TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/6 W235 2116403-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §52
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §40

Spruch

W235 2116403-1/10E

W235 2116402-1/10E

W235 2116400-1/10E

W235 2116399-1/8E

W235 2116401-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. mj. XXXX , geb. XXXX und 5. mj. XXXX , geb. XXXX , 4. und 5. gesetzlich vertreten durch: XXXX , alle StA. Somalia, gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2015, Zl. 1051878205-150168311 (ad 1.), Zl. 1051878401-150168320 (ad 2.), Zl. 1051878510-150168354 (ad 3.), Zl. 1051878608-150168346 (ad 4.) sowie 1051878706-150168338 (ad 5.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.05.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Beigabe eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers wird gemäß § 40 VwGVG und § 52 BFA-VG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zum Antragszeitpunkt minderjährigen, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer sowie die Mutter der minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführer. Alle fünf Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Somalia und wurden nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet ohne Ausweisdokumente betreten. Im Zuge der folgenden Amtshandlung stellte die Erstbeschwerdeführerin am 12.02.2015 für sich und als gesetzliche Vertreterin für die (unmündig) minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführer die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer stellten ebenfalls am 12.02.2015 jeweils einen gleichlautenden Antrag.

1.2. Am 13.02.2015 wurden die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie übereinstimmend angaben, der Volksgruppe bzw. dem Clan der Abgaal anzugehören und moslemischen Glaubens zu sein. Darüber hinaus brachten die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerinnen vor, dass sie keine Ausbildung hätten bzw. Analphabetinnen seien. Der Drittbeschwerdeführer gab diesbezüglich an, dass er seit zehn Jahren eine Koranschule besucht habe.

Die Erstbeschwerdeführerin brachte zum Reiseweg vor, am XXXX .01.2015 gemeinsam mit den Zweit- bis Fünftbeschwerdeführern Somalia mit dem Flugzeug in ein ihr unbekanntes Land verlassen zu haben. Da sie geschleppt worden seien, wisse sie nicht, über welche Länder die Reise gegangen sei. Zuletzt seien sie mit einem Auto von einem unbekannten Land nach Österreich gebracht worden. Sie könne sich an die Reise nicht erinnern. Sie seien in vielen Ländern auf der Durchreise gewesen und den Begriff EU kenne sie nicht. Der Schlepper habe alles gemacht. Sie habe für die Schleppung aller fünf Beschwerdeführer ca. US $ 35.000,00 bezahlt. Dieses Geld habe sie durch den Verkauf ihres Hauses in Somalia erlangt.

Bei der Erstbeschwerdeführerin befanden sich zwei Rechnungen eines Minimarktes in Mailand vom XXXX .02.2015 (vgl. AS 41 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

Zum Fluchtgrund befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Ehemann seit fünf Jahren nicht mehr bei ihr sei und sie daher ein schweres Leben gehabt hätten. Sie habe Somalia aus wirtschaftlichen Gründen und wegen des Bürgerkrieges verlassen. In ihrem Dorf würde Krieg zwischen der Regierung und den Islamisten herrschen. Bei einer Rückkehr nach Somalia fürchte sie die Armut und den Bürgerkrieg sowie, dass ihre Kinder keine Ausbildung bekämen. Mit staatlichen Sanktionen habe sie nicht zu rechnen.

Bei ihrer eigenen Erstbefragung brachte die Zweitbeschwerdeführerin ihren Fluchtgrund betreffend vor, dass sie den Antrag auf internationalen Schutz stelle, weil sie nicht mehr in ihre Heimat zurückwolle. Sie sei auf der Suche nach einem besseren Leben. Ihre Mutter habe gewollt, dass sie alle das Land verlassen und daher sei die Zweitbeschwerdeführerin mitgegangen. Bei einer Rückkehr befürchte sie, von den Islamisten getötet zu werden. Die Islamisten würden "einfach so" Menschen töten. Die Regierung bekämpfe zwar die Islamisten, aber diese würden sich immer verstecken. Mit staatlichen Sanktionen habe sie nicht zu rechnen.

Der Drittbeschwerdeführer brachte vor, er stelle in Österreich einen Antrag auf Asyl, weil in Somalia Bürgerkrieg herrsche und er keine Ausbildung erhalte. Er wolle in Österreich eine Ausbildung erhalten. Weiters habe er Angst, dass er von Islamisten rekrutiert werde. Bei einer Rückkehr nach Somalia befürchte der Drittbeschwerdeführer, dass er von Islamisten getötet werden könnte. Mit staatlichen Sanktionen habe er nicht zu rechnen.

1.3. Am 29.09.2015 wurden die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer - die beiden letztgenannten in Anwesenheit der Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin - vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs ihrer jeweiligen Einvernahmen gaben alle drei Beschwerdeführer an, gesund zu sein. Sie seien muslimisch-sunnitischen Glaubens, würden dem Clan der Abgaal angehören und hätten im Dorf XXXX gelebt.

