Entscheidungsdatum
22.10.2018Index
90/01 StraßenverkehrsrechtNorm
StVO 1960 §9 Abs1;Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Christ aufgrund der Beschwerde von Frau AA, Adresse 1, Z, vertreten durch BB, Adresse 2, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 30.7.2018, ****, betreffend Verwaltungsübertretungen, nach der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als
a) Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses ersatzlos behoben und das Verfahren hinsichtlich dieses Spruchpunktes gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt wird, und
b) die unter Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Geldstrafe von € 600,--, Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage, auf € 400,--, Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage,
herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Behörde entfällt hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des angefochtenen Straferkenntnisses und wird gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hinsichtlich des Spruchpunktes 3. mit € 40,-- neu festgesetzt.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensablauf:
1. Verfahren betreffend das angefochtene Straferkenntnis vom 30.7.2018, ****:
Aufgrund einer Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion W vom 15.3.2018 zu GZl **** wurde die Bezirkshauptmannschaft X über den Verdacht dreier von Frau AA begangener Verwaltungsübertretungen informiert.
Mit Schriftsatz vom 28.6.2018 kam die nunmehrige Beschwerdeführerin einem von der belangten Behörde erstatteten Auftrag zur Rechtfertigung nach.
Mit dem in weiterer Folge erlassenen und nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin Folgendes zur Last gelegt:
„Tatzeit: zu 1. und 2.) 13.03.2018, 13.44 Uhr
zu 3.) 13.03.2018 von 13.44 Uhr bis 13.45 Uhr
Tatort: zu 1. und 2.) Gemeinde V, Adresse 3 Richtung Autobahnabfahrt
zu 3.) Gemeinde V, Anschlussstelle X, Abfahrt zur Richtungsfahrbahn U vom Ende der Rampe auf Höhe Adresse 3 bis zum Verzögerungsstreifen der Abfahrt entgegen der Fahrtrichtung der Abfahrt A ****
1. Sie haben die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren.
2. Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Verbotszeichen ‚Einfahrt verboten‘ nicht beachtet.
3. Sie haben die Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung befahren, obwohl sich dies aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nicht ergeben hat.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
2. § 52 lit. a Z. 2 StVO
3. § 46 Abs. 4 lit. a StVO
Geldstrafe von
Euro
1. 100,00
2. 100,00
3. 600,00
falls diese uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe von:
24 Stunden
24 Stunden
6 Tage
Freiheitsstrafe
von:
Gemäß:
§ 99 Abs. 2 lit. c StVO
§ 99 Abs. 2 lit. c StVO
§ 99 Abs. 2 lit. c StVO“
Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, dass der festgestellte Sachverhalt nach Durchführung der Beweisaufnahme für die erkennende Behörde mit der für eine Bestrafung notwendigen Sicherheit als erwiesen feststehe. Die Verwaltungsübertretungen und der Unfall seien von Beamten der API W dienstlich festgestellt worden. Die Beschuldigte rechtfertige sich im Wesentlichen damit, die Übertretungen zwar begangen zu haben, dass aber eine Doppelbestrafung vorliege. Der Grundsatz „ne bis in idem“ sei im vorliegenden Fall allerdings nicht verletzt. Die Beschuldigte habe mit ihrem Verhalten drei Übertretungen begangen und seien diese auf Grund des im Verwaltungsstrafverfahrens geltenden Kumulationsprinzips (§ 22 VStG) nebeneinander zu bestrafen. Die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens sei der Beschuldigten nicht gelungen, zumal diese die Tat nicht abstreite.
Weiters führt die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht wie folgt aus:
„Eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, z.B. bei Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften der StVO verstößt.
Es handelt sich bei den Begriffen der besonderen Gefährlichkeit der Verhältnisse und der besonderen Rücksichtslosigkeit um zwei grundsätzlich zu unterscheidende Umstände, denen im Straßenverkehrsrecht gefahrenerhöhende Wirkung zukommt. Bei der besonderen Rücksichtslosigkeit ist es ein subjektives, bei den besonders gefährlichen Verhältnissen ein objektives Element, das jeweils zu den ‚normalen‘ Verkehrsübertretungen hinzutreten muss, ohne dass es auf die Folgen eines solchen Verhaltens ankommt, die durch den Verstoß gegen das für das Lenken von Fahrzeugen maßgebenden Vorschriften herbeigeführt worden ist. Mit anderen Worten: Im ersten Fall können solche Umstände in einem durch die persönliche Einstellung bedingten Verhalten einer Person liegen (besondere Unvorsichtigkeit, Schlamperei usw.) im zweiten in den äußeren Verhältnissen (zB: enge, kurvenreiche Straße; glatte Fahrbahn; schlechte Sichtverhältnisse) liegen.
