TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/27 99/12/0173

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Veröffentlicht am 27.10.1999
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Index

L22007 Landesbedienstete Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §56 Abs2 impl;
BDG/Tir 1998 §56 Abs2;
LBG Tir 1998 §2 lita Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des Dr. R B in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, u.a. Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Mai 1999, Zl. Präs.I-0190683/6, betreffend die Feststellung der Unzulässigkeit einer Nebenbeschäftigung gemäß § 56 Abs. 2 BDG 1979 in Verbindung mit § 2 lit. a des (Tiroler) Landesbeamtengesetzes 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand zunächst in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis und steht seit dem 1. Jänner 1995 (seit 1. Jänner 1998 als Oberrat - Verwendungsgruppe A, Dienstklasse VII) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol. Er wird im Rahmen des Jugendwohlfahrtswesens in der Erziehungsberatung an der Erziehungsberatungsstelle Kitzbühel (in der Folge: X) verwendet (in der Beschwerde bezeichnet er sich als klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut).

Mit Erledigung vom 7. Juli 1992 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer (der damals noch Vertragsbediensteter war) unter Bezugnahme auf dessen Schreiben vom 15. Juni 1992 mit, dass die mit diesem Schreiben gemeldete Nebenbeschäftigung einer psychologischen und psychotherapeutischen Praxis für Erwachsene unter der Voraussetzung zustimmend zur Kenntnis genommen werde, dass in der Privatpraxis keine Familienangehörigen von in der Erziehungsberatung betreuten Personen, sowie überhaupt keine Personen, die über ihre Problematik (Erziehung) einen Bezug zur Erziehungsberatung haben könnten, behandelt würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - als Ergebnis eines Verwaltungsverfahrens, das den Akten zufolge im Juli 1998 eingesetzt hatte - gemäß § 56 Abs. 2 BDG 1979 in Verbindung mit § 2 lit. a des (Tiroler) Landesbeamtengesetzes 1998 festgestellt, dass die vom Beschwerdeführer gemeldete Nebenbeschäftigung des Betreibens einer psychotherapeutischen Praxis unzulässig sei.

Soweit für den Beschwerdefall erheblich, führte die belangte Behörde begründend aus, der Beschwerdeführer sei in der mit den Angelegenheiten des Jugendwohlfahrtswesens befassten Abteilung Vb des Amtes der Landesregierung tätig. Der Anlage zu einem näher bezeichneten Abteilungserlass (Anmerkung: der Aktenlage nach vom 26. Februar 1996) zufolge seien dem Beschwerdeführer folgende Aufgabenbereiche übertragen worden:

1.

Durchführung der Erziehungsberatung

2.

Tätigkeit des Psychologischen Dienstes (insbesondere psychologische Gutachten und Abklärungen) für die Bezirkshauptmannschaft X, Referat für Jugendwohlfahrt und

              3.              übertragene administrative Aufgaben (Fertigungsbefugnis nur soweit ausdrücklich mitübertragen).

Seit April 1998 sei der Beschwerdeführer auf Grund einer Verfügung des Vorstandes dieser Abteilung der Landesregierung (in der Folge kurz: Abteilungsvorstand) mit den Agenden des Psychologischen Dienstes nicht mehr befasst, seine dienstliche Tätigkeit bestehe seit diesem Zeitpunkt in der Durchführung der Erziehungsberatung an der Erziehungsberatungsstelle X.

Der Aufgabenbereich der Erziehungsberatung sei in einer Informationsbroschüre des Landes Tirol als Angebot zu "Information, Beratung und Therapie" beschrieben, wobei Problembereiche aufgezählt würden wie: "Lebensgemeinschaft, Besuchsregelung, Streit, Identität, Mutter, Vater, Sohn, Tochter, Großeltern, Partnerschaft, Missbrauch, Gewalt, Angst, Verunsicherung, Ungehorsam, Trennung, Scheidung, Schule, Sozialverhalten, Überforderung, Unsicherheit, Pflegekind, Aggressivität, Tod, Ängstlichkeit, Macht."

Im Rahmen der Vollziehung des Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetzes sei die Erziehungsberatung somit für die angesprochenen Problemsituationen unter der Voraussetzung zuständig, dass ein Bezug zu einer Minderjährigen vorliege. Klient der Erziehungsberatung könne nur sein, wer ein minderjähriges Kind habe.

