Entscheidungsdatum
11.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2204994-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2018, Zl. 1180109708/1800997700 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine algerische Staatsbürgerin, reiste Anfang Jänner 2018 in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab sie an, dass sie Algerien im Oktober 2016 verlassen und dann etwa 9 Monate in Griechenland gelebt habe, wo sie ihren jetzigen Mann nach islamischem Ritus geheiratet habe. Algerien habe sie wegen Problemen mit ihrem Bruder verlassen; dieser habe sie geschlagen und mit einem älteren Mann zwangsverheiraten wollen.
Die Beschwerdeführerin wurde am 15.02.2018 und am 21.03.2018 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Am 23.02.2018 wurde ihr Ehemann nach islamischem Ritus ebenfalls vom BFA einvernommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 29.01.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs.1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Mit Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Dagegen wurde fristgerecht am 24.08.2018 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH (ARGE Rechtsberatung) vorgelegt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurde angeregt; zudem möge das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin den Status einer Asylberechtigten, in eventu einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu die Rückkehrentscheidung beheben und der Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG bzw. gemäß § 57 AsylG zuerkennen bzw. in eventu den Bescheid beheben und an das BFA zurückverweisen.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 05.09.2018 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist algerische Staatsangehörige. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie ist volljährig und gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Sie besuchte 12 Jahre lang die Schule und dann zwei Jahre die Berufsschule. Sie arbeitete als Sekretärin, ehe sie ihren 2011 verstorbenen Vater pflegen musste. Ab 2013 arbeitete sie als Nachhilfelehrerin und verkaufte Handarbeiten.
Die Beschwerdeführerin lebte bis zu ihrer Ausreise mit ihrer Mutter in ihrem Elternhaus in XXXX.
Die Beschwerdeführerin leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Sie ist arbeitsfähig.
Die Beschwerdeführerin verließ Algerien im Oktober 2016; zuvor hatte sie erfolglos am 08.05.2016 bei der französischen Botschaft und am 20.07.2016 bei der italienischen Botschaft ein Touristenvisum beantragt. Im Dezember 2016 erreichte sie Athen. Sie stellte am 11.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, gab an, syrische Staatsbürgerin zu sein, erschien aber nicht zum Interviewtermin am 20.01.2017, so dass das Verfahren eingestellt wurde. Anfang 2018 reiste sie unter Verwendung eines gefälschten Reisepasses nach Österreich ein.
Die Beschwerdeführerin heiratete am 04.01.2017 in Griechenland XXXX, einen syrischen Staatsbürger, nach islamischem Ritus. Dabei handelt es sich um keine nach dem österreichischen oder griechischen Gesetz anerkannte Ehe.
Ihr Lebensgefährte (und Ehemann nach islamischem Ritus) ist anerkannter Flüchtling. Er ist geschieden, aus dieser Ehe entstammt ein Sohn. Er hält keinen Kontakt zu seiner geschiedenen Ehefrau, der Kontakt zu seinem 2009 geborenen Sohn ist sporadisch; im Februar 2018 gab der Lebensgefährte an, dass sich sein Sohn in Syrien befinde.
Die Beschwerdeführerin und ihr Lebensgefährte leben in einer gemeinsamen Wohnung.
Die Beschwerdeführerin wird in Algerien nicht von ihrem Bruder verfolgt. Ihr diesbezügliches Vorbringen ist nicht glaubhaft. Zudem wäre selbst für den Fall einer Wahrunterstellung des Vorbringens (dh unter der Annahme, dass sie tatsächlich von ihrem Bruder misshandelt und bedroht wurde und dies auch für die Zukunft zu befürchten wäre) von einer Schutzfähigkeit und -willigkeit des algerischen Staates auszugehen.