Der Verwaltungsgerichtshof erblickt in ständiger Rechtsprechung in einem Verstoß durch einen sog. ‚Geisterfahrer‘ gegen § 46 Abs 4 lit a StVO im Regelfall ein Verhalten, das geeignet ist entgegenkommende Verkehrsteilnehmer in hohen Maße zu gefährden.
Im gegenständlichen Fall hat das gesetzwidrige Verhalten der Beschuldigten konkret im Verschulden eines Verkehrsunfalles mit zwei beteiligten Fahrzeugen manifestiert. Daher war die Beschuldigte nach den angeführten gesetzlichen Bestimmungen zu bestrafen.“
Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde unter anderem wie folgt aus:
„Im Sinne des § 19 Abs. 2 VStG hat die Behörde mildernd die Unbescholtenheit der Beschuldigten gewertet, während erschwerende Umstände nicht ins Gewicht fielen.
Nach § 20 VStG kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder die Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen ist gegenständlich aber jedenfalls nicht auszugehen.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG kann die Behörde, anstatt die Einstellung zu verfügen, der Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um sie von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein ‚geringfügiges Verschulden‘ nur dann vor, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Diese Voraussetzung liegt nach Ansicht der Behörde nicht vor. Die Beschuldigte musste sich im Klaren sein, dass sie sich über Rechtsvorschriften hinweg setzt.
Zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gab die Beschuldigte an, dass sie ein monatliches Einkommen in der Höhe von € 1.088,52 erhalte.
Hinsichtlich des in Betracht kommenden Strafrahmens ist die gegenständliche Strafhöhe auch bei allenfalls ungünstigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen keineswegs überhöht. Die Strafe ist als unbedingt notwendig anzusehen, um die Beschuldigte von weiteren derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten und konnte jedenfalls aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht geringer bemessen werden.“
Laut dem im Akt beiliegenden Rückschein wurde der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid Frau AA am 20.8.2018 zugestellt.
2. Beschwerde:
Gegen die Spruchpunkte 2. und 3 des unter Z 1 genannten Straferkenntnisses erhob Frau AA, vertreten durch BB, Beschwerde, welche am 24.8.2018 per Email an die Bezirkshauptmannschaft X übermittelt wurde.
Begründet wird die vorliegende Beschwerde, mit der insbesondere die Einstellung des hinsichtlich der Spruchpunkte 2. und 3. geführten Strafverfahrens begehrt wird, im Wesentlichen wie folgt:
„2. Wie die Beschwerdeführerin bereits gegenüber den einschreitenden Beamten angegeben hat, beabsichtigte sie auf der Inntalautobahn in Richtung Osten (Richtung T) zu fahren. Zum Tatzeitpunkt befand sich in unmittelbarer Nähe der Auf-/Abfahrt zur Autobahn eine Baustelle und waren allfällige Verkehrsschilder durch Baustellenfahrzeuge verdeckt. Als die Beschuldigte bemerkte, dass sie die Rampe gegen die Fahrtrichtung befährt, brachte sie ihr Fahrzeug unverzüglich zum Stillstand. Das VStG normiert, dass zu jeder Verwaltungsübertretung Verschulden gehört (§ 5 Abs. 1 VStG). Fahrlässig handelt, wer einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, zwar ohne dies zu wollen, jedoch unter Außerachtlassung der ihm möglichen Sorgfalt. Aus dem Gesagten erhellt, dass der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Vorwürfe zu den Spruchpunkten 2. und 3. kein Verschulden angelastet werden kann.
(…)
3. Die Tat, die der Beschwerdeführerin zur Last gelegt wird, fällt nicht unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen. Eine dreifache Bestrafung verstößt sohin gegen das sog. Doppelbestrafungsverbot. Nicht richtig ist, dass die Beschwerdeführerin einen Verkehrsunfall verschuldet hätte. Das Alleinverschulden am Zustandekommen der Kollision zwischen Herrn CC und Herrn DD trifft Letztgenannten. Nach § 18 Abs. 1 StVO hat nämlich der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.
