Entscheidungsdatum
06.09.2018Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Spruch
W235 2203925-1/11E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Aserbaidschan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2018, Zl. 1192687404-180498291, beschlossen:
A)
Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 7 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Aserbaidschan, reiste in Besitz eines gül-tigen deutschen Schengenvisums in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.05.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs.1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (= Dublin III-VO) Deutschland für die Prüfung dieses Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 20.08.2018 im Wege seiner bevollmächtigten Vertretung fristgerecht Beschwerde und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Die vom Beschwerdeführer unterfertigte Vollmacht vom 03.08.2018 wurde der Beschwerde beigelegt (vgl. AS 309).
4. Am 28.08.2018 langten beim Bundesverwaltungsgericht eine Einverständniserklärung des Beschwerdeführers zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat (Deutschland) sowie ein Rechtsmittelverzicht, beides vom Beschwerdeführer am 23.08.2018 unterfertigt, ein.
Mit Verfahrensanordnung vom 29.08.2018 richtete das Bundesverwaltungsgericht eine Anfrage an die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers, ob es sich bei diesem Rechtsmittelverzicht um eine Beschwerdezurückziehung handle.
Mit Schreiben vom 31.08.2018 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der deutschen Dublinbehörde bekannt, dass sich das Überstellungsverfahren erübrige, da sich der Beschwerdeführer bereits - aufgrund von "Selbstüberstellung" in Deutschland befinde (vgl. OZ 7).
Mit E-Mail vom 03.09.2018 teilte die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers mit, dass der Beschwerdeführer am 23.08.2018 die Zustimmung zur freiwilligen Überstellung nach Deutschland und einen Rechtsmittelverzicht unterzeichnet habe. Da er nicht mehr in Österreich aufhältig ("untergetaucht") sei, erübrige sich eine weitere Bearbeitung (vgl. OZ 8).
Am 05.09.2018 langte ein als "Zurückziehung der Beschwerde" bezeichnetes Schreiben mit der Begründung der freiwilligen Ausreise des Beschwerdeführers nach Deutschland, unterfertigt von der bevollmächtigen Vertretung des Beschwerdeführers, beim Bundesverwaltungsgericht ein (vgl. OZ 10).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.
1.2. Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes, die die Rechtssache nicht erledigen, sollen demgemäß in Form eines Beschlusses ergehen. Auch die Einstellung eines Verfahrens erfolgt durch Beschluss (vgl. ErläutRV 2009 BglNr 24. GP in "Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar", Seite 166).
Zu den regulären Beschlüssen, die nicht verfahrensleitender Natur sind, da sie für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt haben (vgl. VfSlg 19.081/2010), zählen jedenfalls solche, die das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beenden, wie eben auch die Einstellung des Verfahrens (vgl. hierzu "Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar", Anm. 8 zu § 31 VwGVG, Seite 170). Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, wozu auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zählt (vgl. hierzu ebenfalls "Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar", Anm. 5 zu § 28 VwGVG, Seite 151).
2. Zu A)
2.1. Eine Beschwerde ist gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündigung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
2.2. Ein Beschwerdeverzicht kann erst nach Erlassung des Bescheides an die Partei wirksam erfolgen. Wurde der Beschwerdeverzicht vor Zustellung (Ausfolgung) oder mündlicher Verkündung des Bescheides ausgesprochen, ist er rechtlich unerheblich (vgl. "Hengstschläger/Leeb: AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz", Rz 73 zu § 63 AVG mit Hinweis auf VwGH vom 27.04.2006, Zl. 2005/07/0177).
Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichts ist besonders streng zu prüfen (vgl. VwSlg. 17.042 A/2006; VwGH vom 17.02.2010, Zl. 2009/17/0254). Voraussetzung für einen rechtswirksamen Verzicht ist, dass er frei von Willensmängeln (vgl. VwSlg 12.791 A/19988 (Zwang); VwGH vom 19.11.2004, Zl. 2004/02/230 (Geisteskrankheit) VwSlg 17.042 A/2006 (irreführende oder unvollständige Rechtsbelehrung)) und in Kenntnis der Rechtsfolgen abgegeben wurde (vgl. VwGH vom 31.05.2006, Zl. 2006/10/0075).
Besondere Formerfordernisse bestehen nicht (vgl. VwGH vom 11.07.2003, Zl. 2000/06/0173), der Verzicht muss allerdings ausdrücklich erklärt werden (vgl. dazu VwGH vom 17.04.2009, Zl. 2007/03/0040).
Unter diesen Voraussetzungen ist nicht nur ein Verzicht auf die Einbringung der Beschwerde, sondern auch ein nachträglicher Verzicht durch Zurücknahme der Beschwerde wirksam (vgl. VwGH vom 22.11.2005, Zl. 2005/05/0320). Der Beschwerdeverzicht ist unwiderruflich (vgl. VwGH vom 10.03.1994, Zl. 94/19/0601 und vom 12.05.2005, Zl. 2005/02/0049); er hindert allerdings nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. VwSlg 12.555 A/1987).
2.3. Wie sich aus dem oben geschilderten Verfahrensgang ergibt, hat der Beschwerdeführer durch seine eigenhändige Unterschrift bestätigt, dass er damit einverstanden ist, in den zuständigen Mitgliedstaat (Deutschland) überstellt zu werden und hat ebenso durch eigenhändige Unterschrift einen Rechtsmittelverzicht unterfertigt. Diese - rechtlich verbindlichen - Handlungen wurden mit Unterstützung der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers - dem Verein Menschenrechte Österreich - getätigt und hat auch der Verein Menschenrechte Österreich auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer nicht mehr in Österreich befinde. Ferner hat das Bundesamt bekannt gegeben, dass sich der Beschwerdeführer selbst nach Deutschland überstellt habe und (spätestens) seit 31.08.2018 in Deutschland aufhältig sei, womit sich das Überstellungsverfahren erübrige. Letztlich langte auch noch ein von der bevollmächtigen Vertretung unterfertigtes, mit "Zurückziehung der Beschwerde" betiteltes Schreiben beim Bundesverwaltungsgericht ein (vgl. Schreiben vom 05.09.2018, OZ 10).
Es ergibt sich aus dem Akteninhalt - insbesondere aus dem Rechtsmittelverzicht und der darauf folgenden freiwilligen "Selbstüberstellung" nach Deutschland - somit zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer eine rechtsgültige Beschwerdezurückziehung abgeben und somit das Beschwerdeverfahren beenden wollte. Mit der Zurückziehung der Beschwerde ist das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers weggefallen, wodurch einer Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht die Grundlage entzogen wurde. Somit ist der im Spruch genannte Bescheid rechtskräftig geworden und das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das gegenständliche Beschwerdeverfahren aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde einzustellen ist.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
freiwillige Ausreise, Verfahrenseinstellung, ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W235.2203925.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.11.2018