TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/3 W191 2172180-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2018
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Entscheidungsdatum

03.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W191 2172180-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2017, Zahl 1092231105-151616118, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.05.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführer (in der Folge BF), Frau XXXX , geboren am XXXX (BF1), ihr Ehemann XXXX geboren am XXXX (BF2), und ihre minderjährigen gemeinsamen Kinder XXXX , geboren am XXXX (BF4), XXXX , geboren am XXXX (BF5), und XXXX , geboren am XXXX (BF6), sind - wie auch der Bruder des BF2, XXXX , geboren am XXXX (BF3) - afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitische Moslems.

Die BF reisten irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellten - der BF3 am 28.06.2015 und die anderen BF am 24.10.2015 -, die minderjährigen Kinder gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF3 in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt worden war.

1.2. Die BF gaben in ihren Erstbefragungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.06.2015 (BF3) bzw. 24.10.2015 (BF1 und BF2) an, dass sie aus XXXX (später auch XXXX ), Distrikt Tagab, Provinz Kapisa (Afghanistan) stammten. Nach Österreich seien sie über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und schließlich Ungarn (BF3) bzw. Kroatien und Slowenien (die anderen BF) gelangt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF3 an, er habe seine Heimat verlassen, weil er in Kabul eine Kadettenschule besucht habe und seine Eltern deswegen von den Taliban bedroht worden seien. Die Schüler der Kadettenschule hätten meist beim Militär gedient. Aus Angst um sein Leben habe er fliehen müssen.

Die BF1 und der BF2 gaben an, sie hätten gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern Afghanistan aufgrund des Krieges und der schlechten Sicherheitslage verlassen.

1.3. Bezüglich des BF3 führte die Erstbehörde Konsultationen mit dem Mitgliedstaat Ungarn über die Zuständigkeit für sein Asylverfahren gemäß Dublin-Übereinkommen, die negativ verliefen.

1.4. Bei seiner Einvernahme am 12.10.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu, bestätigte der BF3 die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben und legte seine Tazkira (afghanisches Personaldokument) im Original vor.

Er gab im Wesentlichen an, er habe neun Jahre die Grundschule besucht und dann die Aufnahmeprüfung für die Militärschule in XXXX (Kabul) absolviert und bestanden. Er habe die Militärschule insgesamt zwei Jahre besucht. Dann sei er für drei Tage nach Hause in Kapisa und dann wieder zur Militärschule zurückgekehrt und habe Afghanistan 14 Tage später (umgerechnet am 09.12.2014) gemeinsam mit seinem Bruder XXXX und seinem Neffen verlassen. Diese beiden lebten nun in Deutschland, sein Bruder XXXX (Österreich). Die restliche Familie lebe zuhause in Afghanistan.

Zu seinem Fluchtgrund befragt schilderte der BF3, wie bei seinem dreitägigen Aufenthalt zuhause Taliban nach ihm gesucht hätten und seinen Bruder XXXX mitgenommen und geschlagen hätten. Dieser könne weiterhin dort leben, er sei Lehrer und die Leute hätten sich für ihn eingesetzt.

1.5. Die BF1 und der BF2 wurden am 23.06.2017 vor dem BFA, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu niederschriftlich einvernommen.

Sie machten detaillierte - und mit den Aussagen des BF3 übereinstimmende - Angaben zu ihren Familienverhältnissen und Lebensumständen. Die Familie besäße Grundstücke, die sie bewirtschafte. Der BF2 habe seinem Bruder, der Lehrer sei, am Nachmittag in seinem Lebensmittelgeschäft geholfen. Im Iran habe er "schwarz" als Installateur gearbeitet.

Den Iran hätten sie verlassen, weil sie dort kein Aufenthaltsrecht gehabt hätten und außerdem hätten auch dort Taliban sie mit der Aufforderung, religiöse Sitten einzuhalten, schikaniert.

Die BF1 und der BF2 hätten vor sechs Jahren traditionell vor einem Mullah geheiratet. Eine Bestätigung darüber hätten sie von den Taliban erhalten und später im Meer verloren. Hätte er eine Heiratsurkunde vom Distrikt geholt, wäre dies in den Augen der Taliban eine Straftat gewesen.

