Entscheidungsdatum
27.08.2018Norm
GewO 1994 §74 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch seinen Richter Hofrat Dr. Kindermann-Zeilinger über die Beschwerde des A, geb. ***, ***, ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 06. April 2017, ***, betreffend Bestrafung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO), durch Verkündung der Entscheidung in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 08. Juni 2018,
zu Recht erkannt:
I.
Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 06.04.2017,
***, wurde über den Beschuldigten A wegen einer Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z 3 i.V.m. § 81 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 Z 1, 2, 4 und 5 GewO i.V.m. dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 02.03.1992, ***, zuletzt geändert mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 21.07.2015, ***, gemäß § 366 Abs. 1 GewO eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 144 Stunden) verhängt und ihm die Tragung eines anteiligen Kostenbeitrages zum behördlichen Strafverfahren in der Höhe von € 150,-- auferlegt.
In diesem Straferkenntnis wird dem Beschuldigten die Verwaltungsübertretung wie folgt angelastet:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der C GmbH mit Sitz in ***, *** hinsichtlich der Ausübung des freien Gewerbes Handels- und Handelsagenten zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 23.1.2017 im Standort ***, ***, Grundstücknummer *** und ***, beide KG ***, auf eigene
Rechnung und Gefahr, selbständig, regelmäßig und in der Absicht, einen Ertrag oder
sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, eine mit Bescheid der
Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 2.3.1992, ***, zuletzt geändert mit
Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 21.7.2015, ***, genehmigte gewerbliche Betriebsanlage in Form eines Bürogebäudes,
Lagerhallen für Düngemittel und landwirtschaftliche Produkte samt Umschlagplatz
und Tankstelle ohne die erforderliche Genehmigung nach der Änderung durch das
Offenhalten der Betriebsstätte und die Durchführung von Lagertätigkeiten betrieben
hat, ohne im Besitz einer hierfür erforderlichen gewerbebehördlichen Genehmigung
gemäß ä 81 Gewerbeordnung zu sein, da keine diesbezügliche Genehmigung
vorlag.
Anstelle der bescheidmäßig (***) genehmigten Lagerhalle für
Pflanzenschutzmittel wurde eine Lagerhalle für Getreide und Ölsaaten in verpackter
Form (Big-Bag uä) errichtet. Die Lagerhalle wurde daher grundsätzlich massiv
abgeändert ausgeführt und stimmt nicht mehr mit den eingereichten
Projektsunterlagen überein. Zudem wurde die genehmigte Brennwerttherme für das
Bürogebäude nicht errichtet (***). Der Förderturm wurde gänzlich in
Stahlbetonbauweise ausgebildet und das Querförderband zur Silogruppe nicht
ausgeführt. Ebenso wurde die Halle faktisch abgeändert gegenüber der
Genehmigung (***) ausgeführt. Tatsächlich wurde die
Handelsdüngerhalle mit einer Länge von ca. 90 m anstatt der genehmigten 60 m
errichtet. An der Nordwestseite wurde ein Elevatorturm in Stahlbetonbauweise
ausgebildet. Neben dem Elevatorturm wurde ein eingeschossiger Technikraum in
Massivbauweise hergestellt. Über dem Technikraum wurde ebenfalls an der
Nordwestseite eine Gitterroststiegenkonstruktion zur Erschließung des
Elevatorturmes errichtet. In Abänderung zum genehmigten Projekt wurde zudem ein
Lüftungsfirst ausgebildet. Weiters wurde die Halle durch massive Abmauerungen,
welche bis zur Dachuntersicht geführt sind, unterteilt und wurden Zufahrtstore und
Zugangstüre in abgeänderter Form errichtet. Auch erfolgte eine konsenslose
Flugdachverbindung zu der an der Südwestseite bereits bestehenden älteren
Lagerhalle.
