TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/1 LVwG-AV-1481/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2018
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Entscheidungsdatum

01.08.2018

Norm

NAG 2005 §11 Abs2 Z2
NAG 2005 §11 Abs2 Z4
NAG 2005 §11 Abs5
NAG 2005 §20 Abs1
NAG 2005 §19 Abs10
ASVG §293 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, aktuell vertreten durch Rechtsanwältin B, ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 12. Oktober 2017, Zl. ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben und der Beschwerdeführerin wird ein Aufenthaltstitel
„Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshof-gesetzes 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.

Weitere Rechtsgrundlagen:

§ 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Republik Bosnien und Herzegowina, beantragte am 25. April 2017 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich niedergelassenen Ehemann.

1.2. Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 12. Oktober 2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin mangels Rechtsanspruches auf eine ortsübliche Unterkunft und mangels gesicherten Lebensunterhaltes abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der vorgelegte Mietvertrag und das Schreiben des Unterkunftgebers keinen tragfähigen Nachweis für einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft darstellen würden. Es sei auch das Eigentumsrecht des Unterkunftgebers nicht nachgewiesen worden und es sei der vorgelegten Wohnungsskizze das Vorhandensein einer Küche nicht zu entnehmen. Darüber hinaus seien an der angegebenen Adresse noch sechs weitere Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Zur Frage des gesicherten Lebensunterhaltes seien die angeforderten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt und erforderliche Angaben nicht ausreichend getätigt worden. Mangels Mitwirkung am Verfahren sei daher nicht davon auszugehen, dass das Familieneinkommen den gesetzlichen Richtsatz erreiche, zumal der Ehemann der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit Lohnexekutionen gehabt habe.

Von den fehlenden Erteilungsvoraussetzungen könne auch mit Blick auf Art. 8 EMRK nicht abgesehen werden.

1.3. Dagegen wurde fristgerecht eine rechtsanwaltliche Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:

Es bestehe ein aktueller Mietvertrag und es verfüge die Wohnung sehr wohl über eine Küche. Die Schwiegereltern der Beschwerdeführerin sowie der Vermieter mit seiner Familie würden zwar an derselben Adresse wohnen, jedoch nicht in derselben Wohnung. Den Eigentumsnachweis des Unterkunftgebers hätte die Behörde bei Zweifeln auf Grund der Öffentlichkeit des Grundbuches von Amts wegen einholen müssen. Hinsichtlich des Lebensunterhaltes verfüge die Beschwerdeführerin über eine Einstellungszusage als Hilfskraft und es verdiene ihr Ehemann ausreichend. Unterhaltspflichten oder Kredite gebe es nicht. Die Bescheidbegründung sei nicht nachvollziehbar.

2.   Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

2.1. Die eingebrachte Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde von der belangten Behörde – ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung – dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

2.2. Seitens der Beschwerdeführerin wurden mit Schreiben vom 26. Juni 2018 und 11. Juli 2018 Urkundenvorlagen zur Frage des gesicherten Lebensunterhaltes erstattet.

2.3. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 27. Juli 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. An dieser Verhandlung nahmen die Beschwerdeführerin und ihre Rechtsanwältin teil, seitens der belangten Behörde erfolgte keine Teilnahme. Der Ehemann der Beschwerdeführerin wurde als Zeuge zur Sache befragt, ebenso der Unterkunftgeber bzw. zukünftige Arbeitgeber. Es wurden verschiedene Unterlagen in der Verhandlung vorgelegt und es wurden vom Verhandlungsleiter die vorliegenden Akten, inklusive hg. durchgeführter Abfragen, in das Beweisverfahren einbezogen.

3.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

3.1. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geht von folgenden maßgeblichen Feststellungen aus:

Die am *** geborene Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Bosnien und Herzegowina.

Sie beantragte persönlich am 25. April 2017 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich niedergelassenen Ehemann.

