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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/18/0096 Ra 2018/18/0098 Ra 2018/18/0097Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. M S, 2. S S, 3. I S und 4. Sa S, alle vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Jänner 2018, Zlen. W233 2128407- 1/8E, W233 2128408-1/14E, W233 2128409-1/12E, W233 2179090-1/2E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen Dritt- und Viertrevisionswerber. Sie alle sind tadschikische Staatsangehörige und stellten am 7. Juni 2015 (hinsichtlich der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien), am 23. Oktober 2015 (hinsichtlich des Drittrevisionswerbers) und am 24. August 2017 (hinsichtlich des Viertrevisionswerbers) Anträge auf internationalen Schutz. Dazu brachten sie zusammengefasst vor, der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin seien in Tadschikistan für die "Partei der Islamischen Wiedergeburt" (PIW) tätig gewesen. Der Erstrevisionswerber habe überdies bei der oppositionellen "Gruppe 24" mitgewirkt und sich auch in Österreich exilpolitisch gegen den amtierenden Präsidenten seines Herkunftslandes engagiert. Bei Rückkehr nach Tadschikistan drohe den revisionswerbenden Parteien deshalb politische Verfolgung.
2 Mit Bescheiden vom 6. Mai 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die revisionswerbenden Parteien Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Tadschikistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgelegt.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, die revisionswerbenden Parteien hätten ihre Fluchtgründe aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft machen können. Zum Vorbringen des Erstrevisionswerbers, er sei auch in Österreich exilpolitisch tätig gewesen, hielt das BVwG im Speziellen fest, der Erstrevisionswerber habe insofern Fotos und Videos vorgelegt, die ihn bei Demonstrationen gegen den tadschikischen Präsidenten zeigen sollen. Die auf diesen Fotos bzw. Videos ersichtliche Person sei aber nicht als der Erstrevisionswerber zu identifizieren. Schon deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Erstrevisionswerber wegen angeblicher exilpolitischer Tätigkeit in das Blickfeld der tadschikischen Behörden geraten sei.
5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, es liege noch keine (ausreichende) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den für die Annahme eines Nachfluchtgrundes relevanten Gesichtspunkten vor. Die Argumentation des BVwG, der Erstrevisionswerber sei nicht identifizierbar, übersehe, dass den tadschikischen Staatssicherheitsbehörden wohl weitaus mehr Informationsmöglichkeiten als die Auswertung einer Hand von Lichtbildern zur Verfügung stehe, um den Erstrevisionswerber als politischen Gegner zu identifizieren. Der Erstrevisionswerber habe zum Beweis für seine Mitgliedschaft bei der oppositionellen "Gruppe 24" auch ein entsprechendes Bestätigungsschreiben des Vorsitzenden der Gruppierung vorgelegt. Es wäre Aufgabe des BVwG gewesen, sich mit diesem Beweismittel auseinanderzusetzen. Schon dadurch erfolge die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise. Hinzu komme, dass der Erst- und die Zweitrevisionswerberin völlig übereinstimmend und widerspruchsfrei ausgesagt hätten. Die gegenteilige Beweiswürdigung des BVwG sei nicht nachvollziehbar.
6 Das BFA erstattete im eingeleiteten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.
7 Die Revision ist nicht zulässig.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
8 Im gegenständlichen Fall hat das BVwG die vorgebrachten Fluchtgründe, und zwar sowohl in Bezug auf die angebliche politische Tätigkeit des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin vor ihrer Ausreise aus Tadschikistan als auch die behaupteten exilpolitischen Aktivitäten des Erstrevisionswerbers in Österreich, für nicht glaubhaft befunden. Die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses lässt ausreichend deutlich erkennen, welche beweiswürdigenden Überlegungen das BVwG dabei angestellt hat. Insbesondere wurde auch näher begründet, weshalb dem vorgelegten Schreiben, das eine Mitgliedschaft des Erstrevisionswerbers in der oppositionellen "Gruppe 24" bestätigen soll, kein maßgeblicher Beweiswert beigemessen wurde. Die Revision vermag demgegenüber nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des BVwG in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab etwa VwGH 20.7.2018, Ra 2018/18/0385, mwN).
9 Wenn die Revision besonderes Augenmerk auf die geltend gemachten Nachfluchtgründe legt, so ist ihr lediglich Folgendes zu erwidern: Die (in manchen Teilen missverständliche) Begründung der angefochtenen Entscheidung kann in ihrer Gesamtheit - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht so gelesen werden, dass das Verwaltungsgericht dem Erstrevisionswerber die exilpolitische Tätigkeit zwar geglaubt, eine Gefährdung bei Rückkehr in den Herkunftsstaat aber nur deshalb verneint hat, weil die tadschikischen Sicherheitsbehörden den Erstrevisionswerber auf den vorgelegten Fotos und Videos nicht identifizieren könnten. Das BVwG ging vielmehr davon aus, dass der Erstrevisionswerber seine Nachfluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte, also die exilpolitische Tätigkeit als solche in Zweifel zu ziehen ist. Ausgehend davon bedarf es auch keiner näheren Auseinandersetzung mit den weiteren von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen, die sich bei Glaubhaftmachung eines (subjektiven) Nachfluchtgrundes stellen könnten.
10 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.
Wien, am 4. Oktober 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180095.L00.1Im RIS seit
06.11.2018Zuletzt aktualisiert am
16.11.2018