Eine genehmigungspflichtige Änderung einer Betriebsanlage lag deswegen vor, da
es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine örtlich gebundene Einrichtung
handelt, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen
bestimmt ist und die geeignet ist, im Sinne des § 74 Abs. 2 Zi. 1, Zi. 2, Zi. 4 und Zi. 5
Gewerbeordnung aufgrund der geänderten baulichen Substanz und der
konsenslosen Lagerungen und damit einhergehenden Manipulationstätigkeiten das
Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen
des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen
Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des
ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen eingetragenen
Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des
Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der
Nachbarn zu gefährden, sowie die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub und
Erschütterung zu belästigen, weiters die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des
Verkehrs an oder auf der an der Betriebsanlage vorbeiführenden Straßen mit
öffentlichem Verkehr durch An- und Ablieferungen wesentlich zu beeinträchtigen
sowie eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer
herbeizuführen.“
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 09.05.2017 wendet sich der Beschuldigte, rechtsanwaltlich vertreten, gegen diese Bestrafung und beantragt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens.
Begründet werden diese Anträge zunächst damit, dass die C GmbH bereits im Jahr 2012 für alle Angelegenheiten, die mit der Einhaltung der gewerberechtlichen Bestimmungen am Standort ***, ***, zusammenhängen, insbesondere sämtliche Maßnahmen, die mit den einzuholenden Bewilligungen anlässlich der Umbauarbeiten an der Betriebsanlage sowie mit der Einhaltung sämtlicher Auflagen laut den Genehmigungsbescheiden zusammenhängen, D als verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG bestellt habe, wobei dieser der Bestellung ausdrücklich zugestimmt habe.
Dem entsprechend werde auch die Einvernahme des D ausdrücklich beantragt.
Des Weiteren wird in diesem Rechtsmittel vorgebracht, dass die Behörde ihrer Entscheidungsfindung offensichtlich Beweisergebnisse zugrunde gelegt habe, die dem Beschwerdeführer niemals zur Kenntnis gebracht worden seien. So habe der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 03.04.2017 ausdrücklich den Antrag gestellt, die Behörde möge ihm zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters Kopien des gesamten Aktes übermitteln oder den Akt an die zuständige Rechtshilfebehörde schicken, damit der bevollmächtigte Vertreter dort Einsicht nehmen könne. Gleichzeitig sei vom Beschwerdeführer der Antrag gestellt worden, die Verwaltungsstrafbehörde möge die Frist zur Abgabe einer Rechtfertigung angemessen erstrecken.
Diesem Anbringen sei von Seiten der belangten Behörde nicht entsprochen worden und habe die Behörde diese Anträge nicht behandelt; vielmehr sei das nunmehr angefochtene Straferkenntnis zugestellt worden. Wenn nun die Behörde in diesem Straferkenntnis der Ansicht sei, der Beschuldigte habe von der Möglichkeit einer Rechtfertigung keinen Gebrauch gemacht bzw. die Behörde der Ansicht sei, dass es keine gesetzliche Verpflichtung gebe, den gesamten Akt oder Aktenbestandteile an Rechtshilfebehörden zu übersenden, so hätte sie dies dem Beschwerdeführer zumindest mitteilen müssen und seinen formell gestellten Antrag ab- bzw. zurückweisen müssen. Gleichzeitig hätte sie auch über den Antrag auf Fristerstreckung hinsichtlich einer Rechtfertigung abzusprechen gehabt.
Insgesamt gesehen habe die belangte Behörde daher im angefochtenen Bescheid Beweisergebnisse verwertet, die dem Beschwerdeführer im laufenden Verfahren nicht vorgehalten worden seien und zu denen er keine Stellungnahme abgeben habe können. Dadurch und durch die Tatsache, dass über die formell gestellten Anträge des Beschwerdeführers nicht entschieden worden sei, sei der Beschwerdeführer in seinem gemäß Art. 6 EMRK gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden. Zudem sei gemäß § 43 VStG einem Beschuldigten vor Erlassung eines Straferkenntnisses Gelegenheit zu geben, sich zum Ergebnis von vorgenommenen Erhebungen, die im Straferkenntnis berücksichtigt werden sollen, zu äußern. Dem Beschwerdeführer sei es jedoch nicht möglich gewesen, sich umfassend und abschließend zu dem ihm zur Last gelegten Tatvorwurf zu rechtfertigen.