Mit Schreiben vom 21. Juli 1998 habe der Abteilungsvorstand unter Beifügung eines Aktenvermerkes des Geschäftsführers der Erziehungsberatung vom 20. Juli 1998 der Präsidialabteilung I zur Kenntnis gebracht, dass der Beschwerdeführer in der Lokalpresse des Bezirkes X private Seminare anbiete; beigefügt gewesen sei die Kopie einer näher bezeichneten Seite einer bestimmten Zeitschrift, die folgende Einschaltung enthalte:

"Psychotherapeutische Selbsterfahrungsgruppe: Systemische Lösungen nach Bert Hellinger. Die systemische Psychotherapie Bert Hellingers geht über die innerpsychische Dynamik der persönlichen Lebensgeschichte hinaus und weist generationsübergreifend auf Schicksalsbindungen mit Früheren. Diese meist unbewussten Bindungen nehmen Einfluss auf das Gelingen unserer Beziehungen, unser Leben und Arbeit und kann zu (psychosomatischen) Krankheiten führen. Im Vordergrund des Seminares steht, was beim einzelnen Teilnehmer solche Bindungen heilend ordnet und löst. Das so genannte Familienstellen der Gegenwart- oder Herkunftsfamilie ist eine psychotherapeutische Methode, die tief in der Seele wirken und so einen fortdauernden Prozess in Bewegung setzen kann, der heilende Wirkung hat. Das Seminar findet vom 26. - 28. Juni (Freitag ab 17.00 Uhr - Sonntag, 13.00 Uhr) in Reith statt. Informationen und Anmeldung:(Beschwerdeführer) Telefon: (...), beschränkte Teilnehmerzahl."

Unter Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer in diesen Privatseminaren auch Teilnehmer betreue, die nach Art der Ausschreibung großteils potentielle Klienten der Erziehungsberatung sein müssten, bzw. eine Person in einem konkreten Fall tatsächlich Klient der Erziehungsberatung sei, sei die Frage der Überprüfung der Zulässigkeit dieser Nebenbeschäftigung an die Dienstbehörde herangetragen worden.

Als unbestrittener Sachverhalt (auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens) könne davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer eine psychotherapeutische Praxis (als klinischer Psychologe - Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Supervisor) an einem näher bezeichneten Standort betreibe. Der Umfang der Psychotherapie sei im § 1 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Psychotherapie (Psychotherapiegesetz) (Anm: BGBl. Nr. 361/1990) wie folgt geregelt:

"Die Ausübung der Psychotherapie im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewusste und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern."

Entsprechend dieser Definition sei die Abhaltung der angebotenen Seminare eindeutig der psychotherapeutischen Praxis des Beschwerdeführers zuzuordnen (wurde näher ausgeführt). In den Umfang der Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers sei daher die Abhaltung dieser Seminare - entsprechend seinen Angaben habe er gemeinsam mit einem Kollegen von Oktober 1997 bis Juni 1998 vier derartige Seminare abgehalten - mit einzubeziehen und könne daher nicht, wie er argumentiere, als losgelöst von seiner psychotherapeutischen Praxis gesehen werden.

Für die weiteren Überlegungen sei zunächst die rechtliche Bedeutung der Erledigung der Dienstbehörde vom 7. Juli 1992 abzuklären. Der Beschwerdeführer bezeichne diese Erledigung als "Nebenbeschäftigungsgenehmigung" und berufe sich auf deren Gültigkeit und Rechtskraft. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass dieser Erledigung, mit welcher die gemeldete Nebenbeschäftigung "zur Kenntnis genommen" worden sei, keinesfalls Bescheidcharakter zukomme. Der Beschwerdeführer stehe erst seit dem 1. Jänner 1995 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol, sodass allein schon deshalb die Erlassung eines Bescheides im Jahr 1992 rechtlich nicht möglich gewesen sei. Es ergebe sich daraus insbesondere keine Beschränkung der Dienstbehörde bei der Überprüfung der Tatbestandsmäßigkeit der Nebenbeschäftigung im jetzt gegebenen Umfang im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 in der Richtung, dass eine solche nur bei einer Änderung des bestehenden Sachverhaltes oder der Rechtslage zulässig wäre.

