TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/6 W119 2115358-1

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Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55
FPG §55 Abs2

Spruch

W119 2115358-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17. 9. 2015, Zl 1027631309 Verfahrenszahl: 1485844, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. 5. 2017 und am 28. 8. 2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG wird nicht erteilt."

II. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 6. 8. 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab der Beschwerdeführer an, acht Jahre die Grundschule besucht zu haben. In Bangladesch würden seine Eltern und seine Schwester leben. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, massive familiäre Probleme gehabt zu haben.

Der Beschwerdeführer wurde am 10. 4. 2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen und legte eingangs mehrere Schreiben der Polizeistation " XXXX " vor, wonach er unter anderem zu Unrecht beschuldigt worden sei, in ein Geschäft eingebrochen zu sein. Ein Freund habe ihm diese Dokumente per E-Mail geschickt. Weiters führte er aus, dass er elf Jahre die Schule besucht habe, aber nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Er sei Mitglied der "Student Federation" der Bangladesh Nationalist Party (BNP) gewesen. Sein Vater sei Manager in einem Unternehmen gewesen. Nebenbei besitze seine Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb sowie Grundstücke. Finanziell hätten sie keine Probleme gehabt. Derzeit halte sich seine Familie in Dhaka auf.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass XXXX , ein einfaches Mitglied der BNP, am 29. 5. 2014 eine Sitzung einberufen habe, an der er selbst auch teilgenommen habe. XXXX , der der Awami League (AL) angehört habe, sei gegen die Abhaltung dieser Sitzung gewesen. Es sei zu einer Auseinandersetzung zwischen der BNP und der AL gekommen. Dabei seien viele Teilnehmer verletzt worden, er selbst habe auch leichte Verletzungen davongetragen. Danach sei er nach Hause gegangen. In derselben Nacht sei XXXX , ein Mitglied der AL, gestorben. Am nächsten Morgen habe er das Haus verlassen und Freunde getroffen. Danach sei die Polizei zu seinem Haus gekommen. Sein Vater habe ihn angerufen, dass die Polizei nach ihm suche. Er solle nicht nach Hause zurückkehren. Er sei daraufhin nach XXXX und am 1. Juni nach XXXX gefahren. Sein Onkel sowie sämtliche Verwandte seien Anhänger der AL. In der Zwischenzeit habe sein Vater einen Schlepper organisiert, woraufhin er geflüchtet sei. XXXX , die Mutter von XXXX , habe gegen ihn eine Anzeige erstattet, weil sie ihn beschuldige, ihren Sohn getötet zu haben.

Er sei 2012 der BNP beigetreten. Auch sein Vater unterstütze die BNP. Wegen der ersten Sache, dem Mord, gebe es eine Anklage gegen ihn. Den Haftbefehl habe das Gericht in XXXX ausgestellt.

Das Bundesamt richtete am 25. 4. 2015 eine Anfrage an die Staatendokumentation. Darin wurde ersucht zu ermitteln, ob tatsächlich am 29. 5. 2014 eine solche Demonstration stattgefunden habe und es zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der BNP und der AL gekommen sei. Wenn ja, sei eine Person namens XXXX getötet worden und würden sich die Eltern des Beschwerdeführers weiterhin in XXXX aufhalte. Wenn nein, welcher Grund habe für den Umzug bestanden, seien die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden als echt zu qualifizieren und könne eruiert werden, aufgrund welchen Deliktes der Haftbefehl ausgestellt worden sei.

Die durch einen Vertrauensanwalt der österreichischen Vertretungsbehörde in New Delhi durchgeführten Erhebungen, die zur Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16. 6. 2015 führten, ergab, dass nach Ermittlungen beim entsprechenden Gericht der Inhalt der in der Anfrage übermittelten Dokumente nicht mit den tatsächlichen Fällen übereinstimme und der Beschwerdeführer in keinem der Fälle aufscheine. Somit könne auch kein Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer bestehen, da dieser weder als beschuldigte noch als angeklagte Person aufscheine. Die übermittelten Dokumente könnten daher nicht als echt und authentisch betrachtet werden. Somit sei zu den vorgelegten Haftbefehlen auszuführen, dass diese gefälscht seien und auf Mord und bewaffneten Raub lauten würden.