Dem Beschwerdeführer seien daher keinerlei Beweisergebnisse zur Kenntnis gebracht worden, aus denen sich die ihm angelastete Verwaltungsübertretung ableiten ließe. Außerdem werde die Richtigkeit der Sachverhaltsannahmen im angefochtenen Straferkenntnis bestritten. Auch sei dem Straferkenntnis nicht zu entnehmen, durch welches konkrete Verhalten der Beschwerdeführer gegen eine bestimmte Vorschrift verstoßen haben soll und habe die Behörde keine gesetzmäßige Umschreibung der angeführten „Tat“ vorgenommen, weshalb es für den Beschwerdeführer nicht konkret nachvollziehbar sei, worin sein strafbares Verhalten liegen solle.
Bestritten werde ausdrücklich, dass es sich um genehmigungspflichtige Änderungen der gegenständlichen Betriebsanlage handle. Die diesbezügliche Einschätzung der Verwaltungsbehörde werde nicht schlüssig begründet, vielmehr wären die geringfügigen Abweichungen zum Genehmigungsbescheid als nicht genehmigungspflichtig zur Kenntnis zu nehmen gewesen, insbesondere auch deshalb, weil diese auch keinerlei nachteilige Auswirkungen auf die dort tätigen Personen, Kunden, Anrainer oder auf die Verkehrslage haben würden.
Aber selbst unter der Annahme, dass in objektiver Hinsicht eine Verwaltungs-übertretung vorliegen sollte, träfe den Beschwerdeführer daran kein Verschulden. Der Beschuldigte habe die mit den Errichtungs- und Umbauarbeiten betrauten Mitarbeiter am Standort *** strikt angewiesen und beauftragt, darauf zu achten, dass sämtliche Baumaßnahmen streng nach den Vorgaben des Genehmigungsbescheides ausgeführt werden und habe sich regelmäßig über den Stand der Baumaßnahmen informieren lassen. In die konkreten Baumaßnahmen sei der Beschwerdeführer nicht involviert gewesen, jedoch sei zusätzlich zu D der Standortleiter, E, mit der ständigen Kontrolle der Baumaßnahmen beauftragt worden. Dieser habe die strikte Einhaltung sämtlicher Vorschriften und Bestimmungen laut dem Genehmigungsbescheid ständig kontrolliert und dem Beschwerdeführer berichtet. Es sei daher davon auszugehen, dass ein wirksames Kontrollsystem im Betrieb eingerichtet sei bzw. eingerichtet gewesen sei.
Vorsichtshalber werde auch ausdrücklich die Höhe der Strafe und der Ersatzarreststrafe angefochten, da diese überhöht seien und nicht den gesetzlichen Strafzumessungsgründen entsprechen.
Zum Beweis für dieses Vorbringens berufe sich der Beschwerdeführer neben der Einvernahme des E auch auf das Beweismittel der Einholung eines immissionstechnischen Amtssachverständigen-Gutachtens.
Zu diesem Beschwerdevorbringen sowie zum Inhalt des behördlichen Verwaltungsstrafaktes und zu der vorgenommenen Tatanlastung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 08. Juni 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der ein Vertreter der belangten Behörde nicht teilgenommen hat und bei der Beweis erhoben worden ist durch Verlesung des behördlichen Verwaltungsstrafaktes und Befragung des Vertreters des Beschwerdeführers.