Die Beschwerdeführerin und ihr am *** geborener Ehemann, ebenfalls ein Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina, haben am 17. Jänner 2017 in *** geheiratet. Es handelt sich dabei um eine rechtmäßige Eheschließung. Der Ehemann der Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“.

Die Beschwerdeführerin beabsichtigt in Österreich an der Adresse ***, ***, Unterkunft zu nehmen bzw. hat sie sich bereits im Rahmen der visumfreien Zeiträume dort aufgehalten. Es handelt sich bei dem Gebäude an dieser Adresse um ein Gasthaus. Den sog. „Geschäftsteil“ bewohnen der Eigentümer mit seiner Frau und zwei Kindern, das Obergeschoss des Nebengebäudes bewohnt der Ehemann der Beschwerdeführerin mit seinen Eltern. Konkret hat der Ehemann eine Wohnung gemietet, die aus drei Zimmern im Ausmaß von 14,85 m2, 14,45 m2 und 12,72 m2 sowie einem Bad mit WC besteht. Eine Küche ist in der Wohnung enthalten und es ist Benützung des Ganges (14,11 m2) gestattet. Der aktuelle Mietvertrag des Ehemannes datiert auf 14. Oktober 2017 und es wurde das Mietverhältnis mit drei Jahren befristet. Der Mietzins inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer beträgt für den Ehemann 230,-- Euro monatlich. Mit Strom und Gas bezahlt der Ehemann rund 300,-- Euro monatlich. Die restlichen Räumlichkeiten im Stockwerk werden von den Eltern des Ehemannes auf Basis einer Vereinbarung im Arbeitsvertrag der Mutter des Ehemannes bewohnt (die Wohnung der Eltern besteht aus einem Zimmer im Ausmaß von 15,75 m2, einem Vorraum und einem eigenen Bad mit WC).

Die Marktgemeinde *** hat im Verfahren mitgeteilt, dass die betreffende Unterkunft ortsüblich im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG ist.

Die Beschwerdeführerin ist arbeitswillig und hat mit der Beschwerde eine Einstellungsbestätigung des Vermieters vorgelegt. Als Zeuge in der durchgeführten Verhandlung einvernommen, hat dieser u.a. ausgesagt, dass er aktuell eine unbefristete Stelle als Hilfskraft in der Küche des Gasthauses frei hat und dass er die Beschwerdeführerin für 30 Stunden für ca. 1.000,-- Euro netto einstellen will.

Der Ehemann ist seit 9. April 2018 bei der C GmbH beschäftigt. Vorher war er durchgehend seit 24. Juli 2014 bei der D GmbH und zusätzlich fallweise bei der E GmbH beschäftigt. Im April 2018 erhielt der Ehemann von seinem aktuellen Arbeitgeber den Auszahlungsbetrag von 1.365,96 Euro, im Mai 2018 den Betrag von 1.872,73 Euro und im Juni 2018 den Betrag von 1.999,55 Euro. Enthalten waren in diesen Beträgen die Position „Fahrt Wohnung-Betrieb“ (jeweils 51,-- Euro brutto), eine Prämie (nur im Juni 2018 in Höhe von 189,-- Euro brutto), ein Feiertagsentgelt (nur im Mai 2018 in Höhe von 433,92 Euro brutto), eine Schlechtwettervergütung (195,26 Euro brutto im Mai 2018 und 65,09 Euro brutto im Juni 2018) sowie eine Schmutzzulage (17,86 Euro brutto im Mai 2018 und 207,47 Euro brutto im Juni 2018). Der Ehemann fährt mit dem Firmenauto in die Arbeit. Es handelt sich bei der Arbeitstätigkeit um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, wobei auf Grund der Durchführung von Innenarbeiten im Winter keine Freistellung vorgesehen ist. Der Ehemann hat angegeben, in diesem Job längerfristig tätig sein zu wollen.

Der Ehemann verfügt über Ersparnisse in Höhe von ca. 1.000,-- Euro.

