TE Bvwg Beschluss 2018/7/10 L516 2200004-2

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Veröffentlicht am 10.07.2018
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Entscheidungsdatum

10.07.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L516 2200004-2/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2018, Zahl IFA: XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA. Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte am 24.11.2017 den dem nun gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden Antrag auf Internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 04.07.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

2. Das BFA hob mit dem im Zuge der Einvernahme am 04.07.2018 nach der Befragung des Beschwerdeführers mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz auf.

3. Das BFA informierte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 04.07.2018 darüber, dass im gegenständlichem Verfahren der faktische Abschiebeschutz aufgehoben worden sei und übermittelte gleichzeitig dem Bundesverwaltunsgericht die Verwaltungsverfahrensakten der Behörde.

4. Die Verwaltungsverfahrensakten des BFA langten am 09.07.2018 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein, wovon das BFA am selben Tag verständigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1.1 Das BFA begründete im am 04.07.2018 mündlich verkündeten Bescheid die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes unter Bezugnahme auf §12a Abs 2 AsylG unter anderem damit, dass ein erster Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.08.2015 nach einer erfolgten Erstbefragung vom BFA mit Bescheid vom 20.02.2016 vollumfänglich abgewiesen worden sei, gleichzeitig kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem "§§ 57 und 55 AsylG" erteilt sowie eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 5 FPG für die Dauer von 3 Jahren erlassen worden und jener Bescheid am 22.03.2016 in erster Instanz in Rechtskraft erwachsen sei (Verwaltungsverfahrensakt des BFA zum Antrag vom 24.11.2017, Aktenseite (AS) 289).

1.2. Der Beschwerdeführer gab bei seiner Erstbefragung am 24.11.2017 zu seinem gegenständlichen Antrag an, 3 Tage nach Einreichung seines "Asylantrages" im August 2015 für zweieinhalb Jahre in Deutschland gewesen zu sein (AS 5). Laut einem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem für die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS), der im vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt einliegt, war der Beschwerdeführer am 24.08.2015 wegen unbekannten Aufenthalts aus der Grundversorgungsstelle EAST Ost Traiskirchen entlassen worden (AS 168).

1.3. Den vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten lässt sich nicht nachprüfbar entnehmen, ob im Verfahren zu einem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.08.2015 tatsächlich ein - unterfertigter sowie rechtswirksam zugestellter - Bescheid erlassen wurde und dieser rechtskräftig geworden ist.

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten. Die Feststellungen zur Begründung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes, zu den Angaben des Beschwerdeführers sowie zu dem GVS-Auszug (oben II.1.1. und II.1.2.) ergeben sich konkret aus der im vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt befindlichen Niederschriften und dem GVS-Auszug, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind.

2.2. Die Feststellung zu der aus der vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten nicht nachprüfbaren Erlassung eines Bescheides zu einem ersten Antrag auf internationalen Schutz ist aus den folgenden Gründen zu treffen: Das BFA hat dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsverfahrensakt zum gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz vom 24.11.2017 übermittelt (durchnummeriert von AS 1-357). Das BFA hat dem Bundesverwaltungsgericht des Weiteren einen nicht durchnummerierten Aktenordner mit Aktenteilen zur Anhaltung seit 04.10.2017 vorgelegt (zB insb Anhalteprotokoll, Mandatsbescheid, Entlassungsschein). Jener Aktenordner enthält auch einen Ausdruck eines mit "Bescheid" betitelten und mit 20.02.2016 datierten Schriftstücks, demzufolge das BFA einen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.08.2015 abgewiesen haben soll, welches jedoch weder unterfertigt noch amtssigniert ist und damit auch keine genehmigte Erledigung iSd § 18 Abs 3 AVG darstellen kann. Das BFA hat dem Bundesverwaltungsgericht jedoch keine Verwaltungsverfahrensakten vorgelegt, aus denen sich die von der Behörde gesetzten Verfahrensschritte und die Zustellung eines Bescheides im Verfahren zu einem ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz nachweisen lässt. Diesbezüglich enthalten die vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten insbesondere weder eine iSd § 18 Abs 3 AVG genehmigte Erledigung noch die Dokumentation eines Zustellvorganges.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Unrechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Rechtsgrundlagen

3.1. Gemäß § 12a Abs 2 AsylG kann das Bundesamt, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs 1 Z 23) gestellt hat und kein Fall des Abs 1 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn 1.) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.) der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und 3.) die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2. Gemäß § 22 Abs 10 AsylG sind die Verwaltungsakten des BFA von diesem dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

3.3. Gem § 22 Abs 1 BFA-VG ist eine Entscheidung des Bundesamtes, mit welcher der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde, vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG ist nicht anzuwenden.

3.4. Gemäß § 22 Abs 2 BFA-VG sind die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.5. Entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nicht bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der vom BFA zu übermittelnden Verwaltungsakten, hat dies weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Antragsteller; ihre Abschiebung kann jederzeit erfolgen. Dabei ist dem Bundesverwaltungsgericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Anwendung des § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG untersagt. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus ein in mehrfacher Hinsicht erheblich eingeschränkter Beurteilungsspielraum, wobei zudem die kurze Entscheidungsfrist der Nachholung von Ermittlungen entgegensteht. Es ist daher lediglich aufgrund der Verwaltungsverfahrensakten zu entscheiden, die dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde vorgelegt wurden, deren Verantwortung und Verpflichtung es ist, dem Bundesverwaltungsgericht die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit erforderlichen Verwaltungsverfahrensakten zu übermitteln.

3.6. Eine wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes durch die Behörde ist das Vorliegen eines Folgeantrages. Liegt kein Folgeantrag vor, weil beispielsweise ein Vorverfahren mangels rechtswirksamer Zustellung eines Bescheides nicht rechtskräftig abgeschlossen sondern nach wie vor anhängig ist, ist eine Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gem § 12a Abs 2 AsylG nicht zulässig. Den vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten lässt sich nicht nachprüfbar entnehmen, dass in einem Verfahren zu einem ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.08.2015 tatsächlich ein - genehmigter sowie rechtswirksam zugestellter - Bescheid erlassen wurde und dieser rechtskräftig geworden ist.

3.7. Da die Behörde somit die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht nachvollziehbar nachgewiesen und begründet hat, ist der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 04.07.2018 nicht rechtmäßig.

Zu B)

Revision

3.8. Da die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053), ist die Revision nicht zulässig.

3.9. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anwendungsbereich, Behebung der Entscheidung, faktischer
Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Rechtsgrundlage,
Voraussetzungen, wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2200004.2.00

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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