Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der ER in W, vertreten durch Dr. Haig E. Asenbauer, Rechtsanwalt in Wien I, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. März 1998, Zl. SD 1285/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit amtswegige Abmeldung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 10. März 1998 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 29. September 1997, mit dem das Melderegister durch die von Amts wegen verfügte Abmeldung der Beschwerdeführerin von der Adresse Wien XIX, B-Straße 24/3/8, berichtigt worden war, gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz, welcher an die Beschwerdeführerin unter der Anschrift Wien XV, P-Gasse 28, gerichtet gewesen sei, der Beschwerdeführerin am 2. Oktober 1997 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt worden sei. Die von der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Rechtsgültigkeit dieser Hinterlegung erhobenen Einwendungen seien, soweit sie Ortsabwesenheit behauptet habe, undokumentiert geblieben, soweit sie das Nichtbestehen einer Abgabestelle an der angeführten Adresse ins Treffen geführt habe, nicht glaubwürdig. Die von der Beschwerdeführerin hinsichtlich letzterer Behauptung beantragte Einvernahme von Zeugen zum Beweisthema der Unbewohnbarkeit der Wohnung könnten die im Verwaltungsverfahren erstattete Angabe der Beschwerdeführerin, diese Wohnung sei ihr Hauptwohnsitz, nicht widerlegen.
Gemäß § 4 Zustellgesetz ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort. Hiebei bleibt nach der hg. Judikatur die Auswahl der Abgabestelle wohl der Behörde überlassen. Es wird aber eine Wohnung im Sinne dieser Gesetzesstelle durch das Faktum des Bewohntwerdens begründet; auf die polizeiliche Meldung kommt es nicht an (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 1209 zitierte Judikatur)
Kann eine Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger (oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3) regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist nach § 17 Abs. 1 Zustellgesetz, das Schriftstück im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen. Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen. Nach § 17 Abs. 3 leg. cit. ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.
Ein von einem Postbediensteten ordnungsgemäß ausgestellter Rückschein über die Zustellung eines Poststückes durch Hinterlegung macht als öffentliche Urkunde Beweis über die Rechtswirksamkeit der Zustellung. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen (vgl. § 292 Abs. 2 ZPO) oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, aaO, S. 1258ff zitierte Judikatur).
Die Beschwerdeführerin machte im Verwaltungsverfahren in ihrer "Eingabe" vom 2. und 4. März 1998 geltend, sie habe wohl die Wohnung in der P-Gasse im November 1996 übernommen, diese sei aber in einem unbrauchbaren Zustand gewesen. Im Jahre 1997 hätte die Wohnung in einen ordnungsgemäßen Zustand gebracht werden sollen, doch sei sie infolge zahlreicher Konsenswidrigkeiten und Gebrechen unbewohnt geblieben. Die Beschwerdeführerin habe sich am 5. August 1997 in der P-Gasse angemeldet, sei jedoch in der Wohnung in der B-Straße wohnhaft geblieben. Für dieses Vorbringen machte die Beschwerdeführerin eine Reihe von Zeugen namhaft.
Im Hinblick auf die angeführte Judikatur war die belangte Behörde nicht berechtigt, aufbauend auf dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Wohnung in der P-Gasse als ihren Hauptwohnsitz bezeichnet und die ihr unter dieser Adresse im Wege der Hinterlegung zugestellten amtlichen Sendungen auch tatsächlich behoben hatte, davon auszugehen, dass Zeugenaussagen über die Unbewohnbarkeit der Wohnung diese Angabe der Beschwerdeführerin nicht widerlegen könnten. Dies auch schon deshalb nicht, weil zufolge der angeführten Judikatur die polizeiliche Meldung für die Frage des Vorliegens einer Abgabestelle nicht maßgeblich ist und die Bezeichnung dieser Wohnung als Hauptwohnsitz durchaus auch dahin verstanden werden kann, dass die Beschwerdeführerin damit lediglich bekanntgeben wollte, wo sie hauptgemeldet sei. Es wäre daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, durch geeignete Ermittlungen, insbesondere durch Einvernahme der auch hinsichtlich des Nichtbewohnens der Wohnung namhaft gemachten Zeugen, die Frage, ob an der Anschrift der Beschwerdeführerin in der P-Gasse überhaupt eine Abgabestelle - deren Existenz bildet eine Voraussetzung für eine rechtsgültige Zustellung - gegeben war, hinreichend zu klären.
Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998020218.X00Im RIS seit
20.11.2000