Die Erstbeschwerdeführerin brachte weiters vor, dass sie traditionell verheiratet sei. Sie habe 1997 in XXXX geheiratet. Ihr Ehemann gehöre ebenfalls dem Clan der Abgaal an. Vor ca. vier bis fünf Jahren habe er sich von der Erstbeschwerdeführerin getrennt und seither wisse sie nicht, wo er sich aufhalte. Seit ca. fünf Jahren unterstütze er auch die Familie nicht mehr. Seit sie ihr Mann verlassen habe, habe die Erstbeschwerdeführerin alleine mit ihren Kindern in XXXX gelebt und als Vermittlerin für Vieh gearbeitet. Die Abgaal seien ein großer und mächtiger Clan in Somalia. Viele Mitglieder seien Bauern und hätten Tiere. Wegen ihrer Clanabstammung sei sie niemals diskriminiert worden. Die Erstbeschwerdeführerin habe in Somalia niemals Probleme mit den Behörden gehabt und sei auch niemals politisch tätig gewesen. Sie habe ihr Land verlassen, weil in der Umgebung von Mogadischu, wo sich auch ihr Dorf befinde, Al Shabaab geherrscht habe. Es habe immer Kämpfe zwischen der Regierung und Al Shabaab gegeben. Die Regierung habe die Beschwerdeführer nicht beschützen können und es sei untragbar gewesen, dort zu leben. Als Frau alleine mit den Kindern sei es gefährlich gewesen. Weiters habe sie Angst gehabt, dass sich die Islamisten für ihre Kinder interessieren könnten. Auf Vorhalt, sie habe in der Erstbefragung zunächst nur wirtschaftliche Gründe genannt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, die Dolmetscherin habe ihr gesagt, sie dürfe nur auf die Fragen antworten. Auf die Frage "Warum haben Sie Ihr Land verlassen?" habe sie geantwortet, dass sie kein Geld habe, um ihren Kindern eine Ausbildung zu finanzieren und zweitens wegen des Bürgerkrieges. Auch in Mogadischu gebe es keine Sicherheit. Deshalb habe sie mit dem Geld in ein Land ziehen wollen, in dem ihre Kinder eine gute Zukunft hätten. Al Shabaab sei mehrmals zu ihr gekommen und habe gefragt, wo sich ihr Mann aufhalte und ob er mit der Regierung zusammenarbeite. Sie hätten nachgesehen, mit wem die Erstbeschwerdeführerin lebe. Bedroht habe man sie nur einmal. Damals sei eine bewaffnete Gruppe zu ihr gekommen, habe nach ihrem Mann gefragt und gesagt, dass sie ihren Sohn [gemeint: den Drittbeschwerdeführer] rekrutieren wollen würden. Das sei vor ca. zwei Jahren gewesen. Sie sei damals nicht gleich geflohen, da sie kein Geld gehabt habe. Es sei nicht so einfach gewesen, das Haus zu einem guten Preis zu verkaufen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab in ihrer eigenen Einvernahme zunächst an, dass sie wegen ihrer Clanzugehörigkeit keine Probleme gehabt habe. Sie habe nur einmal mit den Islamisten Schwierigkeiten gehabt. In Somalia habe sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern im Dorf XXXX gelebt. Zur Schule sei sie nicht gegangen. Wo sich ihr Vater aufhalte, wisse sie nicht. Sie habe die gleichen Fluchtgründe wie die Erstbeschwerdeführerin. Sie habe sich vor den Islamisten gefürchtet. Wenn Islamisten ein Mädchen sehen würden, würden sie dieses entführen und das Mädchen müsse heiraten, auch wenn die Familie nicht einverstanden sei. Einmal sei eine bewaffnete Gruppe zu ihnen nach Hause gekommen und einer der Männer habe die Zweitbeschwerdeführerin am Arm mit einem Bajonett verletzt, da er wissen habe wollen, wo ihr Vater sei. Dieser Vorfall sei Ende 2014 gewesen. Die Zweitbeschwerdeführerin wolle in Österreich eine Ausbildung machen, arbeiten und eine gute Zukunft haben.

In seiner eigenen Einvernahme brachte der Drittbeschwerdeführer ergänzend vor, dass sein Vater seit fünf Jahren weg sei und er nicht wisse, wo er sich aufhalte. Er habe die gleichen Fluchtgründe wie seine Mutter. Der Drittbeschwerdeführer könne nicht in Somalia bleiben, wenn seine Mutter ausreisen wolle. Da habe er Angst um sein Leben. Warum genau seine Mutter ausgereist sei, wisse er nicht. Er habe aber gesehen, dass viele Menschen umgebracht worden seien. Der Drittbeschwerdeführer habe in Somalia am Vormittag die Koranschule besucht. Am Nachmittag seien oft Islamisten zu ihnen nach Hause gekommen und hätten ihn rekrutieren wollen. Das sei ca. zehnmal passiert.

2. Mit den nunmehr in seinen Spruchpunkten I. angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2015 wurden die Anträge auf internationalen Schutz aller fünf Beschwerdeführer bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I.). Unter den Spruchpunkten II. dieser Bescheide wurde allen fünf Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und ihnen wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 05.10.2016 erteilt (Spruchpunkte III.).

In seiner Begründung stellte das Bundesamt betreffend alle fünf Beschwerdeführer fest, dass diese somalischer Herkunft, moslemischen Glaubens und gesund seien. Betreffend die Erstbeschwerdeführerin wurde festgestellt, dass diese angegeben habe, der Volksgruppe der Abgaal anzugehören, verheiratet zu sein und vier Kinder zu haben. Die Ausführungen zu den Gründen für die Ausreise der Erstbeschwerdeführerin seien nicht glaubhaft gewesen. Es könne somit nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin Somalia aufgrund einer gegen ihre Person gerichtete Verfolgung verlassen habe. Hinsichtlich der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer stellte das Bundesamt fest, dass diese Angehörige der Volksgruppe der Abgaal seien. Die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien identisch mit jenen, die die Erstbeschwerdeführerin als Mutter und gesetzliche Vertreterin zum Zeitpunkt der Antragstellung für sich selbst vorgebracht habe. Betreffend alle fünf Beschwerdeführer wurde letztlich festgestellt, dass ihnen eine Rückkehr in ihre Heimat derzeit nicht zumutbar sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden Länderfeststellungen zur Lage in Somalia.

Der Beweiswürdigung in den angefochtenen Bescheiden ist zu entnehmen, dass den Angaben der Erstbeschwerdeführerin zur somalischen Herkunft der Beschwerdeführer Glauben geschenkt werde. Mit näherer Begründung und unter Anführung von Beispielen wurde in der Folge im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin ausgeführt, dass diese eine Verfolgung durch Al Shabaab nicht habe glaubhaft machen können. Auch wurde auf Widersprüche in den Angaben der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin verwiesen. Nicht nur die Divergenzen im Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin hätten die Behörde am Wahrheitsgehalt der Aussagen zweifeln lassen, sondern auch die vage Art und Weise der Schilderungen. Die Behörde komme vielmehr zu dem Schluss, dass die Erstbeschwerdeführerin ihr Heimatland tatsächlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe; dies vor allem in der Absicht, den Zweit- bis Fünftbeschwerdeführern eine gute Zukunft zu sichern. In den angefochtenen Bescheiden der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin unglaubhaft und unter keinen Konventionsgrund zu subsumieren gewesen sei. Eine reale Gefahr für die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer habe im Fall einer Rückkehr nach Somalia nicht festgestellt werden können. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht wurde zu Spruchpunkt I. im angefochtenen Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin darauf verwiesen, dass diese nicht in der Lage gewesen sei, glaubhaft zu machen, dass sie ihre Heimat aufgrund einer ihr drohenden Verfolgung verlassen habe. Daher habe es auch nicht zur Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten kommen können. In Bezug auf die Volksgruppenzugehörigkeit habe das Bundesamt aus der allgemeinen Situation in Somalia keine Verfolgung der Person der Erstbeschwerdeführerin erkennen können und habe sie diese auch mit keinem Wort vorgebracht. Betreffend die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer wurde zur Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vorliege. Da allerdings in den Fällen der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, komme auch für die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer eine Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens nicht in Betracht. Zu Spruchpunkten II. wurde hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin ausgeführt, dass die Behörde in ihrem Fall aufgrund der labilen, unsicheren Lage in Somalia von der realen Gefahr einer Bedrohung gemäß § 8 AsylG ausgehe. Hinsichtlich der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer wurde zu den jeweiligen Spruchpunkten II. unter Verweis auf die vorliegenden Familienverfahren ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Mutter am 05.10.2015 subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei, sodass auch die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer den gleichen Schutz erhalten würden. Unter den jeweiligen Spruchpunkten III. wurde den Beschwerdeführern eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der gesetzlich vorgesehenen Dauer erteilt.

Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2015 wurde den Beschwerdeführern für das Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. der oben angeführten Bescheide erhob die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die (zum damaligen Zeitpunkt alle) minderjährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer am 21.10.2015 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellte einen Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshelfers. Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin als unglaubwürdig eingestuft worden sei und ihr Widersprüche zum Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin vorgehalten worden seien, sich jedoch in den Bescheiden keine Hinweise darauf fänden, ob die Zweitbeschwerdeführerin einvernommen worden sei, da in sämtlichen Bescheiden nur das Protokoll der Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt abgedruckt gewesen sei. Auch der Drittbeschwerdeführer sei vor dem Bundesamt nicht einvernommen worden, obwohl er aufgrund der drohenden Zwangsrekrutierung eigene Fluchtgründe habe.

Wenn die Behörde vermeine, die Erstbeschwerdeführerin sei zu wenig ins Detail gegangen, sei dem entgegenzuhalten, dass die Behörde bei der Befragung oberflächlich vorgegangen sei und keine geeigneten Fragen gestellt habe. Es sei nicht richtig, dass sich ihr Ehemann vor vier bis fünf Jahren von der Erstbeschwerdeführerin getrennt habe. Sie habe ausgesagt, dass ihr Ehemann damals verschwunden sei und sie nicht wisse, wo er seither lebe. Sie befürchte, dass er getötet worden sei. Ergänzend wolle sie vorbringen, dass ihr Ehemann LKW-Fahrer gewesen sei und vor vier bis fünf Jahren, als er mit seinem Bruder unterwegs gewesen sei, von Mitgliedern von Al Shabaab überfallen worden sei. Der Bruder ihres Mannes sei dann tot im LKW aufgefunden worden. Seitdem habe sie ihren Ehemann nicht mehr gesehen und befürchte, dass er geflüchtet und womöglich auch getötet worden sei. Die Beschwerdeführer seien mehrfach von Al Shabaab Milizen bedroht worden. Kurz nach dem Überfall auf ihren Mann und ihren Schwager seien drei Männer in ihr Haus gekommen und hätten mitgeteilt, dass sie den Bruder ihres Mannes getötet hätten und hätten nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes gefragt. Ferner hätten sie gesagt, dass sie den Drittbeschwerdeführer rekrutieren würden, sobald er alt genug wäre. Als sie ein weiteres Mal kurz vor der Flucht gekommen seien, sei die Zweitbeschwerdeführerin mit einem Bajonett verletzt worden. Der Drittbeschwerdeführer sei vor der Flucht in eine Koranschule gegangen. Er habe der Erstbeschwerdeführerin erzählt, dass kurz vor der Flucht sechs halb verschleierte Männer in die Schule gekommen seien und erklärt hätten, weshalb der Jihad wichtig sei und dass es eine Pflicht junger muslimischer Männer sei, daran teilzuhaben. Daraufhin hätten sie die Namen der Eltern der Schüler notiert; darunter auch den Namen der Erstbeschwerdeführerin. Da die Erstbeschwerdeführerin wisse, dass einer ihrer Nachbarn Mitglied der Al Shabaab sei, sei ihr klar gewesen, dass sie nun den Drittbeschwerdeführer zwangsrekrutieren würden. Als alleinerziehende Mutter sei die Erstbeschwerdeführerin ein leichtes Opfer für Al Shabaab und habe daher beschlossen, die Flucht vorzubereiten. Aufgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens falle dieses Vorbringen nicht unter das Neuerungsverbot.

Ferner seien die Länderberichte in den angefochtenen Bescheiden unvollständig, da sie weder auf das Thema der Zwangsrekrutierung junger Männer noch auf die geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen bzw. unverheirateten jungen Mädchen eingehen würden. Darüber hinaus würden Länderfeststellungen zur Situation von Rückkehrern, die vor Verfolgungshandlungen durch Al Shabaab aus Somalia geflüchtet seien, fehlen. Bedrohungen durch Al Shabaab würden in Somalia zur Tagesordnung gehören. Die Erstbeschwerdeführerin habe ihr ganzes Leben in Somalia verbracht und habe sich - wie auch der Großteil der Bevölkerung - mit der andauernden Unsicherheit im Land "abgefunden". Wenn sie in der Erstbefragung ausgesagt habe, sie sei aus Somalia geflüchtet, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen und wegen des Bürgerkrieges, sei dies kein Widerspruch zu ihren späteren Aussagen, wonach es konkrete Verfolgungshandlungen durch Al Shabaab gegeben habe. Der Drittbeschwerdeführer sei Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung und aufgrund der drohenden Zwangsrekrutierung. Darüber hinaus würde der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin als Angehörige der sozialen Gruppe der Mädchen und Frauen asylrelevante Verfolgung in Somalia drohen.

Es werde die Beigabe eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers beantragt, da der Erstbeschwerdeführerin ein Rechtsanspruch auf Vertretung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zukomme. Eine bloße Rechtsberatung sei mit einer Rechtsvertretung durch einen Verfahrenshelfer nicht gleichwertig.

4. Im Zuge der Verhandlungsvorbereitung teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht mit E-Mail vom 26.04.2018 mit, dass der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin (und Vater der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer) in Italien anerkannter Flüchtling sei und daher von Seiten des Bundesamtes die Erlassung eines Bescheides im Sinne des § 4a AsylG beabsichtigt sei. Der diesem E-Mail beiliegenden Erstbefragung des Ehegattens der Erstbeschwerdeführerin ist zu entnehmen, dass dieser zwei Brüder habe, einer lebe in Schweden, der zweite in Somalia. Weiters gab der Ehegatte der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen Folgendes an: "In meiner Heimat habe ich als Fahrer gearbeitet. Die "Al Shaba" sind in meinem Dorf an der Macht. Ich habe mit denen ein Problem. Sie wollten mich zwingen, dass ich mit ihnen zusammenarbeite. Jedoch wollte ich das nicht. Eines Tages hatten sie mich dann mit Raketen attackiert, als ich gerade mit meinem PKW (kleiner Bus) unterwegs war. Das Auto wurde total zerstört und ich wurde schwer verletzt. Bei dem Vorfall starben ca. 18 Leute, die sich in meinem Bus befanden. Aufgrund der Attacke befindet sich heute noch Metall in meinem Körper. In Italien wurde ich 2-mal operiert deswegen. Wegen diese Attacke habe ich mein Heimatland verlassen." Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin ergänzend an, Al Shabaab habe ihn im Jahr 2008 umbringen wollen. Dann sei er wegen seiner Verletzung in Kenia gewesen, sei nach Somalia zurückgekehrt und habe Somalia im Jahr 2010 verlassen.