Gemäß § 56 Abs. 2 BDG 1979 dürfe der Beamte keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindere, die Vermutung einer Befangenheit hervorrufe oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährde. Vorliegendenfalls sei die Dienstbehörde zur Auffassung gelangt, dass die vom Beschwerdeführer ausgeübte Nebenbeschäftigung sowohl die Vermutung der Befangenheit hervorrufe als auch sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährde, wobei jeder dieser Tatbestände für sich allein die Untersagung der Nebenbeschäftigung rechtfertige.

Der Beschwerdeführer sei im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit mit Aufgaben befasst, deren erfolgreiche Erfüllung - verglichen mit anderen Bereichen der Verwaltung - in einem weitaus größeren Ausmaß abhängig vom Vertrauen der Allgemeinheit sei, und zwar vom Vertrauen darauf, dass ihnen (gemeint: den Personen, die diese "Allgemeinheit" repräsentieren) der Beschwerdeführer in einer Weise begegne, die nicht von außerdienstlichen, seiner Privatsphäre zugehörigen Interessen beeinflusst würde. Dies gelte sowohl für die von ihm tatsächlich betreuten als auch für potentiell zu betreuende Klienten (für diese im Hinblick auf ihre Bereitschaft, seine Tätigkeit als Erziehungsberater in Anspruch zu nehmen).

Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung sei verboten, wenn sie die Vermutung der Befangenheit des Beamten hervorrufe. Der Begriff der Befangenheit sei im § 47 BDG 1979 - ohne Beschränkung auf die Hoheitsverwaltung - definiert, sodass das Vorbringen des Beschwerdeführers, eine Befangenheit könne im Rahmen seiner nicht hoheitlichen Beratungstätigkeit nicht entstehen, verfehlt sei. Die Nebenbeschäftigung sei unzulässig, wenn ihre Ausübung wichtige Gründe vermuten lasse, die geeignet seien, die volle Unbefangenheit des Beamten in Zweifel zu setzen. Entscheidend sei somit, ob die Nebenbeschäftigung objektiv geeignet sei, eine Vermutung der Befangenheit hervorzurufen. Dabei genüge nach der Judikatur nicht schon eine "abstrakt-denkmögliche" Vermutung; diese müsse vielmehr "stichhaltig" sein und auf den "Erfahrungen des täglichen Lebens" aufbauen. Generell werde dabei auf das Bestehen einer "besonderen Nahebeziehung" zwischen den konkreten Dienstpflichten des Beamten und seiner Nebenbeschäftigung abgestellt, wobei eine solche jedoch nur dann unzulässig sei, wenn es "zwangsläufig und wiederholt" (im Original jeweils unter Anführungszeichen) zu Überschneidungen dieser Bereiche komme. Bei der Erfassung des relevanten Personenkreises sei - ausgehend vom sachlichen Aufgabengebiet sowie vom örtlichen Wirkungsbereich der Organisationseinheit, der der Beamte angehöre - auf den von seiner dienstlichen Tätigkeit berührten Personenkreis abzustellen, demnach auf den potentiellen Adressatenkreis seiner Amtstätigkeit. Dabei seien nicht nur die Aufgaben des ihm im fraglichen Zeitpunkt zugewiesenen Arbeitsplatzes, sondern alle Funktionen jener Dienststelle relevant, an welcher der Beamte ernannt sei und die ihm regelmäßig zugewiesen werden könnten. Lediglich die Möglichkeit zukünftiger Versetzungen und Dienstzuteilungen bleibe außer Betracht.

