLAG nicht nachgekommen sei. Obwohl die Tochter bereits am 13. November 1995 ein Arbeitsverhältnis eingegangen sei, habe die Beschwerdeführerin diesen Umstand dem Finanzamt erst mit Schreiben vom 14. Februar 1996 mitgeteilt. Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für die Tochter sei mit Ende des Monates April 1995 erloschen. Ebenso wie für die Monate Mai 1995 bis Februar 1996 zu Unrecht Familienbeihilfe bezogen worden sei, gelte dies auch für die Monate März bis Juni 1996. Die einschränkende Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG, wonach zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe insoweit nicht zurückzuzahlen ist, als der unrechtmäßige Bezug durch eine unrichtige Auszahlung durch den Dienstgeber oder eine auszahlende Stelle verursacht worden ist, sei gegenständlich nicht anzuwenden. Das Finanzamt sei weder Dienstgeber der Beschwerdeführerin noch auch auszahlende Stelle im Sinne der Bestimmungen des FLAG gewesen. Auch könne dem Finanzamt nicht der Vorwurf gemacht werden, es hätte die Angelegenheit der Beschwerdeführerin schleppend erledigt und dadurch bewirkt, dass die Beschwerdeführerin für ihre Tochter über den Monat Februar 1996 hinaus Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge bezogen habe. Abgesehen davon, dass die Finanzämter auch in Angelegenheiten der Familienbeihilfe über eine Vielzahl von Anbringen zu entscheiden hätten, ergebe sich im Berufungsfall aus der Aktenlage, dass das Finanzamt die Meldung der Beschwerdeführerin vom 14. Februar 1996 schon am 4. März 1996 in Bearbeitung genommen habe. An diesem Tag sei von der Beschwerdeführerin eine Bestätigung abverlangt worden, aus der sich ergebe, ab wann die Tochter nicht mehr die Schule besucht habe. Zur Klärung dieser Frage seien sodann weitere Ermittlungen erforderlich gewesen. Erst durch ein Schreiben der HTL vom 8. Mai 1996 sei der Sachverhalt geklärt gewesen. Die Beschwerdeführerin könne nicht einwenden, sie hätte für ihre Tochter die Familienbeihilfe im guten Glauben bezogen und verbraucht. Wenn die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 14. Februar 1996 dem Finanzamt mitgeteilt habe, dass ihre Tochter seit 13. November 1995 in einem Arbeitsverhältnis stehe, habe sie diese Mitteilung doch deswegen gemacht, weil es ihr bewusst gewesen sei, dass sie folglich jedenfalls ab Dezember 1995 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für dieses Kind mehr gehabt habe. Auf die Anwendung der von der Beschwerdeführerin ins Spiel gebrachten Bestimmung des § 26 Abs. 4 FLAG habe die Partei keinen Anspruch, weil es sich dabei um eine Maßnahme im Rahmen des Aufsichtsrechtes handle. Nach dieser Bestimmung seien die Oberbehörden ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, "wenn die Rückforderung" unbillig wäre. Die Abstandnahme von der Rückforderung erfolge nicht durch einen verfahrensrechtlichen Bescheid, sondern dadurch, dass es das Finanzamt über Weisung der Oberbehörde unterlasse, einen Rückzahlungsbescheid zu erlassen. "Nach erfolgter Rückforderung" von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe sei eine Maßnahme nach § 26 Abs. 4 FLAG, also eine Abstandnahme von der Rückforderung der Familienbeihilfe, ausgeschlossen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 10. Juni 1997, B 903/97, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde in ihrem Recht auf fehlerfreie Handhabung des verwaltungsbehördlichen Ermessens im Rahmen der beantragten Nachsicht von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges im Sinn des § 26 Abs. 4 FLAG verletzt. Weiters sieht sie eine Rechtsverletzung in der unrichtigen Anwendung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG in Bezug auf die "Erhaltung von Familienbeihilfe für die Zeit von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung" der Tochter. Schließlich sei die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Unterlassung einer Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf eine Maßnahme nach § 26 Abs. 4 FLAG beruft, kann dies ihrer Beschwerde zu keinem Erfolg verhelfen. Auf eine in § 26 Abs. 4 FLAG ermöglichte aufsichtsbehördliche Maßnahme der Oberbehörde besteht nämlich kein Rechtsanspruch (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1998, 98/13/0067). Es ist damit auch rechtlich nicht von Bedeutung, ob die Beschwerdeführerin nach dem Beschwerdevorbringen bereits in einem Schreiben vom 27. März 1996 (sohin vor Ergehen des erstinstanzlichen Rückforderungsbescheides) das Finanzamt um "Nachsicht von der Rückforderung" ersucht und die belangte Behörde diesen Sachverhalt zu Unrecht nicht festgehalten habe.
Nach der näheren Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, wenn diese für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG bestimmt, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung aufrecht bleibt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1991, 90/13/0241, vom 20. November 1996, 94/15/0130, und vom 16. November 1993, 90/14/0108). Wird die Tätigkeit, durch die ein Kind "für einen Beruf ausgebildet" wird, abgebrochen, kann ab der Beendigung nicht mehr von einer Berufsausbildung des Kindes und einem danach fortbestehenden Anspruch auf Familienbeihilfe gesprochen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1995, 93/15/0133).
