TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/22 98/02/0142

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Veröffentlicht am 22.10.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §79a Abs1 idF 1995/471;
AVG §79a Abs3 idF 1995/471;
AVG §79a Abs4 Z3 idF 1995/471;
AVG §79a Abs7 idF 1995/471;
VwGG §52 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/02/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres, vertreten durch die Finanzprokuratur, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 28. Juli 1997, Zlen. UVS-02/V/11/00019/96, UVS-02/V/11/00020/96, betreffend Kostenzuspruch in Angelegenheit Festnahme und Anhaltung wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (mitbeteiligte Parteien: BF und SF, beide in W, beide vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien I, Naglergasse 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der erste Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Zunächst wird auf die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1995, Zlen. 94/02/0031 und 94/02/0032, sowie vom 28. Februar 1997, Zlen. 96/02/0481 und 96/02/0482, verwiesen. Mit den letztangeführten Erkenntnissen war der Bescheid der belangten Behörde vom 21. August 1996 hinsichtlich seines Ausspruches über den Kostenersatz insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden, als die Mitbeteiligten nicht zum Kostenersatz verpflichtet worden waren. In der Begründung des Erkenntnisses, Zl. 96/02/0481, war im wesentlichen ausgeführt worden, § 79a Abs. 3 AVG sehe unter anderem vor, dass dann, wenn die Beschwerde vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen werde, die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei sei. Die als belangte Behörde vor dem unabhängigen Verwaltungssenat aufgetretene Bundespolizeidirektion Wien wäre in dem Umfang als obsiegende Partei anzusehen gewesen, als die Mitbeteiligten ihre Beschwerde zurückgezogen und sie auf die Festnahme und Anhaltung reduziert hätten. Seien nämlich von einem oder mehreren Beschwerdeführern in einer Beschwerde mehrere Verwaltungsakte angefochten worden, so sei gemäß dem nach § 79a Abs. 7 AVG hier anzuwendenden § 52 VwGG die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre. Dadurch, daß die belangte Behörde allein der Mitbeteiligten Kosten gemäß § 79a AVG zugesprochen und damit implizit den Kostenanspruch der bei ihr belangten Behörde verneinte habe, habe sie die Rechtslage verkannt.

Im fortgesetzten Verfahren erließ die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nachstehenden Kostenzuspruch:

"-

Jede der beiden Beschwerdeführer ist schuldig gemäß § 79a AVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) zu Handen der Bundespolizeidirektion Wien den Kostenersatz für Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand für deren Obsiegen für die nach Beschwerdebehandlung zurückgezogenen Beschwerdepunkte (lit a. bis lit g. lt. Schriftsatz v. 12.10.1993) gemäß der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, BGBl. Nr. 855/1995, in der Höhe von jeweils öS 6 300.- (zusammen öS 12 600.--) zu ersetzen.

-

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist gemäß § 79a AVG hingegen verpflichtet, den Beschwerdeführern gemäß der zit. Verordnung, BGBl. Nr. 855/1995, jeweils den mit S 18 800.- (zuammen öS 37 600.--) festzusetzenden Betrag für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand für deren Obsiegen hinsichtlich des Beschwerdepunktes der Festnahme und Anhaltung zu ersetzen."

Im Spruch dieses Bescheides findet sich keine Entscheidung über den Ersatz von Vorlageaufwand, doch ist aus der Bescheidbegründung ersichtlich, dass durch den angefochtenen Bescheid der Antrag der vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangten Behörde auf Ersatz des Vorlageaufwandes abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, aus dem Inhalt erkennbar lediglich gegen den ersten Spruchpunkt und gegen die Abweisung des Antrages auf Ersatz von Vorlageaufwand gerichtete, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die Mitbeteiligten haben eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt. Die belangte Behörde hat lediglich ihre Verwaltungsakten, nicht aber die der Bundespolizeidirektion Wien vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und ebenfalls Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 21. und vom 23. August 1996 war die Festnahme und die Anhaltung jeder der beiden Mitbeteiligten für rechtswidrig erklärt worden. Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides und von den Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift insoweit nicht bekämpft davon aus, dass die Mitbeteiligten am 18. Juli 1996 nachstehende Punkte ihrer Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen hatten:

