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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32013L0036 Kreditinstitute-RL Art65 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision der B Aktiengesellschaft in W, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 2017, Zl. W148 2131588- 1/11E, betreffend Vorschreibung von Abschöpfungszinsen nach dem Bankwesengesetz (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG:
Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei ist ein Kreditinstitut im Sinne des Bankwesengesetzes (BWG). Im Zuge einer laufenden Überprüfung stellte sie fest, dass die bisherige Gewichtung zweier von ihr an näher bezeichnete öffentliche Stellen vergebener Großkredite mit jeweils null Prozent nicht mit der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ("CRR") in Einklang stehe und es deshalb zu einer Überschreitung der in Art. 395 Abs. 1 CRR festgelegten "Großkreditgrenze" gekommen sei. Aufgrund dessen übermittelte die revisionswerbende Partei der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) am 12. Mai 2015 sowie am 22. Oktober 2015 korrigierte Meldungen sowohl auf Einzelbasis (KI-Ebene) als auch auf Basis der konsolidierten Lage der die revisionswerbende Partei in diesem Zeitraum kontrollierenden Finanzholdinggesellschaft (KK-Ebene).
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der FMA vom 12. Mai 2016, mit dem der revisionswerbenden Partei - in Bestätigung eines Mandatsbescheids vom 4. November 2015 - auf Grundlage ihrer Meldungen gemäß § 97 Abs. 1 Z 4 BWG Abschöpfungszinsen sowohl auf KI-Ebene als auch auf KK-Ebene in jeweils bestimmter Höhe vorgeschrieben wurden, ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
3 Begründend führte es aus, der Unionsgesetzgeber habe Kreditinstituten sowohl auf KI-Ebene (Art. 6 Abs. 1 CRR) als auch auf KK-Ebene (Art. 11 Abs. 2 CRR) jeweils die Pflicht zur Einhaltung von Obergrenzen für Großkredite (Art. 395 Abs. 1 CRR) auferlegt. Die Sanktionsnorm des § 97 Abs. 1 Z 4 BWG sei zur Anwendungsebene der CRR neutral formuliert. Es sei daher "denkbar und auch möglich", dass ein Kreditinstitut - wie im vorliegenden Fall die revisionswerbende Partei - auf beiden Ebenen Überschreitungen tätige und damit ein "doppelter Gesetzesverstoß" stattfinde. Für die von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführte Rechtsansicht, dass in solchen Fallkonstellationen nur eine Obergrenze schlagend sei, finde sich weder in der Sanktionsnorm (BWG) noch in der materiellen Regelung (CRR) der geringste Anhaltspunkt. Es widerspreche auch der vom Gesetz angenommenen (und vom Verwaltungsgerichtshof bestätigten) "betriebswirtschaftlichen" Logik der Großveranlagungsbestimmungen, dass mit der Zinsabschöpfung nur einer der Verstöße sanktioniert werde. Vorliegend habe sowohl die revisionswerbende Partei auf KI-Ebene als auch die Kreditinstitutsgruppe (das Kreditinstitut auf konsolidierter Basis) auf KK-Ebene einen Vorteil aus der Überschreitung gezogen. Die Vorteile seien nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch der Höhe nach unterschiedlich, sodass nach der betriebswirtschaftlichen Logik die Abschöpfung dieser Vorteile getrennt und individuell erfolgt sei. Die Revision sei nicht zulässig, weil die Rechtslage sowohl hinsichtlich § 97 BWG als auch Art. 6, 11 und 395 Abs. 1 CRR eindeutig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
5 Die FMA erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die vorliegende Revision kostenpflichtig als unzulässig zurück- bzw. als unbegründet abzuweisen.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
10 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird ausgeführt, es fehle jegliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der verfahrensgegenständlich relevanten Bestimmungen nach Inkrafttreten der CRR. Während nach der bis zum Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 13/2014 geltenden Rechtslage gemäß § 97 Abs. 1 Z 6 BWG Zinsen bei Überschreitung der "Großveranlagungsgrenzen" gemäß § 27 Abs. 15 BWG vorzuschreiben gewesen seien, seien nunmehr gemäß § 97 Abs. 1 Z 4 BWG Zinsen bei Überschreitung der "Obergrenze für Großkredite" gemäß Art. 395 Abs. 1 CRR vorzuschreiben. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Berechnung und Vorschreibung von Pönalzinsen für die Überschreitung der "Großkreditgrenze" sowohl auf KI-Ebene als auch auf KK-Ebene wäre demgemäß nur nach der alten Rechtslage denkmöglich gewesen. Es sei daher klarzustellen, ob bei der Überschreitung der "Großkreditgrenze" gemäß Art. 395 Abs. 1 CRR durch einen einzigen Großkredit in Anwendung von § 97 Abs. 1 Z 4 BWG einem einzelnen Kreditinstitut Abschöpfungszinsen sowohl für die Überschreitung auf KI-Ebene als auch auf KK-Ebene vorgeschrieben werden dürften.