Die Beschwerdeführerin hat keine regelmäßigen Aufwendungen. Der Ehemann zahlt neben den Wohnungskosten rund 116,-- Euro monatlich für sein Handy und er unterstützt seine Mutter mit rund 50,-- Euro im Monat auf freiwilliger Basis für ihr Auto. Darüber hinaus bestehen keine regelmäßigen Aufwendungen und auch keine Kreditschulden.

Der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung ist für die Beschwerdeführerin gegeben. Ein Quotenplatz für die Beschwerdeführerin liegt vor.Die Beschwerdeführerin verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau. Sie hat eine Prüfung über das Deutschniveau A1 absolviert („bestanden“) und dazu bei Antragstellung ein ÖSD-Zertifikat A1 vom 12. April 2017 im Original vorgelegt.

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot wurden gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt. Ebenso wenig wurde die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet bestraft. Eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes liegt nicht vor. Im Strafregister der Republik Österreich scheint hinsichtlich der Beschwerdeführerin keine Verurteilung auf. Ebenso ist die vorliegende Strafregisterbescheinigung aus dem Herkunftsstaat negativ. Im Schengener Informationssystem scheint ebenfalls keine Vormerkung auf. Dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde ist nicht erkennbar.

Der Reisepass der Beschwerdeführerin weist eine Gültigkeit bis 10. Februar 2027 auf.

3.2. Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich auf Grund folgender Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Inhalte des vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsaktes, insbesondere auf die Ergebnisse der durchgeführten mündlichen Verhandlung. Festzuhalten ist hinsichtlich der Verhandlung, dass die unter Wahrheitspflicht befragten Zeugen (Ehemann der Beschwerdeführerin; Vermieter bzw. zukünftiger Arbeitgeber) einen glaubwürdigen und durchaus seriösen Eindruck hinterlassen haben. Die getätigten Angaben sind auch mit den im Verfahren vorgelegten Unterlagen in Einklang zu bringen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist zur Verhandlung nicht erschienen, es hat die belangte Behörde somit von der mit der Verhandlung gebotenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme von den Beweisergebnissen und zur Stellungnahme nicht Gebrauch gemacht (vgl. etwa VwGH 29.1.2003, 2001/03/0194; 29.6.2011, 2007/02/0334).

Im Einzelnen ist im Rahmen der Beweiswürdigung Folgendes hervorzuheben:

Die getroffenen Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage, insbesondere aus der vorgelegten Geburtsurkunde und dem vorgelegten Reisepass. Zur Eheschließung ist auf die vorgelegte Heiratsurkunde zu verweisen sowie darauf, dass im Verfahren kein Sachverhalt hervorgekommen ist, der Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eheschließung erwecken würde (vgl. dazu etwa VwGH 24.11.2000, 2000/19/0126, mit Hinweis auf EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80 ua.). Zur Staatsangehörigkeit und zum Aufenthaltstitel des Ehemannes ist auf die im Zentralen Fremdenregister enthaltenen Daten zu verweisen.

Die Feststellungen zur Unterkunft in Österreich basieren vor allem auf dem zuletzt mit der Beschwerde vorgelegten Mietvertrag vom 14. Oktober 2017 und auf den in der Verhandlung vom Ehemann der Beschwerdeführerin und vom Vermieter getätigten Ausführungen. Beide haben die Miet- bzw. Wohnsituation des Ehemannes bzw. der Familie im Sinne der getroffenen Feststellungen dargelegt und insbesondere auch das Vorhandensein einer Küche bestätigt (Verhandlungsschrift S 4 und 6 f.). Zum Schreiben der Marktgemeinde *** ist wiederum auf den Verwaltungsakt zu verweisen.

