Entscheidungsdatum
04.09.2018Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W165 2134431-1/4E
W165 2134433-1/3E
W165 2134434-1/3E
W165 2134432-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidungen der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 09.08.2016, Zl. Islamabad-OB/KONS/0462/2016, auf Grund der Vorlageanträge von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX und 4.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Afghanistan, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 20.06.2016, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: 1. BF) ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: 2.- 4. BF).
Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehörige Afghanistans, stellten am 08.02.2016 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad), unter Anschluss diverser Unterlagen Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde der Sohn der 1. BF (Bruder der 2.- 4. BF), mit dem angeblichen Geburtsdatum XXXX genannt.
Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 17.12.2014, Zl. 8211130309-1535263, subsidiärer Schutz zuerkannt und die damit verbundene befristete Aufenthaltsberechtigung bislang stets verlängert (aktuell bis zum 16.12.2019).
Mit Verbesserungsauftrag der ÖB Islamabad vom 08.02.2016 wurden die BF aufgefordert, binnen 14 Tagen nach Erhalt dieses Schreibens eine Geburtsurkunde (Tazkira) der Bezugsperson im Original sowie in Kopie nachzureichen.
Das BFA veranlasste eine Übersetzung der in der Folge vorgelegten Tazkira der Bezugsperson, derzufolge die Bezugsperson bereits im Jahr 1997 geboren worden sein soll.
Zu den von der ÖB Islamabad an das BFA weitergeleiteten Einreiseanträgen teilte dieses der ÖB Islamabad mit Schreiben vom 13.04.2016 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. In einem Beiblatt zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose vom 12.04.2016 wurde angeführt, dass die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden. Die in Österreich befindliche Bezugsperson habe die Volljährigkeit bereits erreicht. Im angeschlossenen Aktenvermerk des BFA vom 12.04.2016 wird ausgeführt, dass die Bezugsperson im Jahr 1997 geboren sei und in ihrer Einvernahme im Asylverfahren vor dem BFA am 11.12.2014 auf Frage, woher sie ihr genaues Geburtsdatum XXXX kennen würde, angegeben habe: "Das habe ich erfunden".
Mit Schreiben vom 19.04.2016, übernommen am 02.05.2016, übermittelte die ÖB Islamabad den BF eine Aufforderung, binnen einer Frist von einer Woche zu den angeführten Ablehnungsgründen Stellung zu nehmen. Seitens des BFA sei mitgeteilt worden, dass eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten an die BF nicht wahrscheinlich sei. Die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Die in Österreich befindliche Bezugsperson habe die Volljährigkeit bereits erreicht. Daraus ergebe sich, dass die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 abzulehnen wären.
In einer Stellungnahme der BF an die ÖB Islamabad vom 09.05.2016 wurde vorgebracht, dass nicht nachvollziehbar sei, auf welche Widersprüche zwischen den Angaben der Antragsteller und der Bezugsperson die Botschaft in ihrem Schreiben vom 19.04.2016 Bezug nehmen würde. Widersprüche zwischen den Angaben der Antragsteller und der Bezugsperson seien konkret zu benennen. Andernfalls sei es für die BF nicht möglich, zu diesen vermeintlichen Widersprüchen Stellung zu nehmen. Hätte das BFA diesbezüglich Zweifel gehabt, hätte es die Bezugsperson als Zeugin zum Sachverhalt einvernehmen müssen. So hätten diese angeblichen, nicht näher konkretisierten Widersprüche aufgeklärt werden können. Die Bezugsperson sei am XXXX geboren. Somit sei die Bezugsperson zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig gewesen und erfülle die Voraussetzung der Angehörigeneigenschaft laut § 35 Abs. 5 AsylG 2005. Dies sei ebenfalls in den Erläuterungen zur Gesetzesnovelle zu Z 8 bis 12 (§ 35) Abs. 2a AsylG beschrieben. Die Minderjährigkeit des zusammenzuführenden Fremden müsse dabei im Zeitpunkt der Antragstellung des Familiennachzugs der Eltern vorliegen.
Die Stellungnahme der BF vom 09.05.2016 wurde von der ÖB Islamabad an das BFA weitergeleitet, welches der ÖB Islamabad mit Schreiben vom 29.05.2016 mitteilte, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose gemäß § 35 AsylG 2005 festgehalten werde. Die Bezugsperson habe in ihrer Einvernahme vom 11.12.2014 angegeben, dass ihr ursprünglich angegebenes Geburtsdatum erfunden sei.