Die BF1 gab an, in Afghanistan hätten die Frauen keine andere Wahl, als Hausfrau zu sein. Sie habe auch die Tiere versorgt. Sie habe nicht die Schule besuchen können. In Österreich würden eine Frau und ein Kind als Mensch respektiert und die Kinder könnten die Schule besuchen. Sie selbst sei Analphabetin und müsse erst noch viel lernen.

Ihre Heimat hätten sie verlassen, weil der Bruder des BF2, der BF3, bei den Streitkräften der Polizei gearbeitet habe und die Taliban öfter zu ihnen nach Hause gekommen seien und dort auf ihn gewartet hätten, um ihn für sich zu gewinnen oder andernfalls ihn mitzunehmen. Der BF2 sei dreimal von den Taliban entführt und geschlagen worden. Auch die Polizei sei mehrmals zu ihnen nach Hause gekommen und hätte ihnen vorgehalten, sie wüssten, wo sich die Taliban aufhielten. Die Taliban hätten ihnen eine Frist von einem Monat zur Auslieferung des BF3 gegeben, in der sie ausgereist seien.

1.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit im Wesentlichen übereinstimmenden Bescheiden vom 14.10.2016 (BF3) bzw. 25.09.2017 (BF1, 2 und 4 bis 6) die Anträge der BF auf internationalen Schutz vom 28.06. bzw. 24.10.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen den Status von Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden ihnen nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person der BF und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen der BF sei unglaubhaft. Sie hätten keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung der BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihnen keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Die BF würden nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG erfüllen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe ihr Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung der BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die die BF bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass die BF bezüglich ihrer behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund ihrer Sprach- und Lokalkenntnisse und der vom BF3 vorgelegten Tazkira - im Gegensatz zu ihrem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wären. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Das Fluchtvorbringen des BF3 wurde als unglaubhaft beurteilt und dies auch durch Zitierung einzelner Sätzen des BF aus den Niederschriften (fett, kursiv und unterstrichen) begründet. "Ex post betrachtet" habe der BF kein plausibles, detailliertes und schlüssiges Fluchtvorbringen erstattet.

Das Fluchtvorbringen des BF2, dass seine Brüder bei den afghanischen Streitkräften gearbeitet hätten und seine Familie daher von den Taliban bedroht worden sei, erachtete das BFA für unglaubhaft.

Eine Prüfung des Vorbringens der BF1, dass sie selbstbestimmt leben wolle und dies in Afghanistan für sie als Frau nicht möglich sei, wurde nicht vorgenommen.

Subsidiärer Schutz wurde ihnen nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr der BF in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes nicht gegeben sei.

1.7. Gegen diese Bescheide brachten die BF mit Schreiben ihres Rechtsberaters bzw. Vertreters vom 25.10.2016 (BF3) bzw. 25.09.2017 (die übrigen BF) fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

Der Beschwerde des BF3 lag ein mehrseitiges handschriftliches Schreiben bei, in dem der BF3 laut gerichtlich veranlasster Übersetzung genaue Daten zu seinem Besuch der Militärakademie sowie zu seiner Verfolgung durch die Taliban angab (Aufnahmeprüfung, Bedrohung, Vorfälle - Entführung des Bruders etc.)

In der Beschwerdebegründung der übrigen BF wurden der Verfahrensgang und das Vorbringen der BF im erstbehördlichen Verfahren zusammengefasst wiederholt und moniert, dass der BF2 öfter bedroht worden und daher schutzbedürftig sei. Die BF1 sei als Frau in Afghanistan zahlreichen Länderberichten zufolge ein "Mensch zweiter Klasse", was die belangte Behörde nicht entsprechend gewürdigt habe.

Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich - auch in Kabul - noch zuletzt verschlechtert.

