Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde der Stadtwerke W in W, vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 9. März 1999, Zl. 410.989/05-1 4/98, betreffend Erlöschen eines Wasserbenutzungsrechtes,
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen und
2. den Beschluss gefasst:
Der Antrag 1. der Marktgemeinde H, 2. des M H in K, 3. des F E in K, 4. des J H in K, 5. des J G in K, 6. des J F in K, 7. des M K in K, 8. der C M in B, 9. des E R in K, alle vertreten durch Hausberger, Moritz, Schmidt, Rechtsanwälte in W, sowie 10. der A R in K und 11. der D Forstverwaltung in K, vertreten durch Dr. Christian Poley, Notar in Kitzbühel, Rathausplatz 15, der Beschwerde keine Folge zu geben und der beschwerdeführenden Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 1996 wurde der beschwerdeführenden Partei die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerkes "K" erteilt.
Spruchabschnitt VII dieses Bescheides lautet:
"Gemäß § 112 Abs. 1 WRG 1959 wird die Baubeginnsfrist mit 1.9.1996, die Bauvollendungsfrist mit 1.9.1999 bestimmt. Auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959, wonach durch Unterlassung der fristgerechten Fertigstellung der Anlage das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes eintritt, wird hingewiesen."
Mit Spruchabschnitt XV. dieses Bescheides wurden der beschwerdeführenden Partei Dienstbarkeiten eingeräumt.
Mit Schreiben vom 12. November 1996 teilte die beschwerdeführende Partei mit, dass mit dem Bau des Kraftwerkes am 20. August 1996 begonnen worden sei. Die - auf Grundstücken der beschwerdeführenden Partei vorgenommenen - Bauarbeiten seien im Zusammenhang mit dem Detailprojekt Triebwasserweg (Überprüfung des geologischen Unterbaues, Durchführung von Vermessungsarbeiten) erfolgt. Auf diesen Grundstücken sowie auf Grundstücken von Grundeigentümern, mit denen das Einvernehmen hergestellt worden sei, seien weiters in der Natur die Trassenführung der Triebwasserleitung dargestellt und unbedingt erforderliche Arbeiten am Baumbestand durchgeführt worden.
Mit Schriftsatz vom 28. August 1997 haben die Marktgemeinde Hopfgarten und andere beantragt, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft möge feststellen, dass die der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom 7. Mai 1996 erteilte wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerkes "K" erloschen sei; weiters wurde beantragt, auszusprechen, dass die durch das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes entbehrlich gewordenen, in Spruchabschnitt XV. eingeräumten, im Grundbuch nicht eingetragenen Dienstbarkeiten erloschen seien.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 9. März 1999 stellte die belangte Behörde unter Berufung auf die §§ 27 Abs. 1 lit. f und 29 Abs. 1 WRG 1959 das Erlöschen der der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Mai 1996 erteilten wasserrechtlichen Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb des Kraftwerksprojektes Kelchsau-Ehreit fest (Spruchabschnitt I).
Unter Spruchabschnitt II wurde gemäß § 29 Abs. 5 in Verbindung mit § 70 Abs. 1 WRG 1959 ausgesprochen, dass die mit Spruchabschnitt XV. des Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Mai 1996 eingeräumten Dienstbarkeiten erloschen sind.
Mit Spruchabschnitt III wurde unter Berufung auf die §§ 60 ff, 117 und 118 WRG 1959 die Spruchabschnitte X. bis XIV. sowie XVI. des Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Mai 1996 behoben.
Dem Antrag der beschwerdeführenden Partei, gemäß § 121 Abs. 1 letzter Satz WRG 1959 vom Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes abzusehen, wurde unter Spruchabschnitt IV keine Folge gegeben.
In der Begründung heißt es, nach § 112 Abs. 1 WRG 1959 i.d.F. der WRG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 74, sei der Eintritt des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes nicht mehr an den bescheidmäßigen Hinweis auf die Rechtsfolge des § 27 Abs. 1 lit. f gebunden. Auf Grund des Art. II der WRG-Novelle 1997 sei diese Fassung des § 112 Abs. 1 WRG 1959 hinsichtlich des Antrages der Marktgemeinde Hopfgarten u.a. auf Feststellung des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes anzuwenden, da Art. II anordne, dass abgesehen von den Zuständigkeitsbestimmungen auf alle anhängigen Verfahren die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden seien.