Zunächst ist auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens von folgendem verfahrensrelevanten Sachverhalt auszugehen:
Zu der hier relevanten Tatzeit, dem 23.01.2017, ist der Beschuldigte gewerberechtlicher Geschäftsführer der A GmbH mit Sitz in ***, ***, hinsichtlich der Ausübung des freien Gewerbes Handels- und Handelsagent gewesen. Zusätzlich zum Standort in *** betreibt die C GmbH auch im Standort ***, ***, eine genehmigte gewerbliche Betriebsanlage in Form eines Bürogebäudes, von Lagerhallen für Düngemittel und landwirtschaftliche Produkte samt einem Umschlagplatz und einer Tankstelle.
Abweichend von dem zur Tatzeit gegebenen Genehmigungsstand hinsichtlich der Betriebsanlage in ***, ***, sind die im Spruch des Straferkenntnisses aufgelisteten Änderungen bzw. Abweichungen gegeben gewesen, was sich im Einzelnen wie folgt dargestellt hat:
1. Anstelle der mit Bescheid zur GZ: *** genehmigten Lagerhalle für Pflanzenschutzmittel wurde eine Lagerhalle für Getreide- und Ölsaaten in verpackter Form (Big-Bag uä) errichtet.
2. Die mit Bescheid zur GZ: *** genehmigte Brennwerttherme für das Bürogebäude war nicht errichtet.
3. Der Förderturm wurde gänzlich in Stahlbetonbauweise ausgebildet und das Querförderband zur Silogruppe nicht ausgeführt.
4. Die mit Bescheid zur GZ: *** genehmigte Halle ist abgeändert ausgeführt worden, wobei diese Handelsdüngerhalle mit einer Länge von ca. 90 m anstatt der genehmigten Länge von 60 m errichtet worden ist.
5. An der Nordwestseite wurde ein Elevatorturm in Stahlbetonbauweise ausgebildet.
6. Neben dem Elevatorturm wurde ein eingeschossiger Technikraum in Massivbauweise hergestellt, wobei über dem Technikraum an der Nordwestseite eine Gitterroststiegenkonstruktion zur Erschließung des Elevatorturmes errichtet wurde.
7. Ausbildung eines Lüftungsfirstes
8. Unterteilung der Halle durch massive Abmauerungen bis zur Dachuntersicht und Errichtung von Zufahrtstoren und der Zugangstüre in einer vom genehmigten Bescheid abgeänderten Form.
9. Errichtung einer Flugdachverbindung zu der an der Südwestseite bereits bestehenden älteren Lagerhalle.
Eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für die solcherart vom Genehmigungsstand am 23.01.2017 gegeben gewesenen Abweichungen ist zur Tatzeit nicht vorgelegen. Zwischenzeitig sind jedoch entsprechende Projekte, die diese Änderungen zum Gegenstand haben, bei der Gewerbebehörde eingereicht worden, wobei zum Zeitpunkt der Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung eine bescheidmäßige Erledigung noch ausständig war.
Zu diesen Feststellungen gelangte das erkennende Gericht auf Grund folgender Beweiswürdigung:
Die Funktion des Beschwerdeführers als gewerberechtlicher Geschäftsführer der C GmbH ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Ausdruck aus dem Gewerbeinformationssystem Austria und ist dem seitens des Beschuldigten auch nicht entgegengetreten worden.
Die vom Genehmigungsstand zur Tatzeit gegeben gewesenen Abweichungen am Betriebsstandort in *** stützen sich im Wesentlichen auf die Verhandlungsschrift betreffend die Überprüfung der bestehenden Betriebsanlage hinsichtlich des konsensgemäßen Betriebes und der Erfüllung der mit Bescheid vorgeschriebenen Auflagenpunkte durch die Amtsabordnung der Gewerbebehörde am 23.01.2017. Die einzelnen Abweichungen als solche sind im Verfahren seitens des Beschwerdeführers auch nicht in Abrede gestellt worden. Im Übrigen stützen sich die Feststellungen auf den Akteninhalt, mit den dort einliegenden weiteren Verhandlungsschriften der Gewerbebehörde, den in Rede stehenden Betriebsstandort betreffend, vom 16.12.1991, vom 27.10.1999, vom 24.03.2014 und den im Akt einliegenden Bescheiden der Gewerbebehörde vom 02.03.1992, vom 08.11.1999 und vom 21.07.2015 sowie die im Verwaltungsakt enthaltene Bescheidübersicht.