Vorliegendenfalls sei daher der Umfang des dienstlichen Aufgabenbereiches des Beschwerdeführers nicht eingeschränkt auf die Tätigkeit im Bereich der Erziehungsberatung zu sehen; er habe bis April 1998 auch die Aufgaben des Psychologischen Dienstes der BH X (Gutachtertätigkeit für das Jugendamt) wahrgenommen. Die Wiederbetrauung mit diesem Aufgabenbereich sei ohne Wechsel der Dienststelle lediglich auf Grund einer entsprechenden Verfügung des Abteilungsvorstandes möglich, sodass das dienstliche Aufgabengebiet des Beschwerdeführers im Sinne obiger Ausführungen auch den Psychologischen Dienst mitumfasse. Der örtliche Wirkungsbereich der Organisationseinheit, welcher der Beschwerdeführer zugeteilt sei, erstrecke sich auf den politischen Bezirk X, in dessen Sprengel sich auch die Psychotherapeutische Praxis des Beschwerdeführers befinde. Damit sei es nicht möglich, die Vermutung der Befangenheit auf Grund eines unterschiedlichen örtlichen Wirkungskreises von vornherein zu verneinen. Das Aufgabengebiet des Beschwerdeführers umfasse inhaltlich sowohl im dienstlichen Bereich als auch im Rahmen seiner Nebenbeschäftigung Beratungs- und Therapietätigkeit sowie Gutachtertätigkeit (siehe obige Ausführungen zur Miteinbeziehung des Psychologischen Dienstes) im psychischen Bereich. Das entscheidende Kriterium für die Zuständigkeit der Erziehungsberatung bzw. des Jugendamtes sei der "Kinderbezug"; Adressat der dienstlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers könne nur sein, wer ein minderjähriges Kind habe. Die angebotene Beratungs- und Therapieleistung der Praxis des Beschwerdeführers stehe hingegen jedermann grundsätzlich offen und schließe somit den Adressatenkreis der Erziehungsberatung mit ein. Ein klares Abgrenzungskriterium sei damit aber nicht gegeben. So sei bei Patienten der Praxis des Beschwerdeführers, insbesondere beim Teilnehmerkreis von Seminaren, eine Beurteilung der Frage, in wie weit ein Bezug zu seinem dienstlichen Aufgabenbereich gegeben sei, nicht von vornherein möglich. Darüber hinaus sei eine inhaltliche Trennung der "Zuständigkeiten" des Beschwerdeführers in vielen Fällen wohl als undurchführbar zu bezeichnen. So seien nach den Erfahrungen des täglichen Lebens insbesondere bei familiären Problemsituationen (Trennung, schwere Erkrankung, Tod) Abgrenzungsfragen im Sinne "inwieweit handelt es sich um ein persönliches Problem, um ein partnerschaftliches Problem, inwieweit sind Kinder betroffen" nicht klar zu beantworten, zumal es sich um Situationen und Problemkonstellationen handle, die im Zeitablauf nicht statisch blieben, sondern sich veränderten und zu nicht vorhersehbaren Entwicklungen führten. Partnerschaftliche Probleme, die zunächst im Vordergrund stünden und in der Psychoterapeutischen Praxis behandelt würden, könnten sich auch auf Kinder auswirken und somit die Zuständigkeit des Beschwerdeführers für seine Tätigkeit im Rahmen der Erziehungsberatung begründen. Eine klare Abgrenzung zwischen dienstlichem Aufgabenbereich und Nebenbeschäftigung fehle auch bei Sachverhalten, wenn Angehörige bzw. nahestehende Personen von Klienten der Erziehungsberatung bzw. von Beteiligten im Verfahren vor dem Jugendamt Patienten des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Praxis seien. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, "dass es zwischen dienstlicher Tätigkeit und Nebenbeschäftigung keine Überschneidungen, die gleichzeitig inhaltlich und personell sind, gibt", sei somit nicht richtig.

Derartige Überschneidungen begründeten eine Vermutung der Befangenheit, weil die Unvoreingenommenheit des Beschwerdeführers bei seiner dienstlichen Tätigkeit ein wesentliches Kriterium für die Qualität seiner dienstlichen Aufgabenerfüllung darstelle. Diese Unvoreingenommenheit bzw. gebotene Objektivität könne aber in Fällen, in welchen der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Nebenbeschäftigung Kontakt zu einem Klienten der Erziehungsberatung oder des Jugendamtes bzw. zu seinem Umfeld, seinen Angehörigen habe, nicht mehr gegeben sein. Dabei stelle sich sehr wohl auch das Problem der "Gleichbehandlung" von Personen, mit denen der Beschwerdeführer ausschließlich auf Grund seiner dienstlichen Tätigkeit Kontakt habe, und solchen, mit denen direkt oder indirekt auch Kontakt über die Privatpraxis bestehe. Auch im Rahmen einer Beratungstätigkeit sei - entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers - eine Bevorzugung bzw. Benachteiligung nicht "von vornherein praktisch unvorstellbar".

