TE Vwgh Erkenntnis 2018/10/4 Ra 2018/18/0164

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Veröffentlicht am 04.10.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A S, vertreten durch Mag. Nino Tlapak als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. A. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2018, Zl. W103 2168558-1/7E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein äthiopischer Staatsangehöriger, beantragte am 7. Juli 2015 internationalen Schutz und brachte zusammengefasst vor, zur Volksgruppe der Oromo zu gehören. Sein Vater sei Mitglied der ONEG gewesen, einer bewaffneten Gruppierung, die gleichbedeutend mit der Oromo-Befreiungsfront (OLF) sei und sich in gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den äthiopischen Sicherheitskräften befinde. Auch dem Revisionswerber werde zu Unrecht unterstellt, dieser Gruppe anzugehören, weshalb er in den Jahren 2014/2015 bereits 11 Monate inhaftiert gewesen sei, ehe er die Flucht angetreten habe. Auch bei Rückkehr drohe ihm deshalb weitere Verfolgung.

2 Mit Bescheid vom 4. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, gewährte ihm keinen Aufenthaltstitel nach § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Äthiopien zulässig sei und legte die Frist zur freiwilligen Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Begründend hielt das BFA fest, dass den Angaben des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werden könne. Er habe auf die gestellten Fragen nur in "einer äußerst vagen Art und Weise" reagiert. Insbesondere habe er zu den Aktivitäten seines Vaters, der im Zentrum seines Fluchtvorbringens stehe, keine konkreten Angaben machen können, obwohl beispielsweise zu erwarten gewesen wäre, dass er sich darüber bei einem Freund des Vaters, den er getroffen habe, über diesen erkundigt hätte. Auch zu den Umständen seiner Inhaftierung habe der Revisionswerber nur eine grobe Rahmengeschichte erzählt und sei nicht in der Lage gewesen, Details zu nennen.

3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er ausdrücklich die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragte. Der Beweiswürdigung des BFA hielt er entgegen, er habe auf die Fragen des einvernehmenden Organwalters geantwortet, soweit es ihm möglich gewesen sei. Der Revisionswerber habe seinen Vater nie kennengelernt und nur von seiner Mutter über ihn erzählt bekommen. Wenn ihm vorgehalten werde, er hätte sich beim Freund des Vaters über Letzteren näher erkundigen können, so sei dem zu entgegnen, dass er den Freund nach seiner Enthaftung deshalb getroffen habe, um seine Flucht zu organisieren, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei. Im Übrigen verwies die Beschwerde darauf, dass nach den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid in den Jahren 2011 bis 2014 zahlreiche Angehörige der Volksgruppe der Oromo aufgrund einer tatsächlichen oder vermuteten Gegnerschaft zur Regierung verhaftet worden seien, die Mehrzahl davon offenbar ohne Haftbefehl oder wochen- bis jahrelang ohne Anklage. Der Revisionswerber sei einer von diesen Personen gewesen, obwohl er keine Straftat begangen habe.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer Verhandlung ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5 In der Begründung der Entscheidung schloss es sich den beweiswürdigenden Ausführungen des BFA an und untermauerte diese durch eigene beweiswürdigende Überlegungen. Das Unterbleiben der Verhandlung rechtfertigte das BVwG damit, dass die Beweiswürdigung des BFA seitens des Verwaltungsgerichts bestätigt worden sei. Das Anführen weiterer - das Gesamtbild lediglich abrundender, für die Beurteilung jedoch nicht ausschlaggebender - Argumente ändere daran nichts. Im Übrigen finde sich in der Beschwerdeschrift ein lediglich unsubstantiiertes Vorbringen, welches nicht geeignet gewesen sei, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen.

6 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit und in der Sache unter anderem geltend gemacht wird, das BVwG sei von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht in Asylangelegenheiten abgewichen, indem es trotz substantiierter Bestreitung der Argumentation des BFA in der Beschwerde keine Verhandlung durchgeführt habe (Hinweis insbesondere auf VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).

7 Das BFA hat zu dieser Revision im Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Das BVwG hat die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung unterlassen, obwohl die Beweiswürdigung des verwaltungsbehördlichen Bescheides in der Beschwerde des Revisionswerbers - wie oben dargestellt - konkret und substantiiert bekämpft worden ist. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der beantragten Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG lagen daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018, zuletzt etwa VwGH 30.5.2018, Ra 2017/18/0481-0488).

10 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat aufzuheben.

11 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

12 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 4. Oktober 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180164.L00.1

Im RIS seit

06.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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