1.8. Das BFA legte die Beschwerden samt Verwaltungsakten dem BVwG vor.

1.9. Das BVwG führte am 03.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetsch für die Sprache Paschtu durch, zu der die BF1, 2, 3 und 6 persönlich erschienen (BF4 und BF5 waren im Kindergarten). Die belangte Behörde verzichtete im Vorhinein auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Dabei gaben die BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"[...] RI [Richter]: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Paschtu. Wir sprechen darüber hinaus auch Dari.

BF3: Ich kann Dari auch lesen und schreiben.

RI an D [Dolmetsch]: In welcher Sprache übersetzen Sie für die BF?

D: Paschtu.

RI befragt BF, ob sie D gut verstehen; dies wird bejaht.

Zur heutigen Situation:

RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF: Ja.

RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?

BF: Nein.

[...]

RI: Sind Sie im Hinblick auf § 52 Abs. 2 BFA-VG damit einverstanden, die mündliche Verhandlung in An- bzw. Abwesenheit Ihres Rechtsberaters durchzuführen? Haben Sie ihn ersucht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen?

BF1 und BF2: Wir verzichten auf die Teilnahme unseres Rechtsberaters. Wir haben ihn nicht ersucht, an der Verhandlung teilzunehmen. Unser gewillkürter Vertreter nimmt an der Verhandlung teil.

BF3: Ich habe meinen Rechtsberater zu meiner Vertretung bevollmächtigt, er nimmt an der Verhandlung teil.

[...]

Die BF haben bisher keine Bescheinigungsmittel zu ihrem Fluchtvorbringen sowie zu ihrer Identität (mit Ausnahme der Tazkira des BF3) vorgelegt und haben auch heute keine bei sich. BFV1 [Vertreter der BF]: Der BF2 hatte in Afghanistan eine Tazkira, hat es aber nicht geschafft, sie nach Österreich zu übermitteln.

BF2: Wir führten unsere Tazkiras und mein Handy in einem Rucksack mit uns. In der Türkei hat uns ein Schlepper diesen Rucksack weggenommen, als wir nach Griechenland fuhren.

Zu ihrer Integration hat der BF3 Belege vorgelegt, die BF1 und BF2 legen heute welche vor (Deutschkursbestätigungen, diverse Kursbestätigungen, Empfehlungsschreiben), die in Kopie zum Akt genommen werden.

[...]

Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen

Lebensumständen:

RI: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?

BF1 und BF2: Ja.

BF3: Mein Name ist auch richtig, aber ich bin nicht am XXXX . geboren, sondern im Sommer. Ich habe bei meiner Erstbefragung als Geburtsdatum den XXXX angegeben, protokolliert wurde jedoch XXXX .

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF: Wir sind Paschtunen.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?

BF: Wir sind sunnitische Moslems.

RI: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF1 und BF2: Wir haben vor ca. sieben Jahren im Distrikt Tagab in der Provinz Kapisa traditionell geheiratet.

BF3: Ich bin verlobt. Meine Verlobte lebt in Tagab, aber ich habe mit ihr noch nie gesprochen. Sie ist froh darüber, dass ich in Österreich bin, und würde auch gerne hierher kommen und ein freies Leben führen.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF1: Keine.

BF2: Ich habe vier Jahre eine Grundschule besucht.

BF3: Ich habe neun Jahre eine Schule besucht und dann zwei Jahre lang eine Militärausbildung bekommen.

RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Wir lebten von unseren landwirtschaftlichen Grundstücken und von Obstgärten, deren Produkte wir an Händler (für Pakistan) verkauft haben. Zusätzlich hat der BF2 einen Lebensmittelbetrieb geführt.

RI: Geben Sie bitte soweit wie möglich chronologisch an, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben.

BF1 und BF2: Wir haben in der Provinz Kapisa, Distrikt Tagab, Dorf XXXX , gelebt.

BF3: Das gilt auch für mich, zwei Jahre lange habe ich in Kabul eine Militärschule besucht.

RI: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

BF: Unsere Eltern leben bei unseren verheirateten Schwestern in verschiedenen anderen Dörfern im Distrikt Tagab.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein.

RI: Haben Sie Kontakt zu Österreichern?

BF: Ja.

RI an BF1: Können Sie mir etwas über Ihre Kontakte zu den Österreichern erzählen?

