TE Lvwg Erkenntnis 2018/9/24 VGW-131/018/2344/2018

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Veröffentlicht am 24.09.2018
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Entscheidungsdatum

24.09.2018

Index

90/02 Führerscheingesetz
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

FSG §7 Abs1
FSG §7 Abs3 Z3
FSG §24 Abs1 Z1
FSG §26 Abs2a
StVO 1960 §46 Abs4 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter DDr. Lacina über die Beschwerde des Herrn Ing. H. S. gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 05.01.2018, Zahl: …, mit welchem gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG 1997 die für die Klassen AM, A, B, C, E und F erteilte Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 2a FSG 1997 für die Zeit von sechs (6) Monaten ab Zustellung des Bescheides entzogen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde, mit der Maßgabe, dass die Entziehungszeit der Lenkberechtigung ab Zustellung des angefochtenen Bescheides (am 10.1.2018) zu laufen beginnt, als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 05.01.2018, Zahl …, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Ziffer 1 Führerscheingesetz 1997 die für die Klassen AM, A, B, C, E und F erteilte Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 2a Führerscheingesetz 1997 für die Zeit von sechs Monaten ab Zustellung des Bescheides entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde folgendes aus:

„ad 1.) Am 13.04.2017 um 22.30 Uhr im Gemeindegebiet V. auf der Autobahn A2 fuhren Sie gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung auf der Autobahn.

Diesbezüglich wurden Sie von der Bezirkshauptmannschaft V. am 28.06.2017 wegen einer Übertretung nach § 46 Abs. 4 lit. a. StVO mit € 365,- im NEF 7 Tagen und 6 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe bestraft.

Gemäß § 26 Absatz 2a FSG 1997 hat im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Zif. 3 FSG genannten Übertretung die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen.

Gemäß § 7 FSG 1997 gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden.

Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat. Als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, sowie jedenfalls Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 90 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 100 km/h, das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten hat und diese Übertretungen mit technischen Messgeräten festgestellt wurden, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

Aus dem Festgestellten lässt sich eine negative Prognose nach § 7 FSG 1997 für Ihr zukünftiges Verhalten im Straßenverkehr ableiten. Aus diesem Grunde liegt bei Ihnen die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor. Um Sie von der Begehung vergleichbarer Handlungen abzuhalten und zum Schutze der Allgemeinheit setzte die Behörde als vorbeugende Maßnahme die Entziehung der Lenkberechtigung.

Aus den gleichen Gründen war einer eventuellen Beschwerde aus Gründen des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.“

2. Die dagegen rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des rechtfreundlich vertretenen Beschwerdeführers hat folgenden Inhalt:

I.

In umseits bezeichneter Verwaltungssache habe ich Rechtsanwalt Mag. K. mit meiner Vertretung betraut und beruft sich dieser auf die ihm mündlich erteilte Bevollmächtigung.

II.

Gleichzeitig erhebe ich durch meinen nunmehr ausgewiesenen Vertreter gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 5.1.2018, Aktenzahl: …, mir am 9.1.2017 durch Hinterlegung zugestellt, binnen offener Frist nachstehende

BESCHWERDE:

Den oben genannten Bescheid fechte ich wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens an.

Die Einteilung der folgenden Beschwerdegründe in diese beiden Kategorien ist nicht ausschließlich. Die unter Rechtswidrigkeit des Inhaltes relevierten Beschwerdegründe werden daher auch als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht und umgekehrt.

1. Zu den Beschwerdegründen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes:

1.1. Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde:

Die belangte Behörde führt in der Begründung als Entscheidungsgrundlagen nur die beiden lapidaren Feststellungen an, dass ich

- am 13.4.2017 um 22.30 Uhr im Gemeindegebiet V. auf der Autobahn

A2 gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung auf der Autobahn fuhr und

- diesbezüglich von der Bezirkshauptmannschaft V. am 28.6.2017

wegen einer Übertretung nach § 46 Abs 4 lit a StVO mit € 365,-, im

Nichteinbringungsfall sieben Tage und sechs Stunden Ersatzfreiheitsstrafe

bestraft wurde.

Tatsächlich wurde mit der beiliegenden Strafverfügung vom 28.6.2017 wegen Verletzung von § 46 Abs 4 lit a StVO die oben genannte Geldstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe über mich verhängt.