Dieser Zielsetzung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, nämlich der Anspruchsvermittlung für die Familienbeihilfe (und damit über die Bestimmung des § 33 Abs. 4 Z.3 lit. a EStG 1988 auch des Kinderabsetzbetrages) nur durch eine zielgerichtete, ernstlich betriebene Berufsausbildung würde es widersprechen, wenn nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG ein vorzeitiger Abbruch der Berufsausbildung die dort normierte Weitergewährung für die Dauer von drei Monaten nach sich ziehen könnte. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Ablehnungsbeschluss vom 10. Juni 1997 zum Vorbringen der Beschwerdeführerin in Richtung Verletzung des Rechtes auf Gleichbehandlung darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen die Zielsetzung der Bestimmungen der lit. b und d des § 1 Abs. 2 (gemeint wohl § 2 Abs. 1) FLAG verkennt. Wenn daher die belangte Behörde auch entsprechend dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG, der ausdrücklich vom "Abschluss der Berufsausbildung" spricht, zu ihrer abweisenden Berufungserledigung hinsichtlich der Monate Mai bis Juli 1995 gelangte, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Rückforderung der Familienbeihilfe hatte die belangte Behörde auf § 26 Abs. 1 FLAG idF StruktAG 1996, BGBl. 201/1996, zu stützen. Für die Geltendmachung des Rückforderungsanspruches ist nämlich die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltende Rechtslage maßgeblich (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1997, 97/15/0013). Zu der somit maßgebenden Gesetzesfassung hat der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom 25. Juni 1997 die Auffassung vertreten, dass nach der durch das StruktAG 1996 (ab 1. Mai 1996) geänderten Rechtslage auch das Finanzamt als "auszahlende Stelle" im Sinne des § 26 Abs. 1 FLAG anzusehen ist. Eine Rückzahlungsverpflichtung kann damit auch dann nicht zum Tragen kommen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt (als auszahlende Stelle) verursacht worden ist.
Der Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes wird ebenfalls durch die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltende Rechtslage gebildet. Wenn der Gesetzgeber zwischen der Erlassung des angefochtenen Bescheides und der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof das Gesetz rückwirkend ändert, hat dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unbeachtlich zu bleiben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1986, 86/08/0063, SlgNr. 12.197/A, sowie Jabloner, ÖJZ 1995, 923 f). Die durch das Bundesgesetz BGBl. I 8/1998 rückwirkend ab 1. Mai 1996 geänderte Fassung des § 26 Abs. 1 FLAG ist somit im gegenständlichen Fall für die nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides nicht maßgeblich.
Der Beschwerdeführerin kann allerdings nicht gefolgt werden, wenn sie die Ansicht vertritt, der unrechtmäßige Bezug der Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbeträge) für die Monate März bis Juni 1996 sei ausschließlich auf eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt zurückzuführen und dazu auf eine "fristgerechte Anzeige der Beschwerdeführerin im Februar 1996" verweist (..., es wäre dem Finanzamt durchaus zumutbar gewesen, "die Beträge nach Meldung der Bezugsberechtigten sofort einzustellen"). Die Beschwerdeführerin übersieht bei diesem Vorbringen, dass sie ihrer Meldepflicht nach § 25 FLAG nicht zeitgerecht nachgekommen ist (nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Mitteilung über die Tatsachen, die zum Erlöschen des Familienbeihilfenanspruches geführt haben, innerhalb eines Monates, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, zu erfolgen). Das Unterlassen dieser fristgerechten Meldung hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid - ohnedies nur in Bezug auf die Arbeitsaufnahme im November 1995 (und nicht auch bereits hinsichtlich des Schulabbruches Ende April 1995) - vorgehalten. Es kann also nicht gesagt werden, dass die Weitergewährung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge über Februar 1996 hinaus ausschließlich auf eine Verursachung durch das Finanzamt zurückzuführen ist, zumal diesem wegen der unterbliebenen rechtzeitigen Meldung des Erlöschens der Anspruchsvoraussetzungen die Möglichkeit genommen war, schon entsprechend früher allfällige Überprüfungshandlungen zu setzen und (vor März 1996) die Auszahlung der Familienbeihilfe (samt Kinderabsetzbetrag) einzustellen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1998, 98/13/0067). Auch ist für die Zeit notwendiger (zeitnaher) Überprüfungshandlungen im Zusammenhang mit einem gemeldeten Wegfall des Familienbeihilfenanspruches nicht von einer ausschließlichen Verursachung des unrechtmäßigen Bezuges der Familienbeihilfe durch das Finanzamt (als auszahlende Stelle) auszugehen.
Der von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde neuerlich angesprochene gutgläubige Verbrauch der Beträge durch die Tochter ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG (nach § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a letzter Satz EStG 1988 auch auf Kinderabsetzbeträge anzuwenden) nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1997, 97/13/0185, 0217).
Die Beschwerde ist insgesamt unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Oktober 1999
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997150111.X00Im RIS seit
11.07.2001