TE Bvwg Beschluss 2018/7/11 L516 1411346-3

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Veröffentlicht am 11.07.2018
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Entscheidungsdatum

11.07.2018

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L516 1411346-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA Pakistan, vertreten durch Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2016, XXXX, beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 15.06.2009 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 31.01.2013, Zahl E10 411346-1/2010/25E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; des Weiteren wurde der Beschwerdeführer nach Pakistan ausgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs mit Zustellung an den Beschwerdeführer am 08.02.2013 in Rechtskraft.

2. Der Beschwerdeführer, stellte am 26.11.2013 den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 11.12.2013 vor dem Bundesasylamt (BAA) und am 03.02.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

3. Am 11.02.2014 wurde das Verfahren zugelassen (AS 171).

4. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 04.02.2016 den Antrag gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Eine Rückkehrentscheidung wurde damit nicht verbunden. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

5. Die Rechtsmittelfrist wurde in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides mit "1 Woche" angegeben.

6. Ein erster Zustellversuch am 10.02.2016 verlief erfolglos. Der Bescheid wurde in der Folge beim Zustellpostamt hinterlegt; der Beginn der Abholfrist wurde mit 11.02.2016 festgelegt.

7. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid des BFA am 24.02.2016 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten. Gleichzeitig stellte er "sicherheitshalber" einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

8. Am 07.03.2016 langte die vom BFA übermittelte Beschwerde zusammen mit dem Verwaltungsverfahrensakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9. Das Bundesverwaltungsgericht leitete am 09.03.2016 den Verwaltungsverfahrensakt unter Verweis auf den nicht erledigten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an das BFA gem § 6 AVG zurück.

10. Das BFA gab dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 24.02.2016 mit Bescheid vom 22.02.2018 statt und legte am 27.03.2018 die Beschwerde vom 24.02.2016 zusammen mit dem Verwaltungsverfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.06.2009 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 31.01.2013, Zahl E10 411346-1/2010/25E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; des Weiteren wurde der Beschwerdeführer nach Pakistan ausgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs mit Zustellung an den Beschwerdeführer am 08.02.2013 in Rechtskraft.

1.2. Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag vom 15.06.2009 zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass jemand in seinem Dorf getötet worden sei und zwei Onkel und ein Großvater des Beschwerdeführers dieses Mordes beschuldigt worden seien. Von der obersten Instanz seien sie verurteilt und inhaftiert worden. Alle Nachkommen würden von den Angehörigen des Opfers verfolgt werden. Der Beschwerdeführer sei gesucht worden und es sei das Feuer auf ihn eröffnet worden. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Dokumenten vor, die echt seien und seine Fluchtgeschichte bestätigen würden. Das BAA führte in seinem Bescheid aus, dass der Beschwerdeführer ausschließlich eine Verfolgung durch von seinen Familienangehörigen geschädigte Dritte vorgebracht habe, welche er weder untermauern noch sonst schlüssig nachvollziehbar darlegen habe können. Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens liege keine systematische Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung vor. Der Asylgerichtshof stellte die Verurteilungen zweier Onkel und eines Großvaters des Beschwerdeführers aufgrund der vorgelegten Dokumente nicht in Abrede und stimmte dem BAA darin zu, dass der Beschwerdeführer von den von ihm geäußerten Umständen nicht betroffen gewesen sei und ihm darüber hinaus eine innerstaatliche Fluchtalternative offen gestanden sei. Er ging weiters davon aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege sowie eine Ausweisung des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle.