Beweis: - beiliegende Strafverfügung der BH V. vom 28.6.201 7

- beizuschaffender Akt … der BH V.

1.2. Tatsächlicher Sachverhalt:

Die erstere Feststellung ist jedoch unrichtig. Vielmehr ereignete sich der Vorfall am 13.4.201 7 wie folgt:

Am 13.4.2017 gegen 22.30 Uhr näherte ich mich der Ableitung des Verkehrs auf den Verkehrskontrollplatz H.. Ich dachte zuerst, die Sperre und Ableitung gelte nur für LKWs - und daher nicht für mich mit meinem PKW - und fuhr ich mit ca 50 km/h an der Sperre vorbei. Da ich meinen Irrtum unmittelbar nach dem Passieren der Sperre erkannte und weitere Konsequenzen wie eine Fahrerflucht oder gar eine Verfolgung vermeiden wollte, hielt ich bei der Einmündung der Ausfahrt vom Verkehrskontrollplatz an und schob im Rückwärtsgang die Ausfahrt entlang auf den Verkehrskontrollplatz. Zumal diese Ausfahrt gemäß beiliegendem Luftbild gerade verläuft, habe ich dabei niemanden behindert oder gefährdet; es ist mir auch kein Fahrzeug begegnet.

Das angerufene Verwaltungsgericht möge daher diesen Sachverhalt feststellen und als Entscheidungsgrundlage heranziehen.

Dieser Sachverhalt wird im Wesentlichen von der beiliegenden, der Strafverfügung vom 28.6.2017 zugrundeliegenden Anzeige bestätigt. Der einzige Unterschied zu meiner Darstellung liegt darin, dass - laut Anzeige - ich gewendet haben und entgegen der Fahrtrichtung auf den Verkehrskontrollplatz gelangt sein soll.

Daraus ergibt sich, dass mein Verhalten unter § 46 Abs 4 lit f StVO, allenfalls unter § 46 Abs 4 lit b StVO und nicht unter § 46 Abs 4 lit a StVO zu subsumieren ist. Eine Verletzung von § 46 Abs 4 lit a StVO ist jedenfalls schon deswegen ausgeschlossen, weil ich nicht die Richtungsfahrbahn - weder der Verkehrskontrollplatz noch dessen Ein- und Ausfahrt stellen eine Richtungsfahrbahn einer Autobahn dar - fahrtrichtungswidrig befahren habe.

Wenn aber das Übertreten des Verbots von § 46 Abs 4 lit a StVO nicht vorliegt, ist auch damit die in § 7 Abs 3 Z 3 FSG aufgezählte bestimmte Tatsache des Fahrens gegen die Fahrtrichtung, die ja - auch vom Wortlaut her - mit § 46 Abs 4 lit a StVO korrespondiert, ausgeschlossen.

Beweis: - beiliegendes Luftbild vom Verkehrskontrollplatz H.

- beiliegende Anzeige vom 26.4.2017

- beizuschaffender Akt … der BH V.

1.3. Keine Bindung:

Die nur lapidare Tatsachenfeststellung und -erhebung zum Vorfall am 13.4.2017 liegt vermutlich in der rechtlichen Ansicht der belangten Behörde, an die rechtskräftige verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung gebunden zu sein.

Diese Rechtsansicht ist jedoch unrichtig: Es gibt keine gesetzliche oder verordnungsmäßige Bestimmung, dass die belangte Behörde als Führerscheinbehörde an das Ergebnis im Verwaltungsstrafverfahren gebunden ist und sich daran halten muss. Vielmehr liegt es bloß in der Rechtspraxis und wird auch von der Rechtsprechung gedeckt - allerdings mit Grenzen:

1.3.1.    Es gibt keine Bindung an die im Verwaltungsstrafverfahren angewandte Strafbestimmung, sondern ist die Gefährlichkeit des vorgeworfenen Verhaltens von der Führerscheinbehörde selbst zu überprüfen (VwGH 30.5.2001, 99/11/0221), dies umso mehr als mit der Einführung von § 26 Abs. 2a FSG, der eine Wertung ausschließt besonders zu überprüfen ist, ob ein Verhalten geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen (UVS OÖ, 27.9.2012, VwSen 52 3214/3/Z o/HK).