In rechtlicher Hinsicht war der festgestellte Sachverhalt im Zusammenhalt mit der im Straferkenntnis erfolgten Tatanlastung wie folgt zu bewerten:
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.
das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2.
die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3.
die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4.
die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5.
eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
Gemäß § 81 Abs. 1 GewO bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Gemäß § 366 Abs. 1 Z 3 GewO begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f).
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch (eines Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Tatbestandselement einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 3 zweiter Fall GewO ist das Betreiben einer genehmigten Betriebsanlage nach Änderung ohne die erforderliche Genehmigung. Daraus folgt, dass der Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage nach erfolgter Änderung nur dann einer Genehmigung bedarf, wenn es zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 GewO umschriebenen Interessen erforderlich ist, wie dies in der Bestimmung des § 81 Abs. 1 GewO ausdrücklich normiert ist.
Dass dem entsprechend eine genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage vorgelegen sein soll, wird in der Tatanlastung im Straferkenntnis damit umschrieben, dass
„es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine örtlich gebundene Einrichtung handelt, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist und die geeignet ist, im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1, Z 2, Z 4 und Z 5 Gewerbeordnung auf Grund der geänderten baulichen Substanz und der konsenslosen Lagerungen und damit einhergehenden Manipulationstätigkeiten das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienanhörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden, sowie die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub und Erschütterung zu belästigen, weiters die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf der an die Betriebsanlage vorbeiführenden Straßen mit öffentlichem Verkehr durch An- oder Ablieferungen wesentlich zu beeinträchtigen sowie eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen“.
Abgesehen von der Wiedergabe der verba legalia, was die Genehmigungstat-bestände nach § 74 Abs. 2 GewO betrifft, stützt die Behörde ihren Vorwurf des Betriebes der genehmigten Betriebsanlage nach erfolgter Änderung ohne erforderliche Genehmigung ausschließlich auf
1. die geänderte bauliche Substanz,
2. konsenslose Lagerungen und damit einhergehende Manipulationstätigkeiten bzw.
das Betreiben der Betriebsanlage durch „Offenhalten der Betriebsstätte und die Durchführung von Lagertätigkeiten“.
Bezüglich der geänderten baulichen Substanz sind die in der Tatbeschreibung aufgelisteten Abweichungen vom Genehmigungsstand maßgeblich, aus denen sich jedoch nicht per se bzw. automatisch oder zwingend eine Möglichkeit der Beeinträchtigung im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO ergibt:
Aus dem Umstand, dass die genehmigte Lagerhalle für Pflanzenschutzmittel nicht errichtet worden ist, ist eine derartige Beeinträchtigungsmöglichkeit nicht abzuleiten; soweit anstelle dieser Lagerhalle für Pflanzenschutz nunmehr eine Lagerhalle für Getreide und Ölsaaten in verpackter Form errichtet worden ist, kann nicht (ohne Weiteres) erschlossen werden, wodurch sich daraus die in § 74 Abs. 1 Z 1 bis 5 GewO bezeichneten Gefährdungen oder Beeinträchtigungen ergeben könnten, erscheint doch nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Lagerung von Getreide und Ölsaaten weniger problematisch als die Lagerung von Pflanzenschutzmitteln.
Auch aus dem Umstand, dass einzelne gewerberechtlich genehmigte Anlagenteile, wie etwa die Brennwerttherme und das Querförderband zur Silogruppe nicht ausgeführt worden sind, ergibt sich aus dieser sich ergebenden geänderten baulichen Substanz gegenüber dem Genehmigungsstand ebenfalls nicht ohne Weiteres die zwingende Folge, dass damit eine Beeinträchtigungsmöglichkeit bzw. Gefährdungsmöglichkeit der in § 74 Abs. 2 GewO angeführten Schutzinteressen gegeben ist.