1.2. Zur Situation in Algerien:
Zur Situation in Algerien finden sich im angefochtenen Bescheid umfangreiche Länderfeststellungen, welche das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.03.2018 widerspiegeln. Im Wesentlichen wird darin - soweit gegenständlich entscheidungsrelevant - ausgeführt:
Algerien ist ein sicherer Herkunftsstaat. Algerien ist sowohl fähig als auch willig, seinen Bürgern Schutz zu gewähren. Algerien weist eine funktionierende, unabhängige Justiz sowie einen funktionierenden Sicherheitsapparat auf. Behördliche Korruption steht unter Strafe, mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren. Dieses Gesetz wird nicht effektiv durchgesetzt, wenn es auch ein eigenes Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption gibt. Daneben sorgt die Nationale Organisation zur Verhinderung und Bekämpfung von Korruption für eine beratende Funktion. Die Sicherheitslage in Algerien ist, abgesehen von einigen Grenzregionen im Süden und Osten und den Bergregionen im Westen als sicher zu qualifizieren. Algerien ist allen wesentlichen internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Die Menschenrechtssituation in Algerien hat sich seit den 1990-er Jahren sukzessive verbessert. In Algerien besteht ein aufwändiges Sozialsystem. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Die medizinische Versorgung ist allgemein zugänglich und kostenfrei. In jeder größeren Stadt existieren Krankenhäuser. Grundnahrungsmittel, Energie und Wasser werden stark subventioniert. Die Wirtschaft in Algerien ist als Konsumwirtschaft zu bezeichnen, mit wenig produzierenden Unternehmen, sodass die Arbeitsplatzsituation insbesondere für junge Algerier angespannt ist. Illegal Ausreisenden droht im Falle der Rückkehr eine Geldund/oder Freiheitsstrafe, wobei in der Praxis lediglich Bewährungsstrafen verhängt werden. Nach Algerien angeschobene Personen werden 24 Stunden festgehalten und verhört, um den Grund der Ausweisung zu erfahren. Eine behördliche Rückkehrhilfe existiert nicht.
Zur Situation der Frauen wird im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ausgeführt:
Die Verfassung verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und die Regierung setzt dies auch in der Praxis um, wiewohl Frauen weiterhin rechtlicher (im Familienrecht) und sozialer Diskriminierung ausgesetzt sind (HRW 18.1.2018; vgl. USDOS 3.3.2017, AA 23.2.2017). Im Februar 2016 wurde ein Gesetz verabschiedet zur Erreichung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt (HRW 18.1.2018).
Insbesondere in den unteren sozialen Schichten führen Scheidungen, Scheidungsfolgen und das diskriminierende Erbrecht (der Pflichtteil weiblicher Abkömmlinge ist im Vergleich zu dem der männlichen Miterben halbiert) häufig zu Mittellosigkeit und gesellschaftlicher Marginalisierung von Frauen. In Algier und anderen großen Städten des Nordens spielen Frauen gleichwohl eine maßgebliche Rolle in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen. Der neuen, im Anschluss an die Präsidentschaftswahl vom 17.4.2014 eingesetzten Regierung gehörten sieben Ministerinnen bzw. beigeordnete Ministerinnen an, nach mehreren Umbildungen sind es fünf. Die Mehrheit der Frauen bleibt jedoch fest in patriarchalische Strukturen eingebunden. Eine Novelle des Familiengesetzbuchs ("Code de la famille"), die die Situation vor allem geschiedener Frauen verbessert, wurde am 14.03.2005 von der Nationalversammlung verabschiedet. Obwohl dadurch wesentliche Defizite des auf der Scharia fußenden Familienrechts, wie die Tutelle (lebenslange Vormundschaft durch den Vater oder ein anderes männliches Familienmitglied; Zustimmung des Vormunds zu allen wesentlichen Entscheidungen) oder ein eingeschränktes Scheidungsrecht, abgemildert worden sind, wirken traditionell-religiöse Regelungen vor allem der sunnitisch-malikitischen Rechtstraditionen des Landes faktisch in vieler Weise fort (AA 23.2.2017).