Zur Arbeitswilligkeit der Beschwerdeführerin und zur vorgelegten Einstellungsbestätigung ist auf die gegebene Aktenlage zu verweisen, zur Aussage des zukünftigen Arbeitgebers der Beschwerdeführerin auf die Verhandlung (Verhandlungsschrift S 4 f.). Darauf hinzuweisen ist, dass auch der Ehemann der Beschwerdeführerin angegeben hat, dass diese im Gasthaus arbeiten will (Verhandlungsschrift S 8). Zur Arbeitstätigkeit des Ehemannes ist neben den aktenkundigen Versicherungsdatenauszügen insbesondere auf die vorgelegten Gehaltszettel zu verweisen. Darüber hinaus hat der Ehemann angegeben, dass er mit dem Firmenauto in die Arbeit fährt (Verhandlungsschrift S 8), dass es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ohne Freistellung im Winter handelt und dass er in seinem Job längerfristig tätig sein will (Verhandlungsschrift S 7).

Zu den Ersparnissen des Ehemannes ist auf den mit Schreiben vom 26. Juni 2018 vorgelegten Einzahlungsbeleg über 500,-- Euro und auf die diesbezüglichen Angaben des Ehemannes zu verweisen, wonach er selbst die Einzahlung getätigt habe und wonach es sich beim Konto um sein Sparkonto mit einem Guthaben von ca. 1.000,-- Euro handle (Verhandlungsschrift S 9). Dass die Beschwerdeführerin keine regelmäßigen Aufwendungen aufweist, wurde in der Verhandlung angegeben (Verhandlungsschrift S 8). Die Feststellungen zu den Aufwendungen des Ehemannes beruhen auf seinen Angaben in der Verhandlung (Verhandlungsschrift
S 6 und 8). Das Bestehen sonstiger Aufwendungen wurde vom Ehemann verneint (Verhandlungsschrift S 8). Darauf hinzuweisen ist zudem, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehemann bereits im Verfahren vor der belangten Behörde beglaubigte Erklärungen abgegeben haben, wonach sie keine aushaftenden Steuern oder sonstige finanzielle Verpflichtungen bei staatlichen Behörden haben, und dass für beide auch entsprechende Steuerbescheinigungen aus dem Herkunftsstaat vorgelegt wurden. Der Ehemann hat im Verfahren auch Bestätigungen der F und der G vorgelegt, in denen ihm die jeweils erfolgte Vertragsrückzahlung bestätigt wurde. Aus dem mit Schreiben vom 11. Juli 2018 vorgelegten aktuellen KSV1870-Infopass für Behörden und aus den hg. durchgeführten Abfragen der Ediktsdatei lassen sich keine abweichenden Erkenntnisse gewinnen.

Zu den weiteren Feststellungen ist festzuhalten, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf einen alle Risken abdeckenden und in Österreich leistungspflichtigen Krankenversicherungsschutz unzweifelhaft gegeben ist (s. auch die vorgelegten Schreiben der *** Gebietskrankenkasse vom 22. Februar 2017 und vom 18. August 2017 zur Mitversicherung).Das Vorliegen eines Quotenplatzes ergibt sich aus dem bei Antragstellung angefertigten behördlichen Aktenvermerk. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen der Beschwerdeführerin und zur von ihr abgelegten Prüfung basieren auf dem bei Antragstellung im Original vorgelegten unbedenklichen Zertifikat; Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Fälschung oder einer sog. „Lugurkunde“ sind nicht gegeben (zumal bereits seitens der belangten Behörde vermerkt wurde, dass mit der Beschwerdeführerin im Zuge der Antragstellung persönlich gesprochen wurde und dass sie den Anweisungen in deutscher Sprache folgen konnte: s. AV vom 25. April 2018).