Gerade dieses Beispiel (UVS OÖ, 27.9.2012, VwSen 523214/3/Zo/HK), wo jemand 43 m auf einer Ausfahrt entgegen der Fahrtrichtung gefahren ist, zeigt, dass in meinem Fall noch weniger Gefährlichkeit vorliegt: Gegenüber diesem Beispiel war in meinem Fall

- die Strecke der verkehrswidrigen Fahrt kürzer,

- ein Nachfolgeverkehr vorher gestanden und daher mit einer weit geringeren Geschwindigkeit zu rechnen und

- Nacht, sodass die Fahrzeuge aufgrund der Beleuchtung (Scheinwerfer) schon weit her sichtbar waren.

1.3.2.    Es gibt keine Bindung an die rechtliche Beurteilung im Verwaltungsstrafverfahren (VwGH 30.5.2001, 99/11/0221), ja nicht einmal an konkrete einzelne Tatsachenergebnisse wie zB eine bestimmte Geschwindigkeit (VwGH 9.2.1999, 98/11/0096). Die Gefährlichkeit des vorgeworfenen Verhaltens ist daher von der Führerscheinbehörde selbst zu überprüfen (VwGH 30.5.2001, 99/11/0221).

1.3.3.  Eine bloße stereotype Wiederholung des Gesetzeswortlautes in der Tatbeschreibung reicht für eine Bindung nicht (VwGH 30.5.2001, 99/11/0221; VwGH 18.3.2003, 2002/11/0216). Mehr gibt aber die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft V. vom 28.6.2017 nicht her, wo festgestellt wurde, dass ich „die Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung befahren" (entspricht § 46 Abs 4 lit a StVO) habe, obwohl sich dies aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nicht ergeben hat.

Vielmehr sind die Tatsachengrundlagen, dh der genaue Tathergang und vor allem das allfällige Vorliegen einer besonderen Gefährlichkeit zu ermitteln (VwGH 30.5.2001, 99/11/0221).

Mit anderen Worten: M it der rechtskräftigen Strafverfügung gibt es allenfalls eine Bindung an eine Verwaltungsübertretung an sich, aber nicht an deren rechtlichen Beurteilung, insbesondere ob eine Richtungsfahrbahn und gefährliche Verhältnisse vorliegen (VwGH 9.2.1999, 98/11/0096; UVS OÖ, 27.9.2012, VwSen 523214/3/Zo/HK).

Dass ein Verkehrskontrollplatz und dessen Ein- und Ausfahrt keine Richtungsfahrbahn ist und daher keine Verletzung von § 46 Abs 4 lit a StVO und auch keine bestimmte Tatsache im Sinne von § 7 Abs 3 Z 3 FSG vorliegt, habe ich bereits in Punkt 1.2. oben ausgeführt, wozu ich zur Vermeidung von Wiederholungen verweise.

Beweis: - beiliegende Strafverfügung der BH V. vom 28.6.201 7

            - beizuschaffender Akt … der BH V.

1.4. Keine besondere Gefährlichkeit:

Zur vermeintlichen Gefährlichkeit meines Verhaltens verweise ich darauf, dass ich nicht der typische „Geisterfahrer" bin, auf den § 7 Abs 3 Z 3 FSG abzielt:

- Ich war nicht auf der Richtungsfahrbahn in die entgegengesetzte Richtung unterwegs, sondern bloß auf einer Ausfahrt (UVS OÖ, 27.9.2012, VwSen 523214/3/Zo/HK) - und das nur durch Zurückschieben (VwGH 11.4.2000, 99/11/0351).

- Aufgrund der Verkehrskontrolle könnte ein möglicher Verkehr nur nach Anhalten und Losfahren auftauchen und ist daher die Gefahr einer Kollision nur gering (UVS OÖ, 27.9.2012, VwSen 523214/3/Zo/HK).

- Es war Nacht und aufgrund der Lichter - sowohl für mich als auch für den Nachfolgeverkehr - ist schon weithin eine Auffälligkeit gegeben ist.

- Die Ausfahrt ist - wie aus dem ebenfalls beiliegendem Lichtbild ersichtlich – gerade und daher weit ein- und aussichtig (UVS OÖ, 27.9.2012, VwSen 523214/3/Zo/HK).