Vergewaltigung ist strafbar. Das Strafmaß beträgt fünf bis zehn Jahre, und die Behörden setzen das Gesetz üblicherweise durch (USDOS 3.3.2017). Der Straftatbestand der innerehelichen Vergewaltigung existiert gesetzlich nicht (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 23.2.2017). Viele Frauen zeigen Fälle von Vergewaltigung aufgrund von gesellschaftlichem und familiärem Druck nicht an (USDOS 3.3.2017). Für häusliche Gewalt, d.h. Angriffe gegen die Ehefrau oder die ehemalige Ehefrau können Haftstrafen mit einer Dauer bis zu 20 Jahren verhängt werden (HRW 18.1.2018). Sieben Monate nach der Annahme durch die Nationalversammlung stimmte auch der Senat im Dezember 2015 einer Gesetzesvorlage "zum Schutz der Frauen" vor häuslicher Gewalt zu (AA 23.2.2017; vgl. HRW 18.1.2018). Es handelt sich jedoch um eine abgemilderte Fassung - das Opfer kann durch Erklärung jederzeit das Strafverfahren beenden und riskiert daher, unter Druck gesetzt zu werden. Dennoch ist das neue Gesetz entsprechend den Äußerungen von NGOs und Zivilgesellschaft als bewusstseinsbildender Fortschritt zu sehen, der die Rechtswirklichkeit nicht unbeeinflusst lassen sollte. Dem Vernehmen nach gibt es landesweit nur eine Einrichtung, die mit einem Frauenhaus verglichen werden kann und die in Algier durch die Organisation "S.O.S. femmes en détresse" betrieben wird (AA 23.2.2017). Es gibt Aufnahmezentren (centres d'accueil), an die sich Frauen in Notfällen wenden können (ÖB 3.2015). Es gibt keine Erkenntnisse zu weiblicher Genitalverstümmelung (AA 23.2.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien
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HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422113.html, Zugriff 20.2.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien
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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016
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Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie der Vorlage eines Reisepasses.
Die Feststellungen zu ihrem Wohnort, ihrer Familie und ihrer beruflichen Tätigkeit in Algerien ergeben sich aus den Aussagen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Erstbefragung und in den Einvernahmen durch das BFA.
Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihrer Aussage vor dem BFA am 15.02.2018 und am 21.03.2018. Aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.
Die Feststellungen zur Eheschließung bzw. zum Familienleben ihres Lebensgefährten (bzw. Ehemannes nach islamischem Ritus) ergeben sich aus den Aussagen der Beschwerdeführerin bzw. ihres Lebensgefährten vor dem BFA am 15.02.2018 bzw. am 23.02.2018. Die Feststellung, dass es sich bei der am 04.01.2017 erfolgten Eheschließung um keine rechtlich anerkannte Ehe handelt, ergibt sich aus einem Schreiben des Konsularbüros der griechischen Botschaft vom 21.02.2018.
2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin betonte im Verfahren stets, dass sie von staatlicher Seite nicht verfolgt werde, sondern dass sie ein Problem mit der Familie habe. Ihr Bruder habe sie misshandelt und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. 2012 habe er ihr auch den Arm gebrochen. Sie habe immer wieder bei ihren Schwestern gelebt, doch diese hätten ihre eigenen Familien. In ein Frauenhaus zu gehen, wollte sie nicht, dies sei in Algerien nicht angesehen. Ein entfernter Verwandter habe ihr auch einmal gedroht, sie zu vergewaltigen und ihr Bruder wiederum habe gedroht, sie an einen älteren Mann zu verheiraten. Sie befürchte, dass ihr Bruder sie im Falle der Rückkehr töten würde. Ihre Nichte habe ihr auch erzählt, dass ihr Bruder jemanden in die Türkei geschickt habe, um die Beschwerdeführerin zu töten. Dieses Vorbringen ergibt sich aus der Erstbefragung, der Einvernahme durch das BFA und der Beschwerde.
Das BFA gelangte im angefochtenen Bescheid zur Feststellung, dass dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft ist; so sei es ihr nicht gelungen, die angeblichen Misshandlungen durch ihren Bruder lebensnah zu schildern und sei es nicht plausibel, dass sie nicht zunächst versucht habe, in Algerien Schutz vor ihrem Bruder zu finden, etwa in einem Frauenhaus. Nur der Vollständigkeit halber sei auch darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin auch in Bezug auf die angebliche Drohung ihres Bruders, einen alten Mann heiraten zu müssen, sehr vage blieb, wie der folgende Ausschnitt aus dem Einvernahmeprotokoll vom 15.02.2018 zeigt:
"F: Wen wollte Ihr Bruder Ihnen als Mann geben?