" lit. a) Der an die beiden Beschwerdeführerinnen ergangene Befehl mit dem Flugblattverteilen sofort aufzuhören, lit. b) der wiederholt ausgesprochene Befehl zur Ausweisleistung an beide Beschwerdeführerinnen, lit. c) der Versuch eines Polizeibeamten Frau B. F. Flugblätter gewaltsam zu entreissen, lit. d) die Feststellung der Identität der Beschwerdeführerinnen indem ihnen die Führerscheine abgenommen wurden und sie nach weiteren Personalien gefragt wurden, lit. e) die begonnene versuchte gewaltsame Personsdurchsuchung von Frau B. F., lit. f) das gewaltsame Entreißen des Ausweistäschchens von Frau B. F. durch die Polizeibeamtin, lit. g) die Einbehaltung der Ausweise nach Feststellung der Identität beider Beschwerdeführerinnen über einen Zeitraum von mindestens 10 Minuten."

Das in diesen zurückgezogenen Punkten beschriebene Vorgehen der eingeschrittenen Polizeiorgane wertete die belangte Behörde als einen einheitlichen Verwaltungsakt, welcher letztlich zur Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerinnen geführt habe. Es könne daher weder entsprechend der Auffassung der Bundespolizeidirektion Wien vom Vorliegen zweier durch die zurückgezogenen Beschwerdepunkte umfasster Verwaltungsakte noch im Sinne des ergänzten Beschwerdeumfanges von sieben Verwaltungsakten ausgegangen werden. Den Mitbeteiligten sei daher die Bezahlung des Schriftsatz- und Verhandlungsaufwandes an den Bund lediglich einmal für die Gesamtheit der zurückgezogenen Beschwerdepunkte aufzuerlegen gewesen. Kosten für den Vorlageaufwand seien der Bundespolizeidirektion Wien nicht zuzuerkennen gewesen, weil die von dieser Behörde hinsichtlich der Anhaltung und Festnahme vorgelegten Verwaltungsakten auch für die Behandlung der weiteren Beschwerdepunkte hätten herangezogen werden können und in dieser Hinsicht keine weiteren Verwaltungsakten vorgelegt worden seien.

Gemäß § 79a Abs. 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen. Gemäß Abs. 3 dieses Paragrafen ist, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen wird, die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Gemäß Abs. 7 dieses Paragrafen gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.

§ 52 Abs. 1 VwGG normiert, daß bei Anfechtung mehrerer Verwaltungsakte von einem oder mehreren Beschwerdeführern in einer Beschwerde die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen ist, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre.

Für die Frage, ob hinsichtlich der von den Mitbeteiligten vor der Entscheidung durch die belangte Behörde zurückgezogenen Beschwerdepunkte Kostenersatz nur in einfacher oder in mehrfacher Höhe gebührt, kommt es daher darauf an, ob es sich bei den von diesen Beschwerdepunkten erfassten behördlichen Maßnahmen um einen Verwaltungsakt im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung handelte oder ob mehrere getrennt zu behandelnde Verwaltungsakte vorlagen.

Besteht eine Amtshandlung aus mehreren selbständigen Akten, so liegt nicht nur "ein Verwaltungsakt" vor. So hat der Verwaltungsgerichtshof die im Zuge einer Amtshandlung getrennt durchgeführten Untersuchungen eines Fahrzeuges nach verborgenen Waffen und danach, ob gefährliche Güter transportiert werden, als getrennte Verwaltungsakte behandelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1992, Zl. 91/01/0200). Ebenso hat er eine im Zuge einer Hausdurchsuchung vorgenommene Personsdurchsuchung als einen von der Hausdurchsuchung verschiedenen Akt gewertet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 94/01/0714, mit weiteren Nachweisen). Soweit die Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift auf die hg. Erkenntnisse vom 26. Oktober 1965, Slg. Nr. 3346/F, und vom 7. November 1965, Slg. Nr. 3347/F, verweisen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass diese Erkenntnisse sich auf Bescheide beziehen, weshalb ihnen für die Kostenersatzfrage in Beschwerdefällen, die Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zum Gegenstand haben, keine Aussagekraft zukommt.

Ausgehend von dieser Rechtslage ist der Auffassung des Beschwerdeführers beizupflichten, dass den von den Mitbeteiligten zurückgezogenen Anträgen mehrere Verwaltungakte zugrunde lagen. So dienten die Anstrengungen der eingeschrittenen Polizeiorgane, das Verteilen von Flugblättern zu beenden (Beschwerdepunkte a) und c)), einem gänzlich anderen Zweck als die Maßnahmen zur Feststellung der Identität der Beschwerdeführerinnen (Beschwerdepunkte b, d), e),f) und g)). Diese jeweils im Zusammenhang zu sehenden Maßnahmen der Polizeiorgane stellen selbstständige Verwaltungsakte dar und können somit nicht als Teile ein und desselben Verwaltungsaktes angesehen werden.