4. Grundlage für die Bemessung der Strafe ist das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (§ 19 VStG). Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwiegen. Weiters ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Bei Bemessung von Geldstrafen sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 2 VStG). Die Erschwerungs- und Milderungsgründe des StGB sind unter Berücksichtigung der Eigenart des VStG sinngemäß anzuwenden.
Nach § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Die Beschwerdeführerin ist sowohl in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht als auch in strafgerichtlicher Hinsicht bis dato vollkommen unbescholten. An Pension erhält die Beschuldigte, wie die Bezirkshauptmannschaft X zutreffend ausführt, monatlich € 1.088,52. Die Beschwerdeführerin hat kein Vermögen und muss sich demnächst einer zahnärztlichen Behandlung bei EE unterziehen, die mit restlich ca. € 5.112,00 zu Buche schlagen wird.“
3. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol:
Vom Landesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Angelegenheit am 16.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher die Beschwerdeführerin und die zwei meldungslegenden Polizeibeamten als Zeugen des gegenständlichen Vorfalls einvernommen wurden und im Wesentlichen übereinstimmend den Tathergang schilderten. Die Beschwerdeführerin bedauerte ausdrücklich ihr Fehlverhalten.
II. Rechtliche Erwägungen:
1. Zur Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde:
Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol, in der vorliegenden Rechtssache zu entscheiden, gründet in der Bestimmung des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, wonach über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit die Verwaltungsgerichte erkennen.
Das Landesverwaltungsgericht ist in der gegenständlichen Angelegenheit gem Art 131 Abs 1 B-VG zuständig, zumal sich aus den Abs 2 und 3 dieser Bestimmung keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Bundes ergibt.
Frau AA ist als Beschuldigte des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 32 Abs 1 VStG zweifellos Partei und war insofern zum Zeitpunkt der Erhebung der gegenständlichen Beschwerde hierzu legitimiert.
Die Beschwerde wurde auch innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist eingebracht und ist insofern rechtzeitig.
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist die vorliegende Beschwerde zulässig.
2. Zur Sache:
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der StVO (§§ 9, 46, 52, 55 und 99) lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 9. Verhalten bei Bodenmarkierungen.
(1) Sperrlinien (§ 55 Abs. 2) dürfen nicht überfahren, Sperrflächen (§ 55 Abs. 4) nicht befahren werden. Befinden sich eine Sperrlinie und eine Leitlinie nebeneinander, so hat der Lenker eines Fahrzeuges die Sperrlinie dann zu beachten, wenn sie dem von ihm benützten Fahrstreifen näher liegt.
(2) (…)“
„§ 46. Autobahnen.
(1) (…)
(4) Auf der Autobahn ist verboten:
a) eine Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung zu befahren, sofern sich nicht aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen etwas anderes ergibt,
b) (…)“
„§ 52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) Gebotszeichen oder
c) Vorrangzeichen.
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
1. (…)
2. ‚EINFAHRT VERBOTEN‘
Dieses Zeichen zeigt an, dass die Einfahrt verboten ist.
3a. (…)“
„§ 55. Bodenmarkierungen auf der Straße.
(1) Zur Sicherung, Leitung und Ordnung des fließenden und des ruhenden Verkehrs können auf der Straße Bodenmarkierungen angebracht werden; sie können als Längsmarkierungen, Quermarkierungen, Richtungspfeile, Schraffen, Schriftzeichen, Symbole u. dgl. ausgeführt werden.
(2) Längs- oder Quermarkierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie Sperrlinien (§ 9 Abs. 1), Haltelinien vor Kreuzungen (§ 9 Abs. 3 und 4) und Längsmarkierungen, die dazu dienen, den Fahrbahnrand anzuzeigen (Randlinien), sind als nicht unterbrochene Linien auszuführen.
(3) (…)“
„§ 99. Strafbestimmungen.
(1) (…)
(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,
a) (…)
c) wer als Lenker eines Fahrzeuges, zB beim Überholen, als Wartepflichtiger oder in Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, sofern nicht eine Übertretung nach Abs. 2d oder 2e vorliegt,
d) (…)“
Im vorliegenden Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Prüfumfang des Landesverwaltungsgerichtes nach § 27 VwGVG darauf beschränkt ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen, wobei die Beschwerde nach § 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren zu enthalten hat.
Vor diesem Hintergrund und da sich die gegenständliche Beschwerde ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte 2. und 3. des angefochtenen Bescheides richtet, war vom Landesverwaltungsgericht nur die Rechtsmäßigkeit dieser beiden Spruchpunkte, nicht aber jene des Spruchpunktes 1. zu überprüfen.