Soweit einzelne Anlagenteile – wie der Tatanlastung zu entnehmen ist – abweichend vom Genehmigungsbescheid in Stahlbetonbauweise, wie etwa der Förderturm und der Elevatorturm, hergestellt worden sind, mag dies zwar eine gegenüber dem Genehmigungsstand geänderte bauliche Substanz darstellen, doch kann aus diesem Umstand allein die für eine Genehmigungspflicht erforderliche Gefährdungs- und Beeinträchtigungsmöglichkeit nach § 74 Abs. 2 GewO ebenfalls nicht erschlossen werden.
Inwieweit durch die Abänderung der genehmigten Halle mit einem Ausmaß von 60 m Länge durch Errichtung einer Handelsdüngerhalle mit einer Länge von 90 m Genehmigungstatbestände auf Grund der damit einhergehenden geänderten baulichen Substanz gegeben sein sollen, ist dem Tatvorwurf nicht zu entnehmen bzw. erschließt sich auch nicht ohne Weiteres mangels entsprechender Ausführungen im Tatvorwurf.
Der Umstand, dass neben dem Elevatorturm ein eingeschossiger Technikraum in Massivbauweise hergestellt worden ist und über dem Technikraum eine Gitterroststiegenkonstruktion zur Erschließung des Elevatorturmes errichtet worden ist, ist als geänderte bauliche Substanz gegenüber dem Genehmigungsstand zu bewerten, jedoch ist nicht jede Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage als genehmigungspflichtig anzusehen, sondern nur eine solche Änderung, die geeignet ist, die Schutzinteressen nach § 74 Abs. 2 GewO zu gefährden bzw. zu beeinträchtigen. Ein solches Gefährdungs- oder Beeinträchtigungspotenzial ergibt sich aber nicht automatisch aus der bloßen Anführung der baulichen Änderung, sondern erfordert die weitergehende Darstellung, wonach bei Betrieb der Anlage die von diesen Änderungen ausgehenden Auswirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO die Eignung aufweisen, die hier relevanten Schutzinteressen zu gefährden oder zu beeinträchtigen.
Schließlich ergibt sich auch aus den weiteren in der Tatanlastung aufgelisteten Abänderungen des genehmigten Projekts, wie der Ausbildung eines Lüftungsfirstes, den massiven Abmauerungen in der Halle bis zur Dachuntersicht und der damit vorgenommenen Unterteilung der Halle sowie aus der abgeänderten Form der Errichtung der Zufahrtstore und der Zugangstüre sowie aus der Errichtung einer Flugdachverbindung zu der bestehenden älteren Lagerhalle kein konkreter Hinweis auf die Eignung dieser Änderungen der Betriebsanlage, die Schutzinteressen nach § 74 Abs. 2 GewO zu beeinträchtigen oder zu gefährden.
Somit ist trotz der umfassend aufgelisteten Abänderungen des genehmigten Zustandes (Genehmigungsstand) der Betriebsanlage mangels entsprechender Ausführungen in der Tatanlastung des Straferkenntnisses, dass sich konkret von diesen Abänderungen insgesamt oder auch nur von einzelnen dieser Änderungen ausgehend eine Eignung für eine Beeinträchtigung der Schutzinteressen nach § 74 Abs. 2 GewO ergibt, der Tatvorwurf im Hinblick auf das herangezogene Tatbild nicht derart umschrieben worden, dass sich daraus die – ein Tatbestandselement bildende - Genehmigungspflicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ableiten ließe.
Es war daher hinsichtlich der ins Treffen geführten „geänderten baulichen Substanz“ – unabhängig von den im Spruch des Straferkenntnisses wiedergegebenen verba legalia, die eine Tatanlastung nicht ersetzen können – nicht zu erweisen, dass davon eine grundsätzliche Eignung ausgeht, die in § 74 Abs. 2 GewO bezeichneten Beeinträchtigungen hervorzurufen. Dies letztlich auch im Hinblick darauf, dass nicht die geänderte Betriebsanlage insgesamt, sondern lediglich die Änderungen derselben zu beurteilen sind.