A: Es war ein alter Mann.
F: Wer war dieser Mann?
A: Sein Freund oder wer auch immer, ich weiß es nicht genau.
F: Haben Sie diesen Mann jemals kennengelernt?
A: Nein, mein Bruder hat mir dies nur angedroht.
F: Wie hat Ihr Bruder Ihnen dies angedroht?
A: Er hat gesagt, dass er dies bereits ausgemacht hätte und er mich ansonsten töten würde."
Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Einschätzung des BFA, dass Zweifel am Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin angebracht sind. Insbesondere ist auch anzumerken, dass die Beschwerdeführerin in Österreich erklärt hatte, in Griechenland keinen Asylantrag gestellt zu haben, während sich aus der Mitteilung der griechischen Asylbehörden ergibt, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich einen Asylantrag gestellt und sich als syrische Staatsbürgerin ausgegeben hatte. Dies zeigt, dass sie zu einem Missbrauch des Asylsystems bereit ist.
Die Beschwerdeführerin erklärte zudem gegenüber dem BFA am 15.02.2018, dass sie in keinem anderen Land einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, da sie bei ihrem Lebensgefährten in Österreich sein wolle. Sie habe sich in Algerien dreimal um ein Visum für Österreich bemüht, dieses sei aber immer abgelehnt worden; auch ihrem Lebensgefährten sei die Einreise nach Algerien verwehrt worden. Auch diese Aussagen deuten darauf hin, dass die Beschwerdeführerin in erster Linie einen Umzug nach Österreich bezweckte, um ein gemeinsames Leben mit ihrem Lebensgefährten - den sie zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht persönlich, sondern nur über Facebook kannte - führen zu können. Entsprechend stellte auch das BFA im angefochtenen Bescheid fest, dass es glaubhaft sei, dass die Beschwerdeführerin Algerien verlassen habe, um bei ihrem jetzigen Lebensgefährten zu wohnen.
Selbst wenn man aber annehmen würde, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich aus einer schwierigen familiären Situation geflüchtet ist, stellt sich die Frage einer Asylrelevanz. Auch wenn man davon ausginge, dass sie als Opfer häuslicher Gewalt einer sozialen Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angehören würde, wäre es jedenfalls eine Verfolgung durch Privatpersonen, konkret durch ihren Bruder. Das BFA kam im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, dass nicht angenommen werden könne, dass die algerischen Behörden grundsätzlich schutzunfähig und schutzunwillig wären. Die Beschwerdeführerin hatte sich nie an die Polizei gewandt und dies folgendermaßen begründet: "Die mischen sich nicht in Familienangelegenheiten ein. Es gehört sich auch nicht, dass man zur Polizei geht und ich habe es auch für meine Mutter gemacht, dass ich das nicht der Polizei gesagt habe. [...] Sie hat gesagt, dass der ganze Ort gut über uns redet und wenn ich jetzt zur Polizei gehen würde, dann würde es heißen, dass sie ihre Kinder nicht erziehen könnte. In unserem Dorf gehört sich das nicht." Daraus ergibt sich aber noch keine Schutzunwilligkeit der algerischen Behörden; es wird nicht verkannt, dass es für eine algerische Frau einer Überwindung bedarf, sich gegen ihren Bruder an die Polizei zu wenden, doch reicht dies nicht aus, um eine Schutzunfähigkeit bzw. -unwilligkeit des Staates aufzuzeigen. Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass etwa Vergewaltigungen in Algerien oftmals aufgrund von gesellschaftlichem Druck nicht angezeigt werden, dass aber auf der anderen Seite Vergewaltigungen üblicherweise verfolgt werden und dass es ein neues Gesetz gegen häusliche Gewalt gibt. Der in der Beschwerde zitierte Bericht kann aufgrund fehlender Aktualität (siehe unten) ebenfalls der Feststellung einer prinzipiellen Schutzfähigkeit bzw. willigkeit der algerischen Behörden nicht entgegentreten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann zudem nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher den tragenden Erwägungen des Bundesamtes vollinhaltlich an und kommt ebenfalls zum Ergebnis, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft ist bzw. jedenfalls davon auszugehen ist, dass sie staatlichen Schutz gegen eine allfällige Bedrohung durch ihren Bruder in Anspruch nehmen könnte.