Aber auch hinsichtlich der genannten Spruchpunkte 2. und 3. des angefochtenen Bescheides ist der Prüfumfang des Landesverwaltungsgerichtes aufgrund des Beschwerdevorbringens eingeschränkt, zumal seitens der Beschwerdeführerin die Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale der ihr zu diesen Spruchpunkten angelasteten Verwaltungsübertretungen gar nicht bestritten wird und insofern mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch vom Landesverwaltungsgericht die Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale der §§ 46 Abs 4 lit a und 52 lit a Z 2 StVO als erwiesen anzusehen ist.
Bestritten – zumindest in der gegenständlichen Beschwerde - wird von der Beschwerdeführerin allerdings das Verschulden an den genannten Verwaltungsübertretungen.
Wie schon die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis zu Recht ausgeführt hat, ist hinsichtlich der inneren Tatseite zu berücksichtigen, dass es sich bei der Nichtbeachtung des Verbotszeichens „Einfahrt verboten“ und bei der Befahrung der Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung jeweils um ein so genanntes „Ungehorsamsdelikt“ im Sinne des § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG handelt, da hier zum Tatbestand der jeweiligen Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. Bei derartigen Delikten ist dann Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. „Glaubhaftmachung“ bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Beschuldigte hat initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und Beweismittel zum Beleg desselben bekannt zu geben oder vorzulegen (vgl VwGH 24.05.1989, 89/02/0017 ua).
Im vorliegenden Fall versuchte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde mangelndes Verschulden damit zu begründen, dass sich zum Tatzeitpunkt in unmittelbarer Nähe der Auf-/Abfahrt zur Autobahn eine Baustelle befunden habe und allfällige Verkehrsschilder durch Baustellenfahrzeuge verdeckt gewesen seien. Als die Beschuldigte bemerkt habe, dass sie die Rampe gegen die Fahrtrichtung befährt, habe sie ihr Fahrzeug unverzüglich zum Stillstand gebracht.
Im Rahmen der vom Landesverwaltungsgericht durchgeführten Verhandlung wurde dieses Vorbringen allerdings insofern relativiert, als die Beschwerdeführerin zugestand, sich trotz des Baustellenverkehrs ihr eingestandenes Fehlverhalten nicht erklären zu können und sie auch den übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Polizeibeamten nicht widersprach, die keinerlei Anzeichen dafür hätten feststellen können, dass die Wahrnehmung der gegenständlichen Sperrlinie bzw der vierfach vorhandenen Verkehrsschilder „Einfahrt verboten“ aufgrund einer Baustelle hätte beeinträchtigt sein können.
Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes ist im vorliegenden Fall somit keine Glaubhaftmachung von mangelndem Verschulden gelungen; vielmehr gestand die Beschwerdeführerin ihr Fehlverhalten im Rahmen der am 16.10.2018 durchgeführten Verhandlung ein und bereute dieses ausdrücklich. Entsprechend dem sinngemäß anwendbaren § 6 StGB setzt fahrlässiges Handeln einen doppelten Sorgfaltsverstoß voraus: Erforderlich ist zum Einen die Verletzung einer den Täter situationsbezogen treffenden objektiven Sorgfaltspflicht, wobei die Einhaltung dieser Sorgfaltspflicht dem Täter zum Anderen nach seinen subjektiven Befähigungen zum Tatzeitpunkt auch möglich gewesen sein muss (vgl etwa Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² [2017] Rz 4 zu § 5).
Für das Landesverwaltungsgericht besteht keine Veranlassung zur Annahme, dass die Beschwerdeführerin aufgrund subjektiver Umstände nicht in der Lage gewesen wäre, die sich aus den verletzten Rechtsnormen der StVO ergebenden objektiven Sorgfaltspflichten einzuhalten.
Insgesamt steht für das Landesverwaltungsgericht somit fest, dass die Beschwerdeführerin nicht nur die objektiven, sondern auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale der ihr angelasteten Verwaltungsübertretungen verwirklicht hat.
Auf den Umstand, ob die Beschwerdeführerin mit ihrem Verhalten einen Unfall verursacht hat, kommt es im Hinblick darauf, dass es sich bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen um Ungehorsamsdelikte handelt, nicht an, und musste diese Frage daher vom Landesverwaltungsgericht auch im Zusammenhang mit der subjektiven Tatseite nicht geklärt werden.