Im Zuge der Ermittlungen sei auch der Heimatort des Beschwerdeführers aufgesucht worden. Dabei gab der dazu befragte Vater des Beschwerdeführers an, dass er drei Söhne und eine Tochter habe und der Beschwerdeführer XXXX bis XXXX Jahre alt sei. Vor seinem Aufenthalt in Österreich habe sich der Beschwerdeführer auch in Dubai und in Griechenland aufgehalten. Bangladesch habe der Beschwerdeführer vor circa 5 bis 6 Jahren, im Alter von circa XXXX bis XXXX Jahren verlassen und er sei dort nicht mehr zurückgekehrt.

Eine Befragung der Bewohner des Heimatortes des Beschwerdeführers habe ergeben, dass der Beschwerdeführer ledig sei, zwei Brüder und zwei Schwestern habe, beide Elternteile leben und sich im Heimatdorf würden. Der Vater des Beschwerdeführers sei Landwirt und besitze ein kleines Lebensmittelgeschäft. Der Beschwerdeführer habe vor circa 8 bis 10 Jahren, aber nicht weniger als 6 Jahren das Dorf verlassen und sich während der letzten 2 bis 3 Jahren in Österreich aufgehalten. Gegen keines der Familienmitglieder sei ein Strafverfahren anhängig und es sei auch kein Mitglied der Familie des Beschwerdeführers politisch tätig.

Der Beschwerdeführer wurde am 7. 8. 2015 beim Bundesamt niederschriftlich einvernommen und gab zunächst an, dass seine Eltern abwechselnd in XXXX und in ihrem Heimatdorf lebten.

Als die Ermittlungsergebnisse der Staatendokumentation mit dem Beschwerdeführer erörtert wurden, gab er an, dass jene Partei, die an der Macht sei, niemals eine richtige Antwort gebe. Auf Vorhalt, dass diese Information von einem Vertrauensanwalt stamme, gab er an, dass all diese Personen von der Regierung seien.

Zudem legte der Beschwerdeführer seine Geburtsurkunde in Kopie vor.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17. 9. 2015, Zl 1027631309 Verfahrenszahl: 1485844, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt III), wobei gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 3 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

Mit Verfahrensanordnung vom 21. 9. 2015 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. 10. 2015, Zl W119 2115358-1/6Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. 10. 2015 Beschwerde, in der er beantragte, die von ihm vorgelegten Beweismittel nochmals überprüfen zu lassen. Dies deshalb, weil der bengalische Staat und die Behörden sehr korrupt seien und ihm kein Schutz gewährt werden könne. Zudem rügte der Beschwerdeführer, dass die Einvernahmen sehr kurz und oberflächlich abgelaufen seien. Er habe keine Gelegenheit erhalten, Widersprüche aufzuklären. Weiters legte er dem Schriftsatz Berichte zur menschenrechtlichen Lage in Bangladesch bei.

Er beantragte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht.

Am 15. 5. 2017 und am 20. 8. 2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Das Bundesamt nahm an der Verhandlung als weitere Partei des Verfahrens entschuldigt nicht teil. Der Beschwerdeführer legte zunächst eine Mitgliedsbestätigung über den Bangladesh Cricket Club Austria, eine Prüfungsanmeldebestätigung für B1, eine Mitgliedsbestätigung der Bangladesh Austria Association, eine Interessensbekundung des BF über eine Ausbildung beim XXXX , eine Mitgliedsbestätigung der XXXX , einen Büchereiausweis der Stadt Wien, ein Referenzschreiben, einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag sowie eine Arbeitsbestätigung vor.

Weiters führte der Beschwerdeführer zur Frage, wie er die bereits vorgelegten Beweismittel aus Bangladesch erhalten habe, aus, dass ein Freund diese Dokumente mit Hilfe eines Rechtsanwaltes erhalten und diese einem Bangladescher, der nach Österreich gereist sei, mitgegeben habe. Sein Freund habe deshalb davon erfahren, weil die Polizei bei seinem Vater gewesen sei. Auf die Frage, wann die Polizei bei seinem Vater erschienen sei, gab er an, dass dies kurz nach der Anklageerhebung gewesen sei. Auf Vorhalt, dass nach dem Ermittlungsergebnis der Staatendokumentation sein Vater im Jahr 2015 ausgesagt habe, dass sich sein Sohn seit 5 bis 6 Jahren nicht mehr in Bangladesch aufhalte, entgegnete er dem, dass die Auslandsbangladescher großteils der BNP zugerechnet werden würden und deshalb die Behörden und die Polizei gegen Anhänger der BNP seien, sodass er die Ermittlungen des Bundesamtes nicht akzeptieren könne. Auf die Frage, ob sein Vater die Unwahrheit gesagt habe, gab er an, dass der Vertrauensanwalt gar nicht mit ihm gesprochen habe. Auf Vorhalt, welches Interesse der Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in New Delhi haben solle, falsche Auskünfte zu machen, entgegnete er, dass der Vertrauensanwalt Bangladescher sein müsse, da er sich ansonsten nicht mit seinen Eltern unterhalten hätte können. Er wisse nicht, ob dieser der Gegenpartei angehöre oder nicht. Rechtsanwälte und Journalisten würden nicht unabhängig auftreten, sie stünden unter dem Einfluss der jetzigen Regierung.