Mit Bescheiden vom 20.06.2016, den BF zugestellt am selben Tag, wurden die Einreiseanträge gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 abgelehnt. Das BFA habe nach Prüfung der Anträge mitgeteilt, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden. Die in Österreich befindliche Bezugsperson habe die Volljährigkeit bereits erreicht. Daraus habe sich ergeben, dass die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 abzulehnen wären. Mit Schreiben der ÖB Islamabad vom 19.04.2016, zugestellt am 02.05.2016, sei Gelegenheit gegeben worden, innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Schreibens die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen. Die Stellungnahme der BF sei unverzüglich an das BFA weitergeleitet worden. Das BFA habe seine negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrechterhalten. Gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 sei daher gemäß Aktenlage spruchgemäß zu entscheiden und seien die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels abzuweisen gewesen.
Gegen die ablehnenden Bescheide vom 20.06.2016 richten sich die am 14.07.2016 fristgerecht eingebrachten gleichlautenden Beschwerden, in denen ausgeführt wird, dass die angefochtenen Bescheide in mehrfacher Hinsicht, sowohl im Hinblick auf Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch bezüglich ihres Inhaltes, rechtswidrig und willkürlich seien. Der Verwaltungsgerichtshof gehe in seiner Rechtsprechung davon aus, dass Widersprüche konkret zu benennen und begründen seien, damit die BF die Möglichkeit hätten, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Weder in der Aufforderung der Botschaft zur Stellungnahme noch in den angefochtenen Bescheiden sei angeführt worden, welche von den Familienangehörigen gemachten Angaben den Angaben der Bezugsperson widersprechen würden. Es würden eine entscheidungswesentliche Verletzung des Rechts auf Parteiengehör sowie eine grob mangelhafte Beweiswürdigung vorliegen. Dadurch würde die in § 11 Abs. 4 FPG verankerte Begründungspflicht verletzt werden. Die Behörde begründe die Abweisung der Anträge damit, dass die Bezugsperson, obwohl minderjährig zum Zeitpunkt der Antragstellung der Familienangehörigen, mittlerweile volljährig sei und somit keine taugliche Bezugsperson mehr darstellen würde. Dabei folge die Behörde dem Erkenntnis des VwGH vom 28.1.2016, Ra 2015721/0230, worin jener die Auffassung vertreten habe, dass bezüglich der Minderjährigkeit seit Inkrafttreten des FNG-Anpassungsgesetzes BGBl I Nr. 68/2011, nicht mehr der Antragssondern der Entscheidungszeitpunkt maßgeblich sei. Dieser Auffassung könne angesichts der aktuellen rechtlichen Bestimmungen nicht mehr gefolgt werden, da in den Materialien zu § 35 Abs. 5 AsylG 2005 in keiner Weise erwähnt werde, dass beabsichtigt sei, bei minderjährigen Bezugspersonen auf den Entscheidungszeitpunkt abzuzielen.
Mit Schreiben der ÖB Islamabad an die BF vom 19.07.2016 erging ein Verbesserungsauftrag zu den Beschwerden. Die BF hätten den Beschwerden gegen die Bescheide der ÖB Islamabad entgegen der Rechtsmittelbelehrung nicht sämtliche der im Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache angeschlossen. Die BF wurden aufgefordert, die vorgelegte Tazkira und die vorgelegte Heiratsurkunde gemäß § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG in Verbindung mit § 17 VwGVG unter Anschluss einer Übersetzung in die deutsche Sprache innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens der Vertretungsbehörde wieder vorzulegen, da andernfalls die Beschwerden ohne weiteres Verfahren zurückgewiesen würden.
Mit Schreiben vom 26.07.2016 reichten die BF die geforderten Unterlagen nach.
Am 09.08.2016 erließ die ÖB Islamabad Beschwerdevorentscheidungen, mit denen die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen wurden. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass als allein tragender Grund für die Abweisung der Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Betracht gekommen sei, dass nach der Mitteilung des BFA die Erfolgsaussichten eines Antrages der BF auf Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei in den angefochtenen Bescheiden auch ausschließlich Bezug genommen worden. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien die Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. subsidiären Schutzgewährung gebunden. Unabhängig von der angeführten Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass eine Familienangehörigeneigenschaft im Sinne des AsylG 2005 nicht vorliege, da die BF keine minderjährigen ledigen Kinder der Bezugsperson seien und § 35 Abs. 5 AsylG 2005 dahingehend eindeutig sei, dass hinsichtlich der Minderjährigkeit lediglich dann auf den Antragszeitpunkt abzustellen sei, wenn es sich um ein minderjähriges lediges Kind der Bezugsperson handle, was in diesem Fall nicht gegeben sei. Damit sei aber auch auf die Frage der abweichenden Angaben zur Angehörigeneigenschaft zwischen BF und Bezugsperson nicht mehr weiter einzugehen.