Zu prüfen war nun allerdings noch, ob entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführerin eine Bestrafung entsprechend den Spruchpunkten 2. und 3. des angefochtenen Bescheides gegen den Grundsatz ne bis in idem, also gegen das sogenannte Doppelbestrafungsverbot, verstößt.
Dies ist aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes zumindest teilweise zu bejahen.
Im Sinn des § 22 Abs 2 VStG liegen die Voraussetzungen für die Verhängung dreier Strafen nebeneinander dann vor, wenn sich die drei Strafdrohungen, unter die die gegenständliche Tat fällt, nicht ausschließen.
Eine unzulässige Doppelbestrafung läge im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann vor, wenn nach der Ausschöpfung des materiell-rechtlichen Unrechtsgehaltes eines Sachverhaltes durch eine bereits ergangene Verurteilung eine weitere Verurteilung in Bezug auf denselben Sachverhalt erfolgen würde (siehe etwa VfSlg 14.696/1996; VwGH 23.5.2002, 2001/07/0182).
Gemäß Art 4 Abs 1 7. ZP-EMRK darf „[n]iemand […] wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden."
Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 14.696/1996, 15.128/1998, 15.199/1998) widerspricht eine Regelung, wonach durch eine Tat unterschiedliche Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz), nicht zwingend dem Doppelbestrafungsverbot des Art 4 Abs 1 7. ZP-EMRK. Die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen ist daher grundsätzlich zulässig, sofern diese sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden (vgl. VfSlg. 18.833/2009, 19.280/2010).
Eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- oder Mehrfachbestrafung im Sinne des Art 4 Abs 1 7. ZP-EMRK liegt dann vor, wenn eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war, also der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt daher, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird (vgl. ausdrücklich VfSlg. 14.696/1996).
Konkret für den vorliegenden Fall relevant ist etwa die Entscheidung des VwGH vom 23.5.1977, 236/77, in der dieser betont, dass das Verbot, Sperrlinien zu überfahren, von der Frage, wie weit grundsätzlich rechts zu fahren ist, ganz unabhängig sei, weshalb die Strafen nach § 7 Abs 1 und § 9 Abs 1 StVO nebeneinander verhängt werden könnten.
Ebenso hat auch das von der Beschwerdeführerin zugestandene Überfahren einer Sperrlinie zweifellos nicht zwingend zur Folge, dass deshalb auch das Verbotszeichen „Einfahrt verboten“ missachtet oder auf einer Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung gefahren wird, weshalb die unter Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides bestrafte Verwaltungsübertretung nicht auch den Unrechtsgehalt der beiden anderen angenommenen Verwaltungsübertretungen abdeckt.
Laut OGH 31.5.1983, 2 Ob 99/83, ZVR 1984/7, diene das Verbot, die Sperrlinie zu überfahren, grundsätzlich der Sicherheit aller auf der Fahrbahn jenseits der Sperrlinie befindlichen Verkehrsteilnehmer und insbesondere der des Gegenverkehrs. Zwar bezweckt zweifellos auch die Pflicht zur Beachtung des Verbotszeichens „Einfahrt verboten“ und zur Benutzung einer Richtungsfahrbahn in der vorgesehenen Fahrtrichtung die Gewährleistung der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, allerdings sollen diese Pflichten doch andere Gefährdungssituation verhindern und geht das Landesverwaltungsgericht daher davon aus, dass die im gegenständlichen Fall unter Spruchpunkt 2. und 3. verhängten Strafen gemäß § 22 Abs 2 VStG neben der nach Spruchpunkt 1. ausgesprochenen Strafe verhängt werden durften.
Im vorliegenden Fall stellt aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes allerdings die von der belangten Behörde getroffene Annahme, dass durch eine Tat der Beschwerdeführerin mehrere Verwaltungsübertretungen verwirklicht wurden, insofern eine Verletzung des Doppelbestraffungsverbotes dar, als die Strafen zu den Spruchpunkten 2. und 3. des angefochtenen Bescheides nebeneinander verhängt wurden. Dies deshalb, da sich die diesen Strafen zugrunde liegenden Delikte im konkreten Fall nicht in so wesentlichen Elementen unterscheiden, dass davon ausgegangen werden könnte, dass eines der bestraften Delikte den Unrechtsgehalt des anderen Deliktes nicht in jeder Beziehung mitumfasst.