Schließlich ist das Rückwärtsschieben weder konkret noch an sich eine besonders gefährliche Verhaltensweise, die mit den übrigen in § 7 Abs 3 Z 3 FSG angeführten bestimmten Tatsachen zu vergleichen ist und einen Entzug der Lenkberechtigung rechtfertigt.

Beweis: - beiliegendes Luftbild vom Verkehrskontrollplatz H.

- beiliegende Anzeige vom 26.4.201 7

- beizuschaffender Akt … der BH V.

2. Zu den Beschwerdegründen wegen M a n g e l h a f t i g k e i t des Verfahrens:

Die belangte Behörde hat den Sachverhalt - den genauen Tathergang - nicht ermittelt, nur lapidar begründet und die der Strafverfügung vom 28.6.2107 zugrundeliegende Anzeige übergangen.

All dies stellt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar.

Zur näheren Begründung verweise ich zur Vermeidung von Wiederholungen auf Punkt 1. oben.

Hätte sich die belangte Behörde mit dem Sachverhalt und insbesondere der der Strafverfügung vom 28.6.2107 zugrundeliegende Anzeige näher auseinandergesetzt, so hätte es zu einem anderen Ergebnis kommen können, ja kommen müssen.

Aus all diesen Gründen hätte die belangte Behörde mir nicht die Lenkberechtigung entziehen dürfen.

Aus all diesen Gründen stelle ich daher die

ANTRÄGE:

Das Verwaltungsgericht Wien möge meiner Beschwerde Folge geben und

1. den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben, in eventu

2. den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Lenkberecht gung für eine kürzere Zeit als sechs Monate entzogen wird,

3. den angefochtenen Bescheid aufheben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.

III.

Schließlich erhebe ich durch meinen nunmehr ausgewiesenen Vertreter gegen die im Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 5.1.2018, Aktenzahl: …, mir am 9.1.2017 durch Hinterlegung zugestellt, ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid binnen offener Frist nachstehende

BESCHWERDE:

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde im oben genannten Bescheid fechte ich wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes an.

Die Behörde hat einer eventuellen Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs 2 AVG aberkannt und dies mit dem öffentlichen Wohl wegen Gefahr im Verzug begründet.

Diese Rechtsansicht ist jedoch unrichtig:

1. § 64 AVG regelt nur die Berufung in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden; beides liegt nicht vor. Eine andere Rechtsgrundlage (zB § 13 VwGVG) hat die belangte Behörde nicht angeführt.

Das Stützen auf eine falsche Rechtsgrundlage macht das Aberkennen einer aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde rechtsgrundlos und somit unwirksam.

2. Gefahr im Verzug entbehrt allein schon deswegen jeder vernünftigen Betrachtung, weil seit dem Ereignis am 13.4.201 7, weswegen Gefahr im Verzug vorliegen sollte, bis zum Beginn des Entzugs der Lenkberechtigung beinahe neun Monate vergangen sind, ohne dass etwas passiert ist oder ich mir sonst etwas zu Schulden kommen lassen habe - also weit länger als angeordneter Entzug der Lenkberechtigung selbst.

Gefahr im Verzug kann daher jetzt nicht mehr vorliegen.

Aus all diesen Gründen stelle ich daher die

ANTRÄGE:

Das Verwaltungsgericht Wien möge meiner Beschwerde Folge geben und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben.

Ing. H. S.“

3. Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen zur Entscheidung berufenen Richter erwogen:

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen:

Aufgrund des Akteninhaltes wird als erwiesen festgestellt, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort auf einer Autobahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung gefahren ist.

Rechtsgrundlagen

§ 7 Abs. 1 FSG bestimmt Folgendes:

Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.

sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

§ 7 Abs. 3 Z. 3 FSG bestimmt:

Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand: als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, sowie jedenfalls Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 90 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 100 km/h, das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten hat und diese Übertretungen mit technischen Messgeräten festgestellt wurden, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 26 Abs. 2a FSG bestimmt:

Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretung hat die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen, sofern nicht gemäß Abs. 2 eine längere Entziehungsdauer auszusprechen ist. Eine nach Ablauf von zwei Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.