BF1: Ich habe mehrere Freundinnen.

Anmerkung: Die BF1 zählt ihre Namen auf.

BF1: Drei von ihnen arbeiten im Kindergarten, und die anderen sind unsere Nachbarinnen.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch die D verstehen können?

BF1 und BF2: Wir verstehen Sie ein wenig.

BF3: Sie verstehe Sie gut.

RI stellt fest, dass die BF1 und der BF2 die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen teilweise verstanden und holprig auf Deutsch beantwortet haben. Der BF3 hat die Fragen verstanden und fließend und verständlich, wenn auch fehlerhaft, auf Deutsch beantwortet.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF1 und BF2: Nein.

BF3: In meiner vorherigen Unterkunft habe ich den älteren Menschen im Dorf, die uns beim Deutschlernen geholfen haben, privat geholfen.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach? Wie ist Ihr Tagesablauf?

BF1: Ich gehe mit meinen Kindern Spazieren, auch in den Park.

BF2: Ich gehe mit meiner Familie in den Park, oder wir gehen gemeinsam Spazieren. Neben unserer Unterkunft ist ein Altersheim, ich gehe ab und zu mit älteren Menschen, die im Rollstuhl sitzen, Spazieren (ich führe sie).

BF3: Ich gehe Spazieren, und am Nachmittag spiele ich mit meinen österreichischen Freunden Volleyball, im Moment habe ich keinen Deutschkurs. Vorgestern gab es in meinem Dorf ein Fest, ich habe daran teilgenommen.

RI: Wie oft sehen Sie sich?

BF: Wir sehen uns derzeit ca. alle fünf bis sechs Monate. Wir telefonieren aber manchmal täglich und schreiben uns Nachrichten.

Festgehalten wird, dass die BF1 Sportschuhe, eine schwarze Leggins, eine bunt karierte Bluse und einen Schal um den Hals trägt. Sie ist dezent geschminkt, trägt das Haar offen, sie trägt auch Schmuck, und ihre Nägel sind lackiert.

RI: Wollen Sie einmal, wenn die Kinder größer sind, erwerbstätig sein?

BF1: Ja. Ich bin zwar Analphabetin, ich habe aber schon einen zweimonatigen Deutschkurs besucht und kann bereits ein wenig Lesen und Schreiben. Als Kind wollte ich gut lernen und Ärztin werden, das habe ich aber leider nicht geschafft.

RI: Hätten Sie das in Afghanistan werden können?

BF1: Als Kind wollte ich gerne eine Schule besuchen. Wir waren auch eine Zeit lang in Pakistan, dort habe ich einen Monat lang die Schule besucht, dann ist meine Familie mit mir aber wieder nach Tagab gezogen, und dort war es mir nicht möglich, dass ich eine Schule besuche.

RI: Werden Sie Ihre zwei Töchter auch einmal verloben?

BF1: Ja, aber erst dann, wenn sie erwachsen sind und wenn sie wollen.

RI: Sie dürfen sich ihren Partner nicht selber aussuchen?

BF1: Ich möchte, dass meine Töchter ihre Ehemänner selbst aussuchen und glücklich werden. Bei uns in Tagab ist es nicht möglich, dass man sich den Ehemann selbst aussucht.

RI: Führen Sie eine glückliche Ehe?

BF1 und BF2: Ja.

RI: Dürfen Ihre Töchter einmal in den Schwimmunterricht gehen?

BF1: Ja, wenn wir hier leben, warum nicht.

RI an BF2: Was halten Sie davon?

BF2: Ich bin damit einverstanden, wir befinden uns nicht in Afghanistan, sondern in Europa, wir wollen so leben wie die Menschen hier.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

BF2: Das Strafverfahren aufgrund der Verbrennungen der BF5 ist nach einem Jahr eingestellt worden.

RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF1: Ich telefoniere mit meiner Familie alle drei oder vier Monate einmal.

BF2 und BF3: Wir telefonieren ab und zu mit unseren Schwestern und Eltern. Dort ist das Telefonieren schwer, das Internet funktioniert nicht immer.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.

Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zu Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint? Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

BF: Ja.