Dass die Missachtung des Verbotsschildes „Einfahrt verboten“ und das Befahren einer Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrbahn einen unterschiedlichen Unwert sanktionieren, würde an sich etwa Pürstl, StVO14 (2015) Fn 2 zu § 52, nahelegen. Danach stehe das genannte Verbotszeichen nicht mehr wie bisher im absoluten Zusammenhang mit einer Einbahnstraße und wäre es demnach durchaus möglich, dass jemand in eine Straße, die etwa an ihrem anderen Ende mit dem Zeichen „Einfahrt verboten“ beschildert ist, einfährt, in der Straße umkehrt und in der entgegengesetzten Richtung herausfährt. Das Zeichen „Einfahrt verboten“ solle nicht mehr besagen, dass es sich um eine Einbahn handelt, sondern es verbiete lediglich die Einfahrt. Die Missachtung des Verbotszeichen „Einfahrt verboten“ zieht somit nicht automatisch auch einen Verstoß gegen das Verbot des Befahrens einer Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrbahn oder gegen das Verbot des Überfahrens einer Sperrlinie nach sich, und spräche dies grundsätzlich dafür, dass alle drei Übertretungen gesondert bestraft werden können (vgl in diesem Sinn etwa VwGH 28.10.1983, 83/02/0233).
Im vorliegenden Fall war allerdings aufgrund der räumlichen und rechtlichen Gegebenheiten ein Verstoß gegen das Gebot zur Benutzung einer Richtungsfahrbahn in der vorgesehenen Fahrtrichtung ohne gleichzeitige Missachtung des Verkehrszeichens „Einfahrt verboten“ nicht möglich, wie es auch umgekehrt nicht möglich gewesen wäre, allein gegen das Verkehrszeichens „Einfahrt verboten“ zu verstoßen, ohne auch entgegen die vorgesehene Fahrtrichtung zu fahren. Somit wird aber durch das unter Spruchpunkt 3. sanktionierte Delikt der Gesamtunwert der Tat der Beschwerdeführerin abgegolten, ohne dass es einer weiteren Sanktion entsprechend dem Spruchpunkt 2. bedurfte.
In diesem Sinn kann etwa auch auf folgenden Rechtssatz aus VwGH 11.7.2001, 97/03/0230, verwiesen werden:
„Über den Beschuldigten wurde wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gemäß § 5 Abs. 1 i. V.m. § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe verhängt. Das Verhalten ‚Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand‘ war somit bereits Gegenstand eines Strafverfahrens (und einer Bestrafung). Wenn nun dieses Verhalten (‚Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand‘) - auch - als eines der Elemente für die Erfüllung der besonders gefährlichen Verhältnisse nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 herangezogen wurde, so läuft dies auf eine nach Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK verfassungswidrige Doppelbestrafung hinaus (Hinweis VfSlg. 14696/1996), wurde doch damit ein und dieselbe Handlung (Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) strafrechtlich mehrfach geahndet, obwohl bei einer wertabwägenden Auslegung durch die Unterstellung der Tat unter § 5 Abs. 1 StVO 1960 der deliktische Gesamtunwert (durch Alkoholeinfluss beeinträchtigte Fahrtauglichkeit) bereits für sich allein abgegolten ist.“
Im vorliegenden Fall bewirkt in vergleichbarer Weise schon die Verursachung einer Geisterfahrt die zutreffende Annahme von besonders gefährlichen Verhältnissen und liefe es daher auf eine unzulässige Doppelbestrafung hinaus, wenn auch die Missachtung des Zeichens „Einfahrt verboten“ nach Maßgabe des § 99 Abs 2 lit c StVO als Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen geahndet würde.
Es liegt aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall also ein Fall der Scheinkonkurrenz vor, weshalb der Beschwerde insofern stattzugeben war, als der Spruchpunkt 2. ersatzlos zu beheben und das diesbezüglich geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war, weil der Grundsatz ne bis in idem eine Verfolgung des diesbezüglich geahndeten Delikts im Sinn des § 45 Abs 1 Z 3 VStG verhindert.
Kosten für das Beschwerdeverfahren waren hinsichtlich Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides nicht in Anschlag zu bringen, da solche nach § 52 Abs 1 VwGVG vom Beschwerdeführer nur zu tragen sind, wenn durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes das angefochtene Straferkenntnis bestätigt wird.
