Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des HR in F, vertreten durch Dr. Johannes Schweiger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Neuhauserstraße 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. April 1999, Zl. Wa 15-16/99, betreffend Barauslagen gemäß § 76 AVG in einer Angelegenheit nach dem Waffengesetz 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 5. März 1998 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 7 Waffengesetz 1996 (WaffG) der Waffenpass sowie die Waffenbesitzkarte entzogen, weil seine waffenrechtliche Verlässlichkeit als nicht mehr gegeben anzusehen sei. Die diesen Bescheid im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigende Entscheidung der belangten Behörde vom 20. April 1998 wurde mit hg. Erkenntnis vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0269, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Der Begründung dieses Erkenntnisses kann auch der bisherige Verlauf des Verwaltungsverfahrens entnommen werden.
In dem bei der belangten Behörde wieder anhängig gewordenen Berufungsverfahren wurde von dieser ein Gutachten der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck zur Überprüfung von bei dem Beschwerdeführer festgestellten Anhaltspunkten für das Vorliegen von Umständen
"im Sinn des § 8 Abs. 2 Waffengesetz und dafür, dass Sie (der Beschwerdeführer) dazu neigen könnten, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden".
Dafür hatte die belangte Behörde S 7.296,40 auszulegen.
Mit dem Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde aufgrund des Ergebnisses des eingeholten Gutachtens der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 5. März 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und hob diesen ersatzlos auf. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer "nach wie vor waffenrechtlich verlässlich" sei.
Mit dem mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Spruchpunkt 2 dieses Bescheides verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer zum Ersatz der aufgelaufenen Gutachtenskosten von S 7.296,40 an den Bund. Gemäß § 76 Abs. 1 AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998 habe die Partei des Verfahrens - von einer hier nicht zutreffenden Ausnahme abgesehen - für Barauslagen aufzukommen. Die Verpflichtung zur Tragung der aufgelaufenen Gutachtenskosten erwachse im vorliegenden Fall daraus, dass der Beschwerdeführer infolge Erhebung seiner Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 5. März 1998 das "das Verwaltungsverfahren auslösende Parteibegehren gestellt" habe. Der Antrag "auf Durchführung der zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes erforderlichen oder durch das Gesetz gebotenen Amtshandlungen" gelte als "im verfahrensauslösenden Parteibegehren eingeschlossen (vgl. VwSlg NF 4350A/1957)".
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
§§ 74 Abs. 1, 75 Abs. 1 sowie 76 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 zweiter Satz AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998 lauten:
"§ 74. (1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.
§ 75. (1) Sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen.
§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat.
(2) ... Wurde die Amtshandlung vom Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind."
In den Erläuterungen (1167 BlgNR 20. GP, 39, wiedergegeben bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 62/63) heißt es zu § 76 AVG:
"Durch die Neufassung soll zunächst die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kodifiziert werden, dass die Verpflichtung zur Tragung allfälliger Kosten bereits aus der Tatsache erwächst, dass das das Verwaltungsverfahren auslösende Parteibegehren gestellt worden ist und der Antrag auf Durchführung der zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts erforderlichen oder durch das Gesetz gebotenen Amtshandlungen im verfahrenseinleitenden Parteiantrag eingeschlossen ist (VwSlg. 4350A/1957). Ferner soll durch den Entfall der Worte 'im Allgemeinen' klargestellt werden, dass die Pflicht zur Kostentragung für die Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt ('um die Amtshandlung angesucht') hat, nur in den im § 76 Abs. 2 genannten Fällen durchbrochen ist. Für den Eintritt der Kostenersatzpflicht nach § 76 Abs. 1 genügt es demnach, dass, '(d)ie bei einer Amtshandlung erwachsenden Barauslagen (...) durch ein förmliches Ansuchen verursacht' worden sind (AB 360 BlgNR II. GP, 22)."