In der Beschwerde wurde der belangten Behörde vorgeworfen, dass sie keine Länderberichte aufgenommen habe, welche sich auf das konkrete Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin beziehen würden. Damit wird den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substantiiert entgegengetreten und wird auch nicht aufgezeigt, welche konkreten Länderberichte damit gemeint sind bzw. wie sich dadurch an der Feststellung, dass das Vorbringen nicht glaubhaft ist, etwas ändern sollte.
Der Beschwerdeführerin ist es damit im Ergebnis nicht gelungen, substantiiert darzulegen, dass ihr der algerische Staat keinen wirksamen Schutz vor der von ihr behaupteten Verfolgung durch ihren Bruder gewähren würde. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass Algerien als "sicherer Herkunftsstaat" im Sinne des § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG in Verbindung mit § 1 Z 10 Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden, gilt.
Soweit in der Beschwerde erklärt wird, dass die Beschwerdeführerin keine Unterstützung durch ihre Familie bekommen würde, ist dem entgegenzuhalten, dass sie nur durch ihren Bruder (bzw. durch den aber weiter entfernt lebenden Mann ihrer Cousine) bedroht wurde. Durch ihre Mutter und ihre Schwestern habe sie immer Unterstützung bekommen und diese würden auch gegen ihre Eheschließung nichts einzuwenden haben. Von einer völligen Isolation der Beschwerdeführerin, die angab, eine große Familie zu haben, kann daher jedenfalls keine Rede sein.
Soweit in der Beschwerde auf die Gefahr einer Zwangsverheiratung verwiesen wird, ist dem entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin inzwischen nach islamischem Recht verheiratet ist. Es ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um kein Mädchen mehr handelt, sondern um eine erwachsene Frau mit Berufserfahrung in verschiedenen Tätigkeiten. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass sie in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.
2.4. Zu den Länderfeststellungen
Die Feststellungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom März 2018 finden sich im angefochtenen Bescheid wieder. Die im Bescheid enthaltenen Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Algerien werden daher auch gegenständlicher Entscheidung zugrunde gelegt. Die wesentlichen Punkte wurden oben wiedergegeben.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Algerien ergeben sich aus den folgenden Meldungen und Berichten:
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BBC News (5.5.2017): Algeria election: Governing coalition wins parliamentary vote, http://www.bbc.com/news/world-africa-39811329, Zugriff 16.5.2017
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DS - Der Standard (5.5.2017): Regierungskoalition in Algerien verteidigt absolute Mehrheit,
http://derstandard.at/2000057051147/Regierungskoalition-in-Algerien-verteidigt-absolute-Mehrheit, Zugriff 16.5.2017
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JA - Jeuneafrique (5.5.2017): Législatives en Algérie : le FLN obtient une majorité relative à l'Assemblée nationale, http://www.jeuneafrique.com/345902/politique/tunisie-gouvernement-de-habib-essid-demissionnaire/, Zugriff 16.5.2017
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AA - Auswärtiges Amt (6.2016): Algerien - Innenpolitik,http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Algerien/Innenpolitik_node.htmlhttp://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Algerien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 14.2.2017
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 13.2.2017
-
ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015): Asylländerbericht Algerien
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AA - Auswärtiges Amt (15.2.2017): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AlgerienSicherheit_node.html, Zugriff 15.2.2017
-
BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (15.2.2017): Reiseinformationen Algerien, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/algerien-de.html, Zugriff 15.2.2017
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FD - France Diplomatie (15.2.2017): Conseils aux Voyageurs - Algérie - Sécurité,
http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/algerie/, Zugriff 15.2.2017
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AA - Auswärtiges Amt (18.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 13.2.2017
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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Algeria, http://www.ecoi.net/local_link/322502/461979_de.html, Zugriff 13.2.2017
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TI - Transparency International (2016): Table of Results:
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UKBA - UK Home Office Border Agency (17.1.2013): Country of Origin Information Report - Algeria,