5. Am 04.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Somali statt, an der die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer in Begleitung ihrer Rechtsberaterin teilnahmen. Eine Vollmacht wurde ausdrücklich nicht erteilt (vgl. Seite 5 der Verhandlungsschrift). Der Viertbeschwerdeführer und die Fünftbeschwerdeführerin wurden nicht geladen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt hat sich mit E-Mail vom 01.02.2018 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt.

Eingangs der Verhandlung gaben die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer übereinstimmend an, dass ihnen die Erstbefragung nicht, die Einvernahme vor dem Bundesamt jedoch schon rückübersetzt worden sei. Ergänzend brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie bei der Erstbefragung gesagt habe, dass sie Tiere verkauft habe. Es sei jedoch aufgeschrieben worden, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen geflohen sei. Die Zweit- und der Drittbeschwerdeführer gaben an, dass ihnen keine Fehler in ihren jeweiligen Erstbefragungen aufgefallen seien. Aller drei Beschwerdeführer hätten im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt und die jeweiligen Dolmetscher gut verstanden. Auf Vorhalt, dass in der Beschwerde fälschlicherweise behauptet werde, dass die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer nicht vor dem Bundesamt einvernommen worden seien, gaben beide Beschwerdeführer an, dass sie vor der Polizei und vor dem Bundesamt einvernommen worden seien (vgl. Seite 8 der Verhandlungsschrift).

Die Erstbeschwerdeführerin gab an, dass ihr Ehemann und Vater ihrer Kinder nunmehr in Österreich sei. Er habe hier einen Asylantrag gestellt. Obwohl der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin in Italien Asyl erhalten habe, wolle die Familie nicht gemeinsam nach Italien gehen. Weiters gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie gesund sei. Der Viertbeschwerdeführer sei wegen seiner Augen in Behandlung und sei in Österreich operiert worden. Die Fünftbeschwerdeführerin sei gesund. Die Erstbeschwerdeführerin sei somalische Staatsangehörige, sunnitische Muslimin und gehöre dem Hauptclan der Abgaal, dem Subclan der Hirte Abgaal und dem Subsubclan der Ali Yaqub an. Wegen ihrer Clanzugehörigkeit oder wegen ihrer religiösen Überzeugung habe sie in Somalia keine Probleme gehabt. Sie sei in XXXX in der Region Middle Shabelle geboren und als kleines Kind in das Dorf XXXX gezogen. Dort habe sie ihr restliches Leben bis zur Ausreise aus Somalia verbracht.

Zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Mann LKW-Fahrer gewesen sei, der Hilfsgüter transportiert habe. Nachdem ihr Mann verschwunden sei, sei sie von Al Shabaab nach seinem Aufenthaltsort gefragt worden. Sie hätten gesagt, dass er für die Regierung gearbeitet habe, weil er Hilfsgüter für Hilfsorganisationen transportiert habe. Al Shabaab sei "ab und zu" gekommen. Manchmal sei eine Woche Abstand gewesen. Sie seien am Abend gekommen, hätten das Haus durchsucht und hätten kontrolliert, ob sie ihren Ehemann fänden. Das Schlimmste sei in drei Nächten passiert. Das Auge ihres Sohnes [gemeint: des Viertbeschwerdeführers] sei durch Schläge von Al Shabaab verletzt worden. Sie hätten die Erstbeschwerdeführerin schlagen wollen und das Auge des Viertbeschwerdeführers getroffen. Al Shabaab sei mit vier oder fünf Männern in den Hof ihres Hauses eingedrungen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe gedacht, dass die Erstbeschwerdeführerin verschleppt hätte werden sollen und habe sie festgehalten. Dabei hätten diese Männer die Zweitbeschwerdeführerin mit einem Bajonett verletzt. Sie hätten einige Schüsse abgegeben und seien gegangen als sie gesehen hätten, dass die Zweitbeschwerdeführerin blute. Nach ca. einem Monat seien sie wiedergekommen und hätten das Alter der Zweit- und des Drittbeschwerdeführers wissen wollen. Sie hätten gesagt, sie würden die Zweitbeschwerdeführerin verheiraten und den Drittbeschwerdeführer rekrutieren. Die Erstbeschwerdeführerin habe Angst bekommen und beschlossen, die Kinder in Sicherheit zu bringen. Es habe aber einige Zeit gedauert, bis sie das Haus verkaufen habe können. In der Zwischenzeit sei sie im Haus geblieben. Im Wohnort hätten die Kinder die Schule besucht und die Erstbeschwerdeführerin habe ihre Arbeit ausgeübt. Auf die Frage, warum sie im Haus geblieben seien, wenn sie doch die Kinder habe in Sicherheit bringen wollen, antwortete die Erstbeschwerdeführerin: "Erst nach dem Verkauf des Hauses sind wir alle weggegangen. Ich habe das Geld dem Schlepper gegeben." Als sie nach Österreich gekommen seien, sei es das fünfte Jahr nach dem Verschwinden ihres Mann gewesen. Auf Vorhalt, ihr Mann habe ausgesagt, der Vorfall, der ihn direkt betroffen habe, sei im Jahr 2008 gewesen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, das wisse sie nicht. Aber als sie hierhergekommen seien, sei es das fünfte Jahr gewesen, in dem er weg sei. Auf Vorhalt, sie habe vor dem Bundesamt nur von einer einzigen Bedrohung durch Al Shabaab gesprochen, entgegnete die Erstbeschwerdeführerin, dass "sie" öfter zu ihr gekommen seien und sie nicht nur einmal bedroht worden sei. Bei einem Vorfall sei ihre Tochter verletzt worden, bei einem anderen Vorfall das Auge ihres Sohnes. Zuletzt hätten sie gesagt, sie würden die Tochter verheiraten und den Sohn rekrutieren und die Erstbeschwerdeführerin müsse für die Soldaten kochen. Der Drittbeschwerdeführer habe ihr erzählt, dass ihn Al Shabaab öfter auf der Straße angehalten habe. Sie würden ihm Geld geben und er solle mitkommen. Das letzte Mal sei Al Shabaab im letzten Quartal des Jahres 2014 zu ihr gekommen. Das sei der Vorfall gewesen, als der Drittbeschwerdeführer hätte zwangsrekrutiert werden sollen. Auf Vorhalt, vor dem Bundesamt habe sie gesagt, das sei "vor zwei Jahren" - sohin Ende September 2013 - gewesen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, so habe sie das nicht gemeint. Sie wisse nicht, ob es falsch aufgeschrieben worden sei. Auf weiteren Vorhalt, in der Beschwerde werde vorgebracht, dass der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin als LKW Fahrer unterwegs gewesen und von Al Shabaab überfallen worden sei, wobei sein Bruder getötet worden sei, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass es mehrere Vorfälle gegeben habe. Es sei auf den LKW geschossen worden und seien dabei sein Bruder und zwei Frauen getötet worden. Beim zweiten Vorfall sei niemand getötet worden. Nach diesem zweiten Vorfall sei ihr Mann verschwunden. Auf weiteren Vorhalt, dass ihr Mann ausgesagt habe, er habe einen Bruder in Schweden sowie einen in Somalia und nicht angegeben habe, dass ein dritter Bruder getötet worden sei, gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie wisse nicht, ob er das nicht erwähnt habe. Es sei sein Bruder gewesen, der ihn im Auto begleitet habe. Die minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführer hätten keine eigenen Fluchtgründe.