BF3: Ich hatte Belege bezüglich der Militärschule. Da ich Afghanistan illegal verlassen habe, konnte ich diese Unterlagen nicht mitnehmen. Bei meiner letzten Einvernahme habe ich Fotos, auch von meiner Dienstkarte, vorgelegt. Sie befanden sich auf meinem Handy, dieses habe ich inzwischen verloren.

RI an BF1: Warum sind Sie von Afghanistan ausgereist?

BF1: Afghanistan habe ich aufgrund der Probleme meines Ehemannes verlassen.

RI: Könnten Sie wieder zurückkehren?

BF1: Um dort zu leben, werde ich nicht zurückkehren, aber um meine Familie zu besuchen, schon.

RI: Warum nicht, um dort zu leben?

BF1: Jetzt habe ich das Leben hier gesehen und weiß, wie die Frauen hier leben. In Tagab sind die Frauen überhaupt nichts wert.

BFV2 nimmt Akteneinsicht in den Akt des BF3.

BFV2 an BF3: Sie haben gesagt, dass Sie Afghanistan illegal verlassen haben, warum ist in der Niederschrift auf Seite 5 "legal" protokolliert?

BF3: Ich meinte dort, dass ich meine Familie "legal" verlassen habe, d. h. mit Einverständnis meiner Eltern.

RI an BF2: Fassen Sie kurz zusammen, warum Sie von Afghanistan nach Österreich geflohen sind?

BF2: Ich habe Probleme mit meinem Bruder bekommen, da der BF3 die Militärschule besucht hat, verlangten die Taliban von mir, dass ich ihn ihnen übergebe.

RI an BF3: Was sagen Sie dazu?

BF3: Ich habe auch Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen, sie wollten meine Brüder unter Druck setzen, um mich zu bekommen. Meine anderen beiden Brüder sind jetzt in Deutschland.

RI: Und die Eltern können dort unbehelligt weiter leben?

BF3: Ja, unsere Eltern sind alt, 70 bis 80 Jahre alt. Sie leben bei unseren Schwestern.

RI: Welcher Bruder wurde kurz von den Taliban festgenommen?

BF3: XXXX .

RI: Wo lebt XXXX jetzt?

BF2: Ich weiß es nicht.

BF3: Wenn man einmal von den Taliban mitgenommen wird und wieder freigelassen wird, kann man nie wieder für die Regierung arbeiten, man muss dann für die Taliban arbeiten. Nach seiner Freilassung haben wir uns sehr gefreut, aber dann ist mein Bruder gleich geflohen. Wohin er geflohen ist, wissen wir nicht. Mit ihm haben wir keinen Kontakt mehr. Ob die Eltern mit ihm Kontakt haben, wissen wir nicht.

Die Verhandlung wird um 10:55 Uhr kurz unterbrochen und um 11:00 wieder fortgesetzt.

Der BF2 verlässt auf Ersuchen des RI den Verhandlungssaal.

RI an BF3: Erzählen Sie mir bitte detailliert, wie diese Entführung Ihres Bruders abgelaufen ist!

BF3: Ich war gerade zuhause und verbrachte dort meine dreitätigen freien Tage. Die Taliban kamen zu uns nachhause. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber nicht zuhause, sondern bei meinen Freunden. Es waren nicht Taliban aus unserem Dorf, sondern unbekannte Taliban. Sie fragten meinen Bruder XXXX nach mir. Er sagte ihnen, dass er nicht wisse, wo ich sei. Daraufhin schlugen die Taliban meinen Bruder und nahmen ihn mit. Ein Neffe von mir rief mich an und erzählte mir von dem Vorfall. Ich bin dann mit Hilfe meiner Freunde nach Kabul gefahren.

RI: Wann war das?

BF3: Ein genaues Datum weiß ich nicht. Aber dieser Vorfall war ca. eine Woche vor meiner Ausreise aus Afghanistan.

RI: Erzählen Sie weiter!

BF3: Als mein Bruder freigelassen wurde, war ich in Kabul. Er wurde freigelassen, damit er mich den Taliban übergibt. Er konnte den Schlägen der Taliban nicht standhalten.