§ 46 Abs. 4 lit. a StVO 1960 idF BGBl. I Nr. 123/2015 bestimmt:

Auf der Autobahn ist verboten: eine Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung zu befahren, sofern sich nicht aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen etwas anderes ergibt,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 bestimmt:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, zB beim Überholen, als Wartepflichtiger oder in Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, sofern nicht eine Übertretung nach Abs. 2d oder 2e vorliegt,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beweiswürdigung

Laut Anzeige der Bezirkshauptmannschaft V. vom 24.5.2017 hat der Beschwerdeführer am 13.4.2017, um 22.30 Uhr die Südautobahn in H. in Richtung W. auf Höhe von Straßenkilometer: … entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung befahren, obwohl sich dies aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nicht ergeben hat und dadurch eine Übertretung des § 46 Abs. 4 lit. a StVO iVm § 99 Abs. 2 lit. c leg.cit. begangen.

Aus der weiteren Tatbeschreibung in der Anzeige geht Folgendes hervor:

„Am 13.04.2017, um 22:30 Uhr, hat der Angezeigte, auf der A2 Südautobahn Richtung Wien, Höhe des VKP H., sein Fahrzeug entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung in das Areal des VKP H. gelenkt. Laut eigenen Angaben habe der Angezeigte, die zu diesem Zeitpunkt stattfindende Ableitung auf den Kontrollposten H. durch die aufgeschaltenen Geschwindigkeitsbeschränkungen und Richtungsbeschilderungen wahrgenommen, war jedoch der Meinung, dass dies nicht für seine Fahrzeugklasse gelte. Aufgrund dessen hat er sein Fahrzeug weiter, auf der zu diesem Zeitpunkt gesperrten Fahrbahn gesteuert. Durch das Befahren des Fahrstreifens wurde er vom dortig installierten Radarkasten erfasst, was ihn dazu veranlasste sein Vehikel, bei der Ausfahrtspur des Kontrollpostens zu wenden und entgegen der Fahrtrichtung in den Bereich des VKP H. zu gelangen.“

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft V. vom 28.6.2017, Zahl …, wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, am 13.4.2017, um 22:30 Uhr in der Stadtgemeinde V., Straßennummer A, Straßenkilometer: … – VKP H., Südautobahn die Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung befahren zu haben, obwohl sich dies aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nicht ergeben hat.

Er habe dadurch § 46 Abs. 4 lit. a StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn eine betragsmäßig festgesetzte Geldstrafe und bei Uneinbringlichkeit derselben eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 verhängt wurde (Blatt 17).

Jede der drei in § 46 Abs. 4 lit. a, b und f StVO 1960 beschriebenen Fahrtweisen auf Autobahnen ist abstrakt geeignet, gefährliche Verhältnisse herzustellen. Für das Administrativverfahren ist es daher völlig unerheblich, ob der Beschwerdeführer im Sinne von lit. a eine Richtungsfahrbahn entgegen der vorgeschriebenen Fahrtsichtung befahren hat, auf der Autobahn umgekehrt oder auf der Autobahn rückwärts gefahren ist. In allen drei Fällen hat er sein Kfz jedenfalls entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung gelenkt. Gleiches würde im Falle einer Einbahn gelten, wobei jeweils eine Hälfte einer Autobahn als Richtungsfahrbahn stets eine Einbahn ist. Und eine solche hat der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung befahren, unabhängig davon, ob er sein Kfz bloß zurückgeschoben oder dieses sogar gewendet hatte. In beiden Fällen hat der Beschwerdeführer sein Kfz zur Tatzeit am Tatort jedenfalls entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung gelenkt. Nach der zwingenden Bestimmung des § 26 Abs. 2a FSG wurde daher die Mindestentziehungsdauer der Lenkberechtigung für die Zeit von sechs Monaten zu Recht verhängt. Eine gesonderte Wertung im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG konnte entfallen, da nur die gesetzliche Mindestentziehungsdauer verhängt wurde und ein besonderes Eingehen auf allenfalls vorgelegene besondere gefährliche Verhältnisse zur Tatzeit nicht erforderlich war.

Der Beschwerde war sohin kein Erfolg beschieden und der angefochtene Bescheid spruchgemäß zu bestätigen.

4. Revisionssausspruch

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Führerscheinentzug; Autobahn; Geisterfahrer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.131.018.2344.2018

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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