Der Umstand, dass im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid - aus welchen Gründen auch immer - hinsichtlich der Baubeginnsfrist nicht auf die Bestimmung des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 verwiesen worden sei, sei sohin für die Frage des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes rechtlich nicht relevant.
In der Folge wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt, dass nach Auffassung der belangten Behörde bis zum 1. September 1996 nicht mit dem Bau des bewilligten Kraftwerkes begonnen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall § 112 WRG 1959 in der Fassung der WRG-Novelle 1997 anzuwenden sei. Außerdem behauptet die beschwerdeführende Partei, mit den Bauarbeiten sei bereits vor dem 1. September 1996 begonnen worden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die im Spruch des vorliegenden Erkenntnisses genannten Personen haben ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben und der beschwerdeführenden Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zum Zeitpunkt der Erlassung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 7. Mai 1996 stand folgende Fassung des § 112 Abs. 1 WRG 1959 in Geltung:
"(1) Zugleich mit der Bewilligung einer Wasseranlage sind angemessene Fristen für den Baubeginn und die Bauvollendung, bei Wasserbenutzungsanlagen unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f, kalendermäßig zu bestimmen. Erforderlichenfalls können Teilfristen für wesentliche Anlageteile festgesetzt werden. Fristverlängerungen, die durch das Berufungsverfahren notwendig werden, sind von Amts wegen vorzunehmen".
§ 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959, auf den in § 112 Abs. 1 leg. cit. verwiesen wird, bestimmt, das Wasserbenutzungsrechte durch Unterlassung der Inangriffnahme des Baues oder der Fertigstellung der bewilligten Anlagen binnen der im Bewilligungsbescheid hiezu bestimmten oder nachträglich verlängerten Frist erlöschen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 112 WRG 1959 in der Fassung vor der WRG-Novelle 1997 erlosch die wasserrechtliche Bewilligung bei einer Wasserbenutzungsanlage nur dann kraft Gesetzes, wenn im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 hingewiesen wurde (vgl. das Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, VwSlg. 13978/A).
Durch die mit 1. Oktober 1997 in Kraft getretene WRG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 74, erhielt § 112 Abs. 1 folgende neue Fassung:
"(1) Zugleich mit der Bewilligung sind angemessene Fristen für die Bauvollendung der bewilligten Anlage kalendermäßig zu bestimmen; erforderlichenfalls können auch Teilfristen für wesentliche Anlagenteile festgesetzt und Fristen für den Baubeginn bestimmt werden. Fristverlängerungen, die durch das Berufungsverfahren notwendig werden, sind von Amts wegen vorzunehmen. Die Nichteinhaltung solcher Fristen hat bei Wasserbenutzungsanlagen das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes (§ 27 Abs. 1 lit. f) zur Folge, sofern nicht die Wasserrechtsbehörde gemäß § 121 Abs. 1, letzter Satz, hievon absieht."
Nach der Neufassung des § 112 Abs. 1 WRG 1959 entfällt das Erfordernis, im Bescheid bei der Fristsetzung auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f hinzuweisen.
Nach Art. II der WRG-Novelle 1997 sind am Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nach den bis dahin geltenden Zuständigkeitsbestimmungen zu Ende zu führen. Im Übrigen sind auf alle anhängigen Verfahren die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden.
Der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 1996, mit welchem eine Baubeginnsfrist und eine Bauvollendungsfrist festgesetzt wurden, enthält zwar einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959, der sich ausdrücklich aber nur auf die Unterlassung der fristgerechten Fertigstellung der Anlage bezieht, nicht aber auf die Nichteinhaltung der Baubeginnsfrist.