RI: Erzählen Sie weiter!

BF3: Die Taliban haben ihr Gefängnis in Tagab, im Dorf XXXX , von dort wurde er dann freigelassen und er ging zu Fuß zum Elternhaus. Man braucht von dort ca. zwei Stunden nachhause.

RI: Woher wissen Sie die Geschichte so?

BF3: Meine Eltern haben mir das so erzählt. Mein Bruder hat viel dort durchgemacht. Ca. zehn Tage nach der Freilassung meines Bruders bin ich dann ausgereist.

RI an BF1: Wann sind Sie ausgereist?

Angemerkt wird, dass sich die Aussagen von BF1 und BF3 zunächst nicht gänzlich decken.

Nach Erörterung und mehreren Rückfragen gibt die BF1 an:

BF1: Zuerst wurde mein Ehemann von den Taliban entführt und geschlagen. Ihm ist die Flucht gelungen, und wir sind dann zunächst zu meinen Eltern gegangen und dann in den Iran geflohen.

BF3: Ca. zwei Monate später wurde dann mein Bruder XXXX entführt.

BF2 betritt wieder den Verhandlungssaal.

RI an BF2: Erzählen Sie mir, wie sich das mit den Entführungen durch die Taliban abgespielt hat!

BF2: Von meinem Bruder XXXX wusste ich zunächst nichts. Ich wurde dreimal mitgenommen. Ich wurde freigelassen, mir wurde ein Monat Zeit gegeben, während dieser Zeit sollte ich meinen Bruder XXXX ihnen übergeben, falls nicht, dann würden sie mich töten. Wir sind dann zu meinem Schwiegervater nachhause gefahren, er hat dann sein Grundstück verpachtet, und mit dem Geld hat er uns dann in den Iran geschickt.

RI: Wo haben Sie die Taliban festgehalten?

BF2: Alle drei Male wurde ich an verschiedenen Orten festgehalten. Die Taliban müssen sich ja auch selbst verstecken. Sie verhalten sich wie Diebe.

RI: Wie Sie zuletzt freigelassen worden sind, wo war das?

BF2: Ich wurde mit verbundenen Augen dorthin gebracht, bei der Freilassung haben sie mir wieder die Augen verbunden, und sie haben mich auf einer Straße abgesetzt. Das war in der Nähe unserers Dorfes. Ich ging zehn bis fünfzehn Minuten lang.

RI: Wieso glauben Sie, hat Ihre Frau gesagt, dass Sie geflohen sind?

BF2: Ich habe ihr das nicht genau erzählt.

RI: Warum haben Sie ihr das nicht genau erzählt?

BF2: Ich hatte dazu keine Zeit, und in Afghanistan ist das nicht so üblich, man erzählt nicht so viel, Frauen haben in Afghanistan nicht so viel Wert.

RI: Was wissen Sie über die Entführung Ihres Bruders XXXX ?

BF2: Darüber weiß ich nichts.

RI: Hat Ihnen Ihr Bruder nichts über die Entführung von XXXX erzählt?

BF2: Nein.

RI: Das soll ich glauben?

BF2: Ich habe Afghanistan da schon verlassen gehabt.

RI: Sprechen Sie miteinander darüber nicht?

BF2: Auch XXXX wurde wegen XXXX mitgenommen.

Der RI bringt unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen die dieser Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte [...] in das gegenständliche Verfahren ein.

Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte. Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.

RI folgt BFV1 und BFV2 Kopien dieser Erkenntnisquellen aus und gibt ihnen die Möglichkeit, dazu sowie zu den bisherigen Angaben der BF eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.

BFV1 verzichtet.

BFV2 an BF3: Wie heißt Ihre Militärschule genau?

BF3: XXXX .

BFV2: Wo befindet sich diese Schule?

BF3: In Kabul, Stadtteil XXXX .

BFV2: Welche Ausbildung haben Sie dort bekommen?

BF3: Eine Militärausbildung, ich sollte diese Schule drei Jahre lang besuchen und anschließend die Akademie.

BFV2: Warum haben Sie nach zwei Jahren aufgehört?