Daraus folgt aber, dass die Zurückziehung der Beschwerdepunkte a) bis g) nicht nur einen Verwaltungsakt, sondern zumindest zwei gegen jede der beiden Mitbeteiligten gerichtete verwaltungsbehördliche Zwangsakte betraf. Demgemäß wäre es zufolge § 52 VwGG Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn jeder der Verwaltungsakte von den Mitbeteiligten jeweils in gesondert erhobenen Beschwerden angefochten und diese jeweils zurückgezogen worden wären.

Da die belangte Behörde demgegenüber von einem durch die Beschwerdepunkte a) bis g) erfassten einheitlichen Verwaltungsakt ausging und daher dem Bund lediglich einmal den Ersatz des Schriftsatz- und Verhandlungsaufwandes zusprach, hat sie die Rechtslage verkannt.

Die belangte Behörde hat im Spruch des angefochtenen Bescheides keine Regelung über den Ersatz von Vorlageaufwand getroffen. Auf Grund der Ausführungen in der Begründung dieses Bescheides, in welchen sie den Zuspruch von Vorlageaufwand deshalb verweigerte, weil die von dieser Behörde hinsichtlich der Anhaltung und Festnahme vorgelegten Verwaltungsakten auch für die Behandlung der weiteren Beschwerdepunkte hätten herangezogen werden können und in dieser Hinsicht keine weiteren Verwaltungsakten vorgelegt worden seien, ist klar ersichtlich, dass durch den angefochtenen Bescheid der Antrag der vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangten Behörde auf Ersatz des Vorlageaufwandes abgewiesen wurde.

Für die Frage des Ersatzes von Vorlageaufwand ist es maßgeblich, dass im Beschwerdefall sowohl die vor dem unabhängigen Verwaltungssenat als Beschwerdeführer aufgetretenen Mitbeteiligten als auch die durch den nunmehrigen Beschwerdeführer repräsentierte, vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangte Behörde jeweils zum Teil als obsiegende Partei anzusehen sind. Der belangten Behörde ist insoweit beizupflichten, dass Verwaltungsakten nur einmal vorgelegt wurden. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass zufolge des Obsiegens der vor dem unabhängigen Verwaltungssenat als Beschwerdeführer auftretenden Mitbeteiligten ein Ersatz von Vorlageaufwand an die in diesem Verfahren ebenfalls zum Teil als obsiegend anzusehende belangte Behörde nicht in Frage kommen könnte.

Vielmehr ist in einem solchen Fall eine Aufteilung in der Weise vorzunehmen, dass der obsiegenden belangten Behörde zwar der Ersatz von Vorlageaufwand zusteht, dass dieser Aufwand aber zufolge des - für sich allein den Ersatz von Vorlageaufwand ausschließenden - teilweisen Obsiegens der Beschwerdeführer in jenem Ausmaß zu vermindern ist, als dem Obsiegen hinsichtlich der zurückgezogenen Beschwerdepunkte ein Unterliegen hinsichtlich der Beschwerdepunkte, mit welchen die Beschwerdeführer obsiegt haben, gegenübersteht (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Entscheidungen vom 25. März 1992, Zlen. 91/02/0105, 0106, vom 23. Februar 1994, Zlen. 93/01/0407, 0408, vom 8. September 1995, Zl. 95/02/0032, sowie vom 13. November 1997, Zl. 96/18/0612). Da die Mitbeteiligten die Beschwerden jeweils gegen zwei gegen jeden von ihnen gerichtete Verwaltungsakte zurückgezogen haben, andererseits aber mit ihren Beschwerden gegen jeweils zwei ebenfalls gegen jeden von ihnen gerichtete Verwaltungsakte obsiegt haben, ergibt sich eine Verringerung des Vorlageaufwandes um die Hälfte.

Daraus folgt, dass die belangte Behörde durch die gänzliche Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Vorlageaufwand ebenfalls die Rechtslage verkannt hat.

Der angefochtene Bescheid musste daher gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG im Umfang seines ersten Spruchabsatzes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Abweisung des Kostenbegehrens gründet sich auf § 47 Abs. 4 VwGG.

Wien, am 22. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998020142.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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