Die Feststellungen, wonach aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt wurden und wonach die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet nicht bestraft wurde, ergeben sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (s. dazu insbesondere auch die aktenkundigen Abfragen des Zentralen Fremdenregisters). Dass die Beschwerdeführerin die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes nicht überschritten hat, ergibt sich aus den von ihr und ihrem Ehemann getätigten Angaben (Verhandlungsschrift S 3 und 6); auch dem in der Verhandlung vorgelegten Reisepass lässt sich keine Überschreitung entnehmen (dokumentiert sind vielmehr wiederholte Ausreisen der Beschwerdeführerin aus dem Schengen-Gebiet). Des Weiteren scheint im Strafregister der Republik Österreich gemäß hg. durchgeführter Abfragen keine Verurteilung auf. Auch die im Verfahren vorgelegte Strafregisterbescheinigung aus dem Herkunftsstaat ist negativ. Im Schengener Informationssystem scheint ebenfalls keine Vormerkung auf. Auch dafür, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Die Gültigkeit des Reisepasses der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem in der Verhandlung vorgelegten Reisepass.

4.   Maßgebliche Rechtslage:

4.1. § 11 Abs. 2 Z 2 sowie § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (NAG) lauten:

„Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. […]

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

[…]

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

[…]

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

[…]

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

4.2. § 292 Abs. 3 zweiter Satz sowie § 293 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, (ASVG) lauten:

„§ 292. […]

[…] Für die Bewertung der Sachbezüge gilt, soweit nicht Abs. 8 anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, daß als Wert der vollen freien Station der Betrag von 216,78 € (Anm.: gemäß BGBl. II Nr. 391/2016 für das Kalenderjahr 2017: 284,32 € und gemäß BGBl. II Nr. 339/2017 für das Kalenderjahr 2018: 288,87 €) heranzuziehen ist; […]“

„Richtsätze

§ 293. (1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet des Abs. 2

a) für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,

aa) wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) oder dem/der eingetragenen PartnerIn im gemeinsamen Haushalt leben        1 120,00 €,

(Anm. 1: gemäß BGBl. II Nr. 391/2016 für das Kalenderjahr 2017: 1 334,17 € und gemäß BGBl. II Nr. 339/2017 für das Kalenderjahr 2018: 1 363,52 €)

bb) wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen und sublit. cc nicht anzuwenden ist                                        882,78 €,

(Anm. 2: für 2017: 889,84 € für 2018: 909,42 €)

cc) wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen und die pensionsberechtigte Person mindestens 360 Beitragsmonate der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben hat        1 000 €,

(Anm. 3: für 2018: 1 022,00 €)

 

b) für Pensionsberechtigte auf Witwen(Witwer)pension oder Pension nach § 259

747,00 €,

(Anm. 2: für 2017: 889,84 € für 2018: 909,42 €)

c) für Pensionsberechtigte auf Waisenpension:

aa) bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres     274,76 €,

(Anm. 4: für 2017: 327,29 € für 2018: 334,49 €)

falls beide Elternteile verstorben sind      412,54 €,

(Anm. 5: für 2017: 491,43 € für 2018: 502,24 €)

bb) nach Vollendung des 24. Lebensjahres     488,24 €,

(Anm. 6: für 2017: 581,60 € für 2018: 594,40 €)

falls beide Elternteile verstorben sind      747,00 €.

(Anm. 2: für 2017: 889,84 € für 2018: 909,42 €)

Der Richtsatz nach lit. a erhöht sich um 120,96 € (Anm. 7: für 2017: 137,30 € für 2018: 140,32 €) für jedes Kind (§ 252), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht.“

5.   Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

5.1.1. Die belangte Behörde stützte die erfolgte Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ausschließlich darauf, dass kein Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft und kein gesicherter Lebensunterhalt gegeben seien (§ 11 Abs. 2 Z 2 NAG; § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG).

a) Zum Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verschafft ein Mietvertrag in der Regel einen Rechtsanspruch auf die gemietete Unterkunft (vgl. etwa VwSlg. 15.504 A/2000). Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in einer Prognoseentscheidung zu beurteilen ist, ob begründete Aussicht besteht, dass der Fremde (bzw. der zusammenführende Familienangehörige) in der Lage sein wird, seine Wohnbedürfnisse bzw. die der Familie befriedigen zu können, ohne wegen Obdachlosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darzustellen oder eine Gebietskörperschaft finanziell zu belasten (s. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032).