Am 22.08.2016 wurden bei der ÖB Islamabad Vorlageanträge gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Begründend wurde auf die Beschwerden vom 14.07.2016 verwiesen.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 06.09.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 08.09.2016, wurden die Vorlageanträge samt Verwaltungsakten übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.
Eine Familienangehörigeneigenschaft der BF zur Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 kann nicht festgestellt werden. Als Geburtsdatum der Bezugsperson wurde von den BF - wie auch von dieser in ihrem Asylverfahren - der XXXX angegeben.
In ihrer Einvernahme im Asylverfahren vor dem BFA am 14.12.2014 gab die Bezugsperson zu Protokoll, dass sie das von ihr angegebene Geburtsdatum (Anmerkung: XXXX ) erfunden habe.
Laut der seitens des BFA im Zuge des Einreiseverfahrens der BF eingeholten Übersetzung der Tazkira der Bezugsperson soll die Bezugsperson bereits im Jahr 1997 geboren sein.
In den Akten liegt eine als "informeller Vermerk" des BFA bezeichnete Anregung ein, geeignete rechtliche Schritte gegen die Bezugsperson in Österreich vorzunehmen, da offensichtlich falsche Angaben in Bezug auf das Geburtsdatum getätigt worden seien. Gemäß ha. Übersetzung der Tazkira sei die Bezugsperson im Jahr 1997 geboren worden. Somit: Familie ist nicht mehr antragsberechtigt.
Zusätzlich: Gemäß Aussage der 1. BF sei ihr Mann (geheiratet im Kindesalter von 13 bis 14 Jahren - siehe Aussage) bereits seit Jahren gestorben. Auf der am 31.01.2016 ausgestellten Heiratsurkunde befindet sich der angebliche Fingerabdruck des Ehemannes. Bei intensiver Befragung teilte die Genannte mit, dass dies der Fingerabdruck des Bruders ihres verstorbenen Mannes sei.
Die angeblich am XXXX geborene Bezugsperson ist jedenfalls spätestens während des Verfahrens über die Einreiseanträge der BF nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 volljährig geworden.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten der ÖB Islamabad, den vorgelegten Unterlagen und dem Bescheid des BFA vom 14.12.2014, Zl. 821130309-1535263, womit der Bezugsperson der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Die jeweils erfolgten Verlängerungen der damit im Zusammenhang stehenden befristeten Aufenthaltsberechtigung der Bezugsperson ergeben sich aus dem vorliegenden Bescheiden des BFA, zuletzt vom 27.11.2017, wonach deren befristete Aufenthaltsberechtigung aktuell bis 16.12.2019 aufrecht ist und den damit übereinstimmenden Angaben im IZR. Das angebliche Geburtsdatum der Bezugsperson ( XXXX ) ergibt sich aus den Angaben der BF und den damit übereinstimmenden Angaben der Bezugsperson in ihrem Asylverfahren, dem auszugsweise vorliegenden Einvernahmeprotokoll der Bezugsperson in ihrem Asylverfahren und den in den Akten in Kopie einliegenden Unterlagen zur Bezugsperson, wie einem Pflegschaftsbeschluss eines Bezirksgerichts vom 23.08.2013, einem Auszug aus dem ZMR vom 07.12.2015 und den Bescheiden des BFA über die Zuerkennung subsidiären Schutzes an die Bezugsperson und über die befristeten Verlängerungen der damit verbundenen befristeten Aufenthaltsberechtigung, in denen jeweils das Geburtsdatum XXXX aufscheint.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerden:
Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:
Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind."
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis. Der auf die negative Prognose des BFA gestützten Auffassung der Vertretungsbehörde, dass Familienangehörigeneigenschaft zwischen den BF und der Bezugsperson schon im Hinblick auf die Volljährigkeit der Bezugsperson nicht vorliegt, ist im Ergebnis zuzustimmen:
Verfahrensgegenständlich wurden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich seit dem Jahr 2014 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten genießenden Sohns der 1. BF (Bruder der 2.- 4. BF) namhaft gemacht. Von den BF - wie auch von der Bezugsperson in deren Asylverfahren - wurde das Geburtsdatum der Bezugsperson mit XXXX angegeben. Legt man als Geburtsdatum der Bezugsperson sohin den XXXX zugrunde, ist die Bezugsperson demnach - auch nach den Angaben der BF und der Bezugsperson - unzweifelhaft jedenfalls spätestens während des Einreiseverfahrens der BF nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 volljährig geworden. Die Bezugsperson hat ihre Volljährigkeit spätestens am 10.03.2016 - somit rund einen Monat nach Einbringung der Einreiseanträge der BF - erreicht und war somit im Zeitpunkt der Entscheidung der Vertretungsbehörde über die Einreiseanträge nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 mit Bescheiden vom 20.06.2016 unstrittig volljährig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 nicht mehr vor, wenn die minderjährige Bezugsperson während des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig wird (vgl. VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253-0254 und die in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung jüngst ergangenen Erkenntnisse des VwGH vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 und vom 24.05.2018, Ra 2017/01/0430). Der VwGH hat darin zudem festgehalten, dass sich auch aus der Entscheidung des EuGH C-550/16 vom 12.04.2018 im Hinblick auf den dortigen nicht vergleichbaren Ausgangssachverhalt, dass ein Asylwerber während des Asylverfahrens die Volljährigkeit erreicht hat, keine abweichende Beurteilung ergibt.
