TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/22 96/02/0140

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Veröffentlicht am 22.10.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §67d;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des HS in L, vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt in Linz-Urfahr, Flußgasse 15, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. Juli 1995, Zl. VwSen-280019/42/Schi/La, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit der Straßenpolizei, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einer u.a. als "Beschwerde gemäß §§ 87, 88, 89 SPG" bezeichneten Eingabe an die belangte Behörde vom 21. Juni 1994 beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung der Rechtswidrigkeit näher bezeichneter Maßnahmen von Beamten des Gendarmeriepostens L. und der Bundespolizeidirektion L. vom 10. Mai 1994. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um die zwangsweise Vorführung in das Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion L. zum Zweck des Antrittes einer Ersatzfreiheitsstrafe wegen einer Übertretung der StVO 1960, um die Einleitung des Vollzuges dieser Ersatzfreiheitsstrafe unter näher geschilderten Umständen und um die Anhaltung bis zum Erlag der offenen Geldstrafe in der Höhe von S 9.920,-- durch den damaligen Beschwerdevertreter ungefähr fünf Stunden nach der Einlieferung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juli 1994 wurde die genannte Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1995, Zl. 94/02/0500, mit der Begründung, dass von der belangten Behörde eine Sachentscheidung zu treffen gewesen wäre, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz)Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juli 1995 wurde die Beschwerde hinsichtlich der Feststellung näher bezeichneter Rechtswidrigkeiten als unbegründet abgewiesen; ferner wurde die Beschwerde hinsichtlich der behaupteten Nichterledigung des Antrages des Beschwerdeführers vom 27. September 1993 auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens und des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrages, dass die gegenständliche Verhandlung und Entscheidung durch eine Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates getroffen werde, als unzulässig zurückgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 26. September 1995, B 2705/95-5, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde sodann am 18. Oktober 1995 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer führt zunächst aus, dass "bei Beschwerden gegen faktische Amtshandlungen - vom Streitwert abgesehen - Senatsbesetzung", vorgesehen sei, im gegenständlichen Fall habe jedoch die belangte Behörde durch ein Einzelmitglied entschieden.

Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der vorliegenden Beschwerde, wie auch in dem den Beschwerdeführer betreffenden, bereits zitierten hg. Erkenntnis Zl. 94/02/0500 klargestellt wurde, um eine Maßnahmenbeschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67c AVG handelt.

Gemäß § 67a Abs. 1 und § 67a Abs. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, jedoch durch eines ihrer Mitglieder, sodass die behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht vorliegt.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er sei "unter Missachtung der gesetzlichen Vorschriften unter Gewaltandrohung zum Vollzug einer noch nicht rechtskräftigen Strafe trotz schwerer Krankheit vorgeführt worden, um eine Vollstreckungsverjährung rechtswidrig zu verhindern, und einer demütigenden menschenunwürdigen Behandlung unterzogen worden, wobei ihm sogar die Verabreichung der ihm zuvor abgenommenen Medikamente vom Amtsarzt mutwillig verweigert worden sei," ist ihm zunächst zu entgegnen, dass die den Vollstreckungshandlungen zugrunde liegende Entscheidung der belangten Behörde vom 16. Mai 1991 dem damaligen Vertreter des Beschwerdeführers am 14. Juni 1991 durch persönliche Übernahme zugestellt und damit rechtskräftig wurde (eine Beschwerde an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof wurde vom Beschwerdeführer nicht erhoben). Damit geht aber auch der Vorwurf, es sei bereits Vollstreckungsverjährung eingetreten, ins Leere, weil die Vollstreckungshandlungen vom 10. Mai 1994 jedenfalls innerhalb der Frist des § 31 Abs. 3 VStG gesetzt wurden.

Was die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers in das Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Linz zum Zwecke der Überprüfung der Haftfähigkeit und in der Folge des Antrittes der Ersatzfreiheitsstrafe am 10. Mai 1994 betrifft, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass er am 14. März 1994 (nachweislich zugestellt am 16. März 1994) zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aufgefordert wurde.

Mit Ladungsbescheid vom 6. April 1994 (dem Beschwerdeführer, welcher sich seit 5. April 1994 wegen einer Gallenblasenoperation in einem Krankenhaus befand, am 12. April 1994 ebendort zugestellt) wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, am 18. April 1994 zu einem näher bezeichnetem Zeitpunkt und Ort zur amtsärztlichen Untersuchung auf Haftfähigkeit zu erscheinen oder, sollte sein Kommen nicht möglich sein, dies zwecks Vereinbarung eines anderen Termins der Behörde mitzuteilen (Die Rechtmäßigkeit dieser Ladung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1995, Zl. 94/02/0510, bejaht).