1.3. Zum verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag vom 26.11.2013 führte der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung am 26.11.2013 aus, er habe neue Gründe. Sein Familienhaus in seinem Dorf sei ungefähr zwei Monate zuvor durch die Feinde attackiert worden. Es sei auf sein Haus geschossen worden. Die Feinde seien sehr wohlhabende, einflussreiche Leute. Seine Familie sei auch bei der Polizei gewesen, die jedoch nichts gegen sie unternommen habe. Dies habe wieder angefangen, da zwei der Onkel des Beschwerdeführers freigelassen worden seien; diese seien in Haft gewesen und der Oberste Gerichtshof habe sie freigesprochen. Seitdem hätten die Schikanen wieder angefangen. Diese Änderungen seien ihm seit zwei Monaten bekannt. Er stelle erst jetzt diesen neuen Antrag, da er zuletzt bei der Polizei angehalten worden sei und erfahren habe, dass sein Asylverfahren bereits abgeschlossen sei. Er habe danach seinen Anwalt konsultiert, der gemeint habe, ihm nicht helfen zu können, weshalb der Beschwerdeführer nun hier sei (AS 15).

Bei seiner Einvernahme am 11.12.2013 brachte der Beschwerdeführer insbesondere vor, dass der Fall, den er nochmals vorlegen habe wollen, bereits abgeschlossen sei. Die Personen, die das damalige Verfahren betroffen hatte, seien jetzt wieder frei und hätten das Haus der Familie des Beschwerdeführers attackiert. Deshalb sei der Beschwerdeführer jetzt wieder in Gefahr in Pakistan (AS 116).

Bei der Einvernahme am 03.02.2016 führte er aus, dass es sich bei seinem Fluchtgrund um das gleiche Problem wie beim ersten Asylantrag handle. Seine Onkel, die fälschlicher Weise in Haft gewesen seien, seien nunmehr vom Gericht freigesprochen worden. Es gebe nun noch eine viel größere Gefahr von den Feinden der Familie. Beim Erstantrag seien die Onkel noch in Haft gewesen (AS 195, 197).

1.4. Das BFA traf im angefochtenen Bescheid die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Asylverfahren keine weiteren asylrelevanten Gründe oder einen neu entstandenen Sachverhalt vorgebracht habe (Bescheid S 10). Die Beweiswürdigung des BFA betreffend die Feststellungen zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz gestaltet sich wie folgt (Bescheid S 11f):

"Dem Asylwerber steht die Einvernahme als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Die erkennende Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber gleich bleibende, substantiierte Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und mit den Tatsachen oder allgemeinen Erfahrungen übereinstimmen.

Sie haben im gegenständlichen Verfahren hinsichtlich Ihrer Fluchtgründe und Ihrer Rückkehrbefürchtungen keinen Sachverhalt vorgebracht, welcher nach rechtskräftigem Abschluss Ihres Erstverfahrens neu entstanden ist.

Zusammengefasst haben Sie lediglich angegeben, in Österreich bleiben zu wollen, da Ihre Onkel aus der Haft entlassen worden wären und Ihr Fluchtvorbringen immer noch aufrecht sei.

Der Vollständigkeit halber wäre noch anzugeben, dass Sie Ihr gegenständlich laufendes Asylverfahren lediglich einbrachten, da Sie zuletzt von der Polizei angehalten wurden und erfahren hätten, dass Ihr erstes Asylverfahren bereits abgeschlossen ist. Danach haben Sie Ihren Anwalt konsultiert. Der Anwalt hätte gemeint, dass er Ihnen nicht helfen könne und deshalb würden Sie jetzt einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellen.

Beweismittel für Ihre Vorbringen - sowohl was die Person, als auch, was die Fluchtgründe betrifft - haben Sie nicht in Vorlage gebracht. Und auch aus Ihrer pauschalen Behauptung, Probleme mit einer Gruppierung zu haben, lässt keine gegen Sie gerichtete Verfolgungshandlung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (oder Gefahr einer solchen) ableiten."