Die belangte Behörde meint, dass auf Grund der Übergangsbestimmung des Art. II der WRG-Novelle 1997 bei der Beantwortung der Frage, ob durch eine Unterlassung des Baubeginns innerhalb der für den Baubeginn gesetzten Frist das Wasserbenutzungsrecht erloschen sei, § 112 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung der WRG-Novelle 1997 anzuwenden sei, welche das Erfordernis des Hinweises auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 nicht mehr enthalte.
Diese Auffassung trifft nicht zu.
Durch die WRG-Novelle 1997 wurde der gesamte § 112 Abs. 1 WRG 1959 neu gefasst, wobei das Erfordernis eines Hinweises auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f bei der Fristsetzung im Bescheid entfallen ist. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber die Wasserrechtsbehörde ermächtigt, ab dem Inkrafttreten der Neufassung des § 112 Abs. 1 WRG 1959 (1. Oktober 1997) in Wasserrechtsbescheiden Fristen vorzusehen, ohne auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 hinzuweisen. Die Neufassung des § 112 Abs. 1 WRG 1959 wird daher erst für nach dem 1. Oktober 1997 erlassene Bescheide mit Fristen im Sinne des § 112 WRG 1959 wirksam. Hingegen beseitigt diese Neufassung des § 112 WRG 1959 nicht rückwirkend das Erfordernis des Hinweises auf die Rechtsfolge des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 in vor dem 1. Oktober 1997 erlassenen Bescheiden.
Aus der Übergangsbestimmung des Art. II der WRG-Novelle 1997 ist für den Standpunkt der belangten Behörde auch dann nichts zu gewinnen, wenn man davon ausginge, dass es sich bei dem Verfahren zur Feststellung des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes um ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens der WRG-Novelle 1997 anhängiges Verfahren im Sinne des Art. II dieser Novelle handelt. Art. II ordnet die Anwendung der Bestimmungen der WRG-Novelle 1997 an. Diese Bestimmungen enthalten aber keine Anordnung des Inhalts, dass für vor dem 1. Oktober 1997 erlassene Bescheide das Erfordernis des Hinweises auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 als Voraussetzung für ein Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes bei Überschreiten der gesetzten Fristen rückwirkend entfiele.
Bestärkt wird dieses Ergebnis durch folgende Überlegungen:
Da der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid aus dem Jahr 1996 hinsichtlich der Baubeginnsfrist keinen Hinweis auf § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 enthielt, schuf er eine Rechtslage, der zufolge das Überschreiten der Baubeginnsfrist nicht von der Sanktion des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes bedroht war. Auf die so geschaffene Rechtslage konnte die beschwerdeführende Partei vertrauen und ihre Dispositionen darauf aufbauen. Würde man annehmen, die Neufassung des § 112 Abs. 1 WRG 1959 habe rückwirkend die Rechtslage geändert, dann stellte dies einen gravierenden Eingriff in Rechte der beschwerdeführenden Partei dar, da deren Wasserbenutzungsrecht erlöschen würde, ohne dass sie noch in der Lage wäre, ihre Dispositionen der geänderten Rechtslage anzupassen. Für einen solchen gravierenden Eingriff in bestehende Rechte fehlt eine sachliche Rechtfertigung. Auch im Hinblick auf das Erfordernis einer verfassungskonformen Interpretation der WRG-Novelle 1997 muss daher davon ausgegangen werden, dass der Entfall der Notwendigkeit eines Hinweises auf § 27 Abs. 1 lit. f im Zusammenhang mit der Fristsetzung in wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden erst für die Zukunft wirkt, nicht aber für bereits erlassene Bescheide.
Der auf der gegenteiligen Auffassung beruhende angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Verfahren zur Feststellung des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes kommt lediglich dem bisher Berechtigten Parteistellung zu und sonst niemandem (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1995, 93/07/0189). Den im Spruch des vorliegenden Erkenntnisses genannten Personen kommt daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch keine Stellung als mitbeteiligte Parteien zu, weshalb ihre Anträge zurückzuweisen waren.
Wien, am 21. Oktober 1999
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999070061.X00Im RIS seit
12.11.2001