TE Vwgh Beschluss 2018/10/3 Ra 2018/07/0359

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Veröffentlicht am 03.10.2018
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Index

E1E;
E3L E15102030;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;

Norm

12010E267 AEUV Art267;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13 Abs1;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23 Abs1;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art6;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art7;
AVG §38;
VwGG §62 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Dipl.- Ing. H R in S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 6. Februar 2018, Zl. 405- 2/88/1/27-2018, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf Maßnahmen nach dem IG-L bzw. der EU-Luftqualitätsrichtlinie (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landeshauptmann von Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Vorabentscheidungsansuchen der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel (Belgien) vom 29. Dezember 2017, Craynest (Rechtssache C-723/17), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 14. Juni 2017 wies der Landeshauptmann von Salzburg (LH) u.a. den Antrag des Revisionswerbers vom 22. November 2016, "mit dem gefordert wird ‚Probenahmestellen in der Stadt Sbg. RL-konform zu errichten' damit die europaweite Vergleichbarkeit von Luftschadstoffbelastungen nicht unterlaufen bzw. Grenzwerte nicht ihres Sinns beraubt werden", ebenso zurück (Spruchpunkt I.c.) wie hinsichtlich NO2 dessen Antrag vom 24. Oktober 2016, "den für die Stadt Salzburg geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der in der Richtlinie und in der IG-Luft geregelten Grenzwerte für PM10/PM2,5/NO2 im Bereich meines Wohnsitzes, der Liegenschaft H.-weg 22 enthält" (Spruchpunkt II.a.).

2 Das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) wies die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. Februar 2018 als unbegründet ab.

3 Zu Spruchpunkt I.c. des Bescheides des LH vom 14. Juni 2017 führte das LVwG begründend aus, dem Revisionswerber komme kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine derartige Antragstellung zu. Abgesehen davon werde im Bundesland Salzburg ein entsprechendes Netz von Messstellen betrieben und habe der Amtssachverständige ausgeführt, dass die Trendmessstelle in der Stadt Salzburg am R.- platz den Standortkriterien gemäß den einschlägigen Richtlinien entspreche.

4 Zu Spruchpunkt II.a. des Bescheides des LH vom 14. Juni 2017 hielt das LVwG fest, der Revisionswerber wohne im Stadtgebiet von S. und im Nahbereich der A1. Zur Beurteilung der Messwerte seien daher die Ergebnisse der Messstellen des Gebietes, wo sich der Revisionswerber aufhalte, heranzuziehen. Die nächstgelegenen Messstellen wären demnach R.-platz und A1. Laut diesen Messstellen sei im Jahr 2016 der Jahresgrenzwert der EU-Richtlinie überschritten worden, weshalb auch eine unmittelbare Betroffenheit des Revisionswerbers vorgelegen sei. Der ursprüngliche Antrag des Revisionswerbers wegen Überschreitung des NO2-Grenzwertes wäre unter diesem Gesichtspunkt im Beurteilungszeitraum 2016 (laut Luftgütebericht 2016) zulässig gewesen. Um aussagekräftige Messdaten über eine mögliche Betroffenheit des Revisionswerbers zu erhalten, habe die zuständige Fachabteilung direkt auf dem Grundstück des Revisionswerbers und mit dessen Zustimmung und Abstimmung vom 15. Dezember 2016 bis 7. Juni 2017 eine mobile Messstation zur Erhebung der NO2-Belastung betrieben. Zudem würden die Daten einer NO2-Langzeitbelastung auf dem Grundstück des Revisionswerbers seit 5. Jänner 2017 mittels Passivsammler erhoben. Laut Auswertung dieser Messdaten sei der NO2-Mittelwert der Messstation (ca. 6 Monate betrieben) bei 39,2 µg/m3 und der NO2- Jahresmittelwert des Passivsammlers (für das Jahr 2017) bei 34,3 µg/m3 gelegen. Es sei daher zulässig, die am Aufenthaltsort des Revisionswerbers erhobenen Messergebnisse zur Beurteilung einer unmittelbaren Betroffenheit heranzuziehen. Der Beurteilungszeitraum sei in diesem Fall das gesamte Jahr 2017 gewesen, woraus auch eine aussagekräftige Beurteilung zum erhobenen Jahresmittelwert für eine NO2-Grenzwertüberschreitung gewonnen habe werden können. Aufgrund der Tatsache, dass die NO2- Monatsmittelwerte am H.-weg 22 um mehr als 20 % niedriger als an der autobahnnahen Messstelle Salzburg A1 gelegen seien, habe eine Überschreitung des EU-Grenzwertes für NO2 am H.-weg 22 für das Jahr 2017 ausgeschlossen werden können. Im Ergebnis habe eine unmittelbare Betroffenheit des Revisionswerbers bezüglich der Grenzwertüberschreitung von NO2 an der Wohnadresse nicht festgestellt werden können.