Abgesehen vom Vorwurf im Straferkenntnis, auf Grund der geänderten baulichen Substanz eine Genehmigungspflicht für den Betrieb der Betriebsanlage verursacht zu haben (und die Betriebsanlage trotz dieser Genehmigungspflicht ohne Genehmigung betrieben zu haben), wird dem Beschuldigten auch die Vornahme von „konsenslosen Lagerungen und damit einhergehenden Manipulations-tätigkeiten“ als weitere genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage zur Last gelegt, ohne jedoch eine Umschreibung jener Lagerungen vorzunehmen, die als konsenslos beurteilt werden und von denen eine Beeinträchtigungsmöglichkeit der Schutzinteressen nach § 74 Abs. 2 GewO ausgeht. Ebenso werden auch die mit diesen Lagerungen einhergehenden Manipulationstätigkeiten nicht näher dargestellt, sodass auch diesbezüglich nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon auszugehen gewesen ist, dass diese Lagerungen und Manipulationstätigkeiten die Möglichkeit von nach § 74 Abs. 2 GewO relevanten Beeinträchtigungen auslösen können.
Eine solche nähere Umschreibung hinsichtlich „konsensloser Lagerungen und damit einhergehenden Manipulationstätigkeiten“ wäre im gegenständlichen Fall schon deshalb erforderlich gewesen, weil es sich doch bei der gegenständlichen Betriebsanlage um
? eine Lagerhalle für Pflanzenschutzmittel (vgl. Bescheid vom 21.07.2015, ***),
? eine Betriebsanlage mit Genehmigung für den „Betrieb der Lagerhalle 10 samt Vorplatz mit Umschlagplatz für landwirtschaftliche Produkte“ (Bescheid vom 08.11.1999, ***) und um
? eine Betriebsanlage, bestehend aus einer Silo-Lagerhalle und einer freistehenden Lagerhalle (bestehend aus: Getreidesilo mit Trocknungsanlage, Straßenbrückenwaage, Düngemittellagerhalle und Bürogebäude [Bescheid vom 02.03.1992, ***])
handelt, weshalb somit grundsätzlich von der Zulässigkeit von Lagerungen und den damit einhergehenden Manipulationstätigkeiten auszugehen ist.
Somit ist in Bezug auf die dargestellten Abänderungen der gewerblichen Betriebsanlage durch die angeführte geänderte bauliche Substanz und die nicht näher beschriebenen konsenslosen Lagerungen und der damit einhergehenden Manipulationstätigkeiten eine Genehmigungspflicht dieser Änderungen nicht ohne Weiteres und ohne Darstellung der konkret von diesen Änderungen ausgehenden Beeinträchtigungsmöglichkeiten nach § 74 Abs. 2 GewO zu erweisen gewesen.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass zwischenzeitig offenbar hinsichtlich einzelner Änderungen der Betriebsanlage ein Ansuchen um Genehmigung gestellt worden ist, muss doch im Sinne des § 44a Z 1 VStG in einem Verwaltungsstraf-verfahren einem Beschuldigten die als erwiesen angenommene Tat in einer solchen Form vorgehalten werden, dass dieser die Verwirklichung aller Tatbestandselemente des herangezogenen Tatbildes nachzuvollziehen in die Lage versetzt wird.
Es war daher, ausgehend von der im Spruch des Straferkenntnisses vorgenommenen Tatanlastung und der im Verfahren ergangenen Verfolgungshandlung in Form der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 09.03.2017, die Verwaltungsübertretung nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit zu erweisen und demgemäß spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision war im vorliegenden Fall nicht zuzulassen, da die Entscheidung nicht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
Schlagworte
Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Betriebsanlage; gewerbebehördliche Genehmigung; Konkretisierung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.1147.001.2017Zuletzt aktualisiert am
05.11.2018