Hinsichtlich des Spruchpunktes 3. liegt ein Verfolgungshindernis, wie eben im Sinn des § 45 Abs 1 Z 3 VStG angesprochen, nicht vor, da die unangefochten gebliebene Übertretung des Überfahrens einer Sperrlinie laut Spruchpunkt 1., wie oben bereits dargelegt, den Unrechtsgehalt einer Befahrung der Fahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung nicht zur Gänze abdeckt und eine Verhängung von zwei Strafen nebeneinander daher nicht dem Doppelbestrafungsverbot widerspricht.
Diesbezüglich war allerdings noch die Frage der Strafbemessung zu erörtern:
Zur Strafbemessung:
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis zu Recht ausgeführt hat, sind nach § 19 Abs 1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes liegen im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der von der belangten Behörde zu Spruchpunkt 3. verhängten Strafen vor:
Zunächst ist im vorliegenden Fall die sich aus § 99 Abs 2 lit c StVO ergebende Strafdrohung zu berücksichtigen. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung wird von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen und mussten daher auch vom Landesverwaltungsgericht keine näheren Erörterungen zum von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid näher begründeten Vorliegen der nach dieser Bestimmung geforderten besonders gefährlichen Verhältnissen vorgenommen werden.
Die genannte Bestimmung sieht Geldstrafen von 36 Euro bis 2 180 Euro vor und wurde dieser Strafrahmen im vorliegenden Fall somit im Ausmaß von ca. 27,5 % (Spruchpunkt 3.) ausgeschöpft.
Daran, dass der Unrechtsgehalt hinsichtlich der unter Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides geahndeten Verwaltungsübertretung erheblich ist, besteht für das Landesverwaltungsgericht kein Zweifel. In diesem Sinn führt etwa auch der VwGH in seiner Entscheidung vom 7.4.1992, 91/11/0116, aus, dass ein Verstoß durch einen sogenannten „Geisterfahrer“ gegen § 46 Abs 4 lit a StVO im Regelfall geeignet ist, entgegenkommende Verkehrsteilnehmer in hohem Maße zu gefährden, und zwar auch bei sonst günstigen Verkehrs-, Straßen- und Witterungsverhältnissen.
Was die Intensität der Rechtsgutbeeinträchtigung betrifft, kann etwa auf folgenden Rechtssatz aus VwGH 25.6.2010, 2010/02/0019, verwiesen werden:
„Bei einer Übertretung nach § 52 lit a Z 2 StVO sind wesentliche Tatbestandsmerkmale, dass der Täter in eine durch das Vorschriftszeichen ‚Einfahrt verboten‘ gekennzeichnete Straße einfährt. Dieses Verbotszeichen darf unter keinen Umständen, auch nicht eine kleine Strecke hindurch, unbeachtet gelassen werden, sodass es unerheblich ist, wie weit ein Lenker in die so gekennzeichnete Straße eingefahren ist (Hinweis E 28.2.1963, 2006/62, E 20.4.1988, 87/02/0110).“
Vergleichbar mit dieser Aussage muss umso mehr im vorliegenden Fall eine intensive Verletzung der übertretenen Verwaltungsvorschrift angenommen werden, weil die Beschwerdeführerin entsprechend den übereinstimmenden Aussagen der meldungslegenden Polizeibeamten in der am 16.10.2018 durchgeführten Verhandlung und auch laut eigener Aussage nicht nur eine ganz kurze Strecke entgegen der zulässigen Fahrtrichtung fuhr, sondern, unter anderem bedingt durch die aufgrund einer Betonbarriere zwischen den Fahrspuren fehlende Möglichkeit zu wenden, eine längere Strecke bis zur Autobahnausfahrt in die verkehrte Richtung fuhr.
Die glaubwürdigen Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass sie nach Wahrnehmung ihres Fehlverhaltens nur mit Schritttempo bis zur ersten Wendemöglichkeit weitergefahren sei, bewirken keine wesentliche Verringerung der Intensität der Rechtsgutbeeinträchtigung. Dies auch im Hinblick auf den im gegenständlichen Zusammenhang passierten Unfall. Dass die Geisterfahrt der Beschwerdeführerin für diesen Unfall kausal war, wurde von ihr selbst im Rahmen der am 16.10.2018 durchgeführten Verhandlung als wahrscheinlich angesehen.
Hinsichtlich des Verschuldens kann auf die Ausführungen weiter oben verwiesen werden.