Nach § 76 Abs. 1 AVG i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 hatte, wenn der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen erwuchsen, dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen waren, "im allgemeinen" die Partei aufzukommen, "die um die Amtshandlung angesucht hat". Aus dieser Formulierung "im allgemeinen" hatte die hg. Rechtsprechung abgeleitet, dass § 76 Abs. 1 AVG eine Durchbrechung des Grundsatzes der Kostentragung durch den Antragsteller normiere. Diese Worte sollten eine Kostentragungspflicht durch den Antragsteller dort verhindern, wo eine solche Kostentragungspflicht unbillig wäre. Eine solche Unbilligkeit wurde in der Rechtsprechung angenommen, wenn demjenigen, der sich gegen eine von ihm nicht verschuldete rechtswidrige behördliche Entscheidung mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln zur Wehr setzt, und damit auch Erfolg hat, allein deswegen die Verfahrenskosten auferlegt werden, weil er einen Antrag auf Vornahme einer kostenverursachenden Verfahrenshandlung gestellt hat. Eine Verpflichtung zum Kostenersatz in solchen Fällen wurde vom Verwaltungsgerichtshof als dem Wesen des Rechtsmittels als einem dem Rechtsschutzbedürfnis dienenden Institut der rechtsstaatlichen Verwaltung, das zum Zweck der Überprüfung verwaltungsbehördlicher Bescheide jeder Partei nach Maßgabe der verwaltungsrechtlichen Vorschriften unter den gleichen Bedingungen zustehen müsse, widerstreitend angesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Zl. 94/07/0118, betreffend einen Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins). Ob nun durch den Entfall der Worte "im allgemeinen" durch die Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 dieser Rechtsprechung der Boden entzogen wurde - wogegen die ausdrücklichen Hinweise in den Materialien auf das hg. Erkenntnis Slg. NF 4350A/1957, in welchem dem erfolgreichen Rechtsmittelwerber die dadurch ausgelösten Barauslagen nicht auferlegt worden waren, und die Absicht, die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 76 Abs. 1 AVG "zu kodifizieren", sprechen (in diesem Sinne Walter/Thienel, Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1998, 135) - kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.
Nach § 76 Abs. 1 AVG n.F. ist ausschließlich jene Partei kostenersatzpflichtig, die den "verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat". Die Erhebung einer Berufung durch eine Partei gegen einen sie belastenden, in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren erlassenen Bescheid kann keineswegs unter diese Bestimmung subsumiert werden. Dies ergibt sich schon aus den §§ 74 Abs. 1, 75 Abs. 1 AVG, die nicht nur einen durch die Berufung eingeleiteten bloßen Abschnitt des Verwaltungsverfahrens erfassen. Die Auffassung der belangten Behörde, die Berufung in einem Einparteienverfahren (wie es hier vorliegt) sei als "der verfahrensauslösende Antrag" im Sinne des § 76 Abs. 1 erster Satz AVG anzusehen, würde zu dem jeglichen rechtsstaatlichen Erwägungen widersprechenden Ergebnis führen, dass eine Partei, die in einem amtswegigen Verfahren durch einen rechtswidrigen erstinstanzlichen Bescheid belastet wurde und zur Durchsetzung ihrer Rechte Berufung erhoben hat, die Kosten der Barauslagen für die dadurch ausgelösten Amtshandlungen zu tragen hätte. Erhebt eine Partei in einem solchen Fall zur Durchsetzung ihrer Rechte Berufung und dringt sie mit ihrem Standpunkt durch, so dürfen ihr vielmehr die erforderlich gewordenen Barauslagen nicht auferlegt werden. Hinzu kommt, dass die belangte Behörde das Sachverständigengutachten - wenn auch aufgrund der vom Beschwerdeführer in der Berufung erhobenen Verfahrensrüge - von Amts wegen in Auftrag gegeben hat und diese Kosten daher gemäß § 76 Abs. 2 zweiter Satz AVG der Bund zu tragen hat. Es kann keinesfalls ein Verschulden des Beschwerdeführers darin erblickt werden, dass er es unternimmt, die ihn belastende rechtswidrige Entscheidung mit Berufung anzufechten. Dafür spricht auch die jedenfalls insoweit weiter aufrecht zu erhaltende bisherige Rechtsprechung, wonach eine in der Berufung enthaltene Verfahrensrüge, die in der Folge eine von der Berufungsbehörde vorgenommene kostenverursachende Amtshandlung ausgelöst habe, nicht als ein Antrag im Sinne des § 76 Abs. 1 AVG a.F. gewertet werden könne (vgl. in diesem Sinne die hg. Erkenntnisse vom 25. Oktober 1963, Slg. Nr. 6129/A, vom 23. Jänner 1967, Zl. 1580/66, und vom 19. November 1985, Zl. 85/04/0034 = ZfVB 1986/3/1430; vgl. zum Ganzen ferner das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1993, Zl. 90/10/0058 = ZfVB 1993/5/1250). Demnach kann auch dahingestellt bleiben, ob der neue Wortlaut des § 76 Abs. 1 AVG i. d.F. BGBl. I Nr. 158/1998 ausschließlich den Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren meint (so Walter/Thienel, a.a.O., 133).
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Spruchpunkt 2 des Bescheides der belangten Behörde vom 7. April 1999 als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 21. Oktober 1999
Schlagworte
Berufungsrecht DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999200291.X00Im RIS seit
21.02.2002