Entscheidungsdatum
10.09.2018Norm
BFA-VG §52Spruch
W 154 2101201-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Kracher als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2015, Zahl 1029536603/VZ: 150167919, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 12.02.2015 bis 25.02.2015 zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides wird gemäß
§ 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-Verordnung stattgegeben und dieser e s a t z l o s a u f g e h o b e n.
II. Der Beschwerde hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-Verordnung stattgegeben und die Anhaltung von 12.02.2015 bis 25.02.2015 für rechtswidrig erklärt.
III. Gemäß § 35 VwGVG iVm. VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.
Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG a b gewiesen.
IV. Der Antrag auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 23.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 08.01.2015, Zahl: 1029536603/14904589, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 wegen der Zuständigkeit Bulgariens zur Verfahrensführung als unzulässig zurückgewiesen und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet.
2. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 aF iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
3. Gegen den oben im Spruch bezeichneten Bescheid wurde seitens des Beschwerdeführers durch seine bevollmächtigten Vertreter mit Schreiben vom 18.02.2015 binnen offener Frist Beschwerde erhoben und ausdrücklich die Anordnung der Schubhaft und die andauernde Anhaltung in Schubhaft bekämpft. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass sich die belangte Behörde weder im Spruch noch in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die unmittelbar anwendbare Bestimmung des Art. 28 der Dublin III-Verordnung stütze. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Haft sei lediglich anhand des innerstaatlichen Schubhaftregimes des § 76 FPG erfolgt und die Anordnung der Schubhaft somit unionsrechtswidrig.
Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen; dem Beschwerdeführer einen Verfahrenshelfer für das Beschwerdeverfahren beizugeben; ein medizinisches Gutachten zur Klärung der Haftfähigkeit des Beschwerdeführers einzuholen; eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen; den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgte; im Rahmen einer Habeas Corpus Prüfung auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen; dem Beschwerdeführer Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) der Eingabegebühr i.H.v. € 30 sowie, im Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Dolmetschkosten zu zuerkennen; auszusprechen, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage das Bundesverwaltungsgericht zur gegenständlichen Entscheidung befugt ist; in eventu die Beschwerde an das zuständige Gericht bzw. zuständige Behörde weiterzuleiten sowie in eventu die ordentliche Revision an den VwGH zuzulassen.
4. Am 19.02.2015 wurden vom Bundesamt die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht elektronisch übermittelt. Im Rahmen der Beschwerdevorlage beantragte das Bundesamt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, gemäß § 22a BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der schubhaftmaßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde zu verpflichten.
5. Am 25.02.2015 wurde der Beschwerdeführer nach Bulgarien abgeschoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus der Einsichtnahme in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Zuständigkeit:
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes und gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet auszugsweise:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
[...]"
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Zu A)
2.2. Zu Spruchpunkt I. und II. (Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft):
2.2.1.1. Die Dublin III-VO trat am 19.07.2013 in Kraft, ist gemäß Art. 49 leg. cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 01.01.2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im - gegenüber der Dublin II-VO neuen - Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Bestimmungen der Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen zur Anwendung gelangen, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 Dublin III-VO verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223).
2.2.1.2. § 76 FPG aF lautete zu Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides auszugsweise:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.
(1a) Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Das Bundesamt kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn
1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde;
2. gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;
3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder
4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
(2a) Das Bundesamt hat über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn
1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;
2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;
3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;
4. der Asylwerber, gegen den gemäß § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;
5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder
6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt,
und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.
(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
[...]"
2.2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof vor allem zum Tatbestand der Ziffer 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, reiche nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten vielmehr gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall sei, komme daher Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.
2.2.3. Mit der am 29.05.2015 in Kraft getretenen Novellierung der Durchführungsverordnung zum Fremdengesetz (FPG-DVO) versuchte das Bundesministerium für Inneres diesen Zustand (bis zum Inkrafttreten einer FPG-Novelle im Juli 2015) zu sanieren. Mit Erkenntnis vom 13.06.2016, V152/2015 ua, bestätigte der Verfassungsgerichtshof die Gesetzeskonformität dieser Verordnung.
In Erledigung einer Revision vom 11.06.2015 führte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0108 - unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 15.03.2017, C-528/15 - aus, dass die Festlegung von Kriterien zur Annahme einer Fluchtgefahr durch ein Gesetz im formellen Sinn hätte erfolgen müssen. Aufgrund dessen sei unter Berücksichtigung der in Punkt
2.2.2. angeführten Entscheidung vom 19.02.2015 auch die FPG-DVO nicht geeignet (gewesen), Schubhaften im Anwendungsbereich der Dublin III-VO zu ermöglichen.