BF3: Wegen der Probleme, die ich bekommen habe.

BFV2: Hatten Sie einen militärischen Rang?

BF3: Ich war Unteroffizier, aber ich war noch bei der Ausbildung.

BFV2: Was können Sie von dieser Ausbildung in der Militärschule vorlegen?

BF3: Ich hatte nur einen Dienstausweis und eine Bankkarte. Mein Gehalt habe ich auf meine Kontonummer überwiesen bekommen.

BFV2: Wo befindet sich dieser Ausweis?

BF3: Ich habe die beiden Karten weggeschmissen, nachdem ich Tagab Richtung Kabul verließ. Aber ich hatte Fotos von meinem Dienstausweis und meiner Bankkarte.

Dem BF3 wird auf sein Ersuchen eine Frist von - vier Wochen - zur Vorlage von Belegen, die sein Vorbringen glaubhaft machen können, eingeräumt.

Ermittlungsermächtigung:

RI: Sind Sie damit einverstanden, dass entsprechend den vom Bundesverwaltungsgericht zu treffenden Anordnungen in Ihrem Herkunftsstaat allenfalls Erhebungen unter Verwendung Ihrer personenbezogenen Daten durchgeführt werden, wobei diese jedenfalls nicht an staatliche Stellen Ihres Herkunftsstaates weitergegeben werden?

BF: Ja.

RI befragt BFV1 und BFV2, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen wollen; dies wird verneint.

RI befragt BF, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen wollen.

BF3: Ich bin froh, dass wir hierhergekommen sind, ich fühle mich sogar mit meiner weißen Karte wohl, weil ich hier in Sicherheit bin.

BF2: Ich bedanke mich für die Unterstützung, die wir hier bekommen haben. Ich möchte alles zurückgeben, was wir hier erhalten haben.

BF1: Ich möchte auch etwas sagen bitte. Ich bin mit meinem Leben hier als Frau sehr zufrieden und glücklich. In Afghanistan haben die Frauen viele Probleme. Ich möchte mit meinen Kindern ein ruhiges und ein freies Leben haben.

RI befragt BF, ob sie D gut verstanden haben; dies wird bejaht.

[...]"

Das erkennende Gericht brachte weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).

Das BFA beantragte nicht die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde und beteiligte sich auch sonst nicht am Verfahren vor dem BVwG. Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt.

1.10. Innerhalb der gewährten - und inzwischen einmal verlängerten - Nachfrist legte der BF3 zuerst drei Fotos, die ihn in Uniform in der Kadettenschule zeigen, sowie dann zwei von einem gerichtlich beeideten Dolmetscher übersetzte Schriftstücke zum Beleg für sein Fluchtvorbringen vor:

* Schreiben des Kommandanten der Militärschule an die Direktion für Unterricht und Erziehung vom 06.03.1993 (umgerechnet 27.05.2014)

* Liste der Personaldaten der fehlenden Schüler der 11. Klasse im Unterrichtsjahr 1393 (umgerechnet 2014)

Auch diese Unterlagen wurden dem BFA übermittelt.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in die dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakten des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragungen am 30.06. (BF3) bzw. 24.10.2015 (BF1 und BF2) und der Einvernahmen vor dem BFA am 12.10.2016 (BF3) bzw. 23.06.2017 (BF1 und BF2) sowie die Beschwerden vom 25.10.2016 (BF3) bzw. 25.09.2017 (BF1 und BF2)

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat der BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Seiten 169 bis 234 im Akt der BF1):

* Einvernahme der BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 03.05.2018 sowie Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Dokumente (Deutschkursbestätigungen, diverse Kursbestätigungen, Empfehlungsschreiben)

* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom BVwG zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der BF:

o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat und in der Provinz Kapisa sowie über die Situation von Kindern (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018)

o Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016, einen Auszug aus diesen Richtlinien über die Lage der Frauen in Afghanistan, Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016

* Einsichtnahme in die vom BF3 vorgelegten Belege (Fotos, Schriftstücke)

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person der BF:

3.1.1. Die BF führen die Namen XXXX , geboren am XXXX (BF1), ihr Ehemann XXXX , geboren am XXXX (BF2), ihre minderjährigen gemeinsamen Kinder XXXX , geboren am XXXX (BF4), XXXX , geboren am XXXX (BF5), und XXXX , geboren am XXXX (BF6), sowie der Bruder des BF2, XXXX , geboren am XXXX (BF3). Die BF sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan, Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache der BF ist Paschtu, sie sprechen auch etwas Dari.