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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Algeria, http://www.ecoi.net/local_link/319671/445023_en.html, Zugriff 14.2.2017
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USDOS - U.S. Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Algeria, http://www.ecoi.net/local_link/328406/455682_en.html, Zugriff 14.2.2017
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CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): The World Factbook
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SOS - SOS-Kinderdorf (o.D.): Algerien, http://www.sos-kinderdorf.at/sos-kinderdorf-erleben/wo-wir-arbeiten/international/wo-wir-helfen/afrika/algerien, Zugriff 8.2.2016
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016b): Algerien - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/algerien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 15.2.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016c): Algerien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/algerien/gesellschaft/, Zugriff 15.2.2016
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SGG Algérie - Secrétariat Général du Gouvernement (o.D.): Code Pénal, http://www.joradp.dz/TRV/FPenal.pdf, Zugriff 15.2.2017
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
In der Beschwerde wurde dem BFA vorgeworfen, es habe sich unzureichend mit der Situation alleinstehender Frauen in Algerien, mit der Frage häuslicher Gewalt und der Schutzfähigkeit/-willigkeit der algerischen Behörden befasst. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass es notwendig sei, die zum Entscheidungspunkt aktuellen Beweismittel heranzuziehen und dass bereits 9 Monate alte Berichte als überholt angesehen werden können. Zugleich wurde in der Beschwerde ein Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern (Algerien; S. 42-50) vom April 2010 zitiert; die für diesen Bericht verwendeten Quellen stammen aus den Jahren 2008 und 2009. Mit diesem Bericht kann alleine aufgrund der fehlenden Aktualität den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht wirksam entgegengetreten werden. Vielmehr finden sich im Länderinformationsblatt teilweise die gleichen Quellen wie im in der Beschwerde zitierten Bericht (etwa US Department of State, Country Report on Human Rights Practices), allerdings handelt es sich dabei um die Version von 2017 und nicht um jene von 2008. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die im Länderinformationsblatt wiedergegebenen aktuellen Quellen.
Die Feststellung, dass Algerien als sicherer Herkunftsstaat gilt, beruht auf § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. I Nr. 177/2009 idgF.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Status desrAsylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Im gegenständlichen Fall legte das Bundesamt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens im angefochtenen Bescheid dar, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft ist. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den entsprechenden Erwägungen an und kommt ebenfalls zum Schluss, dass der vorgebrachte Fluchtgrund nicht glaubhaft ist.
Selbst wenn man aber das Vorbringen der Beschwerdeführerin als wahr unterstellt (und somit davon ausgeht, dass sie für den Fall einer Rückkehr von ihrem Bruder bedroht wäre) und eine Deckung des Vorbringens in der Genfer Flüchtlingskonvention annehmen würde (im Sinne einer geschlechtsspezifischen Verfolgung durch ihren Bruder), käme die Gewährung von Asyl nicht in Frage, da die Schutzfähigkeit bzw. - willigkeit der Behörden Algeriens gegeben wäre. Es wurde von der Beschwerdeführerin nicht konkret und substantiiert dargetan und entspricht es auch nicht dem Amtswissen bzw. geht es auch nicht aus den Länderfeststellungen hervor, dass der Beschwerdeführerin polizeilicher Schutz verweigert werden würde. Unter richtlinienkonformer Interpretation (d.h. in Hinblick auf Art 6 der RL 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) kann eine Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG von nichtstaatlichen Akteuren nur dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Damit besteht ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde bzw. des Gerichtes. Die bloße Glaubhaftmachung im Sinne des Art. 6 der RL 2004/83/EG ist demnach hier als Beweismaß nicht ausreichend, sondern es muss "erwiesen" sein, dass der Staat nicht schutzfähig oder -willens ist. Dies wurde in der Beschwerde nicht aufgezeigt; insbesondere hatte die Beschwerdeführerin in Algerien nie staatlichen Schutz gesucht. Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass Algerien als Staatsapparat prinzipiell funktionsfähig ist und etwa Vergewaltigungen verfolgt werden. Eine Schutzfähigkeit/-willigkeit muss daher angenommen werden.
Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Algerien keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.
3.2. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids):
Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Algerien nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Zum subsidiären Schutz ist darüber hinaus darauf zu verweisen, dass Algerien als "sicherer Herkunftsstaat" im Sinne des § 19 Abs. 5 Z. 2 BFA-VG in Verbindung mit § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. I Nr. 177/2009 idgF gilt (vgl. dazu VwGH vom 16. November 2016, Ra 2016/18/0094-10).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174).
Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Dieser Anforderung kam die Beschwerdeführerin nicht nach.
Es wird nicht verkannt, dass die Beschwerdeführer erklärt hatte, sich vor ihrem Bruder zu fürchten. Wie bereits gezeigt wurde, ist dieses Vorbringen aber nicht glaubhaft und würde es ihr (wenn man das Vorbringen dennoch als wahr unterstellt) offenstehen, sich an die Polizei zu wenden.
Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in eine Notlage geraten würde, da sie gesund und erwerbsfähig ist. Sie hat auch eine gute Schulbildung und war berufstätig. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Gewährung eines Status nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 voraussetzt, dass die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK aufgezeigt wird (vgl. zuletzt VwGH, 23.03.2017, Ra 2016/20/0188); die bloße Möglichkeit einer Existenzbedrohung kann diese Schwelle nicht erreichen.
Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass der Ausspruch in Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.
3.3. Zum Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war der Beschwerdeführerin daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. war daher abzuweisen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids):
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Die eingegangene Ehe nach islamischem Recht ist in Österreich rechtlich nicht verbindlich. Das Element der Mitwirkung des Staates gehört zum Gehalt der Ehe. Der rechtliche Umstand, dass die hier in Rede stehende, nach islamischem Recht geschlossene Ehe nicht einer nach dem ABGB vor dem Standesbeamten geschlossenen Ehe gleichzustellen ist, bedeutet aber nicht, dass eine faktisch dahinterstehende Lebensgemeinschaft automatisch unbeachtlich wäre.
Allerdings muss im gegenständlichen Fall zunächst beachtet werden, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich weniger als zwei Jahre umfasst und dass sie keine besonderen Integrationsschritte gesetzt hat. Es wird nicht verkannt, dass eine Rückkehrentscheidung eine zumindest zeitweise Trennung der Beschwerdeführerin von ihrem Lebensgefährten (und Ehemann nach islamischem Recht) bedeuten könnte. Im konkreten Fall ist aber davon auszugehen, dass der Antrag auf internationalen Schutz missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt worden ist. In solchen Konstellationen wiegt das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch besonders schwer, zumal von den Beteiligten zu keiner Zeit von einem (rechtmäßigen) Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich hätte ausgegangen werden dürfen (vgl. etwa VwGH, 23.02.2017, Ra 2016/21/0235-8 oder VwGH, 07.09.2016, Ra 2016/19/0168 sowie das Urteil des EGMR vom 11. April 2006, Nr. 61292/00, Useinov gegen Niederlande). Bereits zum Zeitpunkt der in Griechenland erfolgten Eheschließung (und freilich auch in weiterer Folge) musste die Unsicherheit eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich in evidenter Weise bewusst sein; der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin, der sie vorher nur über Facebook kannte, reiste eigens nach Griechenland, um die Ehe zu schließen und in weiterer Folge über einen Schlepper und mit einem gefälschten Reisepass die Weiterreise nach Österreich zu organisieren.
Eine Rückkehrentscheidung bedeutet zudem nicht automatisch ein Ende des Kontaktes zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Lebensgefährten. Ein Kontakt via moderner Kommunikationsmittel hat zur Eheschließung geführt und kann auch aufrechterhalten werden. Außerdem stünde der Beschwerdeführerin bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen freilich auch der - eigentlich rechtlich vorgesehene - Weg für einen dauernden Aufenthalt in Österreich in