Da sich der dienstliche Aufgabenbereich des Beschwerdeführers aber nicht ausschließlich auf Beratungstätigkeit beschränke, sondern auch, wie ausgeführt, Gutachtertätigkeit umfasse, sei als weiterer, nicht "abstrakt-denkmöglicher", sondern durchaus im täglichen Leben wahrscheinlicher Sachverhalt zu berücksichtigen, dass er im Rahmen seiner Praxis Dienstleistungen an Personen erbringe, denen er in einem Verfahren vor dem Jugendamt als Gutachter "gegenübersteht". Auch ein solcher Fall sei geeignet, Zweifel an seiner Objektivität in seinem dienstlichen Aufgabenbereich zu begründen.

Die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers sei daher allein schon aus dem Grund der Vermutung der Befangenheit unzulässig. Nach Ansicht der Dienstbehörde sei jedoch weiters der Verbotsgrund der "Gefährdung sonstiger wesentlicher dienstlicher Interessen" gegeben. Wie bereits ausgeführt, sei vorliegendenfalls das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgabenerfüllung gemäß § 42 Abs. 2 BDG 1979 ein im besonderen Maß entscheidender Faktor. Das Interesse des Dienstgebers liege darin, dass durch die Ausübung der Nebenbeschäftigung dieses Vertrauen nicht gefährdet werde. So solle vermieden werden, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehe, der Beschwerdeführer betreibe eine Nebenbeschäftigung, deren potentieller "Kundenkreis" auch aus seiner dienstlichen Tätigkeit stamme. Denn damit sei diese dienstliche Tätigkeit unzulässigerweise nicht frei von privaten finanziellen Interessen.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend das öffentliche Interesse an der Ausübung seiner Nebenbeschäftigung sei festzuhalten, dass es vorrangig Aufgabe des Beamten sei, bei einer allfälligen Nebenbeschäftigung eine mögliche Beeinträchtigung des Dienstes zu vermeiden. Der Beamte habe andere Interessen als jene des Dienstes den dienstlichen Interessen unterzuordnen. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers sei nicht davon abhängig, wie viele vergleichbare Einrichtungen im örtlichen Nahebereich seiner Praxis existierten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert eine Äußerung zur Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 lit. a Z. 1 des (Tiroler) Landesbeamtengesetzes 1998, LGBl. Nr. 65 (Wiederverlautbarung), ist das BDG 1979, BGBl. Nr. 333 mit bestimmten, im Beschwerdefall nicht maßgeblichen Abweichungen anzuwenden.

Nach § 56 Abs. 1 BDG 1979 ist Nebenbeschäftigung jede Beschäftigung, die der Beamte ausserhalb seines Dienstverhältnisses und einer allfälligen Nebentätigkeit ausübt.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung darf der Beamte keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung einer Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet.

Vorliegendenfalls liegt unbestritten eine Nebenbeschäftigung im Sinne des Abs. 1 leg. cit. vor; strittig ist, ob sie im Sinne des Abs. 2 zulässig oder unzulässig ist.

Diesbezüglich ist dem Beschwerdeführer zunächst (sollten seine Ausführungen dahin zu verstehen sein) Folgendes entgegenzuhalten:

Ginge man davon aus, dass die von ihm ausgeübte Nebenbeschäftigung unzulässig im Sinne des Abs. 2 leg. cit. ist, wäre sie nicht dennoch deshalb zulässig, weil ansonsten (also ohne Ausübung dieser Nebenbeschäftigung) ein Defizit an einer entsprechenden "medizinischen Versorgung" der Bevölkerung bestünde. Aus diesem Blickwinkel ist daher auf seine diesbezügliche Argumentation, an einer entsprechenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung bestehe ein öffentliches Interesse, vorliegendenfalls nicht weiter Bedacht zu nehmen. Da auf die Ausübung oder auch Fortsetzung einer im Sinne des Abs. 2 leg. cit. unzulässigen Nebenbeschäftigung kein Anspruch besteht (ist diese doch unzulässig), kann sich der Beschwerdeführer auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Einstellung dieser Nebenbeschäftigung, geht man von ihrer Unzulässigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle aus, für ihn mit finanziellen Nachteilen verbunden wäre, aber auch für seine dienstliche Tätigkeit infolge Verlustes eines Erfahrungszugewinnes aus dieser Tätigkeit nachteilig wäre.