11 Die Revision ist nicht zulässig:
12 Art. 6, 11 und 395 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (CRR) lauten (auszugsweise):
"TITEL II
ANWENDUNGSEBENEN
KAPITEL 1
Erfüllung der Anforderungen auf Einzelbasis
Artikel 6
Allgemeine Grundsätze
(1) Institute halten die in den Teilen 2 bis 5 und 8 festgelegten Anforderungen auf Einzelbasis ein.
(...)
KAPITEL 2
Aufsichtliche Konsolidierung
Abschnitt 1
Anwendung der (A)nforderungen auf konsolidierter (B)asis
Artikel 11
Allgemeine Behandlung
(...)
(2) Institute, die von einer Mutterfinanzholdinggesellschaft oder einer gemischten Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat kontrolliert werden, erfüllen die in den Teilen 2 bis 4 und 7 festgelegten Pflichten in dem in Artikel 18 vorgesehenen Umfang und der dort vorgesehenen Weise auf Basis der konsolidierten Lage dieser Finanzholdinggesellschaft oder gemischten Finanzholdinggesellschaft.
(...)
TEIL 4
GROSSKREDITE
(...)
Artikel 395
Obergrenze für Großkredite
(1) Ein Institut hält gegenüber einem Kunden oder einer Gruppe verbundener Kunden nach Berücksichtigung der Wirkung der Kreditrisikominderung gemäß den Artikeln 399 bis 403 keine Risikoposition, deren Wert 25 % seiner anrechenbaren Eigenmittel übersteigt. Ist der Kunde ein Institut oder gehört zu einer Gruppe verbundener Kunden ein oder mehr als ein Institut, so darf der Risikopositionswert den jeweils höheren Wert von entweder 25 % der anrechenbaren Eigenmittel oder 150 Mio. EUR nicht übersteigen, sofern nach Berücksichtigung der Wirkung der Kreditrisikominderung gemäß den Artikeln 399 bis 403 die Summe der Risikopositionswerte gegenüber sämtlichen verbundenen Kunden, die keine Institute sind, 25 % der anrechenbaren Eigenmittel des Instituts nicht übersteigt.
Ist der Betrag von 150 Mio. EUR höher als 25 % der anrechenbaren Eigenmittel des Instituts, so darf der Risikopositionswert nach Berücksichtigung der Wirkung der Kreditrisikominderung gemäß den Artikeln 399 bis 403 nicht über eine angemessene Obergrenze in Bezug auf die anrechenbaren Eigenmittel des Instituts hinausgehen. Diese Obergrenze wird von den Instituten im Einklang mit den Grundsätzen und Verfahren gemäß
Artikel 81 der Richtlinie 2013/36/EU zur Steuerung und Begrenzung des Konzentrationsrisikos festgelegt. Die Obergrenze darf 100 % der anrechenbaren Eigenmittel des Instituts nicht überschreiten.
Die zuständigen Behörden können eine niedrigere Obergrenze als 150 Mio. EUR festlegen und setzen die EBA und die Kommission davon in Kenntnis."
13 § 97 BWG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 117/2015 lautet (auszugsweise):
"§ 97. (1) Die FMA hat den Kreditinstituten und der Zentralorganisation bei einem Kreditinstitute-Verbund gemäß § 30a für folgende Beträge Zinsen vorzuschreiben:
(...)
4. 2 vH der Überschreitung der Obergrenze für Großkredite gemäß Art. 395 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, gerechnet pro Jahr, für 30 Tage, ausgenommen bei Aufsichtsmaßnahmen nach § 70 Abs. 2 oder bei Überschuldung des Kreditinstitutes."