In ihrer Befragung brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht eingangs vor, dass sie gesund sei. Sie sei somalische Staatsangehörige, muslimischen Glaubens und ihr Clan sei Abgaal; mehr wisse sie nicht. Wegen ihrer Clanzugehörigkeit oder wegen ihrer religiösen Überzeugung habe sie im Herkunftsstaat keine Probleme gehabt. In Somalia habe sie sowohl eine Koran- als auch eine Privatschule besucht. Auf Vorhalt, vor dem Bundesamt habe sie angegeben, gar keine Schule besucht zu haben, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie wisse nicht, wie es dazu gekommen sei; sie habe gemeint, es sei keine gut entwickelte Schule gewesen, sondern "wie der Deutschkurs".

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte zu ihren Fluchtgründen vor, dass Al Shabaab sie habe verheiraten wollen. Sie hätten gemeint, sie sei volljährig, ihr Vater sei nicht mehr im Land und sie hätten das Recht, die Zweitbeschwerdeführerin zu verheiraten. Das hätten "sie" ihr öfter gesagt; das letzte Mal im Jahr 2014. Damals sei sie auch mit dem "Spitz vom Gewehr" [gemeint: Bajonett] verletzt worden. Bei dem Vorfall habe sie gesehen, wie die Männer im Hof zu ihrer Mutter gesagt hätten, sie würden ihr die Kinder wegnehmen. Ein Mann habe ihre Hand verletzt. Die Zweitbeschwerdeführerin habe ihre Mutter festgehalten und der Mann habe gesagt, ihr Bruder werde rekrutiert und sie selbst wolle er verheiraten. Sie sei damals noch nicht einmal 16 Jahre alt gewesen und "sie" hätten sie mitnehmen wollen. "Sie" seien öfter zu ihrer Mutter ins Haus gekommen und hätten gedroht, die Zweitbeschwerdeführerin und den Drittbeschwerdeführer mitzunehmen. Ihr Vater sei nicht mehr da gewesen, seit sie elf Jahre alt sei. Auf Vorhalt, die Zweitbeschwerdeführerin habe vor dem Bundesamt gesagt, dass sie Angst vor Islamisten habe, da generell Mädchen mitgenommen und verheiratet würden, jedoch nicht gesagt habe, dass dies ihr konkret passiert sei, brachte sie vor, sie habe sich damit gemeint; sie sei ein Mädchen. Auf weiteren Vorhalt, sie habe vor dem Bundesamt gesagt, dass nur einmal eine bewaffnete Gruppe zu ihr nach Hause gekommen sei, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie habe damals die eine Nacht gemeint. Sie seien aber öfter gekommen und hätten sie auch auf der Straße angehalten. Wenn sie nach Somalia zurückkehre, könnte Al Shabaab sie mitnehmen und verheiraten.

Der Drittbeschwerdeführer gab zunächst an, dass er gesund sei. Er sei somalischer Staatsangehöriger und sunnitischer Muslim. Sein Clan sei Abgaal; mehr wisse er dazu nicht. Wegen seiner Clanzugehörigkeit oder wegen seiner religiösen Überzeugung habe er in Somalia keine Probleme gehabt. Al Shabaab habe ihm nur gesagt, dass er keine kurze Hose tragen, sondern sich ordentlich kleiden solle. Er habe zunächst eine Koranschule und als er älter geworden sei, zwei Jahre lang eine Privatschule besucht

Zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte der Drittbeschwerdeführer vor, dass er jung gewesen sei und sich an genaue Daten nicht erinnern könne. Al Shabaab habe ihn auf dem Weg in die Schule - damit meine er sowohl zur Koran- als auch zur Privatschule - immer angehalten und gesagt, er solle sich ihrer Gruppe anschließen; sie würden auch Geld bezahlen. Er sei immer ausgewichen und habe gesagt, wenn er älter werde, werde er beitreten. In fünf Monaten sei er ca. zehnmal angesprochen worden. Auf Vorhalt, er habe gesagt, er sei zehn Mal in fünf Monaten angesprochen worden und zwar sowohl während er in der Koran- als auch in der Privatschule gewesen sei und er sei zwei Jahre lang in der Privatschule gewesen, brachte der Drittbeschwerdeführer vor, als er elf Jahre alt gewesen sei, hätten "sie" damit begonnen. Auf weiteren Vorhalt, wenn er in fünf Monaten zehnmal angesprochen worden und im Jänner 2015 ausgereist sei, sei er erstmals im August 2014 angesprochen worden, gab der Beschwerdeführer an, er könne sich nicht genau daran erinnern. Al Shabaab sei auch zu ihnen nach Hause gekommen. Sie hätten geklopft und da die Erstbeschwerdeführerin die Tür nicht geöffnet habe, hätten sie sie aufgebrochen und seien drei bis vier Personen in das Zimmer gekommen. Sie hätten nach seinem Vater gefragt und dann das Haus durchsucht. Sie hätten seine Mutter beschimpft und habe sich seine Schwester [gemeint: die Zweitbeschwerdeführerin] zur Mutter bewegt. Der Angreifer habe seine Mutter mit einem Gewehr schlagen wollen und habe mit dem Bajonett seine Schwester verletzt.