Irrelevant im Beschwerdefall ist auch, ob etwa bei anderen Beamten im Wirkungsbereich der belangten Behörde eine in rechtlicher Hinsicht vergleichbare Sachlage gegeben ist oder nicht, weil es im Beschwerdefall nur darauf ankommt, ob die belangte Behörde zu Recht oder zu Unrecht von der Unzulässigkeit der vom Beschwerdeführer ausgeübten Nebenbeschäftigung ausgegangen ist (dies unbeschadet einer Verpflichtung der Dienstbehörde, in Wahrnehmung der ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben gegebenenfalls entsprechende Schritte bei anderen Personen zu setzen, was aber für den Beschwerdefall nicht von Bedeutung ist).

Als Voraussetzung für die Unzulässigkeit einer Nebenbeschäftigung wegen Vermutung der Befangenheit ist insbesondere wesentlich,

              1.              ob die erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung unmittelbar im dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten ausgeübt werden soll bzw.

              2.              ob bei einer solchen Nebenbeschäftigung zwangsläufig ein Kontakt mit Personen gegeben ist, gegenüber denen auch ein dienstliches Einschreiten des Beamten häufig notwendig sein kann bzw.

              3.              ob der finanzielle Erfolg der Nebenbeschäftigung von den Personen abhängig ist, gegenüber denen der Beamte dienstlich tätig zu werden hat.

Die Vermutung der Befangenheit im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 darf also nicht eine bloß abstrakt-denkmögliche sein, um die Unzulässigkeit einer Nebenbeschäftigung zu begründen, sondern muss vielmehr stichhaltig und auf den Erfahrungen des täglichen Lebens aufbauend begründet werden. Es ist aber nicht notwendig, dass dadurch bei den dienstlichen Verrichtungen des Beamten tatsächlich eine Befangenheit hervorgerufen wird. Es muss nur die Gefahr der Befangenheit hinlänglich konkret sein (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1996, Zl. 93/12/0260 = Slg. 14413/A, mwN). Die vorliegendenfalls ausgesprochene Feststellung der Unzulässigkeit einer Nebenbeschäftigung ist nach § 56 Abs. 2 BDG 1979 daher nur dann gerechtfertigt, wenn auf Grund der Ausübung der Nebenbeschäftigung eine der dort genannten Beeinträchtigungen des Dienstes folgt bzw. konkret zu befürchten ist. Um dies beurteilen zu können, müssen die den Beamten treffenden Dienstpflichten auf seinem Arbeitsplatz, als Angehöriger einer Dienststelle bzw. in seinem dienstlichen Umfeld dargestellt und die Dienstbezogenheit der Ausübung der Nebenbeschäftigung im Sinne der Tatbestände der genannten Norm konkret dargelegt werden (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1994, Zl. 93/12/0092).

Der Begriff "Vermutung der Befangenheit" darf andererseits nicht soweit gefasst werden, dass nicht nur annähernd jede erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung, sondern überhaupt jede Nebenbeschäftigung, die in Kontakt mit anderen Menschen besteht, als unzulässig anzusehen wäre (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, Zl. 92/12/0254).

Der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass es in Bezug auf den dienstlichen Aufgabenbereich des Beschwerdeführers einerseits und seiner Nebenbeschäftigung andererseits im Hinblick auf den betroffenen Personenkreis "zwangsläufig und wiederholt" (im Original unter Anführungszeichen) zu Überschneidungen komme. Der Beschwerdeführer bekämpft diese Auffassung, wobei seiner Argumentation Berechtigung nicht von vornherein abgesprochen werden kann:

Die belangte Behörde geht davon aus, dass beim dienstlichen Aufgabenbereich des Beschwerdeführers auch auf die von ihm bis April 1998 wahrgenommenen Aufgaben des Psychologischen Dienstes der BH X (Gutachtertätigkeit für das Jugendamt) Bedacht zu nehmen sei, weil die Wiederbetrauung mit diesem Aufgabenbereich ohne Wechsel der Dienststelle lediglich auf Grund einer entsprechenden Verfügung des Abteilungsvorstandes möglich sei. Zutreffend macht der Beschwerdeführer geltend, dass diese Annahme nicht ausreichend begründet wurde. Es ist zwar richtig, dass bei Vorliegen eines in einem rechtsstaatlichen Verfahren dargelegten wichtigen dienstlichen Interesses nahezu jede Versetzung oder Verwendungsänderung rechtlich zulässig ist (siehe dazu die näheren Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 95/12/0163, betreffend einen Tiroler Landesbeamten). Im Sinne des zuvor Gesagten reicht aber die bloß hypothetische Möglichkeit einer Wiederbetrauung des Beschwerdeführers mit diesen Aufgaben (Gutachtertätigkeit) nicht aus. Inwieweit diese Wiederbetrauung aber konkret zu erwarten ist, hat die belangte Behörde nicht dargelegt, sodass insofern ein wesentlicher Begründungsmangel vorliegt und die diesbezügliche Argumentation der belangten Behörde (Unzulässigkeit der Nebenbeschäftigung unter Bedachtnahme auch auf die Aufgaben des psychologischen Dienstes) nicht tragfähig ist.

