Entscheidungsdatum
10.09.2018Norm
AsylG 2005 §55Spruch
I408 2103329-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch: RA Mag. Manuel DIETRICH gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl RD Vorarlberg vom 11.08.2018, Zl. 1028776300-171235844, zu Recht erkannt:
A)
1) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I., II. und III. als unbegründet abgewiesen.
2) Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. stattgegeben und beide Spruchpunkte behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Dem Verfahren geht eine gegen den seit 2014 durchgehend in Österreich aufhältigen Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung voraus, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 27.02.2015 erlassen und das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 08.06.2017 bestätigt hatte.
Am 02.11.2017 beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Abs. 2 AsylG.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 11.08.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurück (Spruchpunkt I.) erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht und die belangte Behörde aberkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt IV). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 30.08.2018.
4. Mit Schriftsatz vom 31.08.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 03.09.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte in Österreich zwei Anträge auf internationalen Schutz den ersten am 14.05.2013, der mit einer Zurückweisung sowie seiner Abschiebung nach Ungarn endete, und den zweiten, nach einer neuerlichen illegalen Einreise, am 14.08.2014.
Beide Anträge sind abgelehnt worden und seit 12.06.2017 liegt gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor (Bescheid der belangen Behörde vom 27.02.2015 iVm ho. Erkenntnis vom 08.06.2017, I405 2103329-1/29E).
Dieser Rückkehrentscheidung leistete der Beschwerdeführer keine Folge, verblieb im Bundesgebiet und beantragte 5 Monate später, am 02.11.2017, den verfahrensgegenständlichen Aufenthaltstitel. Unmittelbar zuvor wurde über ihn im Oktober 2017 wegen seines nunmehr unrechtmäßigen Aufenthaltes seitens der LPD Vorarlberg eine Verwaltungsstrafe in Höhe von € 600 verhängt.
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Da von ihm bisher keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt wurden, steht seine Identität nicht fest. Seine ersten Anträge auf internationalen Schutz stellte er in Ungarn sowie in Österreich noch unter der Identität XXXX, geb. am XXXX, und war damit um 10 Jahre älter als im gegenständlichen Verfahren.
Seit Rechtskraft der ergangenen Rückkehrentscheidung hat es keine entscheidungsrelevanten Änderungen seines Privat- und Familienlebens in Österreich gegeben.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, er ist in Österreich nicht straffällig geworden und verfügt über keine familiären oder sonstigen Bindungen. Er ist alleinstehend und lebt weiterhin in einer von der Caritas betreuten Flüchtlingsunterkunft. Bereits seit Feber 2015 ist er auf Werkvertragsbasis als Zeitungszusteller tätig und bezieht aufgrund seines laufenden Einkommens aus dieser Tätigkeit ab Juni 2017 keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr. Er ist weiterhin in einer Flüchtlingsunterkunft der Caritas untergebracht und leistet dafür - ebenfalls aufgrund seiner nunmehrigen Einkünfte - seit 01.01.2018 einen Betrag von € 228,17 monatlich.
Er ist bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen und hat zuletzt am 29.05.2018 eine Deutschprüfung auf Niveau B1 abgelegt und hat über die Mitarbeit an Projekten der Caritas, an denen er seit 2015 teilnimmt, regelmäßig Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern.
In Nigeria bestehen für den Beschwerdeführer familiäre Anknüpfungspunkte und er ist mit den kulturellen und sozialen Gegebenheiten in diesem Land vertraut.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 11.08.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria herangezogen und die wesentlichen Quellen zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos. Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen.
Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.
Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen.
Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.
Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.
Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.
Im Wesentlichen hat sich an der Lage in Nigeria seit der letzten gegen den Beschwerdeführer ergangenen Rückkehrentscheidung nichts geändert und eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria.
Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung anschließt.
Die belangte Behörde hat ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in seinem verfahrensgegenständlichen Antrag und in seinem beiden Asylverfahren. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen. Seine Identität steht aber aufgrund des Fehlens identitätsbezeugenden Dokumente nicht zweifelsfrei fest. Die vom Beschwerdeführer im ersten Asylverfahren verwendete Aliasidentität, insbesondere das Geburtsdatum 27.10.1983 ist dem im Behördenakt aufliegenden Laissez-Passer vom 02.10.2103 sowie dem ho. Erkenntnis vom 08.06.2017 zu entnehmen.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus seinen Stellungnahmen in diesem Verfahren.
Der Beschwerdeführer begründet seine Integration über die laufende Verbesserung seiner Deutschkenntnisse (Zertifikat A2 vom 14.11.2016 sowie Zertifikat B1 vom 29.05.2018), seiner Tätigkeit als Zusteller bei der Russmedia Verlag GmbH seit Feber 2015 und seiner Mitarbeit bei Projekten der Caritas (Bestätigung vom 22.10.2015). Unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sind die integrativen Bemühungen des Beschwerdeführers aber zu relativieren, da der Verwaltungsgerichtshof sogar die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, als keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale qualifiziert (Hinweis E 26.01.2009, 2008/18/0720). Auch in der Beschwerde wurden keine neuen, nach der rechtskräftig gewordenen Rückkehrentscheidung mit 12.06.2017 entstandenen Sachverhalte in Bezug auf sein Privat- und Familienleben in Österreich vorgebracht.
Die seitens der LPD verhängte fremdenpolizeiliche Geldstrafe ergibt sich unmittelbar aus dem Behördenakt (AS 95) und wird in der Beschwerde nicht bestritten.
Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 04.09.2018.
Sein gegenwärtiger Wohnsitz und seine Tätigkeit als Zusteller auf Werkvertragsbasis sowie die daraus erlangten Einkünfte ergeben sich aus den diesbezüglichen Unterlagen des Beschwerdeführers, die über den am 04.09.2018 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem und dem Zentralenmelderegister (ZMR) bestätigt werden.
Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt hat und gegen ihn eine seit 12.06.2017 rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt, ergibt aus den genannten Entscheidungen und einer Abfrage aus dem IZR und wurden in der Beschwerde nicht moniert.
Die Feststellungen zu den familiären Anknüpfungspunkten in Nigeria beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in seinem zweiten Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.
Die in der Beschwerde angeführten Integrationsmaßnahmen stellt nur eine Fortführung der vom Beschwerdeführer seit 2015 gesetzten Bemühungen dar, die er nur fortsetzen konnte, weil er der rechtskräftig ergangenen Rückkehrentscheidung keine Folge leistete. Darüberhinausgehende Integrationsmaßnahmen sind nicht vorgebracht worden und haben sich im Verfahren auch nicht ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A 1) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK
Lt. § 58 Abs 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, haben sich im gegenständlichen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben, die eine ergänzende oder neue Abwägung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich erforderlich machen würden. Im Wesentlichen hat der Beschwerdeführer sein bisher in Österreich geführte Leben (Wohnen in einer Flüchtlingsunterkunft, Beschäftigung als Zeitungszusteller, Mitarbeit bei Projekten der Caritas, Erlernen der deutschen Sprache) auch nach Rechtskraft der ergangenen Rückkehrentscheidung weiter fortgesetzt.
Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK war daher als unzulässig zurückzuweisen.
3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II - III)
Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55, 56 und 57 AsylG 2055 zurück- oder abgewiesen wird.
Wie unter Pkt. 3.1. dargelegt, liegt kein schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich vor, welches gegen eine Rückkehrentscheidung sprechen würde. Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit Mai 2014 nach einer neuerlichen illegalen Einreise wieder durchgehend im Bundesgebiet auf und hat den verfahrensgegenständlichen Antrag nach Abweisung seines zweiten Asylantrages und einer damit verbundenen Rückkehrentscheidung gestellt. Sei unsicherer Aufenthaltsstatus musste ihm zudem aufgrund der fremdenpolizeilichen Verwaltungsstrafe kurz vor dem verfahrensgegenständlichen Antrag bekannt und bewusst sein.
So wird das Gewicht der privaten Interessen eines Beschwerdeführers dadurch gemindert, wenn diese in einem Zeitpunkt entstanden sind, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war bzw. sein musste (vgl VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov).
Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung zukommt (siehe etwa VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031-0034).
Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit seine persönlichen Interessen entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, kennt die sozialen und kulturellen Gegebenheiten in Nigeria und verfügt in seinem Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte. Ebenso haben sich keine Änderung ergeben, die eine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG unzulässig machen würden.
Die Entscheidungen der belangten Behörde zu Spruchpunkt II und III waren daher zu bestätigen.
Zu A 2) Stattgebung der Beschwerde
3.3. Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 11.08.2018 die aufschiebende Wirkung unten Hinweis auf § 55 Abs. 4 FPG und § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt.
Gemäß § 18 Ans. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.
Es ist zwar richtig, dass der Beschwerdeführer bisher seiner Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen ist, er sind aber nach vorliegender Aktenlage zur Effektuierung dieser Entscheidung seitens der belangten Behörde auch keine Schritte gesetzt worden. Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der die Durchführung eines Verfahrens nach § 18 BFA-VG und eine unverzügliche Vollstreckung des bekämpften Bescheides begründen würde, kann seitens des erkennenden Richters nicht gesehen werden, zumal der Beschwerdeführer im behördlichen Verfahren auf alle Aufträge der belangten Behörde zeitgerecht reagiert hat.
In diesem Punkt war der Beschwerde daher stattzugeben.
Der Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 55 FPG auch über die Frist für eine freiwillige Ausreise abzusprechen gewesen wären. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Da sich im Verfahren derartige Anhaltspunkte weder ergeben noch vorgebracht worden sind, hat diese Frist - wie bereits bei der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung - 14 Tage zu betragen.
3.4. Verhängung eines Einreiseverbots (Spruchpunkt V.)
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Nach § 53 Abs. 2 leg.cit. hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Die von der belangten Behörde angeführten Gründe waren zum Großteil bereits bei der letzten Rückkehrentscheidung bekannt und haben zu keinem Einreiseverbot geführt. Der Versuch des Beschwerdeführers - unter Hinweis auf sein weiterhin aufrechtes Beschäftigungsverhältnis und seine Aktivitäten, die Deutschkenntnisse weiter zu verbessern - seinen unrechtsmäßigen Aufenthalt zu legalisieren, vermag ein Einreiseverbot nicht zu tragen, zumal der Beschwerdeführer unbescholten ist, zweifelsohne während seines Aufenthaltes integrationsbegründende Maßnahmen gesetzt und im gegenständlichen Verfahren allen Aufträgen der belangten Behörden laufend entsprochen hat.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017).
Aufgrund des von der belangten Behörde umfassend erhobenen Sachverhaltes musste sich das Bundesverwaltungsgericht auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Antragsbegehren, Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung - Entfall,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I408.2103329.2.00Zuletzt aktualisiert am
08.11.2018