6. Am 16.05.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine - offenbar von der Rechtsberatung verfasste - Stellungnahme der Beschwerdeführer ein. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den Beschwerdeführern zum Teil um junge, alleinstehenden Frauen und Mädchen handle. Das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.01.2018 zeige eindeutig die prekäre Lage von Frauen in Somalia auf. Der somalische Staat sei nicht gewillt bzw. nicht imstande, die Beschwerdeführerinnen vor den Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung oder sexuellen Versklavung zu beschützen. Geschlechtsspezifische Gewalt werde in Somalia strafrechtlich nicht geahndet. Auch sei das Problem der Zwangsehe, insbesondere durch Al Shabaab, zu berücksichtigen. Diskriminierung gegen Frauen finde auch auf anderen Gebieten statt, da für sie andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer gelten würden. Die Erst-, Zweit- und Drittbeschwerdeführer hätten sich geweigert, Al Shabaab zu unterstützen bzw. sich ihr anzuschließen. Da sie somit gegen deren Wertehaltung verstoßen hätten, seien sie ins Visier der Fundamentalisten gekommen und hätten mit weiteren Aufforderungen bzw. - bei Weigerung - mit Vergeltungsmaßnahmen zu rechnen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

1.1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zum Antragszeitpunkt minderjährigen, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer sowie die Mutter der minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführer. Alle fünf Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Somalia. Die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer sind Zugehörige zum Clan der Abgaal und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ferner gehört die Erstbeschwerdeführerin dem Subclan der Hirte Abgaal und dem Subsubclan der Ali Yaqub an. Die Erstbeschwerdeführerin wurde im Ort XXXX (Region: Middle Shabelle) geboren und zog im Kleinkindalter in das Dorf XXXX , wo sie bis zu ihrer Ausreise lebte. Die Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer stammen aus Bosharerey und waren hier ebenso bis zur gemeinsamen Ausreise mit der Erstbeschwerdeführerin aufhältig. Alle fünf Beschwerdeführer verließen Ende Jänner 2015 Somalia und stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.02.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer, XXXX , stellte am XXXX .06.2011 in Italien einen Asylantrag. In der Folge wurde ihm von den italienischen Behörden der Status eines Konventionsflüchtlings in Italien mit einer Gültigkeitsdauer bis zum XXXX .12.2017 zuerkannt. Am 27.11.2017 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2018 gemäß § 4a AsylG zurückgewiesen und ausgesprochen wurde, dass sich der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer nach Italien zurückzugegeben habe. Ferner wurde seine Außerlandesbringung angeordnet und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Italien festgestellt. Da dieser Bescheid mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.07.2017 gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG behoben wurde, ist das Verfahren des Ehegatten bzw. Vaters der Beschwerdeführer nunmehr im zweiten Rechtsgang beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.

1.1.2. Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass die Beschwerdeführer nach dem "Verschwinden" ihres Ehegatten bzw. Vaters mehrmals von Mitgliedern von Al Shabaab aufgesucht, die Erstbeschwerdeführerin nach dem Aufenthaltsort ihres Ehegatten gefragt und bedroht worden war. Ebenso wenig wird festgestellt, dass Al Shabaab die Zweitbeschwerdeführerin verheiraten habe wollen und der Drittbeschwerdeführer von Al Shabaab zwangsrekrutiert hätte werden sollen. Diese drei Beschwerdeführer haben mit ihrem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht. Auch betreffend die aktuell noch minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführer wurde keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention geltend gemacht.

Nicht festgestellt wird, dass die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Somalia aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zum Clan der Abgaal bzw. ihrer Glaubensrichtung oder aus sonst in ihrer Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wären. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens dieser drei Beschwerdeführer noch aus amtswegiger Wahrnehmung. Ebenso wenig wird festgestellt, dass die aktuell noch minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Somalia aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt sind.

1.2. Zur verfahrensrelevanten Situation in Somalia, insbesondere betreffend Frauen und Kinder:

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe, insbesondere in IDP-Lagern - ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.1.2017).

Die somalische Regierung hat 2014 einen Aktionsplan zur Bekämpfung der sexuellen Übergriffe verabschiedet. Die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 9.2016). Außerdem wurde im Mai 2016 ein Nationaler Gender Policy Plan verabschiedet. Dieser Plan wurde von der Somali Islamic Scholars Union verurteilt; der Somali Religious Council hat die vorgesehene 30%-Quote für Abgeordnete im somalischen Parlament als gefährlich bezeichnet (USDOS 3.3.2017).

Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 3.3.2017), bleiben häusliche (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017, ÖB 9.2016) und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (UNSC 5.9.2017). Generell grassiert sexuelle Gewalt ungebremst. Im Zeitraum September 2016 bis März 2017 wurden von UNSOM alleine in den von der Dürre betroffenen Gebieten 3.200 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt dokumentiert (UNHRC 6.9.2017). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017, UNSC 5.9.2017). Im Jahr 2015 waren 75% der Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs (ÖB 9.2016). Die IDP-Lager bieten kaum physischen oder Polizeischutz (UNSC 5.9.2017). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (USDOS 3.3.2017). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten und Milizionäre (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 9.2016). Im ersten Trimester 2017 wurden 28 Fälle von konfliktbezogener sexueller Gewalt dokumentiert, im letzten Trimester 2016 waren es 13. Dieser Anstieg kann vermutlich mit der wachsenden Zahl an Dürre-bedingten IDPs erklärt werden (UNSC 9.5.2017). Von staatlichem Schutz kann - zumindest für die am meisten vulnerablen Fälle - nicht ausgegangen werden (HRW 12.1.2017; vgl. ÖB 9.2016).

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.1.2017), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 3.3.2017). Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia dennoch rar (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, USDOS 3.3.2017). Generell herrscht Straflosigkeit, bei der Armee wurden aber einige Soldaten wegen des Vorwurfs von Vergewaltigung verhaftet (USDOS 3.3.2017). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen. Frauen fürchten sich davor, Vergewaltigungen anzuzeigen, da sie mit möglichen Repressalien rechnen (USDOS 3.3.2017).

Al Shabaab hat Vergewaltiger zum Tode verurteilt (USDOS 3.3.2017). Andererseits gibt es Berichte die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.1.2017).

Auch traditionelle bzw. informelle Streitschlichtungsverfahren können das schwache Durchgreifen des Staates nicht ersetzen, da sie dazu neigen, Frauen zu diskriminieren und Täter nicht zu bestrafen (ÖB 9.2016). Dabei werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe meist vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (USDOS 3.3.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). Auch Gruppenvergewaltigungen werden hauptsächlich zwischen Ältesten verhandelt. Die Opfer erhalten keine direkte Entschädigung, diese geht an die Familie (UNHRC 6.9.2017). Das patriarchalische Clansystem und xeer an sich bieten Frauen keinen Schutz. Wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß xeer gesühnt, dann wird zwar die Familie des Opfers finanziell kompensiert, der Täter aber nicht bestraft (SEM 31.5.2017).