Trotz dieser die Strafbemessung der belangten Behörde stützenden Strafbemessungskriterien erachtet das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen für die Herabsetzung der zu Spruchpunkt 3. verhängten Geldstrafe für gegeben. Dies insbesondere deshalb, da die Beschwerdeführerin im Rahmen der am 16.10.2018 durchgeführten Verhandlung ein reumütiges Geständnis abgelegt hat. Nach VwGH 19.3.2014, 2013/09/0179, wäre zwar im bloßen Zugeben des Tatsächlichen kein qualifiziertes Geständnis iSd § 34 Abs 1 Z 17 StGB zu erblicken; allerdings ging das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der genannten Verhandlung darüber hinaus. Ihrerseits wurde mehrmals ihr Fehlverhalten unmissverständlich zugestanden und auch die für die Annahme eines Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 17 StGB erforderliche Reue ausdrücklich und glaubwürdig kundgetan. Im Sinne der genannten Bestimmung ist der Beschwerdeführerin auch zuzugestehen, dass sie durch ihre Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, weil sie entsprechend den Einvernahmen der meldungslegenden Polizeibeamten schon unmittelbar nach dem angenommenen Tatzeitpunkt diesen den Tathergang schilderte und in diesem Zusammenhang auch darlegte, wie, wo und auf welche Wiese es zu ihrem Fehlverhalten kam.
Bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse ist der Beschwerdeführerin im durchgeführten Verfahren der Nachweis gelungen, dass diese aufgrund einer relativ geringen Pension und einer anstehenden zahnärztlichen Behandlung unterdurchschnittlich sind; und auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf ihre Unbescholtenheit trifft zu.
Unter Berücksichtigung der genannten Milderungsgrundes, der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse und vor dem Hintergrund des Fehlens jeglicher Erschwerungsgründe konnte die von der belangten Behörde zu Spruchpunkt 3. verhängte Geldstrafe herabgesetzt werden und erweist sich die nunmehr ausgesprochene Strafe als schuld- und tatangemessen.
Sofern die Beschwerdeführerin auf § 21 Abs 1 VStG verweist, ist dieser zu entgegnen, dass diese Bestimmung mit BGBl I 2013/33 aufgehoben wurde.
Sofern die Beschwerdeführerin damit aber auf die Möglichkeiten einer Ermahnung gemäß § 45 Abs 1 Z 4 sowie letzter Satz VStG anspielt, ist dieser zu entgegnen, dass eine solche nur in Betracht kommt, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering wären und eine Ermahnung des Beschuldigten mit dem Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid überdies geboten erschiene, um den Beschuldigten vor der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. Laut VwGH-Erkenntnis vom 20.11.2015, Ra 2015/02/0167, setzt die diesbezüglich zu treffende Ermessensentscheidung voraus, dass die in § 45 Abs 1 Z 4 VStG genannten Umstände kumulativ vorliegen.
Dies trifft im vorliegenden Fall zweifellos nicht zu. Die nicht nur geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes kommt etwa schon in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Strafdrohung des § 99 Abs 2 lit c StVO zum Ausdruck.
Aus dem VwGH-Erk vom 20.11.2015, Ra 2015/02/0167, geht hierzu etwa Folgendes hervor:
„Diese Wertigkeit [nämlich keine geringe] des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgutes findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens, der für entsprechende Zuwiderhandlungen gemäß § 99 Abs. 3 lit. a) StVO immerhin Geldstrafen bis zu Euro 726,-- vorsieht (vgl. auch das zur GewO 1994 ergangene hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zl. 2001 /041 0137).“ Umso weniger kann bei einer Strafdrohung bis zu 2.180 Euro von einer geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes ausgegangen werden.
Im vorliegenden Fall fehlt es aus den genannten Gründen an den Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermahnung.
Insgesamt war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Kosten für das Beschwerdeverfahren waren auch hinsichtlich Spruchpunkt 3. nicht in Anschlag zu bringen, da solche nach § 52 Abs 1 VwGVG vom Beschwerdeführer nur zu tragen sind, wenn durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes das angefochtene Straferkenntnis bestätigt wird.
III. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision zulässig, da eine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zu der im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfrage, ob die von der belangten Behörde verhängten Geldstrafen nebeneinander verhängt werden dürfen, gibt es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Christ
(Richter)
Schlagworte
Doppelbestrafungsverbot; ne bis in idem; Scheinkonkurrenz; Sperrlinie überfahren; Unrechtsgehalt;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.35.2045.3Zuletzt aktualisiert am
05.11.2018