2.2.4. Da das FPG zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keinen formal-gesetzlich determinierten "Kriterienkatalog" zur Annahme einer Fluchtgefahr verfügte, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Dementsprechend ist auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig anzusehen. Auf weitere Punkte der Beschwerde muss daher nicht näher eingegangen werden.
2.3. Zu Spruchpunkt III. (Abspruch über die Kosten):
2.3.1. Der VwGH hat im Erkenntnis vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, ausgeführt, dass die Beschwerde an das BVwG, soweit damit die dem (gemeint: rechtswidrigen) Schubhaftbescheid nachfolgende Anhaltung bekämpft wird, eine Beschwerde gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, weshalb auch § 35 VwGVG zur Anwendung kommt, und zwar zumindest insoweit, als er einem Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht im Falle des Obsiegens in einem Beschwerdeverfahren wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kostenersatz einräumt.
Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:
"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:
"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."
2.3.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Bescheid, mit dem die Schubhaft angeordnet wurde, als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben.
Da der Bescheid behoben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wurde, ist gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG die beschwerdeführende Partei die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.
In der Beschwerde wurde von der beschwerdeführenden Partei beantragt, ihr Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) und der Eingabegebühr zuzuerkennen.
Da im gegenständlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte, war der von der belangten Behörde als unterlege Partei zu leistende Aufwandersatz auf den Ersatz des Schriftsatzaufwandes der beschwerdeführenden Partei in Höhe von 737,60 Euro zu beschränken.
Als unterlegener Partei war der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz abzuweisen.
2.3.3. Der Beschwerdeführer stellte zudem den Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr.
Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen - es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung. Die Eingabegebühr ist zudem in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert und insofern auch nicht ersatzfähig. Im Übrigen kann eine "finanzielle Belastung iHv 30 Euro" auch nicht als unüberwindliche oder unverhältnismäßige Hürde zur Wahrnehmung eines Rechtsmittels angesehen werden.
Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr war daher zurückzuweisen.
2.4. Zu Spruchpunkt IV. (Zurückweisung des Antrags auf Beigabe eines Verfahrenshelfers):
In der Beschwerde wurde beantragt, dem Beschwerdeführer einen unentgeltlichen Verfahrenshelfer nach Maßgabe des § 40 VwGVG und Art. 47 GRC beizugeben.
Dem Beschwerdeführer wurde im gegenständlichen Verfahren gemäß § 52 BFA-VG von Amts wegen ein kostenloser Rechtsberater zur Seite gestellt, der hier auch als dessen bevollmächtigter Vertreter auftritt.
Das erkennende Gericht geht davon aus, dass durch die Bestellung eines Rechtsberaters und im Hinblick auf dessen in § 52 Abs. 2 BFA-VG geregelten Aufgabenbereich eine zweckmäßige und ausreichende Wahrung der Interessen der beschwerdeführenden Partei auch nach Maßgabe unionsrechtlicher Bestimmungen (vor allem im Lichte des Art. 47 der GRC) gewährleistet ist, selbst wenn dieser Rechtsberater nicht zusätzlich mit der umfassenden Vertretung im Sinne des § 10 AVG bevollmächtigt worden wäre.
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist weder aus § 40 VwGVG, noch aus § 52 BFA-VG, noch aus den in der Beschwerde angeführten unionsrechtlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Bestellung eines weiteren Verfahrenshelfers (zusätzlich zum Rechtsberater) ableitbar. Um ein den Grundrechten entsprechendes Verfahren zu gewährleisten, werden die Interessen durch den von Amts wegen bestellten Rechtsberater ausreichend wahrgenommen.
Der Antrag auf Beigabe eines kostenlosen Verfahrenshelfers war daher als unzulässig zurückzuweisen.
2.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Da im gegenständlichen Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.
2.6. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
Da hier bereits in der Sache selbst entschieden wurde, ist ein gesonderter Ausspruch über die aufschiebende Wirkung hinfällig.
Zu B) (Unzulässigkeit der Revision):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, und vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, sowie auch der Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.
Schlagworte
Eingabengebühr, Fluchtgefahr, Kostenersatz, Rechtsgrundlage,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W154.2101201.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.11.2018