Zur Ortsüblichkeit einer Unterkunft hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 AufG und § 8 Abs. 5 FrG 1997 (den Vorgängerbestimmungen des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG) und dem darin enthaltenen Erfordernis einer „für Inländer ortsüblichen Unterkunft“ ausgeführt, dass die Behörde dann, wenn sie die Ortsüblichkeit einer von einem Antragsteller zur Verfügung stehend angegebenen Wohnung in Zweifel zieht, Feststellungen über die Beschaffenheit der Wohnung zu treffen und zu ermitteln und darzulegen hat, ob Inländer mit vergleichbarer Familienstruktur und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem noch ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen, wie es fallbezogen beabsichtigt ist (vgl. etwa VwGH 14.5.1999, 97/19/1352). Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei in seiner einschlägigen Rechtsprechung aufgezeigt, dass keine allgemein gültigen Grundsätze hinsichtlich Wohnungsgröße sowie Anzahl und Alter der Bewohner bestehen. Ausdrücklich festgehalten hat der Gerichtshof etwa, dass auch „beengte Wohnverhältnisse“ ortsüblich sein können (vgl. VwSlg. 15.416 A/2000).

Im Lichte dieser Judikatur und ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist festzuhalten, dass der erforderliche Nachweis des Rechtsanspruches auf eine ortsübliche Unterkunft erbracht wurde, zumal angesichts der Größe der Wohnung und der Anzahl der dort lebenden Personen auch hinsichtlich der Ortsüblichkeit keine Bedenken bestehen (vgl. insb. etwa VwGH 24.11.2000, 98/19/0181). Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr der Obdachlosigkeit eintreten könnte, bestehen nicht.

Darauf hinzuweisen ist, dass auch die – mit den örtlichen Verhältnissen vertraute – Marktgemeinde *** die Wohnung als ortsüblich im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG qualifiziert hat.

Die Beschwerdeführerin erfüllt somit die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG.

b) Zur Frage des Vorliegens eines gesicherten Lebensunterhaltes:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG iVm § 11 Abs. 5 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 3.4.2009, 2008/22/0711) zur konkreten Berechnung der notwendigen Mittel ausgeführt, dass bei der Unterhaltsberechnung nach § 11 Abs. 5 NAG bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen ist, ob das Haushaltsnettoeinkommen den „Haushaltsrichtsatz“ nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht. Auf das Existenzminimum des § 291a EO ist in einer solchen Konstellation nicht Bedacht zu nehmen. Er hat in diesem Zusammenhang in seiner Judikatur aufgezeigt, dass es zur Existenzsicherung nicht für jede Person eines Einkommens nach dem für einen alleinstehenden Pensionsempfänger vorgesehenen Richtsatz bedarf, sondern das Haushaltsnettoeinkommen eben am „Familienrichtsatz“ zu messen ist, sofern der Anspruchsberechtigte mit einem Ehepartner (und allenfalls Kindern) im gemeinsamen Haushalt lebt.

Bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, ist eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen. Für die Berechnung maßgeblich ist dabei jenes Einkommen, das dann erzielt wird, wenn dem Fremden der begehrte Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. VwGH 20.10.2011, 2009/18/0122). Bei der Berechnung des vorhandenen Einkommens sind die anteiligen Sonderzahlungen ebenso zu berücksichtigen wie etwa Überstundenpauschalen (vgl. VwGH 21.6.2011, 2008/22/0356). Aufwandsentschädigungen (Diäten, Taggeld, Nächtigungsgeld, Reisekostenentschädigung und dgl.) sind regelmäßig zur Hälfte einzubeziehen (vgl. VwGH 23.5.2012, 2009/22/0168). Zudem kommt der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Sparguthaben in Betracht (vgl. etwa VwGH 10.9.2013, 2013/18/0046).