5 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende

außerordentliche Revision, die zum einen ins Treffen führt, es sei aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096) verfehlt, für die unmittelbare Betroffenheit von einer Grenzwertüberschreitung einer einzelnen natürlichen Person und damit deren Antragslegitimation (nach der EU-Luftqualitätsrichtlinie auf Erlassung/Ergänzung, Abänderung von Luftqualitätsplänen und Setzung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität und Herabsetzung der Grenzwerte) nur auf Messdaten abzustellen, die auf Grund von Messungen unmittelbar bei der Wohn- und Grundstücksadresse gewonnen worden seien. Dies würde voraussetzen, dass sich der Revisionswerber ständig unmittelbar neben der Messeinrichtung auf seinem Grundstück aufhalte. Tatsächlich lebe und halte er sich im Stadtgebiet von Salzburg und im Nahbereich der A1 auf. Es wären daher weitere Messstellen miteinzubeziehen gewesen. Da der Luftgütebericht für das Jahr 2017 zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das LVwG noch nicht vorgelegen sei, wäre Beurteilungszeitraum das Jahr 2016 gewesen und hätte sich unter Einbeziehung der anderen Messstellen die unmittelbare Betroffenheit und damit Antragslegitimation des Revisionswerbers gezeigt.

7 Zum anderen fehle bislang Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit dem Einzelnen das Recht zukomme, dass zur Kontrolle der Einhaltung der nach der EU-Luftqualitätsrichtlinie geforderten Nichtüberschreitung der Grenzwerte bzw. Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen Gesundheit richtlinienkonforme Probenahmestellen/Messstellen vorlägen. Bei der Prüfung der unmittelbaren Betroffenheit seien alle relevanten Messstellen einzubeziehen und müssten diese Messstellen auch der EU-Luftqualitätsrichtlinie entsprechen.

8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom 22. Mai 2018 das Vorverfahren ein; der Landeshauptmann von Salzburg erstattete eine Revisionsbeantwortung; der Revisionswerber replizierte.

9 Der Verwaltungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass sich die außerordentliche Revision, jedenfalls insoweit sie die Frage aufwirft, ob aus der EU-Richtlinie ein durchsetzbares subjektives Recht auf Errichtung von dieser Richtlinie entsprechenden Probenahmestellen für den Einzelnen ableitbar ist und ihm daher ein entsprechendes Antragsrecht zukommt, als zulässig erweist.

10 Diese Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gleicht nun in den maßgeblichen Punkten den im Vorabentscheidungsansuchen der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel (Belgien) vom 29. Dezember 2017, Craynest (Rechtssache C-723/17), aufgeworfenen Fragen:

"Sind die Art. 4 Abs. 3 und 19 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrags über die Europäische Union in Verbindung mit Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und den Art. 6 und 7 der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa1. dahin auszulegen, dass es, wenn angeführt wird, dass ein Mitgliedstaat die Probenahmestellen in einem Gebiet nicht im Einklang mit den in Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a des Anhangs III der Richtlinie genannten Kriterien eingerichtet habe, den nationalen Gerichten zusteht, auf Antrag Einzelner, die von der Überschreitung der in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie genannten Grenzwerte unmittelbar betroffen sind, zu prüfen, ob die Probenahmestellen im Einklang mit diesen Kriterien eingerichtet wurden, und, wenn dies nicht der Fall ist, gegenüber der nationalen Behörde alle erforderlichen Maßnahmen, wie etwa eine Anordnung, zu ergreifen, damit die Probenahmestellen im Einklang mit diesen Kriterien eingerichtet werden?

Wird ein Grenzwert im Sinne von Art. 13 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa schon dann überschritten, wenn eine Überschreitung eines Grenzwerts im Mittelungszeitraum eines Kalenderjahrs, wie in Anhang XI dieser Richtlinie vorgeschrieben, aufgrund der Messergebnisse nur einer Probenahmestelle im Sinne von Art. 7 der Richtlinie festgestellt wird, oder liegt eine solche Überschreitung nur dann vor, wenn sie sich aus dem Durchschnitt der Messergebnisse aller Probenahmestellen in einem bestimmten Gebiet im Sinne der Richtlinie ergibt?

1. Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1)."

11 Dieses Vorabentscheidungsersuchen langte am 29. Dezember 2017 beim Gerichtshof der Europäischen Union ein (Rechtssache C-723/17).

12 Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor.

13 Das gegenständliche Revisionsverfahren war daher bis zur Entscheidung über das genannte Vorabentscheidungsersuchen auszusetzen.

Wien, am 3. Oktober 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018070359.L00

Im RIS seit

01.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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