[...]

Auch unter der neuen Verfassung gilt in Somalia weiterhin das islamische Scharia-Recht, auf dessen Grundlage auch die Eheschließung erfolgt. Polygamie ist somit erlaubt, ebenso die Ehescheidung (ÖB 9.2016). Laut Übergangsverfassung sollen beide Ehepartner das "age of maturity" erreicht haben; als Kinder werden Personen unter 18 Jahren definiert. Außerdem sieht die Verfassung vor, dass beide Ehepartner einer Eheschließung freiwillig zustimmen müssen. Trotzdem ist die Kinderehe verbreitet. In ländlichen Gebieten verheiraten Eltern ihre Töchter manchmal schon im Alter von zwölf Jahren. Insgesamt wurden 45% der Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits mit 18 Jahren, 8% bereits im Alter von 15 Jahren verheiratet (USDOS 3.3.2017).

Zu von der al Shabaab herbeigeführten Zwangsehen kommt es auch weiterhin (SEMG 8.11.2017), allerdings nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (DIS 3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt (DIS 3.2017). Die Gruppe nutzt zusätzlich das System der Madrassen (Religionsschulen), um potentielle Bräute für die eigenen Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017). Immer mehr junge Frauen werden radikalisiert und davon angezogen, eine "Jihadi-Braut" werden zu können (SEMG 8.11.2017; vgl. BFA 8.2017).

Al Shabaab setzt Frauen - manchmal auch Mädchen - zunehmend operativ ein, etwa für den Waffentransport in und aus Operationsgebieten; für die Aufklärung und zur Überwachung (SEMG 8.11.2017); oder als Selbstmordattentäterinnen (DIS 3.2017).

Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden (USDOS 3.3.2017). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivilrechts und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen bzw. einem (übersteigerten) paternalistischen Ansatz folgen. Für Frauen gelten entsprechend andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer. So erhalten beispielsweise Frauen nur 50% der männlichen Erbquote. Bei der Tötung einer Frau ist im Vergleich zur Tötung eines Mannes nur die Hälfte des an die Familie des Opfers zu zahlenden "Blutgeldes" vorgesehen (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 1.1.2017). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland. Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben. In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.1.2017).

Eigentlich wären für das Parlament 30% Sitze für Frauen vorgesehen. Bis zur Neuwahl des Parlaments stellten diese aber nur 14% von 275 Abgeordneten (USDOS 3.3.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Im neuen Unterhaus und im Oberhaus des Parlaments stellen Frauen nunmehr 24% der Abgeordneten. 23% der Mitglieder des Ministerkabinetts sind Frauen (UNSC 9.5.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). 13 von 54 Abgeordneten im Oberhaus sind Frauen (NLMBZ 11.2017). Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt auch zwei Ministerinnen (USDOS 3.3.2017).

Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch benachteiligt (USDOS 3.3.2017). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten (ÖB 9.2016), und unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung. Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum. Allerdings werden Frauen beim Besitz und beim Führen von Unternehmen nicht diskriminiert - außer in den Gebieten der al Shabaab (USDOS 3.3.2017).

Im ersten Trimester 2017 wurden 431 Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen an insgesamt 397 Kindern bei 148 Zwischenfällen dokumentiert (UNSC 9.5.2017). Im zweiten Trimester waren es 245 Zwischenfälle und 485 betroffene Kinder (UNSC 5.9.2017). Im letzten Trimester 2016 waren es noch 477 Zwischenfälle mit 854 betroffenen Kindern gewesen (UNSC 9.1.2017). Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern sind ernste Probleme. Viele der Opfer von sexueller Gewalt sind Kinder (USDOS 3.3.2017).

Rund 900.000 Kinder sind akut unterernährt (UNHRC 6.9.2017). Die Zahl der akut unterernährten Kinder könnte bis Ende 2017 auf 1,4 Millionen ansteigen, darunter 275.000 mit schwerer - lebensbedrohlicher - akuter Unterernährung (UNHRC 6.9.2017; vgl. UNSC 5.9.2017).

Kinderarbeit ist weit verbreitet. Laut UNICEF mussten im Zeitraum 2009-2015 49% der Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren arbeiten (USDOS 3.3.2017). Im ländlichen Somalia ist meist von Feldarbeit oder nomadischer Hilfstätigkeit auszugehen. In urbanen Zentren werden Kinder als Dienstboten und für einfache Erledigungen eingesetzt (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Eine offizielle, staatlich geregelte Adoptionspraxis bzw. ein staatliches Adoptionsrecht existiert nicht. Elternlose Kinder werden zumeist relativ formlos bei nahen Verwandten oder Pflegefamilien untergebracht. Offizielle Dokumente sind daher zumeist nicht vorzufinden und selbst wenn, könnten diese nach Sicht der Botschaft einer Urkundenüberprüfung nicht standhalten (ÖB 9.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;

* A - Sicherheitsanalyseabteilung (2.2017): Sicherheitsbericht im Februar 2017;

* BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichischen FFM, http://www.bfa.gv.at/ files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_ KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017;

* DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016, https://www.nydanmark.dk/ NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_ Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017;

* HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017;

* NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalie, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_151

2376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018;

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia;

* SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/her kunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017;

* SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017;

* UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, http://www.refworld.org/docid/59c12bed4. html, Zugriff 11.11.2017;

* UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017;

* UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017;

* UNSC - UN Security Council (9.1.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1484732800_n1647163.pdf, Zugriff 20.11.2017 und

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index. htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

2. Beweiswürdigung:

2.1.1. Die Feststellungen zu den Beschwerdeführern, zu ihren familiären Beziehungen untereinander, zur Voll- bzw. Minderjährigkeit der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer, zu ihrer Staatsangehörigkeit sowie zu ihrer Clan- bzw. Subclanzugehörigkeit und zu ihrem Glaubensbekenntnis sowie zu ihrer Herkunft, zu ihrem Aufenthalt in Somalia und zu ihrer Ausreise aus Somalia ergeben sich aus dem bezüglich dieser Feststellungen widerspruchsfreien und daher glaubwürdigen Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers im gesamten Verfahren, insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.05.2018. Die Feststellungen zur unrechtmäßigen Einreise der Beschwerdeführer nach Österreich sowie zu den jeweiligen Antragstellungen ergeben sich darüber hinaus zweifelsfrei aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Feststellungen zum Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer, insbesondere zu dessen Asylverfahren in Österreich und in Italien, ergeben sich aus der Einsicht in die Niederschriften seiner Erstbefragung vom 27.11.2017 und seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018 (Zl. XXXX ) sowie aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.07.2018, Zl. XXXX .