Für den Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel reicht es, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, der Fremde könnte im Fall der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels einer näher konkretisierten Erwerbstätigkeit nachgehen und damit das notwendige Ausmaß an Einkommen erwirtschaften. Dazu muss nicht ein „arbeitsrechtlicher Vorvertrag“ vorliegen, sondern es reicht eine glaubwürdige und ausreichend konkretisierte Bestätigung. Wenn bereits ein Arbeitsverhältnis eingegangen wurde, ist dieses bei der Ermittlung der erforderlichen Unterhaltsmittel zu berücksichtigen, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Fremde nach Erteilung des Aufenthaltstitels nicht weiterhin beschäftigt sein werde. Zu Grunde liegt dem, dass sowohl die weitere Ausübung einer Erwerbstätigkeit über einen gewissen Zeitraum als auch die Aufrechterhaltung eines bestehenden oder zugesagten Beschäftigungsverhältnisses mit Unsicherheit behaftet sind und somit nur in Form einer Prognose beurteilt werden kann, ob unter Einbeziehung der relevanten Umstände mit der Erzielung eines ausreichenden Einkommens in Zukunft zu rechnen ist (vgl. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032).

§ 11 Abs. 5 zweiter Satz NAG zählt jene Beträge („regelmäßige Aufwendungen“, z.B. Miet- und Kreditbelastungen) demonstrativ auf, die vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, wobei jedoch einmal ein Betrag in Höhe des sog. „Werts der freien Station“ unberücksichtigt zu bleiben hat (vgl. etwa VwGH 26.1.2012, 2010/21/0346).

Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 293 Abs. 1 ASVG beträgt der Richtsatz für Ehegatten im gemeinsamen Haushalt aktuell 1.363,52 Euro.

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, ist die Beschwerdeführerin arbeitswillig und sie verfügt über die konkrete Aussicht nach Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels als Hilfskraft in der Küche für einen monatlichen Nettolohn von 1.000,-- Euro zu arbeiten zu beginnen.

Des Weiteren ist der Ehemann der Beschwerdeführerin arbeitstätig und er hat in den Monaten Mai und Juni 2018 im Durschnitt den Auszahlungsbetrag von 1.936,14 Euro erhalten (der April bleibt bei dieser Durchschnittsrechnung außer Betracht, weil das Arbeitsverhältnis erst mit 9. April begründet wurde), wobei sich unter Abzug des halben Fahrtkostenersatzes ein Betrag von 1.910,64 Euro ergibt.

Zusammen ist somit ein monatliches Nettofamilieneinkommen von 2.910,64 Euro zu erwarten. Unter Einbeziehung des Sparguthabens in Höhe von 1.000,-- Euro ergibt sich der monatliche Betrag von 2.993,97 Euro. Nach Abzug aller Aufwendungen (selbst der auf freiwilliger Basis geleisteten) ergibt sich unter Berücksichtigung des „Werts der freien Station“ im Sinne einer Prognoseentscheidung – noch ohne die Hinzurechnung von Sonderzahlungen – ein monatliches Nettofamilieneinkommen von 2.816,84 Euro.