3.1.2. Lebensumstände:

Die BF lebten mit ihrer Familie (Eltern, Geschwister) in XXXX , Distrikt Tagab, Provinz Kapisa. Sie lebten auf traditionell afghanische Weise im Osten Afghanistans in Gebieten, in denen auch die Taliban präsent sind, von den Erträgen ihrer von ihnen bewirtschafteten Grundstücke. Ein Bruder von BF2 und BF3 ist Lehrer und führt nebenbei ein Obstgeschäft. Der BF3 besuchte eine Militärschule in Kabul. Die BF1 konnte keine Schule besuchen und ist Analphabetin.

3.1.3. Die BF bemühen sich um ihre Integration in Österreich und besuchen Deutschkurse. Die BF1 hilft in einem nahegelegenen Altersheim und führt ältere Menschen, die im Rollstuhl sitzen, herum. Die beiden älteren Kinder gehen in den Kindergarten. Der BF3 spielt Volleyball mit Freunden.

3.1.4. Die BF sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

3.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

3.2.1. BF1:

Die BF1 ist eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert ist. In Österreich kleidet, frisiert und schminkt sich die BF1 nach westlicher Mode. Sie hätte als Kind Ärztin werden wollen und lernt erst jetzt Lesen und Schreiben. Sie geht in ihrer Freizeit Spazieren und in den Park. Sie pflegt Freundschaften mit Österreicherinnen - etwa im Kindergarten mit den Eltern anderer Kinder - und versucht, so wie sie zu leben.

Die BF1 lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, wieder nach dem konservativ-afghanischen Wertebild zu leben. Ihre Einstellung und ihr Lebensstil stehen im Widerspruch zu den nach den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat bestehenden traditionalistisch-religiös geprägten gesellschaftlichen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Sie möchte, dass ihre Töchter in Österreich die Schule besuchen und sich später ihre Partner selbst aussuchen können.

Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden und auch entsprechend verfestigten Änderung ihrer Lebensführung würde die BF1 im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden.

3.2.2. BF3:

Der BF3 hat glaubhaft gemacht, dass er zwei Jahre lang in Kabul eine Militärschule der afghanischen Sicherheitsbehörden (Nationalarmee) besucht hat und deswegen von den Taliban aus - unterstellten - politischen bzw. religiösen Gründen bedroht worden ist.

3.2.3. BF2, BF4, BF5 und BF6:

Der BF2 hat mit seinem Fluchtvorbringen bezüglich der Verfolgung seines Bruders (BF3) durch die Taliban keine individuell und konkret ihn selbst betreffende Verfolgung glaubhaft machen können.

Für die BF4, BF5 und BF6 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

BF2, BF4, BF5 und BF6 sind Ehemann, Tochter bzw. Sohn der BF1 und leben mit ihr im gemeinsamen Haushalt. Der BF1 wird mit Erkenntnis des BVwG mit heutigem Datum in Stattgebung ihrer Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des BFA gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gleichzeitig gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

BF2, BF4, BF5 und BF6 schlossen sich dem Verfahren der BF1 als Familienangehörige an.

3.2.4. Es liegen keine Gründe vor, nach denen die BF von der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten auszuschließen wären.

3.3. Zur Lage im Herkunftsstaat der BF:

3.3.1. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] 2. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 20.04.2018, USDOS 15.08.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.01.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.02.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.04.2018; vgl. USDOS 15.08.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht Am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20.10.2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.04.2018; vgl. AAN 22.01.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.08.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 06.05.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 06.05.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 03.05.2017). Am 04.05.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 04.05.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung, sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.03.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 06.05.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.05.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 151.2016; vgl. AB 295.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 21.08.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von dies

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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