14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Pönalezinsen (nunmehr: Abschöpfungszinsen) nach § 97 BWG wirtschaftsaufsichtsrechtliche Maßnahmen ohne Strafcharakter. Ihr Sinn besteht darin, dass Banken bei der Unterschreitung der gebotenen Liquidität Kosten auferlegt werden, die ihnen aus betriebswirtschaftlicher Vernunft die Einhaltung der Liquidität gebieten. In diesen Kosten mag auch ein Ausgleich für die betriebswirtschaftlichen Vorteile liegen, die die Konzentration auf einen einzigen Großkunden im Allgemeinen mit sich bringt, die gesetzestreuen Banken entgehen, um solcherart Wettbewerbsvorteile aus der Missachtung des Gesetzes zu unterbinden. Der Gesetzgeber hat daher im Gesetz bewusst zwischen Strafsanktionen (vgl. §§ 98 f BWG) und anderen Steuerungsmechanismen zur Sicherung der Einhaltung der gesetzlichen Gebote unterschieden (VwGH 22.2.1999, 96/17/0006; 23.10.2000, 96/17/0359).
15 Ein Kreditinstitut hat die jederzeitige Einhaltung der europäischen Ordnungsnormen der CRR auf KK-Ebene (Art. 11 CRR) sicherzustellen; dies selbst dann, wenn dieses einer (gemischten) Finanzholdinggesellschaft nachgeordnet ist. Zwar können die Mitgliedstaaten Kreditinstitute von den Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis freistellen (siehe Art. 7, 8 oder 10 CRR), die Verordnung sieht jedoch keine Möglichkeit vor, von der Anwendung der Anforderungen auf konsolidierter Basis abzusehen (vgl. Schirk/Stern in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka (Hrsg.), Bankwesengesetz4 (2017) CRR Art. 11 Rz 10 und 11). Ein - wie die revisionswerbende Partei - von einer Finanzholdinggesellschaft kontrolliertes Kreditinstitut ist daher grundsätzlich verpflichtet, die in Art. 395 Abs. 1 CRR festgelegten Obergrenzen für Großkredite (vierter Teil der CRR) auf beiden Ebenen einzuhalten. Durch die Vorschreibung von Abschöpfungszinsen gemäß § 97 Abs. 1 Z 4 BWG wird diesen unionsrechtlichen Vorgaben Rechnung getragen und werden die erlangten betriebswirtschaftlichen Vorteile ausgeglichen. Die bloße Anpassung dieser Bestimmung an den von der CRR verwendeten Terminus "Großkredit" vermochte diesbezüglich keine inhaltliche Abweichung zu begründen (vgl. dazu auch ErläutRV 2438 BlgNR XXIV. GP, 44).
16 In Hinblick auf den klaren Wortlaut der genannten Regelungen der CRR und des BWG ging das Verwaltungsgericht zu Recht von einer eindeutigen (unionsrechtlichen) Rechtslage aus, weshalb trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt (vgl. zur diesbezüglich ständigen Rechtsprechung VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0011, mwN).
17 Vor diesem Hintergrund besteht für den Verwaltungsgerichtshof auch kein Anlass, eine von der revisionswerbenden Partei angeregte Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Sofern die revisionswerbende Partei in diesem Zusammenhang auf das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zu C- 52/17 hinweist, ist ihr zu entgegnen, dass der Gerichtshof in dem dazu mittlerweile ergangenen Urteil die in § 97 Abs. 1 Z 4 BWG vorgesehenen Abschöpfungszinsen als "Verwaltungsmaßnahme" im Sinn von Art. 65 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU qualifiziert hat (vgl. dazu EuGH 7.8.2018, VTB Bank (Austria) AG, C-52/17, Rn. 42). Im Übrigen befasste sich der EuGH mit der im gegenständlichen Verfahren unstrittig nicht anwendbaren Ausnahmebestimmung des Art. 395 Abs. 5 CRR.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Oktober 2018
Gerichtsentscheidung
EuGH 62017CJ0052 VTB Bank (Austria) VORABSchlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020208.L00Im RIS seit
02.11.2018Zuletzt aktualisiert am
27.11.2018