Der gesetzliche Richtsatz wird damit deutlich überschritten. Gründe, die nahelegen würden, dass das zukünftig erzielte Nettofamilieneinkommen maßgeblich niedriger anzunehmen wäre, sind nicht zu erkennen. Ebensowenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass im Prognosezeitraum mit maßgeblich höheren regelmäßigen Aufwendungen zu rechnen wäre. Im Entscheidungszeitpunkt des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich ist somit nicht davon auszugehen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Im Verlängerungsfall wird allerdings zu prüfen sein, ob diese Prognose ex post betrachtet tatsächlich zutreffend war und auch für die Zukunft noch aufrechterhalten werden kann.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist zur Einkommensberechnung betreffend die vom Ehemann erhaltene Schmutzzulage noch darauf hinzuweisen, dass das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fallbezogen davon ausgeht, dass diese Zulage nur zu einem vernachlässigbaren Teil einer Entschädigung für einen anfallenden Aufwand (z.B. für den Ankauf von Reinigungsmitteln) dient und vor allem wegen der mit der schmutzigen Arbeit verbundenen Erschwernis gewährt wird. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass auch nach der einschlägigen Judikatur Schmutzzulagen im Zweifel als Entgelt zu werten sind (s. OLG Wien 21.9.2009, 10 Ra 66/09p, ARD 6063/4/2010; vgl. auch etwa Kraft, Anträge und Anzeigen des Drittschuldners, ÖRPfl 2014 H1, S 27, mwH). Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe der Schmutzzulage kommt dieser Beurteilung im Ergebnis aber ohnehin keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine allfällige geringfügige Unterschreitung des Richtsatzes auch nicht zu einer Antragsabweisung berechtigen würde (vgl. dazu etwa VwGH 21.12.2010, 2009/21/0002).

Die Beschwerdeführerin erfüllt somit die Voraussetzung der § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG.

c) Die von der belangten Behörde herangezogenen Abweisungsgründe können daher im vorliegenden Entscheidungszeitpunkt nicht aufrechterhalten werden. Im Verlängerungsfall wird allerdings zu prüfen sein, ob die vorgenommenen Prognosen ex post betrachtet tatsächlich zutreffend waren und auch für die Zukunft noch bestehen können.

5.1.2. Zu den weiteren Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels:

Wie aus den getroffenen Feststellungen ersichtlich ist, sind im vorliegenden Fall auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung des von der Beschwerdeführerin begehrten Aufenthaltstitels erfüllt (wobei die Urkunden und Nachweise gemäß § 7 Abs. 1 und § 9b NAG-DV vorliegen). Erteilungshindernisse liegen nicht vor.

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot wurden gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt und es ist auch das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes oder eine Bestrafung wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet nicht zu erkennen.

Ebenso sind dem Aufenthalt widerstreitende öffentliche Interessen nicht zu erkennen bzw. dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde.

Weiters ist, schon mit Blick auf § 123 Abs. 1 ASVG, der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung nicht zweifelhaft (vgl. etwa VwGH 20.7.2016, Ro 2015/22/0030).

Die Beschwerdeführerin verfügt darüber hinaus über einen Quotenplatz und es sind die gemäß § 21a NAG erforderlichen Sprachkenntnisse („Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau“) nachgewiesen.

Schließlich ist die Beschwerdeführerin als Ehefrau auch Familienangehörige eines Drittstaatsangehörigen, der über einen von § 46 Abs. 1 Z 2 NAG verlangten Aufenthaltstitel verfügt.

5.1.3. Der Beschwerde ist somit stattzugeben und es ist der Beschwerdeführerin der beantragte Aufenthaltstitel – in konstitutiver Weise – zu erteilen (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0125). Die Befristung auf zwölf Monate gründet sich auf § 20 Abs. 1 NAG.

Gemäß § 19 Abs. 10 NAG hat die belangte Behörde nunmehr die Herstellung einer Aufenthaltstitelkarte zu beauftragen und diese auszufolgen.

5.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall weder vorgebracht worden noch sonst wie im Verfahren hervorgekommen. Die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich folgen der eindeutigen Rechtslage und der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und sie beinhalten eine – keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darstellende – einzelfallbezogene Beurteilung (vgl. dazu etwa VwGH 21.3.2017, Ra 2017/22/0027). Eine mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.

Schlagworte

Fremden- und Aufenthaltsrecht; Aufenthaltstitel; Rot-Weiß-Rot-Karte-plus; Erteilungsvoraussetzung; Prognose; ortsübliche Unterkunft; Familienrichtsatz;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1481.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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