Was nun die dienstliche Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Erziehungsberatung einerseits und seiner Nebenbeschäftigung andererseits anlangt, ist den Feststellungen der belangten Behörde nicht zu entnehmen, dass diese beiden Tätigkeiten von ihrer Zielsetzung und ihrem Wesen her grundsätzlich im Sinne einer Befangenheit unvereinbar wären.

Die belangte Behörde schneidet aber in diesem Zusammenhang (angenommene Verflechtung der Nebenbeschäftigung mit der dienstlichen Tätigkeit in der Erziehungsberatung) die Problematik einer möglichen Unvoreingenommenheit, einer Bevorzugung oder Benachteiligung von Klienten , aber auch möglicher privater finanzieller Interessen an (wobei zu überlegen wäre, ob diese Argumentation nicht auch - vor allem in quantitativer Hinsicht - auf Ärzte im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (beispielsweise Spitalsärzte), die zusätzlich eine Privatordination betreiben, zutreffen könnte). Diese Problematik wäre im Beschwerdefall aber nicht generell-abstrakt, sondern auf Grundlage der konkreten Umstände des Beschwerdefalles zu behandeln gewesen. Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass ihrer Erledigung vom 7. Juli 1992, mit welcher die Bekanntgabe der Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers mit bestimmten Maßgaben zur Kenntnis genommen wurde, keine normative Wirkung (insbesondere im Sinne einer rechtlichen Bindungswirkung) zukommt, was der Beschwerdeführer auch nicht mehr behauptet. Der dieser Erledigung immanente Gedanke, mit den darin genannten Voraussetzungen (Bedingungen) einer Verflechtung des dienstlichen mit dem privaten Tätigkeitsbereich vorzubeugen, kann aber auch im Beschwerdefall nutzbar gemacht werden. Der Beschwerdeführer behauptet, dass er seine Nebenbeschäftigung ohnedies nur in diesem Rahmen, wie von der Erledigung vom 7. Juli 1996 abgesteckt, ausübe. Geht man von einer solcherart in ihrem Umfang eingeschränkten Nebenbeschäftigung und einer entsprechenden Sorgfalt des Beschwerdeführers bei der Auswahl dieser Klienten im privaten Bereich aus, hat die belangte Behörde nicht ausreichend dargetan, dass auch diesfalls "zwangsläufig und wiederholt" (wie die Behörde sagt) mit den von ihr angenommenen, unzulässigen Überschneidungen der beiden Bereiche zu rechnen wäre, näherhin, dass auch solcherart "sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet" oder - ausreichend konkret - eine Befangenheit des Beschwerdeführers in Bezug auf die ihm dienstlich obliegende Beratungstätigkeit zu vermuten wäre, zumal der Beschwerdeführer seine Nebenbeschäftigung offenbar bereits seit 1992 ausübt, die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (aber) nur einen Fall einer solchen von ihr angenommenen Überschneidung nennt (und dies im Zusammenhang mit den Seminaren und ohne sich näher mit der entsprechenden Argumentation des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen). Jedenfalls wurde nicht ausreichend dargetan, dass die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers - wie es Gegenstand des Spruches des angefochtenen Bescheides ist - in ihrem gesamten Umfang als unzulässig anzusehen wäre.

Zusammengefasst belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf Grund der aufgezeigten Begründungsmängel mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da nach den Umständen des Falles die unaufgefordert erstattete Äußerung zur Gegenschrift nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich erscheint, war diesbezüglich kein Stempelgebührenersatz zuzuerkennen.

Wien, am 27. Oktober 1999

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999120173.X00

Im RIS seit

15.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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