War somit, wie auch im konkreten Fall, die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über die Einreiseanträge zweifellos (und unstrittig) nicht mehr minderjährig, ist die Mutter der Bezugsperson (1. BF) sohin nicht als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen.
Im Hinblick darauf kann es letztlich auch dahingestellt bleiben, ob die Bezugsperson - wie sich aus den Erhebungen des BFA im Zuge des Einreiseverfahrens der BF ergibt - ihre Volljährigkeit möglicherweise bereits im Zeitpunkt der Einbringung der Anträge nach § 35 Abs. 1 AsylG 2905 erreicht haben könnte. Am Ergebnis der abzulehnenden Einreiseanträge ergibt sich dadurch keine Änderung, da es sich bei der Bezugsperson um eine im Entscheidungszeitpunkt der österreichischen Vertretungsbehörde jedenfalls volljährige Person handelt.
Was die Geschwister der in Österreich lebenden Bezugsperson (2.- 4. BF) betrifft, so handelt es sich um keine zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen ledigen Kinder eines Fremden im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005, sodass auch diese vom maßgeblichen Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht erfasst werden. So hat auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10, bestätigt, dass aufgrund des - insoweit von vornherein als klar einzustufenden - Gesetzeswortlautes Geschwister nicht als Familienangehörige gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gelten.
Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zur Regelung des § 35 AsylG 2005 festgehalten, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 zielt jedoch gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen ein Einreisevisum zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen. Die Bestimmungen des § 34 und § 35 AsylG 2005 können somit Fälle erfassen, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig jedoch den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen, als es diese Richtlinie verlange. Es könne allerdings nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird (vgl. VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weiters bereits darauf hingewiesen hat, stellt die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und diesen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber - beispielsweise - nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Lauf des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, da diese bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher (etwa) in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen eines Fremden auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen. Diesfalls ist auf andere - im NAG und im Fremdenpolizeigesetz 2005 eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Erteilung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0253, 0254).
Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.09.2015 zu E 360-361/2015-21, keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf einen Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft der BF als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gesehen.
Anzumerken ist, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, im gegenständlichen Fall nicht vorliegen.
Bei Erteilung eines Einreisetitels ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK im Allgemeinen kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land gewährt (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, newsletter 2001, 159 uva). Art. 8 EMRK gewährt auch kein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lässt den Mitgliedstaaten der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen breiten Ermessensspielraum (vgl. VfSlg 17.013/2003 und 18.613/2008). Die - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.
Zusammenfassend erweisen sich Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall sohin von vornherein als ungeeignetes Instrument, um dem Anliegen der BF auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen, bereits volljährigen Sohn bzw. Bruder zu entsprechen. Die BF sind vielmehr auf die anderen im NAG und FPG vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung entsprechender Einreisetitel zu verweisen.
Wenn von den BF schließlich beanstandet wird, dass diese weder in der Aufforderung der ÖB Islamabad zur Stellungnahme zu den Ablehnungsgründen noch in den Bescheiden konkret mit den behaupteten Widersprüchen zwischen den Angaben der BF und der Bezugsperson zur Angehörigeneigenschaft konfrontiert worden seien, so ist die Relevanz dieses Verfahrensmangels für das Verfahrensergebnis weder erkennbar noch wurde diese von den BF dargetan. Im vorliegenden Fall hätte auch eine ordnungsgemäße Einräumung des Parteiengehörs schon deshalb zu keinem abweichenden, nämlich günstigeren Verfahrensergebnis für die BF, zu führen vermocht, da die Einreiseanträge der BF, wie dargelegt, bereits aufgrund der eingetretenen Volljährigkeit der Bezugsperson abzulehnen waren.
Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Angehörigeneigenschaft, Beschwerdevorentscheidung, Einreisetitel,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W165.2134434.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.11.2018