Weiters wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass nach den Ermittlungen die Überprüfung der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht im Einklang mit den in Bangladesch vorgefundenen Originalunterlagen stünden. Demnach befände sich sein Name nicht auf den Originalunterlagen. Dazu gab er wiederum an, dass im Ausland lebende politisch aktive Bangladescher ein Problem für die bangladeschische Regierung seien und somit die Informationen, die man von dort erhalte, oftmals nicht richtig seien.

Zu seinen politischen Aktivitäten befragt, gab er an, dass er ein einfaches Mitglied der BNP gewesen sei. Seine Aufgabe habe darin bestanden, Leute für Kundgebungen zu interessieren und ihnen Informationen zukommen zu lassen. Von 2009 bis 2011 sei er Sympathisant gewesen, 2012 habe er einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Er habe in weiterer Folge eine Karte ausgehändigt bekommen, auf der sich der Name der Studentenverbindung der BNP "Chattrodol" befunden habe. Er habe von 2010 bis 2011 das College besucht. 2012 sei er zur "Chattrodol" gestoßen. Er habe 2011 das College abgebrochen. Danach habe er seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Auf Vorhalt, wie er 2012 der "Chattrodol" habe beitreten können, wenn er doch 2011 das College abgebrochen habe, gab er an, dass er meist mit Studenten verkehrt habe und deshalb "Chattrodol" gesagt habe, eigentlich sei es die BNP gewesen.

Weiters gab er an, dass sich seine Eltern in einem Dorf in XXXX aufhalten würden. Sein Vater sei politisch nicht aktiv gewesen. Auf Vorhalt, dass er beim Bundesamt gesagt habe, dass sein Vater die BNP unterstützt habe und auch eine bestimmte Zeit Mitglied der BNP gewesen sei, gab er an, dass sein Vater Sympathisant gewesen sei, was man nicht als Mitglied bezeichnen könne.

Auf die Frage, was er im Fall seiner Rückkehr nach Bangladesch befürchte, gab er an, dass er am Flughafen von der Grenzpolizei verhaftet würde und er aufgrund eines anhängigen Verfahrens ins Gefängnis käme. Dort würde ihn Folter erwarten oder er würde spurlos verschwinden.

Zu seiner Integration in Österreich befragt, gab er an, kein Familienleben zu führen, von der Grundversorgung zu leben, bisher nur in der Moschee ehrenamtlich tätig gewesen zu sein, und österreichische Freunde zu habe. Er wolle in Österreich später als Schweißer arbeiten. In seiner Freizeit gehe er spazieren, trinke Bier und gehe schwimmen.

Der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers wurden die Länderfeststellungen übergeben und ihr eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.

Mit Schriftsatz vom 29. 8. 2018 wurde eine solche Stellungnahme erstattet, in der zunächst auf die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der BNP hingewiesen wurde, wozu auch auf die von der BNP Austria stammende Bestätigung verwiesen werde.

Hinsichtlich des Berichtes des Vertrauensanwaltes sei festzuhalten, dass diesen Angaben bezüglich einer Fälschung der Urkunden kein Glauben geschenkt werden könne, weil die aktuellen Länderfeststellungen deutlich zeigen würden, dass dem Bericht des Vertrauensanwaltes und den darin getätigten Aussagen aufgrund der in Bangladesch herrschenden Korruption keine Beweiskraft zukommen könne.

Dazu und zur Situation der Anhänger der BNP wurden zahlreiche Ausschnitte aus den Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zitiert. Es sei daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Bangladesch kein faires Verfahren erwarten würde. Er befinde sich sohin aus wohlbegründeter Furcht, aufgrund seiner politischen Gesinnung, außerhalb des Heimatlandes Bangladesch. Zudem wurde auch auf die prekäre Situation in den dortigen Gefängnissen hingewiesen.

Zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurde ausgeführt, dass er die deutsche Sprache auf Niveau A2 beherrsche, er einen aufrechten Arbeitsvorvertrag und eine Jobzusage besitze und sodann von staatlicher Unterstützung unabhängig sei. Er nehme am sozialen Leben teil, wonach er Mitglied der Bangladesch-Österreichischen Gesellschaft und des Bangladesch Cricket Club Austria sei, zudem besitze er einen Büchereiausweis. Weiters habe er zahlreiche Empfehlungsschreiben vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bangladesch, gehört der bengalischen Bevölkerungsgruppe an und ist sunnitischen Glaubens. Er lebte im Dorf XXXX im Distrikt XXXX und besuchte dort die Schule.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Alter von ungefähr XXXX oder XXXX Jahren Bangladesch verlassen hatte und danach in Dubai und Griechenland lebte, bevor er im August 2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die Eltern des Beschwerdeführers, zu denen er regelmäßigen Kontakt hat, leben im Heimatdorf in Bangladesch und beziehen ihren Lebensunterhalt aus ihrem landwirtschaftlichen Betrieb.

Es kann weder festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer politisch betätigt noch dass er einer politischen Partei angehört hat.

Der Beschwerdeführer ist nicht einer landesweiten Verfolgungsgefahr in Bangladesch ausgesetzt gewesen und wurde dort auch nicht strafrechtlich verfolgt.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung und es besteht auch kein längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsbedarf.

Der Beschwerdeführer lebt seit August 2014 im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer ist im Besitz des A2-Sprachzertfikates für die deutsche Sprache und knüpfte auch freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern. Zudem ist strafrechtlich unbescholten. Er lebt von Leistungen aus der Grundversorgung. Er legte einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag und eine arbeitsrechtliche Arbeitsbestätigung vor. Zudem ist er Mitglied der Bangladesch-Österreichischen Gesellschaft und des Bangladesch Cricket Club Austria, überdies verfügt er über einen Büchereiausweis.

Zur Situation in Bangladesch:

Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister, ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen? Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a).

Am 5.1.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017a).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. (AA 3.2017a). Zusätzlich behindern Korruption und ein erheblicher Verfahrensrückstand das Gerichtssystem. Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017). Straffälle gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2017). Richter des Obersten Gerichtshofs haben des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB New Delhi 12.2016). Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 3.2017a).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

-

ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

-

USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 3.3.2017). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 3.3.2017).

Bangladeschs Sicherheitskräfte haben eine lange Geschichte von willkürlichen Verhaftungen, erzwungenem Verschwinden Lassen und außergerichtlichen Tötungen (HRW 12.1.2017). Obwohl gesetzlich verboten, gibt es Hinweise auf willkürliche Festnahmen, sowie auf die willkürliche Anwendung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen gemäß den Spezialgesetzen "Special Powers Act" und "Public Safety Act". Diese erlauben die 30-tägige Inhaftierung ohne Angabe von Gründen, um Taten zu verhindern, welche die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden. Nach 30 Tagen sind dem Angehaltenen die Haftgründe zu nennen, oder er muss entlassen werden. Die Praxis weicht davon ab. Die Arretierten haben keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Die davon hauptsächlich betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben (ÖB New Delhi 12.2016). Des Weiteren gibt es Berichte von Folter und anderen Missbräuchlichen Handlungen in Polizeigewahrsam. Der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013 wird nur schleppend umgesetzt (AI 22.2.2017). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung:

Rapid Action Bataillons (RABs): Das Rapid Action Bataillon (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14) (AA 14.1.2016) mit insgesamt ca. 8.500 Mann. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen und die Terrorabwehr (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. AA 14.1.2016). Die gut ausgebildeten und modern ausgerüsteten RABs sind hauptsächlich in den urbanen Zentren des Landes stationiert und verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Tötungen während Schusswechseln führt. Auch im Zuge von Demonstrationen setzten die RABs neben Gummigeschossen scharfe Munition ein, was auch hier zu Todesopfern führte. Insgesamt starben seit der Gründung 2004 laut Schätzungen über 800 Personen entweder durch Schusswechsel oder in RAB-Gewahrsam, es kam jedoch bisher zu keinen Verurteilungen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Innenministerium, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB New Delhi 12.2016).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" (32 Personen) geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sogenannte "Town Defence Parties" (ÖB New Delhi 12.2016).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 14.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 12.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze wie der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013, verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste. Menschrechtsorganisationen berichten, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 acht Personen zu Tode gefoltert wurden (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Zusätzlich gab es 2016 laut Bericht von Odhikar 178 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und 90 Fälle von erzwungenem Verschwinden Lassen (FH 1.2017).

Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verhängen, während Befragungen ohne Beisein eines Anwalts erfolgen können. Laut Menschrechtsorganisationen fanden viele Fälle von Folter in dieser Phase statt. Aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen kommt es selten zu Anzeigen, und folglich Bestrafungen oder Verurteilungen der verantwortlichen Sicherheitskräfte (USDOS 3.3.2017). 2013 hat sich mit der Praxis des "kneecapping" eine neue Art der Folter entwickelt. Dabei wird den Gefangenen in die Knie geschossen. Bei den Opfern, von denen einige invalide wurden, handelt es sich um Politiker, Journalisten und einfache Verdächtige. Diese Praxis hat auch 2016 angehalten (Odhikar 2017). Seit 2013 bis 2016 gab es 25 derartige Fälle (USDOS 3.3.2017)

Um Folter in Verwahrung zu reduzieren zu bekämpfen, hat der Oberste Gerichtshof Richtlinien für Strafverfolgungspersonal und Gerichte, bzgl. medizinischer Kontrollen und Ermittlungen zu Foltervorwürfen erlassen. Der Oberste Gerichtshof forderte außerdem die Regierung auf, einige Abschnitte des Strafprozessgesetzes zu ändern, um polizeilichen Missbrauch von Bürgern zu verringern (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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Odhikar (2017): BANGLADESH - Annual Human Rights Report 2016, http://1dgy051vgyxh41o8cj16kk7s19f2.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2017/01/AHRR-2016_Eng.pdf, Zugriff 12.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Korruption

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 14.1.2016). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2016 den

145. von 176 Plätzen (TI 25.1.2017). Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen (ÖB New Delhi 12.2016). Laut einem Bericht von Transparency International Bangladesh (TIB) vom Juni 2016 haben 58 % der befragten Haushalte 2015 Bestechungsgeld gezahlt (USDOS 3.3.2017). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden sowie die Rechtspflege genannt. Versicherungen, Banken und NRO genießen den besten Ruf (AA 14.1.2016).

Eine im Jahr 2013 erlassene Gesetzesänderung führte dazu, dass die Anti-Korruptions-Kommission (ACC) der Korruption verdächtigte Behördenbeschäftigte nur noch mit Zustimmung der Regierung anklagen darf. Faktisch hat die ACC in den vergangenen Jahren lediglich eine Handvoll von Regierungsvertretern angeklagt (AA 14.1.2016). Im Gegenzug wird der Regierung vorgeworfen den ACC für politisch motivierte Strafverfolgung zu nutzen (USDOS 3.3.2017). So nutzte die Regierung die ACC um gegen die oppositionelle BNP vorzugehen. Beispielsweise liefen 2016 gegen BNP Führerin Khaleda Zia Korruptionsermittlungen (FH 1.2017). Die Regierung setze auch Schritte um die weitverbreitete Polizeikorruption zu bekämpfen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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TI - Transparency Index (25.1.2017): Corruption Perceptions Index 2016,

https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 26.6.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 28.6.2017

Wehrdienst und Rekrutierung

Bangladesch verfügt über eine Berufsarmee aus 260.000 aktiven und ca. 472.000 Reservesoldaten (AA 14.1.2016). Seit seiner Unabhängigkeit hat das Land keinen verpflichtenden Wehrdienst mehr, ein solcher ist allerdings im Bedarfsfall gesetzlich vorgesehen (ÖB New Delhi 12.2016). Staatsangehörige können im Alter von 16-19 Jahren einen freiwilligen Militärdienst ableisten, sofern der Abschluss der 10. Klasse nachgewiesen wird (AI 14.1.2016). Aufgrund der obligatorischen Ausbildungszeit kommen aber Unterachtzehnjährige jedoch nicht zu Kampfeinsätzen (ÖB New Delhi 12.2016). Seit 2013 können auch Frauen Wehrdienst leisten. Der erste weibliche Lehrgang graduierte 2015 (AI 14.1.2016).

Es gibt eigene Straftatbestände für Meuterei und Desertion, die im Kriegsfall nach dem "Army Act 1952" mit der Todesstrafe belegt werden können (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. AA 14.1.2016).

Es gibt keine Hinweise zu Zwangsrekrutierungen (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

Allgemeine Menschenrechtslage

Bangladesch hat bisher zahlreiche UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert, u.a.:

* CAT - Convention against Tortur

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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