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie zu den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften und dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Stattgabe der Beschwerde gemäß § 28 Abs 3 VwGVG und Behebung des bekämpften Bescheides

§ 68 AVG

3.1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Allgemein zur entschiedenen Sache gem § 68 Abs 1 AVG

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

§ 28 Abs 3 VwGVG

3.3. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.4. Zum gegenständlichen Verfahren

3.4.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen unter Beachtung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

3.4.2. Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.01.2013, Zahl E10 411346-1/2010/25E, welches mit 08.02.2013 in Rechtskraft erwuchs.

3.4.3. Soweit der Beschwerdeführer fallbezogen den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrages auf internationalen Schutz damit begründete, dass es sich bei seinem Fluchtgrund um das gleiche Problem wie beim ersten Asylantrag handle (AS 195, vgl oben II.1.3), handelt es sich bei dem diesbezüglichen Vorbringen zunächst jedenfalls um Tatsachen, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben und damit nicht zu einer neuen Sachentscheidung führen können (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089).

3.4.4. Der Beschwerdeführer brachte jedoch darüber hinaus im Verfahren vor dem BFA neu auch Geschehnisse vor, die sich zeitlich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens (08.02.2013) ereignet haben sollen. So gab dieser in der Erstbefragung zum gegenständlichen zweiten Antrag am 26.11.2013 an, dass etwa zwei Monate davor - somit knapp acht Monate nach Rechtskraft der Entscheidung hinsichtlich des ersten Antrages - das Familienhaus in seinem Dorf durch die Feinde attackiert worden sei. Seine Familie sei auch bei der Polizei gewesen, die jedoch nichts gegen die Feinde unternommen habe. Dies habe wieder angefangen, da zwei der Onkel des Beschwerdeführers freigelassen worden seien; jene seien in Haft gewesen und der Oberste Gerichtshof habe sie freigesprochen. Seitdem hätten die Schikanen wieder angefangen. Die Personen, die das damalige Verfahren betroffen hatte, seien jetzt wieder frei und hätten das Haus der Familie des Beschwerdeführers attackiert. Deshalb sei der Beschwerdeführer jetzt wieder in Gefahr in Pakistan. Seine Onkel, die fälschlicher Weise in Haft gewesen seien, seien nunmehr vom Gericht freigesprochen worden. Es gebe nun noch eine viel größere Gefahr von den Feinden der Familie. Beim Erstantrag seien die Onkel noch in Haft gewesen (AS 15, 116, 195, 197). Der Beschwerdeführer hat mit diesen Ausführungen jedenfalls ein neues Vorbringen erstattet.

3.4.5. Damit erweisen sich die Feststellungen und beweiswürdigenden Ausführungen des BFA zur Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach der Beschwerdeführer keinen neu entstandenen Sachverhalt vorgebracht habe (Bescheid S 10, 11, vgl oben II.1.4.), als unrichtig. Das BFA unterließ vielmehr eine individuelle beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem konkreten neuen Vorbringen. Dieses neue Vorbringen wäre vom BFA im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daraufhin zu überprüfen gewesen, ob dieses einen "glaubhaften Kern" aufweise oder nicht. Dass das neue Vorbringen dabei in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich (vgl VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

3.4.6. Im Ergebnis wurde eine - ordnungsgemäße - Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren auf das Vorliegen eines "glaubhaften Kerns" vom BFA unterlassen und dem Bundesverwaltungsgericht ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erlaubt, diesen Mangel selbst zu beheben (vgl VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

3.4.7. Der Beschwerde ist daher - im gegenständlich zugelassenem Verfahren - gemäß § 28 Abs 3 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid ist aufzuheben.

3.4.8. Im fortgesetzten Verfahren wird daher das BFA jedenfalls den Beschwerdeführer selbst im Rahmen einer neuerlichen Einvernahme noch einmal zu befragen haben. In weiterer Folge wird das BFA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen und individuellen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, wobei die vom Beschwerdeführer dabei vorgebrachten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, vom BFA individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen sein werden, ob diese einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.5. Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

Revision

3.6. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.7. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht, geänderte Verhältnisse,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Verfahrensführung,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.1411346.3.00

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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