Da seitens des Beschwerdeführers keinerlei Reaktion erfolgte, erschienen aufgrund eines Vorführungsauftrages der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 2. Mai 1994 am 10. Mai 1994 zwei Gendarmeriebeamte in der Wohnung des sich seit 16. April 1994 unter Empfehlung von Gallenschonkost und einer sechswöchigen Bauchdeckenschonung wieder in häuslicher Pflege befindlichen Beschwerdeführers, um diesen zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe ins Polizeigefangenenhaus sowie zunächst zur Überprüfung der Haftfähigkeit durch den dortigen Polizeiarzt vorzuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag bei dieser Vorgangsweise hinsichtlich der zwangsweisen Vorführung keine Rechtswidrigkeit zu erblicken, ebenso wenig wie in dem Umstand, dass die Gendarmeriebeamten aufgrund der Weigerung des Beschwerdeführers, freiwillig mitzukommen, über Funk Verstärkung anforderten, was dem Beschwerdeführer schließlich zum Mitkommen "unter Protest" bewog, sodass die Verstärkung über Funk wieder rückgängig gemacht wurde. Hiebei ist es völlig unerheblich, ob die Verstärkung zum Zwecke der "offenbaren Gewaltanwendung", wie vom Beschwerdeführer behauptet, oder zum Zwecke "des Vorhandenseins mehrerer Zeugen für die Amtshandlung", wie von einem der einschreitenden Gendarmeriebeamten angegeben, angefordert wurde.

Damit erweist sich auch der vom Beschwerdeführer behauptete Verfahrensmangel, die von ihm beantragte ergänzende Einvernahme seiner Lebensgefährtin sowie deren Gegenüberstellung mit dem als Zeugen einvernommenen Gendarmeriebeamten zum Beweis, dass die Verstärkung zum Zwecke einer eventuellen Gewaltanwendung angefordert worden sei, seien unterblieben, als unwesentlich.

Was darüber hinaus die Rüge des Beschwerdeführers betrifft, seinem Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens über seine Haftfähigkeit (welcher von ihm erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 1995 gestellt wurde) sei nicht stattgegeben worden, ist ihm zu entgegnen, dass im Zuge dieser Verhandlung der Polizeiarzt des Polizeigefangenenhauses L. zur Frage der Haftfähigkeit eine Stellungnahme abgegeben und es sich hiebei bereits um ein medizinisches Sachverständigengutachten gehandelt hat (vgl. zu einem vergleichbaren Fall das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1987, Zl. 87/18/0033). Es wäre dem Beschwerdeführer daher im Sinne der ständigen hg. Rechtsprechung freigestanden, diesem schlüssigen Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten.

Auch die Anhaltung des Beschwerdeführers bis zum Erlag der noch offenen Geldstrafe ungefähr fünf Stunden nach der Einlieferung begegnet keinen rechtlichen Bedenken, ebenso wenig wie die Abnahme und die vom Beschwerdeführer behauptete Verweigerung der Rückgabe der dem Beschwerdeführer angeblich verordneten, in mehrstündigen Intervallen einzunehmenden Medikamente, gesteht doch der Beschwerdeführer selbst zu, dass er diese vier Stunden nach der Einlieferung doch noch erhalten habe. Diesbezüglich gelingt es dem Beschwerdeführer auch nicht, die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels, der im Unterbleiben der Einvernahme des Zeugen Inspektor K. liegen soll, darzutun.

Dies gilt auch für das Vorbringen, dem Beschwerdeführer sei seitens der belangten Behörde nicht die Gegenschrift der Behörde erster Instanz zur Kenntnis gebracht worden. Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass - wenn auch die Einholung einer förmlichen Gegenschrift in einem Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist - der betreffende unabhängige Verwaltungssenat im Falle der Erstattung einer Gegenschrift die Pflicht hat, diese dem Berufungswerber zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zu geben, zu deren Inhalt ein Vorbringen zu erstatten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1993, Zl. 93/11/0013). Im gegenständlichen Fall besteht jedoch die "Gegenschrift" der belangten Behörde lediglich aus einer mehrzeiligen Wiedergabe des vom Beschwerdeführer auch im späteren Verlauf nicht bestrittenen bisherigen Verwaltungsgeschehens und beinhaltet keinerlei Sachverhaltselemente oder rechtliche Erwägungen. Da der Beschwerdeführer im Übrigen nicht dartut, was in er in einer Äußerung zur Gegenschrift vorbringen hätte wollen, vermag der Verwaltungsgerichtshof auch die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels nicht zu erkennen.

Im Lichte der bisherigen Ergebnisse geht auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, von einer Unbefangenheit der belangten Behörde könne keine Rede sein, seien doch alle Beweismittel, welche den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers stützten, praktisch bagatellisiert und ignoriert worden, ins Leere, zumal ein für den Beschwerdeführer ungünstiger Verfahrensverlauf allein nicht geeignet ist, die volle Unbefangenheit des Verwaltungsorganes im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG in Zweifel zu ziehen.

Der Beschwerdeführer bringt abschließend vor, sein am 27. September 1993 gestellter Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich des zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens sei nicht behandelt worden, dieser Wiederaufnahmeantrag habe jedoch aufschiebende Wirkung gehabt, weshalb der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe unzulässig gewesen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1949, Zl. 1448/48, VwSlg. 1050/A), weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt die Einleitung des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996020140.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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