2.1.2. Die Behauptungen der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers zu ihren Fluchtgründen bzw. zu den fluchtauslösenden Ereignissen sind nicht glaubwürdig; diese Behauptungen werden zur Gänze nicht der Entscheidung als Sachverhalt zugrunde gelegt.

Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führt im Rahmen seiner Beweiswürdigung aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer aufgrund von zahlreichen Widersprüchen und Ungereimtheiten nicht glaubhaft ist. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens durch die Angaben der Erstbis Drittbeschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht entkräftet werden konnte. Auch das Bundesverwaltungsgericht kommt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen wie es von der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers erstattet wurde, nicht den Tatsachen entspricht. Dies aus folgenden Gründen:

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die vor dem Bundesverwaltungsgericht erstatteten Vorbringen aller drei Beschwerdeführer den jeweils vor dem Bundesamt getätigten Angaben eklatant widersprechen, sodass in einer Gesamtbetrachtung von gesteigerten Vorbringen auszugehen ist. Hinzu kommt, dass sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht deutlich gezeigt hat, dass die Erst- bis Drittbeschwerdeführer nicht nur ihren eigenen, vor dem Bundesamt getätigten Angaben, sondern auch einander widersprechen. Ergänzend ist noch darauf zu verweisen, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin nicht mit dem Vorbringen ihres Ehegatten in dessen eigenem Verfahren in Einklang zu bringen ist.

So gab die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt an, dass sich ihr Ehemann vor ca. vier bis fünf Jahren (sohin ca. 2010/2011) von ihr getrennt habe, sie seit damals nicht mehr unterstütze und sie mit den Kindern [gemeint: Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer] alleine geblieben sei. Sie habe ihr Land verlassen, da es immer wieder Kämpfe zwischen der Regierung und Al Shabaab gegeben habe. Als Frau alleine mit den Kindern sei es gefährlich gewesen. Ferner habe sie Angst gehabt, dass sich "die Islamisten" [gemeint: Al Shabaab] für ihre Kinder interessieren könnten (vgl. AS 81 sowie AS 87 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Eine erste Steigerung bzw. einen ersten Widerspruch erfuhr dieses Vorbringen bereits in den schriftlichen Beschwerdeausführungen, in welchen erstmals angegeben wurde, dass der Ehegatte die Erstbeschwerdeführerin nicht verlassen habe, sondern "verschwunden" sei und sie nicht wisse, wo er sich aufhalte. Erstmals wurde vorgebracht, dass ihr Ehemann LKW Fahrer gewesen und von Al Shabaab überfallen worden sei, als er mit seinem Bruder unterwegs gewesen sei. Der Bruder ihres Mannes sei dann tot im LKW aufgefunden worden (vgl. AS 146 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Wenn die Beschwerde diese Steigerung dahingehend begründet, dass das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft gewesen sei und die Behörde keine geeigneten Fragen gestellt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Bei Durchsicht der achtseitigen Niederschrift der Einvernahme ist deutlich erkennbar, dass das Bundesamt die Erstbeschwerdeführerin nach ihren Fluchtgründen befragt sowie Widersprüche zur Erstbefragung vorgehalten hat und ergänzende Fragen gestellt wurden. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr die Einvernahme vor dem Bundesamt übersetzt worden sei und sie den Dolmetscher gut verstanden habe (vgl. Seite 7 der Verhandlungsschrift).

Betreffend das Verschwinden des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin ist auf einen gravierenden Widerspruch zwischen den Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihrem Ehegatten in seinem eigenen Verfahren zu verweisen. Dem diesbezüglichen Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin ist zusammengefasst zu entnehmen, dass ihr Ehemann ca. im Jahr 2010/2011 (vgl. AS 81 im Akt der Erstbeschwerdeführerin: "Er hat sich vor 4-5 Jahren von mir getrennt ..." bzw. Seite 15 der Verhandlungsschrift: "Als wir nach Österreich gekommen sind war es das 5. Jahr seines Verschwindens.") sich von ihr getrennt hat bzw. - je nach Vorbringen - "verschwunden" ist. Ihr Ehegatte sei mit seinem Bruder unterwegs gewesen, als deren LKW von Al Shabaab überfallen und der Bruder ihres Mannes tot im LKW gefunden worden sei. Seitdem habe die Erstbeschwerdeführerin ihren Ehemann nicht mehr gesehen (vgl. AS 146 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). In der mündlichen Verhandlung gab die Erstbeschwerdeführerin auf Vorhalt des Beschwerdevorbringens an, dass es mehrere Vorfälle gegeben habe. Einmal sei auf den LKW geschossen worden und seien der Bruder ihres Mannes und zwei Frauen getötet worden. Beim zweiten Vorfall sei niemand getötet worden und ihr Mann sei geflohen (vgl. Seite 16 der Verhandlungsschrift). Allerdings ist keines dieser Vorbringen mit den eigenen Angaben des Ehegattens der Erstbeschwerdeführerin in seinem eigenen Verfahren in Einklang zu bringen. Der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin brachte zu seinen eigenen Fluchtgründen befragt nämlich im Wesentlichen vor, dass sein Fahrzeug von Al Shabaab mit Raketen attackiert worden sei. Das Auto sei zerstört und er selbst schwer verletzt worden. Bei diesem Vorfall seien 18 Personen gestorben, die sich in dem Bus befanden hätten. Al Shabaab habe ihn im Jahr 2008 umbringen wollen. Auf Vorhalt dieses Widerspruchs gab die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung lediglich ausweichend an, dass es das fünfte Jahr seines Verschwindens gewesen sei, als sie nach Österreich gekommen seien (vgl. Seite 15 der Verhandlungsschrift). Auffallend ist ebenso, dass die Erstbeschwerdeführerin vom Tod des Bruders ihres Ehegatten (und zwei Frauen) gesprochen hat; dieser wiederum den angeblichen Tod seines Bruders nicht erwähnt, sondern angegeben hat, dass er zwei Brüder - einen in Schweden und einen in Somalia - habe und bei dem erwähnten Vorfall 18 Personen gestorben seien (vgl. hierzu die Angaben des Ehegattens der Erstbeschwerdeführerin in seiner Erstbefragung und seiner Einvernahme im Verfahren Zl. XXXX ).

Ferner finden sich auch im Vorbringen des Drittbeschwerdeführers Widersprüche. So gab dieser in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass er in Somalia am Vormittag die Koranschule besucht habe und am Nachmittag oft "Islamisten" zu ihnen nach Hause gekommen seien und ihn rekrutieren hätten wollen. Dies sei ca. zehnmal passiert (vgl. AS 55 im Akt des Drittbeschwerdeführers). Widersp

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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